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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Lärmmedizinisches Gutachten Flughafen Hamburg“
Lärmmedizinisches Gutachten Hamburger Flughafen Vorfeld II Anhang A
Gutachten-Kennblatt Titel: Lärmmedizinisches Gutachten für den Flughafen Hamburg Vorfeld II Autoren: Leitung des Gutachtens: Dr.-Ing. C. Maschke Prof. em. Prof. Dr. med. K. Hecht Dr. rer. nat H.-U. Balzer cand. Met. S. Bärndal cand. Ing. D. Erdmann cand. Ing. M. Greusing cand. Ing. H. Hartmann cand. Ing. F. Pleines cand. Ing. T. Renner Dr.-Ing. C. Maschke Technische Universität Berlin Fachbereich 6 Institut für Technische Akustik Einsteinufer 25 10587 Berlin Abschlußdatum: 15.12.96 Durchführende Institutionen: Technische Unversität Berlin, Fachbereich 6 Institut für Technische Akustik Einsteinufer 25, 10587 Berlin Tel. 030/314-22931 Veröffentlichungsdatum: Seitenzahl: Hauptteil: 93 Anhang A: 69 AnhangB: 144 Anhang C: 67 Institut für Streßforschung Berlin 1.S.F. Chausseestr. 111, 10115 Berlin Tel. 030/28599029 Tabellen und Diagramme: Hauptteil: 25 AnhangA: 5 AnhangB: 16 Anhang C: 45 Abbildungen: Hauptteil: 28 Anhang A: 32 AnhangB: 62 AnhangC: -. Zusätzliche Angaben: Dieses Gutachten besteht aus vier Teilen; dem Hauptteil und den Anhängen A, B und C.
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 1 Streßkonzepte unter dem Aspekt der Lärmwirkungen auf den Menschen 1.1 Streßkonzept von Selye 1.2 Weitere Streßkonzepte 1.2.1 Das kognitionspsychologische Streßkonzept von Lazarus 1.2.2 Das sozialpsychologisch-soziologische Streßkonzept 1.3 Streßdefinitionen unter regelungstheoretischem Aspekt 1.3.1 Eustreß und Disstreß 1.3.2 Die Operationalisierung der Lärmstreßreaktion 2 Akustische Wahrnehmung in Beziehung zur Aktivierung 2.1 Reiz und Wahrnehmung 2.2 Grundlagen der Aktivierung 2.2.1 Schallereignis und Aktivierung 2.2.2 Aktivierung und Emotionen 2.2.3 Aktivierung und Leistung 2.2.4 Erwünschte und unerwünschte Aktivierung 2.2.5 Unerwünschte Aktivierung und Regulation 2.3 Lärm und Lebensqualität 2.4 Betrachtung zur Beziehung zwischen Streß und Aktivierung 3 Einbeziehung chronobiologischer Erkenntnisse in das Lärmmedizinische Gutachten 3.1 Einleitung 3.1.1 Allgemeines zur Regulation und zum biologischen Rhythmus 3.2 Chronobiologie: Definition und methodologische Aspekte 3.3 Zirkadiane Rhythmen und ihre praktische Bedeutung 3.4 Periodenvariabilität 3.5 Disstreß und Zirkadianer Rhythmus 3.6 Jetlag-Syndrom und Desynchronose 3.7 Empfindlichkeitszeitpunkte des zirkadianen Rhythmus 3.8 Ontogenese der zirkadianen Rhythmik 3.9 Individuelle Phasenlage des zirkadianen Rhythmus (Morgen- und Abendmenschen) 3.10 Schlafzyklen und zirkadianer Rhythmus 3.11 Chronobiologische Aspekte der Lärmwirkung 3.12 Funktions -Maxima und -Minima zirkadianrhythmischer Verläufe psychophysiologischer Prozesse des erwachsenen Menschen 3.12.1. Psycho-Physiologische Prozesse 3.12.2. Funktionsveränderungen während der Arbeit 3.12.3. Pathophysiologische Funktionen / Fehlverhalten on mauuh 0.6. 22 22 22 25 25 30 32 33 34 35 37 38 39 42 42 44 44
