Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen Im Jahre 2012

Die „NSU-Akten“. Mehr Infos dazu gibt es hier.

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GEHEIM amtlich geheim gehalten Landesamt für Verfassungsschutz Hessen • Postfach 39 05 • 85029 Wiesbaden 1. Hessisches Ministerium des Innern und für Sport                  Aktenzeichen Herrn Min. Dirig. Dr. W. Kanther - o. V. l. A. –              266-S-520 007-CO1 /2014 Geheim Friedrich-Ebert-Allee 12                                      Bearbeiter/in 65185 Wiesbaden                                               Durchwahl Telefax E-Mail Ihr Zeichen Ihre Nachricht Datum 20. Nov 2014 1        Ausfertigung 17       Seiten plus Anlagen Die VS-Einstufung endet mit Ablauf des Jahres: 2134 Nach Entnahme der Anlagen ist das Schreiben VS-Nur für den Dienstgebrauch Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen Im Jahre 2012 Anlage: Bericht plus Anlagen gemäß Inhaltsverzeichnis Als Anlage überlasse ich den nach mündlicher Erörterung überarbeiteten die bisherigen Berichte zusammenfassenden Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen, die 2012 auf Grund eines mündlichen Erlasses von Staatsminister Rhein vom 18. Juni 2012 im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex durchgeführt wurde. Im Auftrag
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen im Jahr 2012 (Stand September 2014)
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GEHEIM amtlich geheim gehalten INHALT 1.     Auftrag 2.     Abläufe der Aktensichtung - Herangehensweise und Umsetzung 2.1.   Koordinierungsstelle 2.2.   Aktenumfang 2.3.   Ressourcen 2.4.   Methodisches Vorgehen 2.5.   Aktenzustand 2.6.   Fachliche Leitung 3.     Ergebnisse der Aktenprüfung 3.1.   Prüfkriterien 3.2.   Ergebnisse der Aktenprüfung 3.2.1. Relevante Hinweise 3.2.2. Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz (PKV) 3.2.3. Unterrichtung des Bundestagsuntersuchungsausschusses Rechtsterrorismus 4.     Schlussfolgerungen 4.1.   Sachverhalte 4.2.   Veranlasste Maßnahmen 4.2.1. Dienstvorschriften 4.2.2. Dienstkunde 4.2.3. Organisationsänderung 4.2.4. Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund und im GETZ/GAR 4.2.5. Abarbeitung der Sachverhalte aus der Aktenprüfung 4.3.   Beabsichtigte Maßnahmen 4.3.1. Dienstvorschriften 4.3.2. Standardisierung von Arbeitsabläufen 4.3.3. Dienstaufsicht und Qualitätssicherung 4.3.4. Priorisierung 4.3.5. Neuausrichtung des Verfassungsschutzes 5.     Unterlagen aus der Materialsichtung
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GEHEIM amtlich geheim gehalten 5.1.    Fachinhaltliche Einweisung bezüglich der Sichtung aller Rechtsextremismus Sach- und Personenakten (einschließlich Listung relevanter Taten und relevanter Personen - 15 Seiten) 5.2.    Eigene Anlage relevanter Personendaten mit Lichtbildern - 17 Seiten 5.3.    Symbole des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) - 2 Blatt 5.4.    Formatvorlage Sichtungsnachweis, Tabelle Prüfergebnis und Tabelle sonstige Bemerkungen - 3 Blatt 5.5.    Sichtungsnachweis Beschaffung - 1 Blatt 6.      Anlagen 6.1.    Übersicht über die übermittelten Sachverhalte gemäß der Beweisbeschlüsse des Bundestagsuntersuchungsausschusses (9 Seiten) 6.2.    Liste der Ergebnisse der Aktenprüfung (Relevante Hinweise, Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz - PKV - und des Bundestagsuntersuchungsausschusses Rechtsterrorismus) (6 Seiten)
