Urteil 13 K 3485/21 E-Mails Jens Spahn und Tandler

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Schriftverkehr zwischen Jens Spahn und Andrea Tandler

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Beglaubigte Abschrift VERWALTUNGSGERICHT K ÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 13 K 3485/21                                            verkündet am: 19. Januar 2023 Heinen Verwaltungsgerichtsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Herrn Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singer- straße 109, 10179 Berlin, Klägers, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte       dka    Rechtsanwälte,     Immanuelkirchstraße 3 - 4,      10405 Berlin, Gz.: 889/2021-AGI, gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesund- heit, Friedrichstraße 108, 10117 Berlin, Beklagte, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbB, Willy Brandt-Allee 11, 53113 Bonn, Gz.: 74/2630-21,
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-2- wegen Verfahrens nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Schriftverkehr, Kontakte des Bundesministers Jens Spahn mit Andrea Tandler 2020 - 2021) hat die 13. Kammer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht             Huschens, die Richterin am Verwaltungsgericht                        Ost, die Richterin am Verwaltungsgericht                        Dr. Wilfert, den ehrenamtlichen Richter                                 Spindler und den ehrenamtlichen Richter                                 Tentler für Recht erkannt: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Gesundheit vom 7. Juni 2021 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 24. Ja- nuar 2021 sämtlichen Schriftverkehr zwischen Jens Spahn und Andrea Tandler in den Jahren 2020 und 2021 zugänglich zu machen, soweit nicht Versagungs- gründe nach § 6 Satz 2 IFG in Rede stehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstre- ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwen- den, soweit nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.
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-3- Tatbestand: Mit Email vom 24. Januar 2021 stellte der Kläger bei dem Bundesministerium für Ge- sundheit (BMG) gestützt auf § 1 IFG, § 3 UIG (soweit Umweltinformationen betroffen seien) sowie § 1 VIG (soweit Informationen in dessen Sinne betroffen seien) unter Be- zugnahme auf einen Artikel in der Zeitschrift „Der Spiegel“ mit dem Titel „Spahns Schutzmasken-Fiasko“ folgenden Antrag: „Bitte senden Sie mir Folgendes zu: Sämtlichen Schriftverkehr zwischen Jens Spahn und Andrea Tandler in den Jahren 2020 und 2021. Personenbezogene Daten weiterer Personen sowie Kontaktdaten kön- nen geschwärzt werden.“ Sofern der Antrag abgelehnt werden solle, bitte er u.a. um Mitteilung der Dokumententi- tel. Auf entsprechende Nachfrage des Klägers teilte das BMG ihm am 27. Januar und 23. Februar 2021 mit, zurzeit gebe es ein sehr hohes Aufkommen an IFG-Anfragen, an deren Beantwortung man mit Nachdruck arbeite. Da insbesondere Informationen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krise nachgefragt seien, müssten zur Beantwortung immer auch die mit der Krisenbewältigung ohnehin stark ausgelaste- ten Einheiten mit befasst werden. Die Bearbeitungszeit könne durch diese besonderen Umstände etwas länger als üblich sein. Am 28. Mai 2021 teilte das BMG dem Kläger mit, der Bescheid sei in der Endabstimmung. Daraufhin hat der Kläger am 31. Mai 2021 bei dem Verwaltungsgericht Berlin, das den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen hat, Untätigkeitsklage erhoben. Mit Bescheid vom 7. Juni 2021 hat das BMG den begehrten Informationszugang unter Berufung auf § 3 Ziff. 1 lit. g), Variante 3 IFG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift bestehe der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informatio- nen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen haben könne. Ausreichend seien Anhaltspunkte, welche die Vermutung rechtfertigten, das Be- kanntwerden der verlangten Informationen habe negative Auswirkungen auf das Ver-
