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Deutscher Bundestag                                                                   Drucksache 19/23215 19. Wahlperiode                                                                                      08.10.2020 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefan Gelbhaar, Daniela Wagner, Dr. Manuela Rottmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/22192 – Vorgänge innerhalb der Bundesregierung zur Rechtsförmlichkeitsprüfung der Vierundfünfzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften Vorbemerkung der Fragesteller Die Vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (im Folgenden Verordnung genannt) wurde am 27. April 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 28. April 2020 in Kraft. Sie nimmt Änderungen in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr, der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV), der Führerscheinverordnung und der Fahrerlaubnis-Verordnung vor. Im Juli 2020 wurde ein Fehler in der Eingangsformel zur Verkündung der Ver- ordnung festgestellt. Die Verordnung ist damit, mindestens in Teilen, rechts- widrig. Unklar ist bislang, wie es zu dem Fehler in der Eingangsformel kom- men konnte und wie dieser während des gesamten mehrmonatigen Prozesses von verschiedenen beteiligten Akteuren übersehen werden konnte. Durch die vorliegende Anfrage wird der Versuch unternommen, Transparenz über die Vorgänge innerhalb der Bundesregierung zu schaffen. 1. Erhielt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Entwurf der oben genannten Verordnung vor der ersten Kabinettsbefassung desselbigen am 6. November 2019? a) Führte das BMJV eine Prüfung der Rechtsförmlichkeit des Entwurfs der Verordnung vor der ersten Kabinettsbefassung durch? b) Welche Frist wurde hierbei durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gesetzt? c) Wurde durch das BMJV um Fristverlängerung gebeten, und wenn ja, bis wann? d) Wurde eine Fristverlängerung gewährt, und wenn ja, bis wann? Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra­ struktur vom 7. Oktober 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
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Drucksache 19/23215                                      –2–               Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode e) Wann erhielt das BMVI Rückmeldung zum Entwurf aus dem BMJV? f) Was war das Ergebnis der Prüfung der Rechtsförmlichkeit durch das BMJV? 2. Wann erhielt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher- schutz den Entwurf der oben genannten Verordnung zur Prüfung der Rechtsförmlichkeit vor der zweiten Kabinettsbefassung desselbigen am 23. März 2020? a) Welche Frist wurde hierbei durch das BMVI gesetzt? b) Wurde durch das BMJV um Fristverlängerung gebeten, und wenn ja, bis wann? c) Wurde eine Fristverlängerung gewährt, und wenn ja, bis wann? d) Wann erhielt das BMVI Rückmeldung zum Entwurf aus dem BMJV? Was war Inhalt dieser Rückmeldung? e) Was war das Ergebnis der Prüfung der Rechtsförmlichkeit durch das BMJV? Die Fragen 1 bis 2e werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen be- antwortet. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat die Ressortabstimmung des Entwurfs der 54. Verordnung zur Änderung straßenver- kehrsrechtlicher Vorschriften (im Folgenden: 54. StVRÄndV) am 20. August 2019 eingeleitet. Die Kabinettbefassung erfolgte am 6. November 2019. Die Ressortabstimmung des Entwurfs der 54. StVRÄndV, der die auf den 42 Maßgaben des Bundesrates beruhenden Änderungen enthielt, wurde am 21. Februar 2020 eingeleitet. Im Übrigen fallen Einzelheiten der Willensbildung der Bundesregierung zur Vorbereitung von Kabinett- und Ressortentscheidungen unter den unausforsch- baren Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung. 3. Welche weiteren Verwaltungsvorgänge oder sonstigen Vorgänge, die für die Verkündung der oben genannten Novelle notwendig waren, fanden innerhalb des BMVI oder der Bundesregierung nach Beschluss des Bun- desrats über die Novelle am 14. Februar 2020 und vor der Verkündung der Novelle am 27. April 2020 statt (bitte Vorgänge mit jeweiligem Datum oder mit Zeitspanne einzeln aufschlüsseln)? Nach dem Bundesratsbeschluss vom 14. Februar 2020 erfolgte die Einarbei- tung der insgesamt 42 Maßgaben, der eine erneute Ressortabstimmung und Kabinettsbefassung folgten (siehe dazu bereits die Antwort zu Frage 2). Ab dem 24. März 2020 erfolgte die Ausfertigung nach den §§ 66 ff. GGO unter Beteiligung des Bundesamtes für Justiz. Die Verordnung wurde am 27. April 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 28. April 2020 in Kraft. 4. Wurde die Rechtsförmlichkeit der Verordnung intern im BMVI zu irgendeinem Zeitpunkt geprüft? a) Wenn nein, ist es üblich, dass innerhalb des BMVI keine Prüfung auf Rechtsförmlichkeit der eigenen Gesetze und Verordnungen durchge- führt wird? b) Wenn ja, wie häufig, wie lange, durch wen bzw. welches Referat, und in welchem Zeitraum genau?
