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Deutscher Bundestag                                                                     Drucksache 19/10540 19. Wahlperiode                                                                                           31.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniela Kluckert, Frank Sitta, Bettina Stark-Watzinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10181 – Smarte Lösungen für eine nutzerfreundliche digitale Verwaltung Vorbemerkung der Fragesteller Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist erklärtes Ziel der Bundesre­ gierung (Quelle: www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8b c23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf? download=1, S. 129). Um dieses Ziel zu erreichen und somit die öffentliche Verwaltung zu digitalisieren (eGovernment), sind praktikable und nutzerfreund­ liche Lösungen zur persönlichen elektronischen Identifikation nötig. Eine Studie der Initiative D21 hat ergeben, dass im Jahr 2018 nur 40 Prozent der Bürger eGovernment-Angebote genutzt haben. Dies sind fünf Prozent­ punkte weniger als 2012 (Quelle: https://initiatived21.de/app/uploads/2018/11/ 191029_egovmon2018_final_web.pdf, S. 8). Im Rahmen dieser Studie gaben lediglich 22 Prozent der Befragten an, die Online-Ausweisfunktion freigeschal­ tet zu haben und nur 6 Prozent der Befragten insgesamt erklärten, im Besitz ei­ nes Lesegerätes zu sein, welches die Voraussetzung für die erfolgreiche elek- tronische Identifikation mit dem Personalausweis ist (ebd., S. 26). Die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises ist gegenwärtig die einzige elektronische Identifikationsmöglichkeit für Bürger bei digitalen Verwaltungs­ vorgängen. Diese erfüllt das höchste Sicherheitsniveau im Sinne der Verord­ nung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauens­ dienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS-Verordnung). Allerdings sind in der Bundesrepublik Deutschland aktuell keine elektronischen Identifizierungslösungen privater Anbieter für die in der Verordnung festgeleg­ ten Vertrauensniveaus „substanziell“ und „niedrig“ bei eGovernment-Vorgän­ gen zugelassen. Obwohl nicht für alle Verwaltungsdienstleistungen das höchste Sicherheitsniveau notwendig ist (Quelle: www.bsi.bund.de/DE/Themen/Digitale Gesellschaft/eIDAS/Elektronische_Identifizierung/Elektronische_Identifizierung_ node.html). Um die Akzeptanz von eID-Verfahren zu steigern und die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben, werden nutzerfreundliche Anwendungen benötigt. Wie die Studie der Initiative D21 zeigt, wünschen sich die Bürger ähnliche Iden­ tifizierungsarten bei digitalen Behördengängen wie im privaten Bereich (Quelle: https://initiatived21.de/app/uploads/2018/11/191029_egovmon2018_ final_web.pdf, S. 30). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
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Drucksache 19/10540                                       –2–                 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Darüber hinaus ist ein Wettbewerb verschiedener privater eID-Anbieter essen­ tiell, denn die eIDAS-Verordnung sieht vor, dass Deutschland eID-Lösungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die gegenüber der EU-Kommission notifiziert wurden, ebenfalls als Identifikationsmöglichkeit zulassen muss. Um mittel- bis langfristig nicht den Anschluss zu verlieren und um deutschen Unternehmen nicht den Marktzugang zu verwehren, sollte die Bundesrepublik Deutschland nach Ansicht der Fragesteller private Anbieter von eID-Lösungen im eGovern­ ment-Bereich zulassen. 1.   Für welche Verwaltungsdienstleistungen ist nach Auffassung der Bundesre­ gierung ein „hohes“ Sicherheitsniveau im Sinne der eIDAS-Verordnung not­ wendig (bitte begründen)? 2.   