Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode Drucksache Nr. 3361 1949 Der Bundesminister der Finanzen - V - GK 3302 - 75/52 - Bonn, den 11. Mai 1952 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Betr.: Kleine Anfrage Nr. 263 der Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahhier und Genossen - Nr. 3309 der Drucksachen - Wertpapierbereinigung Zu der oben bezeichneten Kleinen Anfrage später, zum Teil etwa Ende des Jahres nehme ich im Einvernehmen mit dem Herrn 1953, zum Teil auch erst nach diesem Zeit- Bundesminister der Justiz wie folgt Stellung: punkt beenden können. Zu 1 b) Daß es dringend geboten ist, die Wert- papierbereinigung möglichst schnell zu be- (Ist die Bundesregierung bereit, in Verhand- enden, und daß zu diesem Zweck Kammern lungen mit den Ländern darauf hinzuwirken, für Wertpapierbereinigung in ausreichen- daß die Zahl von z. Z. 64 Kammern für Wert- der Zahl und Besetzung zur Verfügung papierbereinigung an 27 La ndgerichten wesent- stehen müssen, wird, wie ich wiederholt lich erhöht und damit im Interesse der Wert- festzustellen Gelegenheit gehabt habe, von papiersparer eine wesentliche Beschleunigung den Ländern, namentlich den Landesjustiz- der Verfahren erreicht wird ?) : verwaltungen, im Grundsatz durchaus an- a) Während im Herbst 1950 im Bundesgebiet erkannt. Dem entspricht die erwähnte 27 Kammern für Wertpapierbereinigung laufende Vermehrung der Kammern. Auch vorhanden waren, bestehen zur Zeit im zur Zeit ist die Einrichtung weiterer 10 Bundesgebiet und in Berlin insgesamt 69 Kammern, und zwar in Nordrhein-West- Kammern bei 27 Landgerichten, davon 57 falen und in Berlin in Vorbereitung. im Bundesgebiet und 12 in Berlin. Weitere 3 Kammern sind nach Beendigung ihrer c) Die Bundesregierung hat bereits mehrfach Arbeiten bereits aufgelöst worden. Nach und mit Erfolg Anlaß genommen, bei den den mir vorliegenden Berichten haben 6 Ländern die Einrichtung weiterer Kammern Kammern ihre Aufgaben nahezu abge- für Wertpapierbereinigung anzuregen. Diese schlossen. Weitere 14 Kammern werden Bemühungen werden auch in Zukunft dieses Ziel bis zum Ende des Jahres 1952 fortgesetzt werden. Insbesondere wird an- erreichen. Die übrigen 49 Kammern, die gestrebt, eine Vermehrung der Kammern bei 13 Landgerichten errichtet sind, wer- hei den Gerichten zu erreichen, bei denen den ihre Tätigkeit bei Zugrundelegung des nach dem derzeitigen Arbeitsstand erheb- augenblicklichen Organisations- und Ar- lichere Rückstände gegenüber anderen Ge- beitsstandes dagegen voraussichtlich erst richten festzustellen sind. Dabei darf jedoch
nicht verkannt werden, daß der Entwick- gungsgesetz berücksichtigt werden sollen, lung natürliche Grenzen gesetzt sind. Ins- keine praktisch durchführbaren Lösungen besondere stehen geeignete Richter und ergeben, die einen wesentlichen Erfolg ver- Beisitzer nicht unbeschränkt zur Verfügung. sprächen, ohne auf der anderen Seite den Neu eingesetzte Richter brauchen zudem Zweck des Wertpapierbereinigungsverfah- erfahrungsgemäß eine nicht unerhebliche rens zu gefährden. Die meisten Vorschläge Einarbeitungsfrist. Auch der technische gehen dahin, das Prüfungsverfahren in Apparat, der für jede Kammer erforderlich jenen erfreulicherweise weitaus überwiegen- ist, kann nicht in beliebigem Umfang be- den Fällen zu erleichtern, in denen bereits reitgestellt werden. Vor allem aber hängt jetzt feststeht, daß Kürzungen nicht erfor- die Beendigung der Wertpapierbereinigung derlich sein werden. Insbesondere sollen zu nicht nur von der Arbeit der Gerichte, diesem Zweck die Entscheidungsbefugnisse sondern auch von dem Fortgang zahl- der Prüfstellen erweitert und dadurch die reicher anderer Arbeitsvorgänge ab, die Gerichte entlastet werden. Ich kann diese untereinander in einem gewissen Gleich- Anregungen