Urteil BVerwG 10 C 1.21

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen

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Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297, 302, 311>) und bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - BVerfGE 111, 147 <158>). Daran fehlt es vor- liegend. 26 3. Der Ausschlussgrund der Beeinträchtigung von Behördenberatungen nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG liegt gleichfalls nicht vor. Es kann dahinstehen, ob der Wis- senschaftliche Beirat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts organisa- torisch ein Teil des Bundesministeriums der Finanzen ist. Die Beratungen des Beirats sind in der Regel keine Beratungen des Ministeriums. 27 Gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfällt dem Schutz der Beratung nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfin- dung als solcher. Ausgenommen sind das Beratungsergebnis und der Bera- tungsgegenstand. Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner be- hördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Der Schutz gilt danach vor allem dem Bera- tungsprozess als solchem, also der Besprechung, Beratschlagung und Abwä- gung, mithin dem eigentlichen Vorgang des Überlegens. Zum demgegenüber nicht geschützten Beratungsgegenstand können insbesondere Sachinformatio- nen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören, also die Tatsa- chengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung. Die amtlichen Infor- mationen sind deshalb nur dann geschützt, wenn sie den Vorgang der behördli- chen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rück- schlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. Das trifft zwar auf viele Informatio- nen zu, die in einem Verwaltungsverfahren anfallen; das gesamte Verwaltungs- verfahren als solches fällt damit aber nicht unter den Begriff der Beratung (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 26 und vom 9. Mai 2019 - 7 C 34.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 34 Rn. 13 m. w. N.). Seite 10 von 12
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28 Hieran gemessen sind die Sitzungstätigkeiten des Beirats, die Gegenstand der Sitzungsprotokolle geworden sind, in der Regel keine Beratungen des Bundes- ministeriums. Aus den Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats ergeben sich Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld vor den ei- gentlichen Beratungen im Ministerium. Die Beratungen des Beirats schaffen mithin die tatsächlichen und sonstigen Grundlagen der behördlichen Willens- entscheidung. Sie bilden aber nicht den Vorgang der behördlichen Willensbil- dung und Abwägung ab und lassen keine gesicherten Rückschlüsse auf die spä- tere Meinungsbildung zu. Zwar berät auch der Wissenschaftliche Beirat zu ein- zelnen Tagesordnungspunkten. Diese Beratungen sind aber nicht Teil des be- hördlichen Willensbildungsprozesses, sondern der behördlichen Willensbildung vorgelagert. 29 Allerdings können der Bundesminister der Finanzen und seine Beauftragten an den Sitzungen des Beirats teilnehmen (§ 7 Satz 1 der Satzung). Falls bei einem solchen Zusammentreffen die behördliche Willensbildung stattfinden sollte, wä- ren diese Beratungen womöglich von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG geschützt. Das Be- rufungsgericht hat aber für einen solchen Fall nichts festgestellt und Entspre- chendes wird auch nicht vorgetragen. 30 4. Schließlich hat das Berufungsgericht im Hinblick auf das Nichtvorliegen des Versagungsgrunds des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG wegen der Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls III/18 nicht gegen Bundesrecht verstoßen. 31 Nach § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG ist der Informationszugang ausgeschlossen, wenn aufgrund der konkreten Umstände durch das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanzbe- hörden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Das erfordert eine auf konkreten Tatsachen beruhende prognostische Bewertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 30). Diesen Maßstab legt das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde und würdigt den Vortrag der Beklagten dahin, sie lasse bereits offen, ob die in- ternen Einschätzungen überhaupt Schwächen der Regulierung konkret aufge- zeigt hätten oder ob hier nur eine entfernte Möglichkeit bestehe, dass aus den im Protokoll enthaltenen Ausführungen auf Schwächen geschlossen werden Seite 11 von 12
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könne. Soweit die Revision hierzu rügt, ihre Darlegung sei vom Berufungsge- richt nicht richtig verstanden worden, betrifft das, ohne dass eine Verfahrens- rüge erhoben worden ist, den nicht revisiblen Teil des Berufungsurteils. 32 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Prof. Dr. Korbmacher                 Dr. Schemmer                  Dr. Günther Dr. Wöckel                      Bähr Beschluss Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG auf 5 000 € festgesetzt. Prof. Dr. Korbmacher                 Dr. Schemmer                  Dr. Günther Dr. Wöckel                      Bähr Seite 12 von 12
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