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GEHEIM amtlich geheim gehalten 1.      Auftrag Nach Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) am 11. November 2011 begann das LfV am 14. November 2011 mit der Sichtung relevanter Akten (insbesondere Aktenbestande aus dem Bereich Neonazis und Nordhessen) auf der Grundlage fachlicher Gesichtspunkte, um mögliche Hinweise auf die rechtsterroristische Gruppierung zeitnah zu ermitteln. Die Unterrichtung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport (HMdIS) über Ergebnisse erfolgte zum damaligen Zeitpunkt zwar regelmäßig, aber nicht immer umgehend. Vor diesem Hintergrund beauftragte am 18. Juni 2012 Herr Staatsminister Boris Rhein das LfV, die Bemühungen hinsichtlich der Aufklärung des NSU und seines Umfeldes auszuweiten und sämtliche noch vorhandene Akten der vergangenen 20 Jahre im Phänomenbereich Rechtsextremismus detailliert zu überprüfen. Danach wurden in mehreren Erlassen Nachberichte zu einzelnen Fragen angefordert. Die Ergebnisse der Aktensichtung des LfV, die vom 25. Juni bis zum 3. Dezember 2012 dauerte, sind - unter Berücksichtigung der seit Erstellung des Erstberichts im Dezember 2012 erfolgten Auftrage des HMdIS und entsprechender Berichte des LfV- im vorliegenden Abschlussbericht zusammengefasst dargestellt. 2.      Abläufe der Aktensichtung - Herangehensweise und Umsetzung 2.1.    Koordinierungsstelle Zur Koordination, Qualitätssicherung und Dokumentation der Arbeiten wurde eine Koordinierungsstelle (KoSt) mit zwei Personen eingerichtet. Hier wurde ein Verfahren erarbeitet, das die Prüfung des einzelnen Vorgangs nachvollziehbar dokumentierte. Während der Aktensichtung war die KoSt die zentrale Ansprechpartnerin für die Aktenprüfgruppe für alle organisatorischen oder fachlichen Fragen. Die Rückläufe in Bezug auf die fachlichen Fragen wurden gesammelt und an die fachliche Leitung (siehe Punkt 2.6) weitergeleitet. Zur zeitnahen Unterrichtung gab es einen eigenen E-Mail-Verteiler. Für die Aktensichtung zentrale Unterlagen (zum Beispiel Arbeitsabläufe, Formulare, Prüfkriterien, fachliche oder organisatorische Erläuterungen) wurden auf einem für die Aktenprüfgruppe zugänglichen Ordnerbereich zur Verfügung gestellt. Anlassbezogen wurden diese aktualisiert und alle Mitglieder der Aktenprüfgruppe umgehend darüber unterrichtet. Darüber hinaus fanden - gemeinsam mit der fachlichen Leitung - Einführungssitzungen zur Sensibilisierung und Schulung der eingesetzten Bediensteten statt. 2.2.    Aktenumfang Im Sinne des Auftrags wurden - im Einvernehmen mit dem HMdIS - alle Dokumente aus dem Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 2012 hinsichtlich eventueller Verbindungen zum NSU und dessen Umfeld überprüft. Diese Prüfung umfasste voll umfänglich • die Akten der Auswertung Rechtsextremismus, • die Akten von Beschaffungsvorgängen aus dem Bereich des Rechtsextremismus (Forschungsansätze, Werbungsmaßnahmen, Quellenführung), • die Akten der Observation und der zu Maßnahmen aus dem Bereich Rechtsextremismus • sowie Aktenbestände des Grundsatzbereichs mit Bezug zu dem im Jahr 2006 Tatverdächtigen Andreas Temme im Zusammenhang mit dem NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Die Evaluierung des zu sichtenden Aktenbestandes ergab, dass insgesamt etwa 123.500 registrierte Aktenstücke unterschiedlichen Umfangs aus insgesamt 2.360 unterschiedlichen Sach- oder Personenbezügen (Aktenzeichen) zu überprüfen waren. Dabei handelte es sich mit ungefähr 3.500 Aktenbänden um eine geschätzte Anzahl von einer Million Blatt Papier. Der größte Teil der zu sichtenden Bestände war mit rund 117.000 Dokumenten (94,7% des gesamten geprüften Bestandes) im Bereich der Auswertung angesiedelt. Dabei handelte es sich bei etwa 86.000 Aktenstücken um Sachvorgänge und bei etwa 31.000 Stücken um Aktenbestände von personenbezogenen Akten. Insbesondere den Arbeitsbereichen Beschaffung und waren zusammen rund 6.500 Aktenstücke (5,3% des gesamten geprüften Bestandes) zuzuordnen. Zusätzlich gab es eine große Menge nicht registrierten Materials (zum Beispiel rechtsextremistische Publikationen und Musik-CDs). Dieses wurde von der Fachabteilung bezüglich seiner inhaltlichen Relevanz vorgeprüft und anschließend durch die Aktenprüfgruppe detailliert gesichtet. 