Für welche Verwaltungsdienstleistungen ist nach Auffassung der Bundesre­ gierung ein „substanzielles“ Sicherheitsniveau im Sinne der eIDAS-Verord­ nung erforderlich (bitte begründen)? 3.   Für welche Verwaltungsdienstleistungen ist nach Auffassung der Bundesre­ gierung ein „niedriges“ Sicherheitsniveau im Sinne der eIDAS-Verordnung ausreichend (bitte begründen)? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Ziel der Digitalisierung der Verwaltung ist es unter anderem auch, Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen nutzerfreundliche und dem Vertrauensniveau der kon­ kreten Verwaltungsleistung angemessen sichere Identifizierungsmittel zur einfa­ chen Abwicklung Ihrer Verwaltungsleistungen bereitzustellen Mit welchen Identifizierungsmitteln sich Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen gegenüber Verwaltungsleistungen identifizieren können, richtet sich nach dem jeweiligen Vertrauensniveau der konkreten Verwaltungsleistung. Als Identifizie­ rungsmittel kommen u. a. die Benutzername-Passwort-Kombination sowie die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises, bzw. des elektronischen Aufent­ haltstitels in Betracht. Weitere sichere und einfach handhabbare Identifizierungs­ mittel sollen hinzukommen. Für die Identifizierung gegenüber Verwaltungsleis­ tungen stellen Bund und Länder derzeit sog. Nutzerkonten bereit. Anmeldung und Authentifizierung an diesen Nutzerkonten erfolgen mit Identifi­ zierungsmitteln, die den Vorgaben der europäischen Verordnung über elektroni­ sche Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS-VO) entsprechen. Je höher das Vertrauensniveau einer konkreten Verwaltungsleistung ist, desto höher sind die Anforderungen an die jeweils einzusetzenden Identifizierungsmittel. Im Zuge der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes werden die Vertrauensni­ veaus für jede Verwaltungsleistung festgelegt. Abgesehen von Verwaltungsleis­ tungen, bei denen gesetzliche Vorgaben zur Nutzung von Identifizierungsmitteln bestehen (z. B. als Schriftformersatz gemäß § 3a des Verwaltungsverfahrensge­ setzes), lassen sich derzeit keine verbindlichen Aussagen treffen, welche und wie viele Verwaltungsleistungen in welche Vertrauensniveaus eingestuft werden. 4.   Wie bewertet die Bundesregierung eine mögliche Notifizierung von eID- Systemen von privaten Anbietern für den eGovernment-Bereich in Deutsch­ land? 5.   Welche Gründe sprechen nach Kenntnis der Bundesregierung gegen die No­ tifizierung von privaten Anbietern von eID-Systemen für den eGovernment- Bereich in Deutschland?
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode                  –3–                           Drucksache 19/10540 6.   Wie bewertet die Bundesregierung die Kooperation mit privaten Anbietern bei Systemen der elektronischen Identifizierung für den eGovernment-Be­ reich? Die Fragen 4 bis 6 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist mit zahlreichen privaten Anbietern von ID-Systemen im Gespräch, die Interesse an der Nutzung ihrer Identifizierungssysteme in den Nut­ zerkonten der Verwaltung haben. Bund und Länder haben sich im IT-Planungsrat verständigt, auf Grundlage einer Empfehlung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) über den Einsatz weiterer Identifizierungsmittel im nationalen E-Government zu entscheiden. Diese Prüfung ist erforderlich, um festzustellen, ob das jeweilige Identifizierungsmittel den Vorgaben der europäischen Verordnung über elektro­ nische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS-VO) und einer auf der eIDAS-Verordnung beruhenden Technischen Richtlinie des BSI entspricht. Für den Ein-satz konkreter Identifizierungsmittel sind die entsprechenden rechtlichen sowie sicherheitstechnischen Vorgaben einzuhalten. Abstrakte Gründe, die grundsätzlich gegen bzw. für die Notifizierung privater Anbieter sprechen, bestehen nicht. Bund und Länder verweisen die Anbieter auf die erforderliche Prüfung der Identifizierungsmittel beim BSI. 7.   