20230130-klagebegrundung-geschwarzt

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Unterlagen zu Polizisten, die im Ku-Klux-Klan aktiv waren

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Das Äquivalenzprinzip setzt der Behörde für die Gebührenerhebung im Falle einer ablehnenden
Entscheidung enge Grenzen. Es stellt eine Beziehung der Gebühren zum Nutzen der öffentlichen
Leistung für die Gebührenschuldner*innen her. Die entstandenen Kosten der Verwaltung sind in
ein angemessenes Verhältnis zum Nutzen für die Antragsteller*innen zu setzen. Die Ablehnung
des Antrags hat für die Gebührenschuldner*innen keinerlei Nutzen, sodass im Regelfall die Ent-
scheidung nur dann frei von Ermessensfehlern ist, wenn die Behörde im Falle eines ablehnenden
Bescheids von der Kostenerhebung absieht. Das heißt, dass eine Ablehnungsgebühr nur in Aus-
nahmefällen angemessen sein kann (im Ergebnis ebenso: BeckOK InfoMedienR/Beyerbach, 37.
Ed. 1.11.2021, LIFG § 10 Rn. 4; vgl. dazu außerdem LDA Brandenburg, Akteneinsichts- und
Informationszugangsgesetz      –   Anwendungshinweise,      S.   149,   https://www.lda.branden-
burg.de/sixcms/media.php/9/AIG Awh Onlineversion ua.4277185.pdf, abgerufen am 30. Ja-
nuar 2023).


Dass es sich um einen solchen Ausnahmefall handelt, hat der Beklagte nicht dargelegt. Deshalb
ist es nicht angemessen, überhaupt eine Gebühr zu erheben. Jedenfalls verstößt die Festsetzung
der maximalen Gebühr, also die Ausschöpfung des Gebührenrahmens, gegen das Äquivalenz-
prinzip.


    c) Verletzung des Verbots prohibitiver Wirkung


Der Beklagte hat sein Ermessen zudem überschritten, indem er mit der Gebührenentscheidung
das Verbot prohibitiver Wirkung missachtet hat. Die Gebührenerhebung ist unvereinbar mit den
Vorgaben des § 10 Abs. 3 S. 2 LIFG BW, wonach informationspflichtige Stellen im Sinne des § 2
Abs. 1 Nr. 1 LIFG BW Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands so zu
bemessen haben, dass der Informationszugang nach § 1 Abs. 2 LIFG wirksam in Anspruch ge-
nommen werden kann. Diese Regelung steht prohibitiv wirkenden Gebührenfestsetzungen ent-
gegen, das heißt die festzusetzende Gebühr darf bei objektiver Betrachtung weder abstrakt noch
individuell-konkret geeignet sein, potentielle Informationsberechtigte von der Stellung eines Infor-
mationsantrags abzuhalten (VG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 6 K 2060/20 –, Rn. 14
mit Verweis auf LT-Drs. 15/7720, S. 79).


Das Verhalten des Beklagten, den Gebührenrahmen der Nr. 20.2.3 des Gebührenverzeichnisses
auszuschöpfen, obwohl er den Antrag des Klägers abgelehnt hat, ist bei objektiver Betrachtung
geeignet, nicht nur individuell den Kläger, sondern auch andere Antragsteller*innen durch die er-
hebliche finanzielle Hürde abzuschrecken. Denn die Praxis des Beklagten, seinen Verwaltungs-
aufwand möglichst groß zu rechnen, um im nächsten Schritt die Maximalgebühr festsetzen zu
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können, kann auf potentielle Antragsteller*innen den Eindruck erwecken, unangenehme oder po-
litische unliebsame Anfragen nach dem Landesinformationsgesetz in Zukunft verhindern zu wol-
len.


d) Ermessensfehlerhafte Gebührenbemessung


Die Gebührenfestsetzung ist auch im Hinblick auf die Gebührenbemessung ermessensfehlerhaft.


Die Kostenentscheidung kann auch dann im Sinne des § 114 S. 1 VwGO ermessensfehlerhaft
sein, wenn die Entscheidung auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht oder die Be-
hörde von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgeht (VG Karlsruhe, Beschluss vom
25. Juni 2020 – 6 K 2060/20 –, Rn. 21). Grundlage der behördlichen Ermessenserwägungen ist
ein Verwaltungsaufwand in Höhe von 9.460 Euro an Personalkosten sowie 519,20 Euro an Sach-
kosten, der durch 140 Arbeitsstunden einer oder mehrerer Mitarbeiter*innen des Ministeriums
ausgelöst worden sein soll.


Dieser ist jedoch weit überwiegend dem unsachgemäßen Vorgehen des Beklagten selbst ge-
schuldet (s.o. unter 2.) und muss daher bei der Gebührenbemessung außer Betracht bleiben.


       4. Unbilligkeit, § 11 Abs. 2 LGebG BW


Darüber hinaus ist die Erhebung der Gebühren im konkreten Fall unbillig und das Ministerium
hätte vollständig auf die Gebühren verzichten müssen. Nach § 11 Abs. 2 LGebG BW kann die
Behörde die Gebühren niedriger festsetzen oder von der Festsetzung der Gebühren ganz abse-
hen, wenn die Festsetzung der Gebühr nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Auf die
Möglichkeit, die allgemeine Billigkeitsklausel auf die Kostenentscheidung für Leistungen nach
dem Landesinformationsfreiheitsgesetz anzuwenden, hat schon der Gesetzgeber hingewiesen
(LReg, LT-Drs. 15/7720, S. 78). Ein Hinweis auf § 11 LGebG BW findet sich auch in der Anmer-
kung zu Tarifstelle 20 (Landesinformationsfreiheitsgesetz) des Gebührenverzeichnisses des In-
nenministeriums.


Nachdem der Innenminister selbst sich in einem vergleichbaren Fall öffentlichkeitswirksam auf
das Landesinformationsfreiheitsgesetz und das Pressegesetz berufen hatte, durfte der Kläger
davon ausgehen, dass auch sein Antrag positiv beschieden wird. Darauf hat der Kläger auch
ausdrücklich in seinem Antrag hingewiesen.
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Der Beklagte hat im Schreiben vom 27. Juni 2022 (VV Bl. 74) zwar auf die beabsichtigte Gebüh-
renfestsetzung hingewiesen. Dabei hat er jedoch nur auf Nr. 20.2.3 des Gebührenverzeichnisses,
nicht auf Nr. 1.1 verwiesen. Dadurch hat der Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass die Gebühr
für die Gewährung des Informationszugangs festgesetzt wird, was zum damaligen Zeitpunkt auch
noch beabsichtigt war.


Dass der Antrag später dennoch abgelehnt wurde und der Kläger auch noch mit dem Höchstsatz
der Nr. 20.2.3 des Gebührenverzeichnisses belastet wird, ist unbillig. Das Ermessen des Beklag-
ten war deshalb dahingehend reduziert, dass einzig das Absehen von der Gebühr in Betracht
kam.




Werdermann
Rechtsanwalt
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