2.3.    Ressourcen Zur Überprüfung der Akten wurden durchschnittlich 27 Personen aus allen Abteilungen des LfV eingesetzt, die in Voll- oder Teilzeit mit der systematischen Überprüfung der Akten beauftragt wurden. Dabei konnten die Bediensteten eine befristet erweiterte Arbeitszeit von maximal 60 Stunden pro Woche nutzen. 2.4     Methodisches Vorgehen Den Mitarbeitern der Aktenprüfgruppe wurden von der KoSt per E-Mail fortlaufend Aktenzeichen zugeteilt, die der jeweilige Bedienstete sich in der Aktenverwaltung holte und prüfte. Pro Band war vom Prüfer ein Sichtvermerk (siehe Punkte 5.4. und 5.5.) auszufüllen, zu unterschreiben und der KoSt vorzulegen. Aus dem Vermerk ergab sich, • welche Aktenstücke im Einzelnen geprüft wurden, • ob die Akte vollständig war und • ob bzw. wenn ja, welche Aktenstücke im Sinne der Prüfkriterien vorlagen. Bei Vorliegen eines Prüfergebnisses wurden in der Tabelle Prüfergebnis (siehe Punkt 5.4.) die Fundstelle und der aus Sicht des Prüfers relevante Sachverhalt dokumentiert. Durch die Aktenprüfer festgestellte Auffälligkeiten ohne Bezug zu den Prüfkriterien wurden in der Tabelle „Sonstige Bemerkungen“ (siehe Punkt 5.4.) festgehalten. Die KoSt dokumentierte sämtliche durch die Aktenprüfgruppe eingereichten Sichtvermerke und Formblätter sowohl schriftlich als auch elektronisch. Sie wurden der zuständigen Fachabteilung zur Prüfung und gegebenenfalls weiteren Veranlassung übergeben. Ebenso wurden als fehlend deklarierte Aktenstücke bei der zuständigen Fachabteilung angefordert und der Aktenprüfung zugeführt. Alle Prüfergebnisse wurden ausschließlich in der KoSt auch elektronisch dokumentiert. Dies ermöglichte es, Erkenntnisse zu identifizieren, die innerhalb eines bestimmten Aktenzeichens gefunden wurden. Durch die Papierdokumentation war es möglich, einzelne Erkenntnisse über verschiedene Aktenzeichen hinweg zu erkennen und als Kopien oder als sich bestätigende Informationen bewerten zu können. 2.4.    Aktenzustand
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Der Zustand der Akten in der Auswertung unterschied sich von dem der in der Beschaffung. Während in der Auswertung eine chronologische und grundsätzlich sachgerechte Aktenführung bestand, wiesen die Beschaffungsakten insbesondere für die 1990er Jahre Defizite auf: So wurden beispielsweise Sachverhalte, die eine bestimmte Person betreffen, während der Werbungsphase unter einem anderen Aktenzeichen gebucht als während der Phase als Vertrauensperson. Insgesamt gab es in einer personenbezogenen Beschaffungsakte bis zu 15 verschiedene Aktenzeichen. Dies hatte zur Folge, dass ein aktenzeichenorientierter Abgleich des registrierten Bestandes mit dem tatsachlichen Akteninhalt zu einer Person unmöglich war, sodass die Akten der Beschaffung nach Fallnamen gesichtet werden mussten. Auch in diesen Akten gab es eine große Menge an nicht registriertem Material. Eine Evaluierung der Vollständigkeit der über zahlreiche Fälle verstreuten Aktenzeichen bzw. Aktenstücke konnte nicht vorgenommen werden. Aus dem Bereich der Auswertung konnte der Verbleib von 541 Aktenstücken (0,4% der gesamten gesichteten Alden) nicht geklärt werden. Viele dieser Vorgange stammen aus dem 1990er Jahren. Aus den in den noch zugänglichen Orten der Registratur hinterlegten Betreff- Informationen ließ sich kein Bezug zum NSU und dessen Umfeld ableiten. Eine abschließende Sicherheit, dass Personen, Objekte und Ereignisse, die im Zusammenhang mit dem NSU und seinem Umfeld stehen oder stehen konnten, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Dies wäre nur durch eine Sichtung der nicht auffindbaren Aktenstücke möglich. 