nicht befürworten. Der Stand klang stehen müssen. So ist auch bei (len der Anmeldungen darf nicht darüber täu- in der Kleinen Anfrage gebrachten Zahlen- schen, daß offensichtlich zahlreiche unge- angaben zu beachten, daß diese Zahlen rechtfertigte Anmeldungen vorliegen. An- nicht nur die anhängigen und die rück- dernfalls müßte sich schon angesichts der ständigen Kammerfälle, sondern auch die Behinderung vieler Ostzonenhewohner bei dnoch zu erwartenden bisher noch nicht an er Verfolgung ihrer Wertpapierbereini- die Gerichte gelangten Sachen umfassen, gungsansprüche ein größerer nicht beleg- die mehr als 2 i3 der Gesamtzahl ausmachen ter Teil der Sammelurkunde ergeben, als dürften. I n vielen Bezirken ist das best- es tatsächlich der Fall ist. Ich bin der An- mögliche Verhältnis zwischen dem gericht- sicht, daß es unter diesen Umständen nach lichen Verfahren und den übrigen Ver- wie vor erforderlich ist, jeden Fall sorg- fahrensabschnitten bereits erreicht, so daß fältig zu prüfen. Die Anerkennung einer auch die Einrichtung weiterer Kammern ungerechtfertigten Anmeldung trifft irgend- für Wertpapierbereinigung dort kaum mehr einen Berechtigten, mag es nun der Ost- zu einer wesentlichen Beschleunigung des zonenhewohner sein, der sein Recht bisher Gesamtverfahrens beitragen könnte. nicht anmelden konnte, oder der Lasten- Zu 2 ausgleichsfonds, dem voraussichtlich ein in der Wertpapierbereinigung endgültig ver- (Welche weiterem Maßnahmen beabsichtigt bleibender Überschuß zukommen soll. die Bundesregierung, uni den Abschluß der Wertpapierbereinigung zu beschleunigen? b) Ich sehe unter diesen Umständen das beste Wann ist insbesondere mit einer Gesetzes Mittel für eine Beschleunigung des Wert- vorlage zur Durchführung der §§ 42, 43 des papierbereinigungsverfahrens in Einwirkun- Wertpapierbereinigungsgesetzes zu rechnen ?): gen verwaltungsmäßiger Art. Hier hat sich a) Die Bundesregierung hat laufend geprüft, namentlich das Amt für Wertpapierberei- ob gesetzgeberische Maßnahmen zur Be nigung bewährt, das durch Klärung von schleunigung des Wertpapierbereinigungs Zweifelsfragen, Ausarbeitung von Gutachten, verfahrens möglich sind. Sie hat auch alle Unterstützung der Bankaufsichtsbehörden, Anregungen verfolgt, die in dieser Hinsicht die Beobachtung der Rechtsprechung und an sie herangetragen worden sind. Dabei - die Veranstaltung von Tagungen mit den haben sich abgesehen von kleineren tech Vorsitzenden der Kammern für Wertpapier- nischen Erleichterungen, die im Zweiten bereinigung und Vertretern der Landes- Ergänzungsgesetz zum Wertpapierbereini justizverwaltungen ganz erheblich zu einer
Beschleunigung des Verfahrens beigetragen den oft erst längere Zeit nach dem Inkraft- hat. Diese Arbeit wird auch in Zukunft treten des Wertpapierbereinigungsgesetzes fortgesetzt werden. Nachdem die meisten liegenden Beginn der Bereinigungsverfahren grundlegenden Fragen des Wertpapierbe- und die Schwierigkeiten der Wertpapierbe- reinigungsrechts, das zunächst völliges Neu- reinigung, die mit einer Wiederholung aller land darstellte, nunmehr im wesentlichen bisher im Bundesgebiet und in Berlin aus- geklärt sind, wird sich ihr Erfolg in stän- gegebenen Emissionen unter erschwerten dig zunehmendem Ausmaß bemerkbar Umständen verglichen werden kann. Dabei machen. ist zu berücksichtigen, (laß nach den Fest- stellungen des Amts für Wertpapierbereini- c) Die Bereinigung der Schuldverschreibungen gung bisher in das Bereinigungsverfahren und ähnlicher Werte wird zur Zeit vielfach 5.955 Wertpapierarten mit einem Gesamt- noch dadurch gehemmt, (laß das in den nennbetrag von 37,386 Milliarden Reichsmark §§ 42, 43 des Wertpapierbereinigungsge- einbezogen worden sind. Trotzdem wird nicht setzes vorgesehene Ergänzungsgesetz noch verkannt, daß die Dauer