Begründung Beschwerde OVG BB

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RAe Beiler Karl Platzbecker & Partner, Palmaille 96, 22767 Hamburg                                                                Rechtsanwalt Sebastian Sudrow Per beA                                                                                                                             Palmaille 96 22767 Hamburg Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg                                                                  Telefon +49 (0)40 18 18 98 0 -0 Hardenbergstr. 31                                                                                          Telefax +49 (0)40 18 18 98 099 E-Mail sudrow@bkp-kanzlei.de 10623 Berlin www.bkp-kanzlei.de HAMBURG 1 Harald Beiler Jan Clasen 2 Reinher Karl Arne Platzbecker 3 Steffen Sauter 45 Sebastian Sudrow BERLIN Jan Simon Hamburg, 20.07.2022                                                                                                                 Heiko Wiese Unser Zeichen: 22-22-0233                                                                                                               WISMAR Az: OVG 6 S 37/22 (zuvor VG Berlin: VG 27 L 68/22)                                                                               Hendrik Prahl 5 Roland Kuhn In dem einstweiligen Anordnungsverfahren Arne Semsrott ./. Bundesrepublik Deutschland nehmen wir Bezug auf unsere Beschwerde vom 27.06.2022, die wir nachfolgend begrün- den. Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantragen wir, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21.06.2022 Az: VG 27 L 68/22 der Dringlichkeit wegen ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Erlass der folgenden einstweiligen Anordnung: Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft auf die folgenden Fragen zu erteilen: 1. Welche Gesprächstermine (Datum und Gesprächspartner) hat das Büro des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder für Herrn Schröder in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 vereinbart? 2. Bei welchen der im Antrag zu 1) bezeichneten Termine ist das Thema des Termins bekannt? 3. Welche der im Antrag zu 1) bezeichneten Termine standen oder stehen in einem Zusammenhang mit Energiepolitik oder den Unternehmen Gazprom, Nord Stream 2 oder Rosneft? Begründung Bankverbindung: DKB | IBAN DE79 1203 0000 1005 0836 11 | SWIFT BIC: BYLADEM1001 Partnerschaftsgesellschaft | AG Hamburg | PR 596 Standorte: Palmaille 96, 22767 Hamburg | Kantstraße 150, 10623 Berlin | Schweriner Straße 5, 23970 Wismar Fachanwalt für: 1 Arbeitsrecht | 2 Urheber- und Medienrecht | 3 gewerblichen Rechtsschutz | 4 IT-Recht | 5 angestellter Rechtsanwalt
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-2- Der Antragsteller und hiesige Beschwerdeführer begehrt im Wege einer einstweiligen Anord- nung Auskunft über die Termine des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder, die von dessen Büro in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 vereinbart worden sind. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 21.06.2022, die wir in der Anlage überreichen, hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewie- sen. Das VG Berlin ist zunächst der Auffassung, es liege hinsichtlich des Antrags zu 3) eine Antragserweiterung vor. Bei dem erst mit Schriftsatz vom 22. April 2022 aufgenommenen Passus „oder stehen“ handele es sich nicht um eine bloße Klarstellung. Die Antragserweite- rung sei zulässig, da sich die Antragsgegnerin darauf eingelassen habe. Ob der Antrag als solcher - insbesondere in Bezug auf den oben genannten Passus - zulässig sei, könne im Übrigen dahinstehen, da er jedenfalls unbegründet sei. Zur Begründung führt das Gericht an, dass der Anordnungsanspruch nicht mit der für die begehrte Vorwegnahme der Haupt- sache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht worden sei. Der Antrag- steller sei nicht i.S.d. geltend gemachten verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Aus- kunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als Pressevertreter zu werten. Vertreter der Presse sei demnach nur, wer bezüglich der Publikation eines Druckerzeugnisses tätig sei. Der Antragsteller habe nicht ausdrücklich behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass