Residenzpflicht

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Landtag von Sachsen-Anhalt                                     Drucksache 4/1757 Vierte Wahlperiode                                                       16.08.2004 Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Harry Czeke (PDS) Residenzpflicht Kleine Anfrage - KA 4/6797 Wortlaut der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung In der Vergangenheit galt für Pächter von Landesdomänen o. Ä. immer das Prinzip der Residenzpflicht. Ich frage die Landesregierung: 1. Wird derzeit auch weiterhin nach diesem Prinzip der Residenzpflicht verfahren? Wenn nein, warum und welche unterschiedlichen Handhabungen und Vereinba- rungen gibt es? 2. Inwiefern wird dieses Prinzip auch beim Verkauf von Landesflächen oder bei Ver- äußerungen durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) im Land Sachsen-Anhalt angewendet? 3. Wie definiert die Landesregierung den Begriff „Lebensmittelpunkt“ und wie wird er in diesem Zusammenhang tatsächlich ausgelegt? 4. Inwiefern reicht eine Anwesenheit nur an Wochenenden, um der Residenzpflicht zu genügen? 5. Wird die Einhaltung der Residenzpflicht kontrolliert? Wenn ja, wie wurde bisher mit welchem Ergebnis kontrolliert? 6. Welche Bedingungen müssen bei etwaigen Kontrollen der Landesregierung an- getroffen werden, die eine Rückabwicklung von Pacht- oder Kaufverträgen recht- fertigen? (Ausgegeben am 18.08.2004)
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2 7. In wie viel Fällen musste bisher aus welchen Gründen eine Rückabwicklung vor- genommen werden und in welchen Landkreisen erfolgten diese Maßnahmen? 8. Gibt es in diesem Zusammenhang ein abgestimmtes Handeln zwischen Landes- regierung und BVVG? Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Zu 1: Nach den Allgemeinen Pachtbedingungen (APB) für Domänen des Landes Sachsen- Anhalt hat der Pächter seinen Wohnsitz auf einem der Pachtgrundstücke zu nehmen. Zu 2: Der Verkauf von Landesflächen erfolgt bedingungsfrei durch ein öffentliches Aus- schreibungsverfahren. Residenzverpflichtungen werden den Erwerbern nicht aufer- legt. Die Landesflächen wurden bisher überwiegend an die Pächter bzw. an ortsan- sässige Erwerber verkauft. Hinsichtlich der Veräußerung von Flächen durch die Bodenverwertungs- und -ver- waltungs GmbH (BVVG) im Land Sachsen-Anhalt ist anzumerken, dass der begüns- tigte Erwerb von ehemals volkseigenen, von der BVVG verwalteten Flächen nach § 3 Ausgleichsleistungsgesetz an (bundes)-gesetzlich bestimmte Voraussetzungen ge- bunden ist. Damit sind diese gesetzlichen Vorgaben in allen neuen Bundesländern anzuwenden. Eine der Voraussetzungen für die Erwerbsberechtigung der Pächter nach § 3 Abs. 2 Ausgleichsleistungsgesetz ist die Erfüllung des Kriteriums der Ortsansässigkeit. Nä- here Einzelheiten dazu hat die Bundesregierung mit der Flächenerwerbsverordnung geregelt. Danach kann ein Kaufvertrag erst abgeschlossen werden, wenn der Hauptwohnsitz des Berechtigten, bei juristischen Personen des Privatrechts der Betriebssitz, in der Nähe der Betriebsstätte nachgewiesen ist. Berechtigte im Sinne des § 3 Abs. 2 des Ausgleichsleistungsgesetzes müssen, soweit dies nicht bereits gegeben ist, ihren Hauptwohnsitz oder Betriebssitz bis spätestens zwei Jahre nach Pachtbeginn, je- doch nicht vor dem 30. September 1998 in die Nähe der Betriebsstätte verlegen und dort für die Dauer von 20 Jahren beibehalten (siehe § 2 Abs. 2 der Flächenerwerbs- verordnung). § 1 Abs. 3 der Flächenerwerbsverordnung definiert den Hauptwohnsitz im Sinne die- ser Verordnung als Lebensmittelpunkt des Berechtigten, bei Verheirateten als Le- bensmittelpunkt der Familie. § 12 Abs. 1 lit. a, dd) der Flächenerwerbsverordnung regelt ferner, dass die BVVG vom Kaufvertrag zurücktreten kann, wenn der Erwerber vor Ablauf von 20 Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages den für den Erwerb maßgeblichen Hauptwohnsitz aufgibt.
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3 Zu 3: Die Landesregierung versteht den Begriff „Lebensmittelpunkt“ im melderechtlichen Sinne. Nach § 8 Abs. 2 Satz 5 Meldegesetz LSA ist die vorwiegend benutzte Woh- nung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehung des Einwohners liegt. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwGE 89, 110, 115) zur wortgleichen Bestimmung des § 12 Abs. 2 Satz 3 Melderechtsrahmengesetz ist der Schwerpunkt der Lebensbeziehung nach objektiven Merkmalen zu beurteilen, z. B. durch eine quantitative Berechnung durch Gegenüberstellung der Nutzungszeiten. Im Zusammenhang mit den Verpflichtungen der APB spielt der Begriff „Lebensmittel- punkt“ keine Rolle. Nach den APB hat der Pächter seinen Wohnsitz auf einem der Pachtgrundstücke zu nehmen (siehe auch Antwort zu Frage Nr. 1). Zu 4: Sofern der Domänepächter einen Wohnsitz genommen hat, wird den APB Genüge getan. Im Zusammenhang mit den begünstigten Verkäufen nach dem Ausgleichsleistungs- gesetz genügt eine Anwesenheit nur am Wochenende nicht. Zu 5: Zu den Landesdomänen werden turnusmäßige Pachtkontrollen durchgeführt. Eine Verletzung der Pachtverträge konnte bisher nicht festgestellt werden. Die BVVG führt Pachtsachenkontrollen im Dreijahresrhythmus durch. Bei Verkäufen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz wird die Ortsansässigkeit des Kaufberechtigten vor Vertragsabschluss und später im Rahmen des Vertragsmanagements auch alle drei Jahre überprüft. Die BVVG hat in Sachsen-Anhalt aufgrund der bisher durchgeführten Kontrollen ei- nen Kaufvertrag rückabgewickelt. Zu 6: Die Kündigungsbedingungen ergeben sich aus den geschlossenen Pacht- bzw. Kaufverträgen (schwerwiegende Verstöße). Außerordentliche Kündigungen von Pachtverträgen ergeben sich aus dem allgemeinen Pachtrecht heraus. Als Vollzugshindernis bei Kaufverträgen gilt praktisch ausschließlich die Nichtzahlung des Kaufpreises, da weitere Bedingungen nicht gestellt werden. Zu 7: Außerordentliche Kündigungen zu Pachtverträgen über Domänen gab es bisher nicht. Ausstehende Pachtforderungen, die dies hätten rechtfertigen können, sind durch Abtretung von Fördermitteln besichert worden.
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4 Zu 8: Die begünstigten Verkäufe der BVVG sind konkret im Ausgleichsleistungsgesetz und der Flächenerwerbsverordnung geregelt und von daher mit den Verkäufen des Lan- des grundsätzlich nicht vergleichbar. Die BVVG informiert das zuständige Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung im Falle einer beabsichtigten Kündigung eines Pachtvertrages und bittet das Amt in strit- tigen Fällen auch um fachliche Stellungnahme.
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