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-4- fahren. Eine solche Feststellung müsse dabei den besonderen Funktionsbedingungen der staatlichen Strafrechtspflege Rechnung tragen, weshalb für die Dauer des straf- rechtlichen Ermittlungsverfahrens der Informationszugang regelmäßig ausgeschlossen sei. Dieser Ausschlussgrund sei hier einschlägig. Die Maskenbeschaffung von der Fa. EMIX durch das bayerische Gesundheitsministerium sei derzeit Gegenstand staatsanwaltli- cher Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft München I. Um diese Ermittlungen nicht zu unterlaufen, sei es gegenwärtig ausgeschlossen, Unterlagen im Zuge eines IFG- Verfahrens herauszugeben. Gleiches gelte für die etwaige Durchführung eines Drittbe- teiligungsverfahrens, für das unter Umständen beweiserhebliche Unterlagen übermittelt werden müssten. Der Kläger hat hiergegen am 29. Juni 2021 per Email und per Fax Widerspruch einge- legt. Am 13. August 2021 hat der Kläger den Ablehnungsbescheid in das Gerichtsverfahren einbezogen und auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichtet. Ein Widerspruchsverfahren sei nicht erforderlich, da er Klage erhoben habe, nachdem die Fristen des § 75 Satz 1 und 2 VwGO bereits verstrichen gewesen seien. Ein zureichen- der Grund für die verzögerte Bearbeitung sei nicht ersichtlich. Eine Frist nach § 75 Satz 3 VwGO habe das Gericht nicht gesetzt. In der Sache trägt der Kläger vor: Die von ihm angefragten Unterlagen unterfielen seiner Ansicht nach insbesondere nicht dem Ausschlussgrund des § 3 Ziff. 1 lit. g), Variante 3 IFG. Die diesbezüglichen Ausfüh- rungen der Beklagten vermöchten nicht zu überzeugen. Vielmehr sei das BMG der ihm hinsichtlich des geltend gemachten Ausschlussgrundes obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Es fehle an einem plausiblen behördlichen Vortrag und damit an einer notwendigen Voraussetzung für das Vorliegen des geltend gemachten Aus- schlussgrundes. Das BMG verweise lediglich sehr pauschal und oberflächlich darauf, dass das Bekanntwerden der angeforderten Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen haben könne, weil die Maskenbe- schaffung der Firma EMIX durch das bayerische Gesundheitsministerium derzeit Ge-
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-5- genstand staatsanwaltlicher Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft München I sei. Anhand dieser Ausführungen lasse sich nicht nachvollziehen, ob bzw. inwieweit der Ausschlussgrund des § 3 Ziff. 1 lit. g), Variante 3 IFG hier tatsächlich einschlägig sei. Zum einen sei zweifelhaft, auf welchen Schutzgegenstand, das heißt auf welches kon- krete Ermittlungsverfahren, das BMG abstelle. Da seine Ausführungen sehr oberfläch- lich blieben, könne dies nur gemutmaßt werden. Die Staatsanwaltschaft München habe - unstreitig - im Jahr 2021 zwar ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet, das den Kauf von teuren und angeblich mangelhaften Schutzmasken durch das bayeri- sche Gesundheitsministerium von dem Unternehmen EMIX zum Gegenstand gehabt habe. Medienberichten zufolge sei dieses Ermittlungsverfahren jedoch bereits im Au- gust 2021 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Danach bestünde schon in zeitli- cher Hinsicht kein schützenswertes Ermittlungsverfahren mehr. Auch wenn es sich um ein anderes Ermittlungsverfahren gehandelt haben sollte, erscheine es aufgrund des erheblichen Zeitablaufs zweifelhaft, dass die Ermittlungen, auf die im Ablehnungsbe- scheid Bezug genommen werde, noch andauerten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass gegenwärtig keine strafrechtlichen Ermittlungen mehr existierten, die durch die Herausgabe der angeforderten Informationen beeinträchtigt werden könnten. Nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen stünden einem Informationszugang nach § 3 Ziff. 1 lit. g), Variante 3 IFG grundsätzlich dann entgegen, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass das Bekannt- werden der Informationen den Untersuchungszweck und damit die Sachverhaltsaufklä- rung und Wahrheitsfindung beeinträchtige. Wie bereits dargelegt, fehle es vorliegend an konkreten Tatsachen, die eine solche Prognose ermöglichten. Auch sei eine Prognose vom BMG nicht angestellt worden. Soweit sich die Beklagte im Gerichtsverfahren erstmals auf die Anforderung von Unter- lagen durch die Staatsanwaltschaft Berlin vom 15. November 2021 – also auf einen Zeitpunkt lange nach Antragstellung und einige Monate nach Klageerhebung – berufe, werde sie wiederum nicht konkret, sondern behaupte lediglich das Vorhandensein eines Ermittlungsverfahrens. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Gesundheit vom 7. Juni 2021