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode                     –3–                          Drucksache 19/23215 c) Welche Fehler sind dort aufgefallen und ggf. behoben worden? d) Ist in diesem Zusammenhang zu irgendeinem Zeitpunkt aufgefallen, dass im Rahmen des Entwurfs der Änderung der BKatV als Sanktion neue Fahrverbote eingeführt werden? e) Ist dem BMVI bekannt, dass in § 26a Absatz 1 Nummer 3 des Stra- ßenverkehrsgesetzes (StVG) die Anordnung des Fahrverbots nach § 25 gesondert aufgeführt wird? Die Fragen 4 bis 4e werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen be- antwortet. Das BMVI erstellt Verordnungsentwürfe gemäß den Vorgaben der Gemein- samen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO). Hiernach gelten für die rechtsförmliche Gestaltung von Gesetzentwürfen das vom BMJV heraus- gegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit und die vom BMJV im Einzelfall gegebenen Empfehlungen (§ 42 Absatz 4 GGO). Die fehlerhafte Zitierung ist weder bei Erstellung und anschließender Über- arbeitung des Verordnungsentwurfs noch bei dessen Prüfung aufgefallen. Die Fahrverbotsregelungen wurden durch das BMVI in den Verordnungsent- wurf eingearbeitet. Der Regelungsgehalt des Straßenverkehrsgesetzes ist dem BMVI bekannt. 5. Wer hat die erste Fassung der Eingangsformel der oben genannten Ver- ordnung wann verfasst (bitte Referat und Bundesministerium nennen)? Ein erster Entwurf der Verordnung wurde durch das für die Ordnung des Stra- ßenverkehrs zuständige Referat StV 12 des BMVI im September 2017 erstellt. Dieser wurde in der Folgezeit stetig und umfangreich erweitert. 6. Zu welchen Zeitpunkten wurde die Eingangsformel durch wen im Ver- lauf des weiteren Prozesses überprüft (bitte Bundesministerien, Referate und Daten angeben)? Die Eingangsformel wurde zunächst vom federführend zuständigen BMVI erarbeitet und überprüft und war dann Gegenstand der im Rahmen der Ressort- abstimmung erfolgenden Rechtsprüfung durch das BMJV. Auf die Antwort zu Frage 2 wird Bezug genommen. 7. Welche Fristen und formalen Erfordernisse werden innerhalb der Bun- desregierung angewandt, um nach Ansicht der Fragesteller die einfache Korrektur des Formfehlers durch die Ergänzung der fehlenden Zitierung vorzunehmen? a) Inwieweit muss für die Ergänzung der fehlenden Zitierung nochmals das Bundeskabinett in einer Sitzung befasst werden? b) Inwieweit muss für die Ergänzung der fehlenden Zitierung nochmals der Bundesrat in einer Sitzung befasst werden? c) Welcher Zeitplan ist dafür vorgesehen?