2.5.    Fachliche Leitung Die Leitung der zuständigen Fachabteilung wurde begleitend zur KoSt als fachliche Leitung der Aktenprüfung eingesetzt. Durch die fachliche Leitung wurden - auf der Grundlage der Berichte des Bundeskriminalamts (BKA) und damit der bekannten Fakten - die Prüfkriterien erarbeitet. Bei Nachfragen durch die KoSt erfolgten eine Prüfung und Bewertung der betroffenen Sachverhalte. Gegebenenfalls wurde Nachfragen bei anderen Sicherheitsbehörden gehalten. Die Antworten zu den einzelnen Fragen wurden zur Information der Aktenprüfgruppe an die Kost zurückgegeben. Fachliche Leitung und KoSt standen in einem sehr engen Austausch miteinander. 3.      Ergebnisse der Aktenprüfung 3.1.    Prüfkriterien insbesondere anhand • der dem im Verfassungsschutzverbund durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BN) übermittelten BKA-Lageberichte der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Trio und • der vom BN übermittelten Chronologie der Erkenntnisse und operativen Maßnahmen nach Abtauchen der Mitglieder der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund' (NSU) (1998-2001)“, • aber auch unter Berücksichtigung spezifischer für den Mord in Kassel relevanter Aspekte (zum Beispiel die angebliche Rolle der ehemaligen Quelle 389 aus dem Bereich des Rechtsextremismus) und • seit November 2011 bekannt gewordener möglicher hessischer Bezuge (zum Beispiel die angeblichen Kennverhältnisse eines osthessischen Paares zu Beate Zschäpe)
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GEHEIM amtlich geheim gehalten wurden die Prüfkriterien für die Aktenprüfgruppe erarbeitet (siehe Punkt 5.1.), die im Rahmen einer fachinhaltlichen Einweisung auch mündlich erläutert wurden. Bei der Erläuterung der Prüfkriterien wurde der Hintergrund des NSU geschildert. Im Anschluss wurde die notwendige komplexe Betrachtungsweise dargestellt, die mehrere Frageebenen umfasste: Neben personenbezogenen Kontakten war • auf Hinweise bezüglich der Existenz des NSU, • des Handelns des NSU (inklusive Symbolen) und • Solidaritätsaktionen für den NSU zu achten. Darüber hinaus wurde die Recherche erweitert auf • allgemeine Hinweise in Bezug auf Strategiepapiere bzw. -aussagen, die einen „bewaffneten bzw. einen revolutionären Kampf“ oder ein Handeln aus dem „Untergrund“ heraus thematisierten. • Außerdem sollte auf Kontakte hessischer Gruppierungen oder Personen zu relevanten Gruppierungen, Personen und Szeneobjekten - insbesondere in Thüringen oder in Sachsen - geachtet werden. • Besonderes Augenmerk sollte ebenso auf Informationen zu Waffenbesitz oder Informationen im Zusammenhang mit Waffen bzw. Sprengstoff gelegt werden. • Bei Informationen über ungeklärte Straftaten interessierten mögliche Parallelitäten mit den Tatabläufen von Straftaten des Zwickauer Trios. • Abschließend wurde noch auf Themen (Juden und Fremdenfeindlichkeit sowie Wehrmachtsausstellung) hingewiesen, mit denen sich das NSU-Trio vor seinem Abtauchen beschäftigt hatte. Zur besseren Einordnung wurde für die Aktenprüfung eine Liste der bekannten NSU-Taten (siehe Punkt 5.1.) sowie eine Liste mit 78 Namen (siehe Punkt 5.1., mit Lichtbildern siehe Punkt 5.2.) relevanter Personen (inklusive verwendeter Aliasnamen des NSU-Trios) erstellt. Außerdem konnte die Aktenprüfgruppe auf eine Liste mit 33 relevanten Beobachtungsobjekten und sonstigen Objekten (siehe Punkt 5.1.) zurückgreifen. Gerade auch wegen der sehr komplexen Suche wurde die Aktenprüfgruppe ausdrücklich darauf hingewiesen, sich bei Unsicherheiten zu besprechen und das Ergebnis im Einzelfall zu vermerken. 