Zum horizontalen Sanktionsregime der Europäischen Union bei Menschenrechtsverletzungen
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Unveröffentlichte Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes“
Ir Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand Zum horizontalen Sanktionsregime der Europäischen Union bei Menschenrechtsverletzungen © 2021 Deutscher Bundestag PE 6-3000-068/21

Seite 2 Unterabteilung Europa Sachstand Fachbereich Europa PE 6-3000-068/21 eg Zum horizontalen Sanktionsregime der Europäischen Union bei Menschenrechtsverletzungen Aktenzeichen: PE 6-3000-068/21 Abschluss der Arbeit: - 17. Dezember 2021 Fachbereich: “ _PE 6: Fachbereich Europa m Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Ge- heimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit An- gabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

Unterabteilung Europa Sachstand . Seite 3 Fachbereich Europa PE 6-3000-068/21 1. Fragestellung Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation an der Außengrenze der Europäischen Union (EU) zu Bela- rus und des diese Situation immer weiter verschärfenden Vorgehens des belarussischen Regimes wurde der Fachbereich Europa um Informationen über die Möglichkeiten der EU gebeten, mit restriktiven Maß- nahmen (Sanktionen) gegen Belarus vorzugehen. 2. Überblick Für den erbetenen Überblick werden zwei Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste des Europäischen Parlaments (EPRS) übermittelt, mit denen a) die im Dezember 2020 abgeschlossene Rechtsetzung der EU für ein auf Menschenrechtsver- letzungen zielendes horizontales Sanktionsregime erläutert wird (EU human rights sanctions: Towards a European Magnitsky Act, EPRS, Dezember 2020) und b) eine vergleichende Betrachtung bestehender horizontaler, die Menschenrechte schützender Sanktionsregimes in den USA, Kanada und dem Vereinigten Königreich vorgenommen wird ; ian, UR and Beide Papiere sind diesem Sachstand beigefügt als Anlagen 1 und 2 3. Schaffung eines horizontalen Sanktionsregimes der Union Bei den erwähnten Rechtsakten der EU zur Einrichtung eines auf Menschenrechtsverletzungen zielen- den Sanktionsregimes für die EU handelt es sich um den Beschluss (GASP) 2020/1999 des Rates über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße sowie die zu dessen Umsetzung erlassene Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates, Mit diesen beiden Rechtsakten wird ein Rahmen für gezielte restriktive Maßnahmen zur weltweiten Bekämpfung.schwerwiegender Menschen- rechtsverletzungen und -verstöße geschaffen. Adressaten möglicher Sanktionen sind sowoHl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure weltweit. Restriktive Maßnahmen der EU sind Einreisesperren und Ver- mögenseinfrierungen. Die Aufnahme von Adressaten restriktiver Maßnahmen (Listung und auch die Ent- fernung von den Listen) richten sich nach den auch bei anderen EU-Sanktionsregimen bestehenden Ver- fahren, einschließlich aller dort geltenden rechtsstaatlichen Prinzipien. Das Vorschlagsrecht liegt sowohl bei den Mitgliedstaaten als auch beim Europäischen Auswärtigen Dienst. Listungen Betroffener und de- ren Entfernung von den Listen bedürfen eines einstimmigen Ratsbeschlusses. Listungen gelten für ein Jahr, ihre Verlängerung bedarf ebenfalls der Einstimmigkeit im Rat. Der Beschluss (GASP) 2020/1999 des Rates sieht Reiseverbote (Art. 3), das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlicher Ressourcen für natürliche und juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen (Art. 4) vor, die für in Art. 1 aufgeführte schweren Menschenrechtsverletzungen oder -verstöße verant- wortlich sind, diese unterstützen oder anderweitig daran beteiligt sind, sowie von denjenigen bzw. dieje- nigen, die mit den genannten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen in Verbindung stehen. Die Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates gilt für die in ihrem Art. 2 aufgeführten Handlungen, u. a. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie schwere Menschenrechtsverletzungen oder

Unterabteilung Europa Sachstand Seite 4 Fachbereich Europa PE 6-3000-068/21 -verstöße (Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Sklaverei, außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Tötungen und Massenhinrichtungen, Ver- schwindenlassen von Personen und willkürliche Festnahmen oder Inhaftierungen). Auch sonstige Ver- letzungen oder Verstöße gegen Menschenrechte, soweit diese weit verbreitet, systematisch oder auf an- dere Weise schwerwiegend sind, sind vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst. Die Rechtsakte folgten auf Vorbereitungsarbeiten der Europäischen Kommission und des Hohen Ver- treters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik (HV), namentlich die Gemeinsame Mitteilung an das Eu- ropäische Parlament und den Rat „EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020-2024 (JOIN(2020)5 endg.) Der Aktionsplan enthält die Ziele, Prioritäten und Aktionslinien für die nächsten fünf Jahre: so Schutz und Stärkung des Einzelnen; den Aufbau resilienter, inklusiver und demokratischer Gesellschaften; die Förderung eines globalen Systems für Menschenrechte und Demokratie; die Nutzung der Chancen neuer Technologien sowie engere Zusammenarbeit. Ziel sei insbesondere, die Kohärenz zu verbessern und die Verbindung zwischen internen und externen Politikbereichen zu stärken. Der Aktions- plan soll auch den Rahmen für die Arbeit der EU-Delegationen und -Büros auf nationaler, regionaler und multilateraler Ebene bilden. Dem oben beschriebenen Rechtsetzungsverfahren ging eine Entschließung des EP voraus, mit der die- ses die Einrichtung eines solchen thematisch ausgerichteten Sanktionsregimes gefordert hatte. In seiner Entschließung vom 14. März 2019 „Eine europäische Regelung für Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte“ [P8_ TA (2019)0215] verwies das EP auf die unter den Mitgliedstaaten auf niederländi- sche Initiative vom November 2018 geführte Debatte über die Etablierung einer Unionsregelung für ge- zielte horizontaler Sanktionen gegen Menschenrechtsverletzungen. Es forderte den Rat auf, eine auto- nome, flexible und reaktive EU-weite Sanktionsregelung zu etablieren, die die gezielte Sanktionierung von Einzelpersonen, Staaten oder nichtstaatlichen Akteuren oder sonstiger Einrichtungen ermöglicht, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich oder an ihnen beteiligt seien. Einen vertieften Blick auf die politische Debatte und die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung eines horizontalen Sanktionsregimes beleuchtet die Ausarbeitung Nr. PE 6 - 3000 - 70/19 des Fachbereichs Europa mit dem Titel „Zur Einführung eines menschenrechtsspezifischen Sanktionsre- gimes durch die Europäische Union“. Das Papier ist hier beigefügt als Anlage 3. 4. Bestehende restriktive Maßnahmen der Union Die vorstehenden Informationen werden ergänzt durch zwei aktuelle Übersichten aus der vom Rat der EU veröffentlichten Sanktionskarte (EU Sanctions Map). Dabei handelt es sich einerseits um eine Auflistung aller durch die EU gegen Belarus (Institutionen, Unternehmen, Einzelpersonen) verhängten restriktiven Maßnahmen der Union, andererseits um eine Liste aller nach dem oben beschriebenen horizontalen Sanktionsregime wegen Menschenrechtsverletzungen verhängten restriktiven Maßnahmen. Beide Über- sichten sind hier angefügt als Anlagen 4 und 5. Fachbereich Europa