er für ein Druckerzeugnis tätig sei. Er habe vorgebracht, für die Transparenz- und In- vestigativ-Plattform FragDenStaat, im Internet abrufbar unter www.fragdenstaat.de, als Pro- jektleiter und Chefredakteur zu arbeiten, dort weitere hauptamtliche Journalist:innen zu be- schäftigen und journalistisch-redaktionell geführte und aufbereitete Recherchen dort zu pub- lizieren. Der von ihm vorgelegte Presseausweis belege unter diesen Umständen nichts, zu- mal der Erhalt eines Presseausweises keine Tätigkeit für ein Druckerzeugnis voraus- setze. Dass sich ein Anspruch aus anderen Rechtsgrundlagen ergebe, könne im Eilverfah- ren nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlagen aus §§ 5, 18 Abs. 2 und 4 Medienstaatsvertrag bestünden erhebliche Zweifel an deren Anwend- barkeit für Bundesbehörden. Die Klärung der Frage, ob Telemedien mit journalistisch-redak- tionell gestalteten Angeboten ein unmittelbarer, aus dem in Art. 5 Abs. 1 S. 2 gewährleisteten Grundrecht der Rundfunkfreiheit folgender Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden zustehe, erfordere nach der Rechtsprechung des erkennenden Beschwerdegerichts eine eingehende rechtliche Würdigung, die einem Hauptsacheverfahren vorbehalten sei. Die Entscheidung ist unzutreffend und im Sinne des vorstehenden Antrags abzuändern. A. Sachverhalt Die Sachverhaltsdarstellung des VG Berlin ist ergänzungs- bzw. korrekturbedürftig. I. Veröffentlichungen des Antragstellers sowohl in Online- als auch in Printmedien Der Antragsteller ist Projektleiter von FragDenStaat und vielfach ausgezeichneter Journa- list. Vom medium magazin ist der Antragsteller von einer Jury in der Kategorie Politik unter die zehn Journalist:innen des Jahres 2021 gewählt worden (medium magazin #6, 2021, An- lage ASt1). Er bekam in den Jahren 2015 und 2016 den Otto Brenner Preis für kritische Medienpublizistik, nahm für eine für Frontex-Recherche 2018 am Kartographen – Mercator Stipendienprogramm für JournalistInnen teil und war in den Jahren 2015 und 2019 für den Grimme Online Award nominiert. 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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-3- Der Antragsteller hat in der Vergangenheit diverse journalistische Artikel nicht nur in Online- , sondern auch in Printmedien veröffentlicht, unter anderem etwa: •   Le Monde Diplomatique: https://taz.de/Aus-Le-Monde-diplomatique/!5454209/ •   Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/aus-dem-ma- schinenraum/datenkapitalismus-gemeinden-sollen-buergerdaten-verkaufen- 15543381.html •   der Freitag: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ueberwachung-grassiert •   fluter: https://www.fluter.de/suche?author=Arne%20Semsrott •   taz & Correctiv: https://correctiv.org/in-eigener-sache/2015/09/16/diener-zweier-her- ren/ •   netzpolitik.org: https://netzpolitik.org/author/arne/ •   c‘t: https://www.heise.de/select/ct/2019/2/1546861022043526 •   Correctiv: https://correctiv.org/top-stories/2019/08/04/frontex-transparenz/ •   Buzzfeed News: https://www.buzzfeed.com/de/arnesemsrott •   Übermedien: https://uebermedien.de/48016/veroeffentlicht-die-dokumente/ •   Atlas der Globalisierung: https://monde-diplomatique.de/media/pdf/In- halt_12437.pdf •   Grundrechtereport 2020: http://www.grundrechte-report.de/2020/inhalt/ •   Otto-Brenner-Stiftung: https://www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/in- formationsseiten-zu-studien/politische-bildung-von-rechtsaussen/ Der Antragsteller wurde unter anderem in den Entscheidungen BVerwG, Urteil vom 13.10.2020, 10 C 23.19; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 06.07.2020, 2 ME 246/20; VG Berlin, 2 K 26.19 ausdrücklich in den Tatsachenfeststellungen als Journalist bezeichnet. Zudem wurden dem Antragsteller vom VG Berlin in der Vergangenheit bereits in seiner Funk- tion als Pressevertreter presserechtliche Auskunftsansprüche zugesprochen (VG Berlin, Be- schl. v. 14. September 2021, VG 2 L 216/21). Gleiches gilt für die weiteren bei FragDenStaat tätigen Journalist:innen (vgl. zuletzt etwa OLG Rostock, Beschl. v. 11. Juli 2022 - 6 U 19/22). II. Die journalistische Arbeit von FragDenStaat Bei dem Projekt FragDenStaat sind neben dem Antragsteller als Chefredakteur mit Frau Vera Deleja-Hotko und Herrn Aiko Kempen auch weitere