Welche Maßnahmen plant das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, um die Akzeptanz von elektronischen Identifizierungsmöglichkei­ ten bei den Bürgern zu steigern? Mit der Novellierung und Umsetzung des Personalausweisgesetzes, der Umset­ zung des Onlinezugangsgesetzes und der Notifizierung der Online-Ausweisfunk­ tion gemäß eIDAS Verordnung der Europäischen Union (EU) wurden durch die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Akzeptanz und Nutzung der Online-Ausweisfunktion in Gesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft kontinuier­ lich verbessert. Gleichzeitig setzt der E-Government Action Plan der EU bis zum Jahr 2020 auf die eIDAS-konforme grenzüberschreitende elektronische Identifizierung als eine Priorität für die IT-gestützte Verwaltungsmodernisierung. Mit der Erklärung von Tallin wird die stärkere Einbindung von nationalen eID-Lösungen der Mitglied- staaten als wichtiges Ziel bis zum Jahr 2022 gesetzt. Deutschland hat als erstes EU-Mitglied seine Online-Ausweisfunktion auf dem höchstmöglichen Vertrau­ ensniveau notifiziert und damit den hohen Anspruch an die Identitätssicherheit zum guten Beispiel gemacht. Die Online-Ausweisfunktion des deutschen Perso­ nalausweises und elektronischen Aufenthaltstitels muss EU-weit von den anderen Mitgliedstaaten seit September 2018 für den Zugang zu Verwaltungsverfahren mit substantiellem und hohem Vertrauensniveau gleichberechtigt zu nationalen Identifizierungsmitteln anerkannt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit der Zahl der Dienste in der Ver­ waltung wie auch in der Wirtschaft, welche eine elektronische Identifizierungs­ möglichkeit zulassen, die Akzeptanz beim Bürger steigt. Für den Bereich des E-Government wird sich durch das Onlinezugangsgesetz die Anzahl der Dienstleistungen erheblich erhöhen. Mit der Einführung des Portal­ verbundes sowie der Nutzerkonten wird dem Bürger ermöglicht, über eine ein­ heitliche Schnittstelle mit der Online-Ausweisfunktion auf alle diese Dienste zu­ zugreifen.
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Drucksache 19/10540                                   –4–                     Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Bundesregierung baut die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Anbietern technischer Basisdienste aus, um auch die Nutzung der Online-Ausweisfunktion bei den privaten Anbietern signifikant zu erhöhen. 8.  Wie viel Geld wurde nach Kenntnis der Bundesregierung für die eID-Funk­ tion des Personalausweises und die dazugehörigen Services und Technolo­ gien ausgegeben, und welche Anwendungsmöglichkeiten existieren dafür (bitte auflisten)? 9.  Wie viel Geld wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in die Verbreitung der eID-Funktion des Personalausweises und der dazugehörigen Services in­ vestiert? Die Fragen 8 und 9 werden im Zusammenhang beantwortet. Mit der Online-Ausweisfunktion wird von der Bundesregierung nur ein techni­ scher Rahmen zur Verfügung gestellt, der durch Anwender in Wirtschaft und Verwaltung nach eigenem Bedarf umgesetzt wird (Marktmodell). Informationen über die Ausgaben und Investitionen für Services & Technologien und die Ver­ breitung der eID-Funktion liegen der Bundesregierung nicht vor. Da die eID-Funktion an den Personalausweis bzw. den elektronischen Aufent­ haltstitel gebunden ist, werden Ausgaben zur Förderung der eID-Funktion nicht von den Ausgaben zur Einführung der Dokumente getrennt. Unmittelbar der eID- Funktion zuzuordnen ist die Entwicklung und Pflege der AusweisApp2. Diese hat in den Jahren 2013 bis 2019 einen Aufwand von 9 140 T Euro verursacht. Mit Stand 9. Mai 2019 sind 198 Berechtigungszertifikate für Diensteanbieter aus­ gegeben. Es sind ca. 101 eID-Dienste online, 70,3 Prozent von Behörden und 29,7 Prozent von Unternehmen. Unter www.personalausweisportal.de sind Anwendungsmöglichkeiten aus dem Bereich Wirtschaft und Verwaltung aktuell abrufbar. 