3.12.4. Therapie, Pharmaka 3.12.5. Gynäkologie 4 Gesundheit und Lärmwirkungen 4.1 Vorbemerkungen 4.2 Was ist Gesundheit? 4.3 Wie diagnostizieren wir Gesundheit? 4.4 Lärm und biologische Befunderhebung als Kriterium für Lärmschäden 4.4.1 Untersuchungen am Menschen 4.4.2 Tierexperimentelle Modelluntersuchungen 3 Adaptation und Habituation (Gewöhnung) an Lärm 5.1 Einleitung 5.2 Adaptation 5.3 Gewöhnung 5.4 Lärmwirkung, Gewöhnung und Adaptation 5.5 Adaption und Schlaf 6 Individuelle psychophysiologische Aspekte der Lärmwirkungen 6.1 Historische Aspekte der Typologie 6.2 Verarbeitung von Lärmwirkung und Typisierung Abbildungsverzeichnis Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 Tabellenverzeichnis Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 Literaturverzeichnis Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 U 45 45 46 46 46 48 49 49 50 52 52 52 53 53 54 56 56 58 60 60 60 60 61 61 61 62 62 62 62 62 62 62 63 63 64 65 67 68 69
Abkürzungsverzeichnis A0 Al A3 ACTH ARAS ber. cAMP dB(A) dB(AD DIN DRC EEG EFN EKG EMG EOG FBN gem. HVS IHK ILO ipos Ausgangssituation Ausbaustufe 1 Ausbaustufe 2 Ausbaustufe 3 Adrenocorticotropes Hormon Allgemeines Lineares Modell Aszendierendes Retikuläres Aktivierungssystem berechnet cyclo Adenosinmonophosphat Dezibel, A-bewertet Dezibel, Al steht für "Zeitbewertung Impuls" Deutsches Institut für Normung Damage-Risk Contours (Gehörschadenrisikokurven) Elektroenzephalogramm Norwegisches Fluglärmmaß Elektrokardiogramm Elektromyogramm Elektrookulogramm female/weiblich schwedische Einheit für einen zeitlich gewichteten Mittelungspegel Gemessen Stunde Hydroxy-Vanillin-Mandelsäure Ischämische Herzkrankheiten International Labour Organisation (Internationale Arbeitsorganisation der UNO) Institut für praxisorientierte Sozialforschung Kosteneinheit Kraftfahrzeug A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel, Mittelungspegel A-bewerteter Maximalpegel Day - Night Noise Level (über Tag und Nacht gemittelter Lärmpegel) Äquivalenter Dauerschallpegel Noise Exposure Level :äquivalenter Dauerschallpegel eines repräsentativen 8 Stunden Arbeitstages Lastkraftwagen II
Lyise Ly L, eak Ureg mdl. Min Ni N2 N3 N50 N55 NEF NIPTS NNI NONREM PNS PSYCHINFO PSYNDEX REM RR s schr. SEL SOLIS tel. TNI TTS ULIT UNO VMS WHO Maximalpegel Überschreitungspegel (Lärmpegel, der in N Prozent der Meßzeit überschritten wird) Spitzenpegel modifizierter L,.., Beiträge <40 dB(A) werden nicht berücksichtigt male/männlich Mündlich Minute Anzahl der Fahrzeuge pro Nacht Nullvariante | Nullvariante 2 Nullvariante 3 Anzahl der Fahrzeuge pro Nacht mit Spitzenpegel über 50 dB(A) Anzahl der Fahrzeuge pro Nacht mit Spitzenpegel über 55 dB(A) Noise Exposure Forecast (Lärmbelastungsvoraussage) Noise Induced Permanent Threshold Shift (Lärmbedingter Hörverlust) Noise and Numder Index Non Rapid Eye Movement (Nicht-Traumschlaf) Peripheres Nervensystem Name einer Datenbank Name einer Datenbank Rapid Eye Movement (Traumschlaf) Relative Risiken Sekunde Schriftlich Sound Exposure Level (Lärmimmissionspegel) Name einer Datenbank telefonisch Traffic Noise Index (Verkehrslärmindex) Temporary Threshold Shift (Zeitweilige Hörschwellenverschiebung) Name einer Datenbank United Nation Organisation Verein Deutscher IngenieurInnen Vanillin-Mandelsäure World Health Organistion (Weltgesundheitsorganisation) Zentrales Nervensystem