Investigativ-Journalist:innen be- schäftigt, die als Recherchekollektiv mittels IFG- und Presseauskunftsersuchen eigene Re- cherchen vornehmen und deren Ergebnisse auf FragDenStaat unter https://fragden- staat.de/blog/ veröffentlichen. Es handelt sich dabei um ein journalistisch-redaktionell betrie- benes Telemedienangebot. Beispielhaft verweisen wir auf die nachfolgende Auswahl aktu- eller Texte des Rechercheteams: •   https://fragdenstaat.de/blog/2022/05/05/kenfo-divest-oel-gas-russland-investitio- nen/ •   https://fragdenstaat.de/blog/2022/03/10/vg-berlin-gesetzentwurf-europawahl/ •   https://fragdenstaat.de/blog/2022/03/03/schwangerschaftsabbruche-versorgung-da- ten/ •   https://fragdenstaat.de/blog/2022/02/24/erasmus-stiftung-eu-kommission-marken- recht/ 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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-4- •   https://fragdenstaat.de/blog/2021/11/15/afghanistan-lagebericht-2021/ •   https://fragdenstaat.de/dossier/desiderius-erasmus-stiftung/ Darüber hinaus erfolgen journalistische Recherchen und Veröffentlichungen von FragDen- Staat oft in Kooperation mit anderen etablierten Medienunternehmen, wie den Printhäusern taz, Die Zeit, Süddeutsche Zeitung und Der Spiegel, den Fernsehformaten ZDF Magazin Royale, ARD Kontraste, WDR, sowie den Internetmedien Buzzfeed News und Correctiv. Die Kooperationen laufen in der Regel so ab, dass gemeinsam beziehungsweise zunächst über FragDenStaat recherchiert wird und die Ergebnisse der Recherchen dann gemeinsam aus- gewertet und zeitgleich sowohl auf FragDenStaat als auch beim jeweiligen Kooperations- partner veröffentlicht werden. Beispielhaft sei hier auf folgende kooperative Veröffentlichun- gen aus dem vergangenen Jahr hingewiesen: •   Artikel vom 15. Juni 2021: Bundeszentrale für politische Bildung: Demontage in 6 Schritten, Kooperation mit Taz, Die Tageszeitung von Arne Semsrott •   Artikel vom 16. Juli 2021: Bloß nicht „Nazi“ sagen: Mecklenburg-Vorpommern er- fand „Deutschfeindlichkeit“, Kooperation mit Nordkurier von Vera Deleja-Hotko •   Artikel vom 19. Juli 2021: Anschlag von Halle: interner Polzeibericht zeigt fehlende Opferbetreung, Kooperation mit Taz, Die Tageszeitung von Vera Deleja-Hotko •   Artikel vom 8. Oktober 2021: Desiderius Erasmus Stiftung: politische Bildung von Rechtsaußen, Kooperation mit ZDF Magazin Royale von Arne Semsrott •   Artikel vom 14. Oktober 2021: „Berliner Erpressung“: Die Visa Strategie des Aus- wärtigen Amts, Kooperation mit Buzzfeed und RBB Kontraste von Vera Deleja- Hotko und Stefan Wehrmeyer •   Artikel vom 22. Oktober 2021: Flüchtende hinter Stacheldraht: Wie die EU den Bau von Lagern unterstützt, Kooperation mit ZDF Magazin Royale von Vera Deleja- Hotko •   Artikel vom 3. Dezember 2021: Fahren von Fahrschein: Wie der Staat Menschen ohne Geld einsperrt, Kooperation mit ZDF Magazin Royale von Vera Deleja-Hotko •   Artikel vom 11. Februar 2022: Transfeindlichkeit im Bewerbungsverfahren der Bun- deswehr, Kooperation mit Taz von Vera Deleja-Hotko •   Artikel vom 24. Februar 2022: Rechte im Rechtsstreit: Wem gehört die Marke Eras- mus? Kooperation mit taz, Die Tageszeitung von Aiko Kempen •   Artikel vom 3. März 2022: Fehlende Versorgung für Schwangerschaftsabbrüche bundesweit, Kooperation mit Correctiv und diversen Correctiv-Lokalredaktionen von Arne Semsrott •   Artikel vom 22. März 2022: AfD-nahe Stiftung: Jetzt muss das Verfassungsgericht wieder ran, Kooperation mit taz, Die Tageszeitung von Aiko Kempen •   Artikel vom 23. März 2022: Umweltstiftung MV: Woher und wofür das Geld , Koope- ration mit T-Online von Vera Deleja-Hotko •   Artikel vom 20. April 2022: Nord Stream 2 und die Politik: „Entsprechender Kabi- nettsbeschluss wünschenswert“, Kooperation mit Die Zeit von Vera Deleja-Hotko •   Artikel vom 10. Mai 2022: Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität, Kooperation mit Der Freitag von Aiko Kempen •   Artikel vom 11. Mai 2022: Deutsche Welle verweigert Herausgabe von brisanten Dokumenten, Kooperation mit VICE von Aiko Kempen •   Artikel vom 12. Mai 2022: Cum-Ex-Skandal: Schützenhilfe für die Warburg-Bank? Kooperation mit WDR/Tagesschau.de von Arne Semsrott 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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-5- •   Artikel vom 