3.2.    Ergebnisse der Aktenprüfung Insgesamt wurden von der Aktenprüfgruppe auf Grund der Prüfkriterien der KoSt 950 Hinweise übergeben. Der größte Teil (41%) betraf Hinweise auf einen möglichen Waffen oder Sprengstoffbesitz. Die Masse der Informationen umfasste szenetypische Verhaltensweisen oder Hinweise zu szenetypischen Veranstaltungen. Bei sehr wenigen Aktenstücken ließ sich ein möglicher Bezug zum NSU-Trio ableiten oder es wurden Hintergrundinformationen mit möglichen Bezügen zum NSU-Umfeld sowie sonstige Hinweise zu möglichen rechtsterroristischen Aktivitäten im Allgemeinen erkannt (siehe Punkt 3.2.1.). Konkret handelte es sich allerdings auch hier um bereits bekannte Informationen im Zusammenhang mit möglichen Kontaktpersonen oder Namens- bzw. Lichtbildähnlichkeiten zu Personen aus dem NSU-Komplex oder im Zusammenhang mit Interneteintragungen.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Bei Vorliegen solcher Sichtungsvermerke wurden umgehend geeignete Maßnahmen eingeleitet: In einem ersten Schritt wurde das konkrete Aktenstück gesichtet und der geschilderte Sachverhalt bewertet. Außerdem wurde geprüft, ob die Information bei Erhebung oder später von einer anderen Behörde stammte bzw. an eine andere Behörde übermittelt worden war. Zusätzlich wurde die Unterrichtung des BKA - BAO Trio geprüft und veranlasst. Darüber hinaus wurde das HMdIuS unterrichtet und - soweit notwendig - die zügige Information der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz (PKV) und des Bundestagsuntersuchungsausschusses (siehe Punkte 3.2.2. u. 3.2.3.) geprüft und veranlasst. Zur Frage der an den Generalbundesanwalt (GBA) übermittelten Sachverhalte wird in einem gesonderten Schreiben nachberichtet. Wegen des laufenden Verfahrens darf eine Auskunft über diese Sachverhalte an Dritte nur mit Zustimmung des GBA erteilt werden. Zusammenfassend gab es folgende Ergebnisse der Aktenprüfung: • Es fanden sich keine Hinweise auf oder Informationen zu einem terroristischen Verhalten von Rechtsextremisten. • Es gab keine Bezüge oder Informationen zu den Straf- und Gewalttaten des NSU. • Informationen zu den drei Mitgliedern des NSU bzw. zu Personen aus deren Umfeld beschränkten sich auf Informationen zu szenetypischen Aktivitäten dieser Personen (ohne Bezug zu den Straf- und Gewalttaten des NSU). • Es überwogen eindeutig Hinweise auf einen möglichen Waffen- oder Sprengstoffbesitz von Rechtsextremisten (etwa 41% der Hinweise aus der Aktenprüfgruppe). Solche Hinweise gab es teilweise mehrfach, so zum Beispiel den, dass eine bestimmte Person über eine bestimmte Waffe verfügen solle. Teilweise wurde ein und derselbe inhaltliche Anhaltspunkt von mehreren Quellen zu unterschiedlichen Zeltpunkten benannt, teilweise wurde ein- und dieselbe Meldung in mehrere Akten verfügt und deshalb im Rahmen der Aktensichtung mehrfach aufgeführt. • Bezüglich eines Hinweises auf vermeintlich ███████ waren bereits im Rahmen der ersten Sichtung ausgewählter relevanter Akten seit Bekanntwerden ab Dezember 2011 umfangreiche Maßnahmen erfolgt, die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main führten. Der von dort eingebundene GBA sah nach Prüfung keinen Anlass zur Einleitung eines Verfahrens in eigener Zuständigkeit. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main stellte ihr Verfahren im Marz 2013 ein (§ 170 Abs. 2 Strafprozessordnung, StPO), da den Beschuldigten der Tatvorwurf nicht mit hinreichender Sicherheit nachzuweisen war. • Die Sichtvermerke umfassten grundsätzlich bekannte Informationen, zum Beispiel szenetypische Aktivitäten einer rechtsextremistischen Person oder über ihre Funktion in einer rechtsextremistischen Gruppierung erklärbare Aktivitäten. Nicht gezählt wurden die im Rahmen der Aktenprüfung festgestellten und unter Punkt 2.5. kurz skizzierten Defizite der Aktenführung bzw. der jeweiligen Sachbearbeitung. • In der Auswertung erfolgten häufig weder Nachfragen bei Quellen noch wurde versucht, den Sachverhalt durch ergänzende Informationen anderer Behörden zu verifizieren oder in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und zu bewerten. • Bewertungen zu auch zum Zeitpunkt der Erkenntnisgewinnung auffälligen Aussagen wie "nationaler Untergrund" wurden zumindest nicht dokumentiert oder waren gegebenenfalls tatsachlich nicht erfolgt.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten • In den Akten der Beschaffung fiel auf, dass die Dokumentation von Bewertungen, Begründungen für Verfahrensvorschlage und Entscheidungen nicht immer nachvollzogen werden konnte oder Handlungsvorgaben nicht immer umgesetzt wurden. • Interessanten Hinweisen oder Anhaltspunkten wurde zum Zeitpunkt der Datenerhebung sowohl in der Auswertung als auch in der Beschaffung nicht immer konsequent nachgegangen. Mit der Umorganisation des LfV im Oktober 2011 wurden bereits deutliche Verbesserungen erzielt (siehe dazu Punkt 4.2.3.). 3.2.1. Relevante Hinweise Aus der Aktenprüfgruppe wurden Informationen mit einem möglichen Bezug zum NSU-Trio bzw. mit möglichen Bezügen zum NSU-Umfeld oder zu möglichen rechtsterroristischen Aktivitäten im Allgemeinen benannt. Diese wurden geprüft und - soweit im Sinne der Aufgabenstellung relevant - strukturiert bewertet. (vgl. Punkt 6). 3.2.2. Unterrichtung der PKV Über im Sinne der Aktenprüfung relevante bewertete Informationen wurde auch die PKV unterrichtet (vgl. Punkt 6). Da die PKV-Sitzungen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht protokolliert wurden, wurden entweder die Termine der PKV genannt, in der über den relevanten Sachverhalt gesprochen wurde, bzw. die Sitzungstermine und die vom LfV für den Vortrag in der PKV vorbereiteten Themen im Zusammenhang mit der Aktensichtung und deren Ergebnissen oder inhaltlichen Bezügen benannt. Die Auflistung endet mit der ersten Sitzung nach Abschluss der Aktensichtung und der damit verbundenen Berichterstattung an das HMdIS. Die relevanten Sachverhalte aus Punkt 3.2.1.wurden im Rahmen des Themenpunktes NSU in der PKV aufgegriffen. 3.2.3. Unterrichtung des Bundestagsuntersuchungsausschusses Im Rahmen der Berichtspflicht zu Beweisbeschlüssen des Bundestagsuntersuchungsausschusses übermittelte das LfV Unterlagen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Sachverhalte: 3.2.4. Übermittelte Sachverhalte an den GBA Zur Frage der an den Generalbundesanwalt (GBA) übermittelten Sachverhalte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung, des Mordes und anderer Straftaten gemäß § 129a, 211 StGB gegen Beate Zschäpe u. a. wurden dem GBA u. a. Aktenstücke im Zusammenhang mit dem Mord in Kassel am 6. April 2006 übermittelt. Wegen des laufenden Verfahrens darf darüber an Dritte nur mit Zustimmung des GBA Auskunft erteilt werden. Dazu werden Sie in einem gesonderten Schreiben unterrichtet. 4.       Schlussfolgerungen Wie bereits unter den Punkten 2.5. und 3.2. beschrieben, waren die Aktenführung und die damit verbundene Dokumentation von Arbeitsschritten im LfV Hessen insbesondere in den 1990er Jahren nicht gut. Außerdem war und ist die Such- und Aussagefähigkeit des LfV
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