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-6- zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 24. Januar 2021 sämtlichen Schriftverkehr zwischen Jens Spahn und Andrea Tandler in den Jahren 2020 und 2021 zu- gänglich zu machen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid und ist der Ansicht, der Herausgabe der di- rekten Kommunikation zwischen Frau Tandler und Herrn Spahn stehe § 3 Ziff. 1 lit. g), Variante 3 IFG entgegen. Dies gelte zwar nicht – mehr – im Hinblick auf ein vertrauli- ches Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin vom 15. November 2021, mit dem diese vom BMG unter Verweis auf §§ 161 Abs. 1, 95 StPO in einem dort anhängigen Ermitt- lungsverfahren unter anderem um Übersendung der gesamten Kommunikation zwi- schen dem BMG und Vertretern der EMIX Trading GmbH gebeten habe, was auch die hier streitgegenständliche Korrespondenz erfasst habe. Es könne jedoch nicht ausge- schlossen werden, dass die begehrten Informationen mit Blick auf anderweitige Verfah- ren noch von Bedeutung seien. So gebe es Medienberichten zu Folge gegen Frau Tandler steuerstrafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I. Vorsorglich werde derzeit ein Drittbeteiligungsverfahren durchgeführt. Dieses betreffe Frau Tandler, Herrn Spahn sowie eine weitere in der fraglichen Korrespondenz nament- lich genannte ministeriumsexterne Person und gelte unter den Gesichtspunkten des § 5 sowie § 6 Satz 2 IFG. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass in der fraglichen Korres- pondenz geschäftliche Basisinformationen zu Angeboten und Konditionen zum Erwerb von medizinischer Schutzausrüstung sowie zu Kontakten genannt wurden, wobei Herr Minister Spahn im Laufe der Korrespondenz auf die behördliche Abwicklung von Be- schaffungsmaßnahmen durch das BMG verwiesen habe. Zu den erwähnten Basiskon- ditionen, die sich der Korrespondenz entnehmen ließen, zählten die angebotenen Prei- se für verschiedene Formen von Schutzausrüstung (Handschuhe, Masken) sowie Fra- gen eines preislichen Entgegenkommens und der jeweils erörterten Stückzahlen medi- zinischer Schutzausrüstung. Die in Rede stehende Korrespondenz könne daher auch Aufschluss über Preisbildungsfaktoren und –möglichkeiten geben. Vor diesem Hinter-
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-7- grund sei davon auszugehen, dass es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 6 Satz 2 IFG handele. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BMG Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die Klage ist zunächst in Folge weggefallenen Rechtsschutzinteresses insoweit unzu- lässig (geworden), als die Beklagte nunmehr derzeit ein Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) im Hinblick auf § 6 Satz 2 IFG durchführt. Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach § 6 Satz 2 IFG darf Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ist anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, den Marktkonkur- renten exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (Wettbe- werbsrelevanz). Hierfür muss die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkun- gen im Falle des Bekanntwerdens der Information nachvollziehbar und plausibel darge- legt werden. Der erforderliche Wettbewerbsbezug kann fehlen, wenn die Informationen abgeschlossene Vorgänge ohne Bezug zum heutigen Geschäftsbetrieb betreffen, vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 14. Juli 2021 – 3 C 2.20 – juris, Rdn 50, m.z.w.N. Nach Angaben der Beklagten sind in der fraglichen Korrespondenz geschäftliche Ba- sisinformationen zu Angeboten und Konditionen zum Erwerb von medizinischer Schutzausrüstung genannt, zu denen die angebotenen Preise für verschiedene Formen von Schutzausrüstung (Handschuhe, Masken) sowie Fragen eines preislichen Entge-
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-8- genkommens und der jeweils erörterten Stückzahlen medizinischer Schutzausrüstung gehörten. Die in Rede stehende Korrespondenz könne daher auch Aufschluss über Preisbildungsfaktoren und –möglichkeiten geben. Damit ist hinreichend substantiiert vorgetragen, dass der streitgegenständliche Schrift- verkehr auch heute noch schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthal- ten könnte, weshalb ein Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 IFG durchzuführen ist. Da ein solches bislang noch nicht stattgefunden hatte, wäre dem Interesse (potenziell) be- troffener Dritten im gerichtlichen Verfahren dadurch Rechnung zu tragen gewesen, dass eine abschließende Entscheidung mit belastender Drittwirkung mangels Spruchreife ausgeschieden wäre, folglich gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsord- nung (VwGO) insoweit nur ein Bescheidungsausspruch in Betracht gekommen wäre und der Schutz entgegenstehender Rechtspositionen im anschließenden neuen Verwal- tungsverfahren durch § 8 IFG gesichert wäre, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 – juris, Rdn. 13. Da die Beklagte ein solches Verwaltungsverfahren aber bereits freiwillig durchführt, tut sie bereits dasjenige, zu dem das Gericht sie insoweit nur hätte verpflichten können. Damit ist insoweit das Rechtsschutzinteresse entfallen. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Die Klage im Übrigen ist zunächst zulässig, obwohl das Vorverfahren nicht mehr durch- geführt worden ist; auf die Bescheidung des am 29. Juni 2021 u.a. per Fax eingelegten Widerspruchs hat der Kläger verzichtet. Die Durchführung eines Vorverfahrens ist hier jedenfalls unter dem Gesichtspunkt ent- behrlich, dass das Vorverfahren seinen Zweck nicht mehr erreichen kann. Das Widerspruchsverfahren dient der Selbstkontrolle der Verwaltung, dem individuellen Rechtsschutz und der Entlastung der Verwaltungsgerichte. Sind diese Ziele vor der Klageerhebung schon auf andere Weise erreicht worden oder können sie nicht mehr erreicht werden, ist ein Widerspruchsverfahren sinnlos. Seine Durchführung würde ei-
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-9- nen sachlich nicht zu rechtfertigenden Formalismus darstellen, der die Inanspruchnah- me gerichtlichen Rechtsschutzes unnötig verzögert. Die Entbehrlichkeit des Wider- spruchsverfahrens in diesen Fällen stellt eine weitere, gesetzlich nicht ausdrücklich ge- regelte Ausnahme dar, die sich aus Sinn und Zweck §§ 68 ff. VwGO ergibt, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 23.12 – juris, Rdn. 35. Das Widerspruchsverfahren kann seinen Zweck nicht mehr erreichen, wenn feststeht, dass der Widerspruch unabhängig von der Begründung keinen Erfolg haben würde. Daher wird es regelmäßig nicht entbehrlich sein, wenn Ausgangs- und Wider- spruchsbehörde nicht identisch sind oder gar unterschiedlichen Rechtsträgern angehö- ren. Auch wird das Widerspruchsverfahren regelmäßig durchzuführen sein, wenn die Widerspruchsbehörde einen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum wahrzunehmen hat. In diesen Fällen geht deren Nachprüfung inhaltlich über die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hinaus (§ 114 Satz 1 VwGO). Im Übrigen kommt es vor allem auf den Inhalt der vorgerichtlichen Erklärungen der Be- klagten an bzw. darauf, ob sie sich im Klageverfahren vorbehaltlos zur Sache einlässt. Dagegen bringt sie in diesen Fällen durch eine nur hilfsweise Einlassung regelmäßig zum Ausdruck, dass sie den Kläger an der Durchführung des Widerspruchsverfahrens festhalten will. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 23.12 – Rdn. 36 ff. Nach diesen Grundsätzen ist die Durchführung des Widerspruchsverfahrens hier ent- behrlich: Das als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zuständige BMG hat keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum, vgl. zu Letzterem beim hier in Rede stehenden Versa- gungsgrund: BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 – juris, Rdn. 20. und die Beklagte lässt sich vorbehaltlos zur Sache ein. Die Klage insoweit hat auch in der Sache Erfolg.
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- 10 - Der Ablehnungsbescheid des BMG vom 7. Juni 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat Anspruch auf den begehrten Informationszugang. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Zugangsanspruch erstreckt sich, auch ohne dass dies in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG wie etwa in § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG und § 1 VIG ausdrücklich geregelt ist, auf die Informationen, die bei der Behörde vorhanden sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorhandensein ist der Eingang des Antrags auf Informationszugang bei der informati- onspflichtigen aktenführenden Stelle, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 – 7 C 2.15 –, ju- ris Rdn. 41, hier mithin der 24. Januar 2021. Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Bei den von der Beklagten verweigerten Unterlagen handelt es sich auch um amtliche Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 IFG. Dabei ist der BMG insbesondere als anspruchsverpflichtete Behörde an- zusehen. Damit hat die Beklagte grundsätzlich dem Kläger den beim BMG vorhandenen Schrift- verkehr zwischen Jens Spahn und Andrea Tandler in den Jahren 2020 bis zum 24. Ja- nuar 2021 zugänglich zu machen. Zunächst liegen die Voraussetzungen des Versagungsgrundes des § 3 Ziff. 1 lit. g), Va- riante 3 IFG nicht vor. Die Voraussetzungen dieses – eng auszulegenden -, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 20.12 -, juris, Rdn. 27, Ausschlussgrundes sind nicht – wie geboten –,
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