16. Mai 2022: So viele Rechtsextreme werden in den Bundesländern gesucht, Kooperation mit Süddeutsche Zeitung von Aiko Kempen •   Artikel vom 21. Juni 2022: Wie unkritisch die Bundespolizei die rechte Vergangen- heit eines Polizeiprofessors, Kooperation mit Ippen Investigativ von Aiko Kempen III. FragDenStaat-Druckerzeugnis Rein vorsorglich teilen wir mit, dass es sich bei dem journalistisch-redaktionellen Angebot von FragDenStaat nicht mehr allein um ein Telemedium handelt, auf dem Recherchen online publiziert werden. Vielmehr ist inzwischen die erste Ausgabe der Printzeitung „fragdenstaat DE - DE steht für Druckerzeugnis“ erschienen, als deren Chefredakteur und Autor der An- tragsteller fungiert (Anlage ASt 8). Die Zeitung wird zukünftig in einem unregelmäßigen Tur- nus erscheinen und die wichtigsten Artikel und Beiträge von FragDenStaat bündeln und in gedruckter Fassung den Leser:innen bereitstellen. Die erste Ausgabe ist mit einer initialen Auflage von 2000 Stück gedruckt worden. Der Antragsteller hegt die Hoffnung, mit der Zei- tung neue Leserschichten zu erschließen. Da die im hiesigen Verfahren streitgegenständli- chen Informationen bedauerlicherweise nicht bis zum Redaktionsschluss der Erstausgabe vorlagen, konnte eine entsprechende journalistische Aufbereitung nicht mehr Eingang in die Erstausgabe der Zeitung finden. Der Antragsteller beabsichtigt jedoch parallel zur Inter- netveröffentlichung seiner Textbeiträge zu den Terminen aus dem Büro des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder eine Publikation in einer der folgenden Zeitungsausgaben. B. Rechtliche Würdigung Der Beschluss des VG Berlin ist rechtsfehlerhaft und daher abzuändern. I. Zulässigkeit Das VG Berlin führt zur Zulässigkeit des Antrags auf Seite 4 des angegriffenen Beschlusses aus, es könne dahinstehen ob der Antrag – „insbesondere insoweit als mit dem oben ge- nannten Passus Auskünfte begehrt werden“ - zulässig sei. Der oben genannte Passus sind die Worte „oder stehen“, die der Antragsteller zur Klarstellung mit Schriftsatz vom 22. April 2022 in seinen Antrag zu 3) ergänzend aufgenommen hat. Das VG Berlin wertet dies als Änderung des Antrages, die nach § 91 Abs. 2 VwGO analog mangels Widerspruchs der Antragsgegnerin als zulässig erachtet wurde. „[B]ei dem betreffenden Passus (in der Frage zu 3. des Antrags in dem Schriftsatz des Antragstellers vom 22. April 2022) handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um eine bloße Klarstellung des (anfänglichen) Antragsbegehrens, sondern um ein wei- teres, auf Auskunft über (zukünftige) Termine, die in einem Zusammenhang mit Ener- giepolitik oder den Unternehmen Gazprom, Nord Stream 2 oder Rosneft stehen, ge- richtetes Antragsbegehren, zumal in der Antragsschrift nicht (deutlich) zum Ausdruck kommt, dass mit der letzten Frage des dortigen Antrags Auskunft (bereits auch) über Termine begehrt worden ist, die in einem Zusammenhang der genannten Art stehen“ (angegriffener Beschluss, S. 3). Diese vom VG Berlin vorgenommene Einstufung als Antragsänderung erfolgte rechtsfehler- haft (hierzu 1.). Selbst wenn man aber von einer zulässigen Antragsänderung ausginge, 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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-6- könnte dem Antragsteller auch mit Blick auf den erweiterten Passus nicht das Rechtsschutz- bedürfnis abgesprochen werden, so dass der Antrag auch insoweit zulässig ist (hierzu 2.). 1. Ergänzung des Antrags zu 3) um die Worte „oder stehen“ keine Antragsänderung Bei der Ergänzung um die Worte „oder standen“ handelt es sich indes bereits nicht um eine Antragsänderung in Form einer Antragserweiterung, sondern lediglich um eine Klarstellung. Die Anträge lauteten in der Antragsschrift vom 16. März 2022 zunächst: Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem An- tragsteller Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen: - Welche Termine (Datum und Gesprächspartner) hat das Büro des Bundes- kanz- lers a.D. Gerhard Schröder für Herrn Schröder in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 vereinbart? - Bei welchen der Termine ist das Thema des Termins bekannt? - Welche der Termine standen in einem Zusammenhang mit Energiepolitik oder den Unternehmen Gazprom, Nord Stream 2 oder Rosneft? In der Antragserwiderung vom 11. April 2022 bemängelte die Antragsgegnerin eine vermeint- lich mangelnde Bestimmtheit der Anträge. Daraufhin ergänzte der Antragsteller seine An- träge wie folgt (Änderungen hervorgehoben): Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem An- tragsteller Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen: 1. Welche Gesprächstermine (Datum und Gesprächspartner) hat das Büro des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder für Herrn Schröder in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 vereinbart? 