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Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode                                                                       Drucksache  VI/ 1629 Sachgebiet 612 Der Bundesminister der Finanzen Bonn, den 16. Dezember 1970 III A/1- V8000 141/70 - An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Betr.:   Heizölsteuer Bezug: Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Spilker, Gewandt und Genossen - Drucksache VI/ 1463     - Ich beantworte die Kleine Anfrage namens der Bundesregie- rung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft wie folgt: 1. Hält die Bundesregierung eine Verlängerung der Heizölsteuer über den 30. April 1971 hinaus für erforderlich? Wenn ja, be- fürwortet sie wenigstens einen etappenweisen Abbau der Steuer? Die Bundesregierung hat in der Kabinettsitzung vom 10. De- zember 1970 beschlossen, dem Deutschen Bundestag den Ent- wurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Heizölsteuer zuzu- leiten. Nach diesem Entwurf soll die Heizölsteuer bis Ende 1974 verlängert und der Steuersatz für das schwere Heizöl zum 1. Januar 1972 und zum 1. Januar 1973 um je 5 DM/t gesenkt werden. Die Steuer für das leichte Heizöl soll mit 10 DM/t un- verändert fortgeführt werden. Die Zweckbestimmung der Heiz- ölsteuer soll auf allgemeine energiepolitische Erfordernisse ausgedehnt werden. Die Bundesregierung hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß die Heizölsteuer keine Fiskalsteuer werden dürfe; sie hält je- doch aus energiepolitischen Gründen eine Verlängerung der Steuer über den 30. April 1971 hinaus für erforderlich.. Der begonnene Konsolidierungsprozeß im Steinkohlenbergbau darf nicht durch den Abbau sämtlicher flankierender Maßnahmen beeinträchtigt werden. Auch in den nächsten Jahren kommt der Heizölsteuer eine — wenn auch abgeschwächte — Schutzfunk- tion zugunsten der Steinkohle zu. Darüber hinaus werden für
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Drucksache VI/ 1629                Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode energiepolitische Maßnahmen erhebliche finanzielle Mittel er- forderlich sein. Das gilt einmal für die vorgesehene Fortführung der Kohlehilfen, zum anderen kommen auf die Energiepolitik wichtige Aufgaben zu, die Maßnahmen zur Verbesserung un- serer Energieversorgung erfordern. Das gilt insbesondere für den Mineralölbereich. Das Mineralöl hat inzwischen einen An- teil von 54 % an der Deckung unseres Energiebedarfs erreicht. Über 90 % des Mineralöls werden — vorwiegend aus Afrika und dem Mittleren Osten — importiert. Damit hat die Bundes- republik Deutschland einen hohen Grad an Einfuhrabhängigkeit erreicht, der eine weitere Absicherung unserer Energieversor- gung notwendig macht. Die Bundesregierung hat daher ein zu- sätzliches Bevorratungsprogramm beschlossen, das für die näch- sten 5 Jahre die Bereitstellung von 750 Millionen DM vorsieht. Daneben wird der Bund im Rahmen des Starthilfeprogramms für die einheimischen Mineralölgesellschaften in den kommen- den Jahren Mittel in Höhe von jeweils 115 Millionen DM zur Förderung der Erdölexploration im Ausland zur Verfügung stellen. Hiermit soll den deutschen Gesellschaften der Aufbau einer eigenen Ölbasis erleichtert und die Kontakte der Bundes- regierung zu den einzelnen Förderländern verbessert werden. 2. Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß es energiepolitisch verfehlt ist, die Heizölsteuer zu verlängern, a) da eine weitere positive Absatzentwicklung der Steinkohle und damit ihre anhaltende Knappheit zu erwarten ist und somit die Steinkohle einer flankierenden Hilfe durch die künstliche Verteuerung des Heizöls nicht mehr bedarf, b) da die Entwicklung zu den modernen Energieträgern Heizöl, Erdgas und Kernenergie ohnehin mit einer Benachteiligung nur eines dieser Träger, des Heizöls, nicht aufgehalten werden kann und soll, c) da die Heizölsteuer das Heizöl im Wettbewerb mit Erdgas und Kernenergie einseitig benachteiligt? a) Die mengenmäßig günstige Absatzentwicklung der Stein- kohle ist weitgehend konjunkturbedingt. Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die strukturellen Anpassungs- probleme im Steinkohlenbergbau weiter fortbestehen. Trotz der guten Mengenkonjunktur ist bisher eine durchgreifende Verbesserung der Ertrags- und Liquiditätslage der Kohle noch nicht eingetreten. Ein weiterer Flankenschutz für den Anpassungsprozeß der Kohle durch Verzögerung der Heiz- ölexpansion ist daher erforderlich. Ein Fortfall der Heizöl- steuer müßte von der Wirtschaft als Signal verstanden werden, den ohnehin in Gang befindlichen Umstellungs- prozeß von Kohle auf Heizöl zu beschleunigen. b) Es ist keineswegs die Absicht der Bundesregierung, die Ent- wicklung zu den modernen Energieträgern aufzuhalten. Die Heizölsteuer verfolgt lediglich den Zweck, die Expansion des Heizöls in Grenzen zu halten und mit den allgemeinen energiepolitischen Notwendigkeiten in Einklang zu bringen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode                   Drucksache VI/ 1629 Neben kohlepolitischen Erwägungen sind in diesem Zusam menhan g insbes o dere die hohe Importabhängigkeit des Mineralöls und die damit verbundenen Unsicherheitsfakto- ren für unsere Energieversorgung von Bedeutung. c) Die mögliche Benachteiligung des Heizöls gegenüber dem Erdgas und der Kernenergie kann nicht unabhängig von den jeweiligen Marktanteilen gesehen werden. Während im Jahre 1970 das Erdgas mit 5,7 % und die Kernenergie mit 0,6 % an der Deckung des Primärenergiebedarfs beteiligt sind, beträgt der Anteil des Heizöls 30 %. Angesichts dieser unterschiedlichen Marktanteile besteht z. Z. keine Gefahr einer Wettbewerbsbenachteiligung des Heizöls gegenüber Erdgas und Kernenergie. Im übrigen dürfte die wachstums- mäßige Begünstigung der Energieträger Erdgas und Ke rn -enrgimVhältszuMneraödchiHzlstuer energiepolitisch — vor allem unter Sicherheitsgesichtspunk- ten — nicht nachteilig sein. 3. Wäre es nach Ansicht der Bundesregierung nicht konjunktur- politisch erforderlich, die Heizölsteuer abzubauen, a) weil dadurch der Anstieg der Heizölpreise verhindert wer- den kann, b) da die Heizölsteuer zu einer künstlichen Verteuerung der Strompreise beiträgt, c) da die Heizölsteuer zu einem direkten und indirekten An- stieg der Lebenshaltungskosten der privaten Verbraucher führt und damit auf dem Wege über verstärkte Lohn- und Gehaltsforderungen weitere Preissteigerungstendenzen för- dert? a) Der seit Mitte dieses Jahres zu beobachtende Anstieg der                                               - Preise auf dem Mineralölmarkt — insbesondere auch für Heizöl — ist auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen, die teils nachfrage-, teils angebotsbedingt sind. Die Anhe- bung der Preise war im übrigen keineswegs auf die Bundes- republik Deutschland beschränkt. Die Gründe für diese Preis- steigerungen -sind in der Antwort der Bundesregierung vom 23. Oktober 1970 auf die Kleine Anfrage zur Preisentwick- lung auf dem Energiesektor im einzelnen dargelegt worden (vgl. Drucksache VI/ 1308). Diesen Preissteigerungstendenzen kann nachhaltig nur über eine Stärkung der Wettbewerbs- situation im Mineralölbereich begegnet werden. Hiervon wird es auch abhängen, ob und in welchem Umfange ein Abbau der Heizölsteuer nicht nur vorübergehend dem Ver- braucher zugute kommt. b) Angesichts des relativ geringen Anteils des Heizöls an den zur Stromerzeugung eingesetzten Brennstoffen (1970: 16 0/0) kann sich die Heizölsteuer allenfalls geringfügig auf die Strompreise auswirken. Es kommt hinzu, daß der Strom- preis nur zu rd. 1 /3 von Erzeugungskosten, zu 2/3 dagegen von Verteilungskosten bestimmt wird.