1 Streßkonzepte unter dem Aspekt der Lärmwirkungen auf den Menschen Jede bewußte oder unbewute Informationsaufnahme und -verarbeitung geht mit weniger oder mehr stark ausgeprägten Emotionen, Aktivierungen, Streß und Gedächtnisprozessen einher, die eng miteinander vernetzt sind. Das trifft in besonderem Maße auch für akustische Informationen zu. Der Komplex dieser ausgeführten Grundfunktionen des Menschen zur Informationsverarbeitung steht in enger Beziehung zu den zentralnervösen, hormonellen, humoralen, vegetativen und immunologischen Systemen. Jede Informationsverarbeitung führt zu regulatorischen Veränderungen in diesen Funktionssystemen. Lärmwirkungen haben gleichfalls derartige Veränderungen zur Folge, die als Streß charakterisiert werden. Hierzu gehört z.B. die Erhöhung des Kortisols [Maschke 1995] sowie des Blutdrucks [Graff 1968]. 1.1 Streßkonzept von Selye Der Begriff Streß ist weit verbreitet. Der Begründer der biologischen Streßtheorie Hans Selye sagte 1982 kurz vor seinem Tode: "Ich habe allen Sprachen ein neues Wort geschenkt: Streß!" Hans Selye [Selye 1936, 1953, 1956] beobachtete bei seinen wissenschaftlichen Untersuchungen in den dreißiger Jahren, daß bei Einwirkungen von Reizen auf unterschiedliche Sinnessysteme (Sensoren) neben den spezifischen Reaktionen immer die gleiche unspezifische Reaktion ausgelöst wird, die er als Streß bezeichnete. Dies tat er in Anlehnung an das lateinische Wort „pressus“, welches mit „Druck, Beanspruchung, Spannung erzeugend“ oder „Abwehr“ übersetzt werden kann. Die unspezifische Reaktion erfüllt das Bedürfnis an Anpassungsfunktionen zur Wiederherstellung des "Normalzustands". Diese unspezifische Reaktionsweise nannte er "Allgemeines Adaptationssyndrom" AAS. Es verläuft in drei Stadien: 1. Alarmreaktionen: Mobilisierung der Abwehrkräfte Dies geschieht durch folgende nerval-hormonelle Prozesse: Sofortiger Anstieg von Adrenalin, dann Anstieg von Noradrenalin (nervale Stimulierung des Nebennierenmarks), später Anstieg von ACTH (adrenocorticotropes Hormon) aus der Hypophyse. ACTH vermag bei länger anhaltendem Streß Endorphine freizusetzen. Ein Anstieg von Glucokortikoiden (u.a. Kortisol) erfolgt erst nach ca. 50-60 Minuten, gleichzeitig besteht eine zeitweilige Hyperplasie (Vergrößerung) der Nebennierenrinde, Zeichen eines permanent gesteigerten Stoffwechsels. Letzterer Prozeß bietet die hormonelle Grundlage für Stadium 2. 2. Stadium des Widerstandes (Resistenz) Kein Organismus kann auf Dauer im Alarmzustand gehalten werden. Daher erfolgt eine Umschaltung in das Stadium 2. Die hormonelle Reaktion ist anders als in Stadium 1: Analog dazu äußerte Pawlow die Auffassung [Pawlow 1952], daß sich die „außergewöhnlichen Stimuli, die sich in Form der krankheitserregenden Ursachen reflektieren, gleichzeitig auch Reize für die Schutzmechanismen des Organismus sind, die den Kampf mit entsprechenden 1 von 69
Anhang A Kapitel 1: Stresskonzepte en Kapıtel I: Diresskonzepte pathologischen Erregern aufnehmen“. Homöostatische und heterostatische Abwehr- mechanismen liegen dem Stadium 2 zugrunde. Unterschiede zwischen beiden entstehen nach Selye dadurch, daß die Homöostase den normalen Gleichgewichtszustand durch eigene Körperfunktionen aufrechterhält. Bei der Heterostase wird der Widerstandsreflex auf eine nötige Kapazität eingestellt. Der Organismus kann zur Erhöhung des Abwehrzustands veranlaßt bzw. "erzogen" werden. [Selye 1977] 3. Stadium der Erschöpfung Dieses tritt ein, wenn der Widerstand gebrochen wird, z. B. durch - Abschwächung der inneren Kraft - fehlende Unterstützung von außen (Therapie, Prophylaxe) - Verstärkung des Ungleichgewichtes Mensch-Umwelt durch Überwiegen der belästigenden bzw. schädigenden Einflüsse Bei ungenügender Erholung werden pathogenetische Prozesse stimuliert, so daß Krankheiten entstehen können. Die Lebensweise der modernen Menschheit hat sich dahingehend entwickelt, daß einem Bericht der ILO (Internationale