der Verfahren für nicht erlassen worden ist. Die Vorarbeiten zahlreiche Wertpapierinhaber eine schwere für dieses Gesetz sind aufgenommen wor- Belastung darstellt. Erwägungen darüber, wie den, sobald nach dem Anlaufen der Wert- in besonders beschleunigungsbedürftigen Ein- papierbereinigung die Möglichkeit gegeben zelfällen geholfen werden kann, sind bereits war, die zu ordnenden Tatbestände zu aufgenommen. Voraussetzung für die Einhal- klären und die erforderlichen Überblieke tung des genannten Termins ist bei Schuld- zu gewinnen. Dabei hat sich gezeigt, daß verschreibungen, daß das Zweite Ergänzungs- die notwendige Regelung, namentlich we- gesetz zum Wertpapierbereinigungsgesetz noch gen ihrer Abhängigkeit von währungsrecht- in diesem Jahre in Kraft tritt. Außerdem ist lichen Fragen außerordentlich schwierig ist , damit zu rechnen, daß nach Beendigung der und ziemlich umfangreich sein muß. Die jetzt laufenden Verfahren ein Ausgleich der Arbeiten haben sieh daher über Erwarten sog. .,Härtefälle" (Entschädigung für Berech- lange hingezogen. Sie massen und sollen tigte, welche die Anmeldefristen in entschuld- schon mit Rücksicht auf die beteiligten Wert- barer \Weise versäumt haben, namentlich für papierinhaber möglichst bald zu einem Spätheimkehrer und Ostzonenbewohner) un- Abschluß gebracht werden. Die Bundesre ter Verwendung des nicht belegten Teiles der gierung hofft, daß sie dem Bundestag den Sammelurkunde erforderlich werden wird. Entwurf eines entsprechenden Gesetzes Dieses Verfahren wird in einem Wertpapier- spätestens in 2 bis 3 Monaten zuleiten hereinigungs-Schlußgesetz zu regeln sein. Uber kann. den Zeitpunkt des Erlasses dieses Gesetzes und die voraussichtliche Dauer des zu seiner Zu 3 Durchführung notwendigen Verfahrens kön- nen noch keine Angaben gemacht werden. (Zu welchem Zeitpunkt ist nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Abschluß des Ver- fahrens zu rechnen ?) : Zu 4 (Liegen Statistiken vor über die Durchführung Wenn auch zuverlässige Voraussagen nicht von Strafverfahren wegen krimineller Anmel- möglich sind, so darf doch erwartet werden, dungen?): daß die Masse der einzelnen Bereinigungs- - verfahren in den Jahren 1952 und 1953 ab- Statistiken über Strafverfahren wegen krimi- geschlossen werden wird. Diese Zeitdauer neller Anmeldungen liegen nicht vor. Das Amt erscheint immerhin erträglich mit Rücksicht für Wertpapierbereinigung hat von 5 Verfahren auf die große Zahl der Einzelanmeldungen, Kenntnis erhalten, die wegen Abgabe falscher
eidesstattlicher Versicherung im Zusammen- aus den Tresoren verschiedener Berliner Ban- hang mit der Wertpapierbereinigung im Bun- ken auf die Einrichtung eines Sonderdezernats desgebiet eingeleitet oder durchgeführt wor- hei der Staatsanwaltschaft hingewirkt, das den sind. Es hat jedoch aus seiner Tätigkeit ausschließlich mit derartigen Straftaten befaßt den meiner Ansicht nach zutreffenden Ein- ist. Bisher wurden 36 Ermittlungsverfahren, druck gewonnen, daß strafrechtliche Verstöße die zum Teil große Wertpapierposten be- tatsächlich erheblich häufiger sind, als hiernach treffen, gegen etwa 60 Beschuldigte eingeleitet. vermutet werden könnte. Das Amt für Wert- Die Beschuldigungen lauten überwiegend auf papierbereinigung nimmt im übrigen an, daß Hehlerei. In einigen Fä llen sind die Ange- es nicht von allen Strafverfahren Kenntnis klagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei an erlangt hat. Für Berlin liegen genauere Unter- entwendeten Wertpapieren zu Zuchthaus- lagen vor. Dort hat das Aufsichtsamt für Banken strafen von 1 bis 1 1/2 Jahren verurteilt wor- mit Rücksicht auf die unmittelbar nach der den. Die Urteile sind noch nicht rechts- Einstellung der Kampfhandlungen erfolgten kräftig. Diebstähle bei der Deutschen Reichsbank und Schäffer