2. Bei welchen der im Antrag zu 1) bezeichneten Termine ist das Thema des Ter- mins bekannt? 3. Welche der im Antrag zu 1) bezeichneten Termine standen oder stehen in ei- nem Zusammenhang mit Energiepolitik oder den Unternehmen Gazprom, Nord Stream 2 oder Rosneft? Die Worte „oder stehen“ stellen keine Erweiterung des Antrags dar. Bezugspunkt des Antra- ges zu 3) war (auch schon in der ursprünglichen Fassung) erkennbar der Antrag zu 1) und die darin bezeichneten Termine. Der Antrag zu 3) bezweckte bei verständiger Würdigung, aus der zur Beantwortung des Antrags zu 1) zusammengestellten Liste an Terminen eine inhaltliche Auswahl oder Kenntlichmachung vorzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger. Sofern hier zusätzlich zum Präteritum auch die Präsensform des Verbs „stehen“ ergänzt wurde, wurde dadurch keinesfalls die Liste der angefragten Termine erweitert. Der Antrag zu 1) erfasste schließlich auch die Termine für 2022 und damit potentiell auch vereinbarte, aber noch nicht durchgeführte Termine. Durch die Ergänzung wurde lediglich klargestellt, dass es für die Beantwortung der Frage zu 3) unerheblich sein sollte, ob der jeweilige Termin, über dessen Inhalt nähere Auskunft begehrt wird, bereits in der Vergangenheit stattgefunden, o- der aber nur in der Vergangenheit vereinbart und bislang nicht stattgefunden hatte. Diese Anknüpfung an die Terminvereinbarung (nicht die Durchführung des Termins) war aber be- reits in der ursprünglichen Fassung enthalten. Denn auch bei der bloßen Verwendung des Präteritums waren alle bereits vereinbarten Termine erfasst, unabhängig davon, wann sie 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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-7- stattfinden sollten. Mit der Terminvereinbarung in der Vergangenheit (und nur bereits verein- barte Termine waren Gegenstand des Auskunftsbegehrens) steht aber ja auch dessen Inhalt und Zusammenhang zu energiepolitischen Themen fest. Dieser Zusammenhang wird von der Vergangenheitsform „standen“ ebenso erfasst, wie von der Präsenzform „stehen“. Der Termin erhält seinen energiepolitischen Zusammenhang schließlich nicht erst bei seiner Durchführung. Es ging also letztlich um die Klarstellung, dass auch für das Jahr 2022 bereits vereinbarten Gesprächstermine von der Anfrage erfasst wurden, egal ob sie bereits stattgefunden hatten oder aber, aus welchen Gründen auch immer, zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens noch nicht oder nicht mehr stattgefunden haben. All diese Termine waren bereits von Antrag 1) in seiner ursprünglichen Form erfasst und die Bitte um inhaltliche Kenntlichmachung bestimm- ter Termine in Antrag 3) war auch schon in seiner ursprünglichen Form auf eine Auswahl aus diesen Terminen gerichtet. 2. Antrag jedenfalls zulässig In jedem Fall ist auch der Antrag zu 3) in Gänze zulässig, selbst wenn man mit dem Verwal- tungsgericht davon ausginge, dass die Worte „oder stehen“ eine Antragserweiterung darstel- len. Auch insoweit kann dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Eines weiteren vorherigen Antrags bei der Behörde bedurfte es vorliegend schon deswegen nicht, da sich die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren in der Sache auf den Antrag zu 3) eingelassen hat. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist folglich aus prozessökono- mischen Gründen anzuerkennen (BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 – 6 C 66/14 –, juris Rn. 21). Überdies hat das Bundeskanzleramt vorgerichtlich deutlich gemacht, dass es sich nicht für zuständig erachtet, so dass sich eine weitere Anfrage als bloße Förmelei dargestellt hätte. Das vom Antragsteller ebenfalls angeschriebene Büro des Bundeskanzlers a.D. hat auf seine vorherigen Anfragen überhaupt nicht reagiert, so dass auch insofern eine erneute An- frage nicht zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung geführt hätte. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Anträge im Übrigen – insbesondere hinsichtlich einer potentiellen Zuständigkeit des Büros des Bundeskanzlers a.D. – verweisen wir auf unsere erstinstanzlichen Schriftsätze. II. Begründetheit Der Antrag ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht verkennt, dass mit Blick auf den un- mittelbar aus Art. 5 GG resultierenden Auskunftsanspruch von einem einheitlichen Medien- grundrecht auszugehen ist bzw. der Begriff der Pressefreiheit auch Telemedien umfasst (hierzu 1.). Davon unabhängig ist der Antragsteller auch bei Zugrundelegung der Rechtsauf- fassung des Verwaltungsgerichts Pressevertreter im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (hierzu 2.). Jedenfalls ergibt sich ein Auskunftsanspruch vorliegend aus der Rundfunkfreiheit (hierzu 3.). 1. Auskunftsanspruch auch für journalistische-redaktionelle Telemedien Das VG Berlin geht in der Begründung der Entscheidung tragend davon aus, dass sich der Antragsteller, der für kein Druckerzeugnis tätig sei, nicht auf das Grundrecht der Pressefrei- heit berufen könne und die Klärung der Frage, ob vorliegend ein Auskunftsanspruch aus der Rundfunkfreiheit abgeleitet werden könne, einem Hauptsacheverfahren vorbehalten sei. Es 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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-8- verkennt hierbei zunächst, dass die strikte Unterscheidung zwischen Presse (i.S.v. Print- medien), Rundfunk und Online-Medien mit Blick auf den verfassungsunmittelbaren Aus- kunftsanspruch nicht trägt und insofern von einem einheitlichen Mediengrundrecht auszuge- hen ist (hierzu a.). Insbesondere durfte das VG Berlin in diesem Zusammenhang den Pres- seausweis des Antragstellers sowie die Tatsache, dass er bereits von fachkundigen Jurys für seine journalistische Arbeit ausgezeichnet wurde, nicht übergehen (hierzu b.). a. Einheitlicher Auskunftsanspruch Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG werden die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film gewährleistet. Das Bundesverwaltungsgericht hat hieraus für Pres- seangehörige einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbe- hörden abgeleitet (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 – 6 A 10/20 –, juris Rn. 18). Dieser Auskunftsanspruch ist jedoch nicht auf solche Pressevertreter, die für ein Drucker- zeugnis tätig sind, beschränkt, sondern gilt vielmehr für alle Journalist:innen gleicherma- ßen. „[Einem Auskunftsanspruch] steht nicht entgegen, dass der Antragsteller kein in Print- medien veröffentlichender, sondern ein primär für das Fernsehen bzw. Online-Medien (Herv. d. Verfasser) tätiger Journalist ist. Denn dieser Umstand ändert nichts an seiner Eigenschaft als Journalist, die ihn dazu berechtigt, sich auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für Auskünfte gegenüber der Bundesregierung zu berufen. Das Bun- desverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG den im Bereich von Presse und Rundfunk tätigen Personen und Organisationen Freiheits- rechte gewährt und darüber hinaus in seiner objektivrechtlichen Bedeutung auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse und des Rundfunks gewährleistet.“ (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Februar 2020 - OVG 6 S 59.19 -, juris) Ein einheitlicher Auskunftsanspruch für Journalist:innen, die in Print- und Online-Medien, Ra- dio, Fernsehen und sonstigen modernen Massenkommunikationsmitteln berichten, wie ihn das OVG hier angenommen hat, ist angesichts der Funktion der berichterstattenden Tätigkeit für die demokratische Grundordnung auch verfassungsrechtlich geboten - unabhängig da- von, ob man ihn dogmatisch aus der Presse- oder der Rundfunkfreiheit herleitet oder von einem einheitlichen Mediengrundrecht ausgeht. Von einem Auskunftsanspruch auch für jour- nalistisch-redaktionelle Online- bzw. Telemedien geht im Übrigen auch das Bundesverwal- tungsgericht aus. So nahm es in einer Entscheidung aus dem Jahr 2021 ohne nähere Aus- führungen an, dass es sich bei dem Kläger (ein Journalist des ausschließlich online publizie- renden Recherchezentrums Correctiv) um einen Presseangehörigen