10.  Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die eID- Funktion des Personalausweises seit 2010 freigeschaltet (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die Bundesregierung hat dem Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bun­ destages jährlich, zuletzt am 21. Dezember 2018, zur Bereitstellung und Nutzung der Online-Ausweisfunktion berichtet. Eine zentrale Erfassung der freigeschalte­ ten eID-Funktionen erfolgt nicht, somit kann die Bundesregierung zur Beantwor­ tung dieser Frage nur auf die in dieser Berichterstattung dargestellten Abschät­ zungen zurückgreifen. Demnach sind derzeit rund 63 Millionen neue Personal­ ausweise ausgegeben, (80 Prozent des Gesamtbestands), welche prinzipiell frei­ geschaltet werden können. Die Zahl der Ausweisinhaber mit aktivierter Online- Ausweisfunktion wird wie folgt geschätzt: November 2010 bis 15. Juli 2017 = 15,9 Millionen Aktivierungen 16. Juli 2017 bis Dezember 2018 = 8,37 Millionen Aktivierungen Januar bis April 2019 = 0,88 Millionen Aktivierungen Gesamtmenge 25,18 Millionen Aktivierungen bis heute. Mehr als 25 Millionen Inhaber neuer Ausweise können die Online-Ausweisfunk­ tion bei Bedarf nachträglich im Bürgeramt einschalten lassen. Alle weiteren Aus­ weisinhaber erhalten den Online-Ausweis mit der Ausgabe neuer Personalaus­ weise innerhalb der nächsten zwei Jahre. Ebenfalls wurden seit dem Jahr 2011
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode                   –5–                              Drucksache 19/10540 über 10 Millionen elektronische Aufenthaltstitel ausgegeben. Inhaber elektroni­ scher Aufenthaltstitel können die Online-Ausweisfunktion erhalten, sofern das nach dem Aufenthaltsgesetz zulässig ist. 11.   Wie viele Personen, die die eID-Funktion des Personalausweises seit 2010 freigeschaltet haben, nutzen diese nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Das Datenschutzkonzept der eID-Funktion beruht auf einer Ende-zu-Ende Ver­ schlüsselung vom Ausweischip bis zum Online-Dienst ohne Einschaltung eines zentralen Dienstleisters. Daher sind die Nutzungszahlen ausschließlich den Diensteanbietern oder Identifizierungsdienstleistern und nicht der Bundesregie­ rung bekannt. Sie werden nicht zentral erfasst oder zusammengeführt. Die Downloadzahlen der AusweisApp2 erlauben zumindest eine Abschätzung der Nutzungszahlen – wenn gleich es auch weitere private Software-Anbieter für die Online-Ausweisfunktion gibt, deren Zahlen dem Bundesministerium des In­ nern, für Bau und Heimat (BMI) nicht vorliegen: AusweisApp2                          Downloads gemäß Stand April 2019 Anzahl der stationären AA2 für                                            1.454.757 Windows Anzahl der stationären AA2 für Mac OS                                       305.135 Gesamtanzahl stationär                                                    1.759.893 Gesamtanzahl der mobilen AA2                                                450.750 Gesamtanzahl stationär und mobil                                          2.210.643 Pro Monat werden 40 000 Downloads der stationären und 12 000 Downloads der Android-Version der AusweisApp durchgeführt. 12.   Plant die Bundesregierung Pilotprojekte zur Erprobung von privaten eID- Anbietern im eGovernment-Bereich? Wenn nein, warum nicht? Der Anwendung von elektronischen Identifizierungsmitteln im E-Government liegt die eIDAS Verordnung der EU zugrunde. Sofern private Anbieter von eID- Lösungen die EU-weit für die Verwaltung geltenden Rahmenbedingungen erfül­ len, können ihre Lösungen auch im E-Government eingesetzt werden. Konkrete Projekte hierzu existieren derzeit auf Länderebene, aber noch nicht auf Bundes­ ebene.
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