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Drucksache VI/ 1 629               Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode c) Da die Heizölsteuer bereits seit 1960 mit unveränderten Sätzen besteht, kann sie für den Anstieg der direkten und indirekten Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte nicht verantwortlich gemacht werden. Im übrigen sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung ab 1. Januar 1972 einen Abbau der Steuer für schweres Heizöl vor, so daß für die Zukunft keine Preissteigerungs-, sondern Preissenkungstendenzen zu erwarten sind. 4. Wirkt sich nach der Meinung der Bundesregierung die Heizöl- steuer nicht strukturpolitisch nachteilig aus, da der Heizölanteil am Energiemarkt in revierfernen Gebieten überproportional ist, damit diese Gebiete stärker benachteiligt und somit eine An- gleichung der Wirtschaftskraft in den einzelnen Bundesländern hemmt? Die Bundesregierung vermag einen strukturpolitisch nachteili- gen Effekt der Heizölsteuer in den revierfernen Gebieten nicht zu erkennen. Die rasche Zunahme des Heizölanteils am Gesamt- energieverbrauch macht die Wettbewerbsvorteile dieses Ener- gieträgers deutlich. Die Energieverbraucher in den revierfernen Gebieten haben daher schon frühzeitig mit der Umstellung von Kohle auf Heizöl begonnen, so daß die Energieversorgung die- ser Gebiete heute zu einem höheren Anteil als im übrigen Bundesgebiet vom Heizöl gedeckt wird. Diese Entwicklung voll- zog sich zu einer Zeit, als die Heizölsteuer bereits bestand. Durch den vorgesehenen Abbau der Heizölsteuer wird sich die Wettbewerbssituation der revierfernen Gebiete sowohl im Inland als auch gegenüber dem Ausland weiter verbessern. 5. Hält die Bundesregierung nicht einen Abbau der Heizölsteuer, insbesondere der Abgabe für schweres Heizöl, im Hinblick auf die geplante Harmonisierung der Steuerbelastung in den EWG- Ländern für erforderlich, da die Heizölabnehmer in der Bundes- republik Deutschland erheblich stärker belastet sind als in den anderen EWG-Ländern? Die Harmonisierungsbestrebungen der Kommission der Euro- päischen Gemeinschaften werden von der Bundesregierung grundsätzlich begrüßt. Der schrittweise Abbau des Steuersatzes für schweres Heizöl, wie er von der Bundesregierung vorge- schlagen worden ist, trägt dieser Konzeption Rechnung. Die vorgesehene Degression wird den Steuersatz für schweres Heiz- öl in den nächsten Jahren an das durchschnittliche Niveau der Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaften heranführen. Der deutsche Steuersatz für leichtes Heizöl ist bereits heute mit Abstand der niedrigste in den Mitgliedsländern.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode                   Drucksache VI/ 1 629 6. Ist eine Verlängerung der Heizölsteuer aus Gründen der politi- schen Glaubwürdigkeit überhaupt vertretbar, da die Heizöl- steuer als vorübergehende Maßnahme eingeführt wurde und trotzdem nach Verlängerungen von 1963 und 1967 nun schon zehn Jahre besteht? Die Bundesregierung hält aus den genannten Gründen eine be- fristete Verlängerung der Heizölsteuer mit einer stufenweisen Degression des Steuersatzes für schweres Heizöl für erforder- lich. Sie ist allerdings der Auffassung, daß die Heizölsteuer — entsprechend ihrer besonderen Zielsetzung — den veränder- ten energiepolitischen Gegebenheiten anzupassen ist. Durch die Befristung der Heizölsteuer bis zum 30. April 1971 ist der Bun- desregierung die Möglichkeit gegeben worden, die energie- politische Notwendigkeit der Steuer und ihre Ausgestaltung zu überprüfen. Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz- entwurf trägt diesen Gesichtspunkten Rechnung; die vorgese- hene Verlängerung der Heizölsteuer kann daher keinen Anlaß geben, die politische Glaubwürdigkeit der Bundesregierung im Bereich der befristeten Steuern in Zweifel zu ziehen. Die neue Befristung wird Gelegenheit geben, rechtzeitig unter Berück- sichtigung der dann gegebenen energiewirtschaftlichen Situa- tion über das weitere Schicksal der Heizölsteuer zu entscheiden. Möller
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