handelt (BVerwG, Ur- teil vom 28. Oktober 2021 – 10 C 5/20 –, juris). Das Vorliegen eines unmittelbaren Auskunfts- anspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verneinte das Bundesverwaltungsgericht zwar auf- grund des Vorrangs von § 96 Abs. 4 BHO. Es führte jedoch aus, dass das Grundrecht der Pressefreiheit die Anwendung des § 96 Abs. 4 BHO anleiten müsse. aa) Einheitliches Mediengrundrecht/ Telemedien als Presse Sowohl die Rechtsprechung (1) als auch die Literatur (2) gehen mittlerweile vorwiegend da- von aus, dass Telemedien entweder vom Begriff der Presse nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst sind oder Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein einheitliches Mediengrundrecht enthält, das journalistisch-redaktionelle Telemedien mit einschließt. Die Bedeutung von Telemedien in 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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-9- der heutigen Zeit und der weiterhin stattfindende Umbruch der Medienlandschaft geben diese Gleichstellung von Telemedien mit „hergebrachten“ Medien zwingend vor (3). (1) Rechtsprechung Insbesondere der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesge- richtshofs ist zu entnehmen, dass journalistisch-redaktionelle Telemedien dem Begriff der Presse zuzuordnen seien. Zwar wird in der früheren Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts der Schutzbereich der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG an die Publi- kation eines physischen Druckerzeugnisses geknüpft. Demnach setzt die Berufung auf die Pressefreiheit das sachliche Substrat einer Publikation in gedruckter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form voraus (BVerfG, Beschl. v. 11.03.1969 - 1 BvR 665/62; Beschl. v. 08.10.1996 - 1 BvR 1183/90; Grabenwarter in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz- Kommentar, Stand 2021, Art. 5 GG, Rn. 239; Schemmer in BeckOK Grundgesetz, 2022, Art. 5 GG, Rn. 42). Die Abgrenzung der Presse- zur Rundfunkfreiheit erfolgte anhand des Vor- handenseins eines körperlichen Trägermediums der verbreiteten Information. Die Verfas- ser:innen des Grundgesetzes konnten jedoch die tiefgreifenden technologischen und sozia- len Veränderungen der Medienlandschaften nicht vorhersehen und daher nicht berücksich- tigen. Hätte es bei Schaffung des Grundgesetzes die heute verbreiteten digitalen Medienan- gebote gegeben, so wären diese wegen ihrer identischen Funktion ebenfalls (ausdrücklich) unter verfassungsrechtlichen Schutz gestellt worden (Schemmer in BeckOK Grundgesetz, 2022, Art. 5, Rn. 43.1). Dementsprechend geht das Bundesverfassungsgericht – ohne dies näher zu begründen – mittlerweile davon aus, dass sich auch Betreiber einer Internetplattform, die kein Drucker- zeugnis veröffentlichen, auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen können (s. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Januar 2021 - 1 BvR 2681/20 -, Rn. 26; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Dezember 2011 - 1 BvR 1248/11 -, Rn. 23). Gleiches gilt für den Bundesgerichtshof, der den Schutzbereich der Pressefreiheit bereits in diversen Entscheidungen mit Blick auf Veröffentlichungen, die ausschließlich online erfolg- ten, als eröffnet ansah (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2010 - I ZR 191/08, Rn. 44; Urteil vom 19.04.2018 - I ZR 154/16, Rn. 45; Urteil vom 21.01.2021 - I ZR 120/19 Rn. 54). (2) Literatur Auch in der Literatur wird vornehmlich die Auffassung vertreten, auch Online-Medien können je nach Erscheinungsform der Presse im verfassungsrechtlichen Sinn zugeordnet werden (Gersdorf AfP 2010, 423). Die definitorische Kraft des traditionell entscheidenden Kriteriums des Drucks bzw. der Verkörperung sei verloren gegangen und als Abgrenzungskriterium nicht mehr geeignet (siehe Grabenwarter in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand 2021, Art. 5 GG, Rn. 251, Fn. 4 m.w.N.). Der verfassungsrechtliche Pressebegriff des Grundgesetzes sei weit und entwicklungsoffen (Bethge in Sachs, Grundgesetz, 2014, Art. 5, Rn. 68). Artikel 5 sei daher entweder als einheitliches Mediengrundrecht auszulegen (vgl. Schemmer in BeckOK Grundgesetz, Art. 5, Rn. 43.1), oder aber jedenfalls das Kriterium einer Verkör- perung aufzugeben und der Pressebegriff stattdessen von Erscheinungsbild, der Funktion und dem Rezeptionsvorgang her zu bestimmen (Grabenwarter in Dürig/Herzog/Scholz, 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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- 10 - Grundgesetz-Kommentar, Stand 2021, Art. 5 GG, Rn. 251). Es erscheine wenig überzeu- gend, „alle neuen Medien in das Prokrustes-Bett des ‚Entweder – Oder‘ zu zwängen.