Arbeitsorganisation der UNO) [ILO 1995] zufolge zwei Drittel aller Krankheiten auf Streß zurückzuführen sind. Auch an der AIDS- und Krebspathogenese ist Streß maßgeblich beteiligt. [Rosch 1995] Selye [Selye 1953, 1956] definierte Streß als die unspezifische, stereotype Reaktion des Organismus auf jede Anforderung". Das Wesen des Streß besteht für ihn in diesem unspezifischen Erfordernis von Aktivität, von "Adaptationsenergie", deren Größe genetisch determiniert ist. Der biologische Zweck der Streßreaktion wird in einer schnelleren Bereitstellung von Energie gesehen. Ausgelöst durch physische und physikalische Reize ist der Organismus zu Kampf und Flucht bereit. Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei der hormonellen Sekretion zu, insbesondere der Nebennierenrinde und ihrer Produktion von Glucokortikoiden. An der Streßreaktion sind zwei Steuermechanismen beteiligt (s. Abb 1.1): l. der schnelle und direkte Nervenweg 2. der langsame und indirekte Hormonweg a in 2 von 69
Anhang A Kapitel 1: Stresskonzepte - Adaptation - Bewußsein - Emolion - Notfallreaktion - höchste analytische - Trieb- und - vegetalive und integrative Tätigkeit Instinktverhalten motorische - analytische integrative Koordination Tätigkeit 2. Ordnung Stirnhirn |; ‘| Limbisches Systen Releasing Factor) Thalamus a Fi Formatio Relikularis Hypophyse Parasympathikus agqus Acelylcholin Glucokortikolde Adrenalin (Fluchthormon) (Kortison, Hydrokorlison) Noradranalin (Angriffshormon) u.a. am Harzen wirksam Mineralkortikoide ß-Rezeptoren «a -Rezeptoren ne RN u.a. an den Gefäßen langfristige Anpassungsreaktionen z.B. Heilprozesse kurzfristige Energiemobilisierung Erhöhung der Stoffwachselrate, umfassende Freisetzung von somalischer Energie ACTH: adrenocortikotropes Hormon STH: somatotropes Hormon NNR: Nebennierenrinde NNM: Nebennierenmark VNS: vegetatives Nervenystem Abb. 1.1: Übersicht des Steuermechanismus während des Streß (Quelle: Seefeld 1989) Selye [Selye 1936,1953,1956] beschrieb folgende Triade: 1) Die Nebennieren vergrößern sich 2) Thymus, Milz und Lymphknoten zeigten eine starke Schrumpfung 3) Geschwürbildungen zeigten sich im Magen und Zwölffingerdarm Selyes Streßkonzept erlangt seine volle Gültigkeit, wenn es auf biologische Prozesse reduziert wird. Die endokrinologische Interpretation der Genese der Streßreaktion vernachlässigt jedoch die nervalen und psychischen Vermittlungsprozesse bei der Streßsignalisierung. [Nitsch 1981] 3 von 69
Anhang A Kapitel 1: Stresskonzepte Ten Eustress Funktionsveränderungen Psychisch: emotionelle Spannung gesteigerte Vigilanz erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration Biotisch (meßbar) Zentralnervensystem ii EEG Betawellen Nebennierenrinde T Cortisol Nebennierenmark 7 Adrenalin Herz-Kreislauf pe Herzfrequenz r Blutdruck Stoffwechsel T Glukose ai Lipide Hautwiderstand ale Abb. 1.2: Funktionsveränderungen bei Eustreß 1.2 Weitere Streßkonzepte Zwecks Ergänzung der Selyeschen biologischen Streßreaktion wurden im Laufe der Zeit weitere Streßkonzepte aufgestellt, von denen einige nachfolgend in der folgenden Tabelle aufgezählt werden. Srenkonzepte Vom psychophysiologisch orientierte Simonov 1975, Scheuch 1982, 1989 psychosozial orientierte Levi 1967, 1974 molekularbiologisch orientierte: das Regulide-Konzept Oehme und Hecht 1980 das molekulare-supramolekulare Konzept| Oehme, Hecht, Krause 1996 Tab. 1.1: Streßkonzepte und ihre Vertreter € m m — — — — — — — — ———_ ze 4 von 69