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Drucksache 19/23215                                      –4–               Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode d) Wäre es formal möglich gewesen, die StVO noch vor der Sommer- pause zu „heilen“, indem ausschließlich der Zitierfehler nach Ent- deckung formal behoben worden wäre, oder indem die – soweit not- wendig – letzte Bundesratssitzung für die Beschlussfassung über die korrigierte Novelle genutzt worden wäre? Die Fragen 7 bis 7d werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen be- antwortet. Die Heilung eines Zitierfehlers durch eine einfache Korrektur ist nach Verkün- dung der Verordnung nicht mehr möglich. Vielmehr ist in einem solchen Fall das Rechtsetzungsverfahren erneut durchzuführen. Dabei gelten die üblichen Fristen. Aus diesem Grund wäre ein Neuerlass der Änderungsverordnung vor der letzten Bundesratssitzung nicht möglich gewesen. 8. Ist es üblich, bei notwendigen Korrekturen an Verordnungen aufgrund formaler Fehler im Bereich der Bundesregierung, Beschlüsse des Bun- desrats bzw. Verhandlungsergebnisse mit dem Bundesrat infrage zu stel- len? Die Bundesregierung ist als Teil der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 GG). Aus Sicht des BMVI bestanden ernsthafte Zweifel an der Verhältnismäßigkeit einer in den unmittelbaren Verantwortungs- bereich des BMVI als Verordnungsgebers fallenden Regelung. Das BMVI sah und sieht sich deshalb veranlasst, auf einen aus seiner Sicht rechtmäßigen Zu- stand hinzuwirken. 9. Wie häufig kam es während der aktuellen Wahlperiode vor, dass Verord- nungen oder Gesetze wegen Formfehlern rechtswidrig waren, und wie wurde hier jeweils verfahren? Dem BMVI sind neben der 54. StVRÄndV keine weiteren Fälle bekannt. 10. Ist das Vorgehen des Bundesverkehrsministeriums in Sachen StVO- Novelle in der Bundesregierung abgestimmt? a) Wenn ja, was wurde zum Verfahren beschlossen? b) Wenn nein, werden solche Vorgänge wie das Scheitern wegen Form- fehlern und der weitere Umgang mit Verordnungsnovellen nicht in der Bundesregierung beraten, und wie wird das begründet? Die Fragen 10 bis 10b werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Bundesregierung stimmt ihr legislatives Vorgehen unter Berücksichtigung der in der GGO enthaltenen Vorgaben und des in Artikel 65 Satz 2 GG ver- ankerten Ressortprinzips ab. Hinsichtlich der sich aus dem Zitierfehler ergeben- den Folgen wurden Stellungnahmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des BMJV als zuständige Verfassungsressorts ein- geholt, nachdem sich Bundesminister Scheuer mit den Verkehrsministerinnen und Verkehrsministern der Länder beraten hatte. Hierbei wurde von Seiten des BMI bestätigt, dass aufgrund des Zitierfehlers die Wirksamkeit des Artikels 3 der 54. StVRÄndV insgesamt in Frage steht.
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode                   –5–                          Drucksache 19/23215 11. Wie bewertet die Bundesregierung die Haltbarkeit von Beschlüssen des Bundesrats und Verhandlungsergebnissen mit dem Bundesrat, wenn for- male Fehler genutzt werden, um Verhandlungsergebnisse infrage zu stel- len und schließlich neue Verhandlungen zu fordern? Die Bundesregierung achtet die Beschlüsse des Bundesrates und erkennt deren konstitutive Bedeutung für das Zusammenwirken von Bund und Ländern und den demokratischen Prozess insgesamt an. Der Formfehler der 54. StVO-No- velle führt nach Einschätzung des BMVI und des BMI zu einer Nichtigkeit von Artikel 3 der Novelle, der die Änderungen der Bußgeldkatalog-Verordnung ent- hält. Das BMVI hat sich mit den Ländern auf eine Nichtanwendung der Ände- rungen der Bußgeldkatalog-Verordnung verständigt. 12. Welche Folgen erwartet die Bundesregierung für das Arbeitsverhältnis zwischen Bundesregierung und Bundesrat, wenn inhaltliche Beschlüsse des Bundesrats aufgrund von Formfehlern in der Sphäre der Bundes- regierung nicht umgesetzt werden? Bundesrat und Bundesregierung arbeiten im Rahmen der ihnen nach dem Grundgesetz zugewiesenen Kompetenzen konstruktiv zusammen. Auf die Ant- wort zu Frage 11 wird verwiesen.
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