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Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Drucksache    164 Der Bundesminister Bonn, den 22. Januar 1958 des Auswärtigen 601/403-22/149/58 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Betr.:   Kulturelle Zusammenarbeit im Rahmen des Europarates Bezug : Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Rehling, Erler und Genossen - Drucksache 93 - Auf die Kleine Anfrage antworte ich wie folgt : Zu 1. Der Kulturausschuß der Westeuropäischen Union ist bei seinen Arbeiten stets bemüht, Überschneidungen mit der Kulturarbeit des Europarates zu vermeiden. Es hat sich in zunehmendem Maße die Tendenz Geltung verschafft, die kulturelle Tätigkeit beider Organisationen aufeinander abzustimmen. Dieses Be- streben wird dadurch erleichtert, daß sich die Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union durch die gleichen Personen ini Kulturausschuß der Westeuropäischen Union und im Kultur- sachverständigenausschuß des Europarates vertreten lassen. Schon bei der Organisation des Brüsseler Paktes hatte es sich bewährt, kulturelle Projekte zunächst im kleinen Kreis der damaligen fünf Mitgliedstaaten auf ihre Durchführbarkeit zu prüfen, bevor sie dem Europarat zur Verwirklichung im größeren Rahmen empfohlen wurden. Dieses Prinzip übernahm der Kulturausschuß der Westeuropäischen Union. Er ging dabei von. der Auffassung aus, daß Vorhaben, mit denen Neuland auf dem Feld der europäischen kulturellen Zusammenarbeit betreten wird, im kleineren Gremium der Westeuropäischen Union, in dein regionale Gegensätze weniger zutage treten, häufig einer Lösung leichter nähergebracht werden können als im schwerfälligeren Rahmen des Europarates. Hinzu kommt, daß die sieben Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union etwa 80 v. H. der Bevölkerung der Staaten des Europarates vertreten, so daß mit der Annahme eines Projektes im Rahmen der Westeuropäischen Union oft bereits entscheidende Vor- arbeit für die Übernahme durch den Europarat geleistet wird. Der Ausschuß der Kultursachverständigen des Europarates ist sich der Vorteile einer Vorprüfung schwieriger Probleme durch die Westeuropäische Union bewußt. Er überläßt daher in zunehmendem Maße Projekte, über die man sich im Europa- rat nicht klar werden konnte, zunächst dem Kulturausschuß
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Drucksache 164               Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode der Westeuropäischen Union zur gutachtlichen Stellungnahme. (Beispiel: Maßnahmen zur stärkeren Verwendung des Fern- sehens für die Verbreitung des Europa-Gedankens ; Schaffung eines Europarats-Preises für den besten europäischen Film usw.) Andererseits prüft die Westeuropäische Union stets, welche eigenen Vorhaben dem Europarat zur weiteren Behandlung überwiesen werden können. So wurden die Arbeiten der Westeuropäischen Union zur Schaffung einer Kulturkennkarte vom Europarat übernommen. Die Gültigkeit der „Europäischen Kulturkennkarte" wurde auf die 15 Mitgliedstaaten des Europa- rates ausgedehnt. Auch die Arbeiten an der Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse gingen von der West- europäischen Union auf den Europarat über, der sie ebenso wie die Konvention über die Gleichwertigkeit der Studien- zeiten inzwischen zum Abschluß gebracht hat. Andere Kulturarbeiten der Westeuropäischen Union lassen sich nicht ohne weiteres auf den Europarat übertragen. Dies gilt im besonderen für das System von Seminaren und Lehr- gängen für Fachleute bestimmter Gebiete. Eine Ausweitung dieser Arbeitstagungen auf alle Mitgliedstaaten des Europa- rates wurde zwar erörtert, aber bisher noch nicht durchge- führt, da sie organisatorische und finanzielle Probleme auf- wirft. Die Seminare der Westeuropäischen Union sind auf 36 Teilnehmer beschränkt; ihre zahlenmäßige Vergrößerung würde den Erfolg der Arbeit schmälern. Das Gastland trägt die Aufenthaltskosten, während die entsendenden Länder die An- und Abreisekosten übernehmen. Dieses Prinzip läßt sich nur schwer auf den Europarat übertragen, da einige der europäischen Randstaaten die damit verbundenen finanziellen Lasten nur mit großen Schwierigkeiten übernehmen könnten und bei Seminaren in diesen Ländern sehr hohe Reisekosten entstehen würden. Gleichwohl wird auch hier angestrebt, die Ergebnisse der kulturellen Arbeit der Organisation der Westeuropäischen Union allen Mitgliedstaaten des Europarates zugänglich zu machen. So hat der Europarat seit 1956 die Reisekosten von Universitätsvertretern der nicht der Westeuropäischen Union angehörenden Mitgliedstaaten bei Teilnahme an den Tagungen des Europäischen Universitätskomitees der Westeuropäischen Union getragen. Darüber hinaus konsultiert der Europarat das Europäische Universitätskomitee der Westeuropäischen Union in allen Hochschulfragen seiner Mitgliedstaaten. Im übrigen wird geprüft werden, ob das Europäische Universitätskomitee nach Abschluß der für 1959 einberufenen europäischen Rek- torenkonferenz in Dijon unter der Zuständigkeit der West- europäischen Union verbleiben oder dem Europarat organisa- torisch angegliedert werden soll.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode             Drucksache 164 Um die allgemeine Koordinierung der Kulturarbeit von West- europäischer Union und Europarat ist auch die Versammlung der Westeuropäischen Union bemüht, der die Vertreter der WEU-Mitgliedstaaten in der Beratenden Versammlung des Europarates angehören. Das Komitee für allgemeine Angelegen- heiten dieses Gremiums befaßt sich speziell mit Fragen kultureller Art. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die in den kul- turellen Gremien der Westeuropäischen Union geleisteten Arbeiten für die Entwicklung der kulturellen Zusammenarbeit Europas fruchtbar sind und eine wertvolle Ergänzung zu den Bemühungen des Europarates bilden. Zu 2. Ebenso wie die übrigen Mitgliedstaaten entsendet auch die Bundesregierung die gleichen Delegierten in die Kulturaus- schüsse der Regierungssachverständigen des Europarates und der Westeuropäischen Union. Leiter der Delegationen ist je- weils der Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes. Die Delegation der Bundesregierung zu den alle zwei Jahre tagenden Generalversammlungen der UNESCO wird jeweils besonders zusammengestellt. Der deutschen Delegation zur letzten Generalversammlung in New Delhi im Jahre 1956 haben einerseits sowohl der Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes wie der Leiter des Schulausschusses der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, die beide regelmäßig an den Tagungen der Kultursachverständigen des Europarates und des Kulturausschusses der Westeuropäischen Union teilnehmen, wie auch andererseits Frau Abgeordnete Dr. Rehling angehört, die Mitglied der Kulturkommission der Beratenden Versammlung des Europarates ist. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch in Zukunft zu den Generalversammlungen der UNESCO Delegierte zu ernennen, die in den Kulturausschüssen des Europarates tätig sind. von Brentano
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