“ (Starck/Paulus in Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz 7. Auflage, Art. 5, Rn. 182). Letztlich ist jedenfalls klar, dass auch für „Neue Medien“, die redaktionell aufbereiteten In- halte verbreiten, der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eröffnet sein muss. Denn für den Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG macht es nicht den geringsten Unterschied, ob eine Information auf Papier gedruckt und anschließend an die Öffentlichkeit verteilt wird, oder aber von jeder Person über ein internetfähiges Endgerät von der Website eines Anbieters abgerufen werden kann (vgl. Starck/Paulus in Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz 7. Auf- lage, Art. 5, Rn. 182). Gerade mit Blick auf die heutige journalistische Arbeit kann nicht ent- scheidend sein, ob eine Zeitung noch gedruckt, oder eben ausschließlich in digitaler Form verbreitet wird. Angesichts der Entwicklungen in der Medienlandschaft, die in den letzten Jahren eine starke Abkehr vom physischen Printmedium und eine Verlagerung in den digi- talen Raum erfahren hat, würde eine Beschränkung der Pressefreiheit ausschließlich auf verkörperte Inhalte dem Schutzzweck des Artikel 5 GG zuwiderlaufen. (3) Umbruch der Medienlandschaft Die Medienlandschaft im Jahr 2022 ist stark ausdifferenziert und im Umbruch. Insbesondere die Zeitungsverlage haben damit zu kämpfen, dass das Publikum weniger Abonnements für gedruckte Blätter abschließt, sondern sich zunehmend über das Internet informiert. Dies geht mit sinkenden Anzeigenerlösen und dem Abwandern von Werbeetats zu Online-Werbe- diensten und -Medien einher. Selbst traditionelle Zeitungshäuser beginnen, sich von Ihren Druckausgaben zu lösen. Es ist davon auszugehen, dass die digitale Transformation durch die derzeitige Papierkrise noch beschleunigt wird. Die meisten Verlage bieten parallel zu ihren gedruckten Ausgaben, immer beliebter werdende digitale Produkte an (insb. eine at- traktive Webseite oder Apps). Die Zahl der Digitalabos für diese Angebote übersteigt in vielen Häusern bereits die Zahl der Print-Abos. Einige Medienunternehmen planen gleich ganz den Abschied von ihrer Druckausgabe. So hat etwa die „taz. Die Tageszeitung“ angekündigt, in naher Zukunft wochentags nur noch digital zu erscheinen. Das ist kein Einzelfall. Die briti- sche überregionale Tageszeitung „The Independent“ wird seit März 2016 nur noch digital vertrieben. Neben dieser Hinwendung zu und Aufwertung von eigenen digitalen Veröffentli- chungen, praktizieren Zeitungsverlage inzwischen häufig eine Online-first-Politik, bei der Ar- tikel möglichst zeitnah auf der Internetseite und in den Apps ausgespielt und dann eine Aus- wahl dieser Artikel auch noch in der nächsten Druckausgabe der Zeitung wiederholt wird. Daneben arbeiten klassische Printverlage an sogenannten cross-medialen oder 360°-Aufbe- reitungen ihrer Nachrichteninhalte. Gerade Videos, Podcasts und Social-Media-Beiträge spielen dafür aktuell eine tragende Rolle. Die Interpretation der Voraussetzungen und Gren- zen des verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs durch das VG Berlin provoziert angesichts dieser aktuellen Realitäten eine Reihe von Unsicherheiten und nicht hinnehmbaren Widersprüchen: eine taz-Redakteurin könnte sich nach dem Ende der Druckausgabe nicht mehr auf den Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG berufen? Einem Podcast-Redakteur der FAZ wäre der presserechtliche Auskunftsanspruch versagt, den sein Print-Kollege geltend machen könnte? Ein:e Reporter:in, die während einer Recher- che nicht weiß, ob diese nur auf der Webseite, im Podcast und/oder auch in der Druckaus- gabe erscheint, wüsste ebenso wenig, ob ihr ein verfassungsunmittelbarer presserechtlicher Auskunftsanspruch zusteht. Ein Verlagshaus müsste daher unter Umständen ein bedeu- 20.07.22.21 BKP-KANZLEI
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