Jahresbericht 2022

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Jahresbericht
    2022
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Grußwort


2022

      ​2022 war ein weiteres Jahr, in dem wir für Transparenz und Pressefreiheit gekämpft
      haben - für uns selbst und alle anderen.


      Wir haben Gerhard Schröder auf Basis des Presserechts verklagt, noch keine Antwort
      bekommen, jedoch FragDenStaat als Zeitung herausgegeben, weil das Gericht uns eine
      Auskunft verweigert hatte. In einem Bündnis haben wir der Bundesregierung einen
      Entwurf für ein Transparenzgesetz vorgelegt. Wir haben die “NSU-Akten”, die eigentlich
      120 Jahre unter Verschluss bleiben sollten, veröffentlicht. Für unsere User*innen den
      Klageautomaten auf der Plattform eingerichtet.


      Aber nicht nur das: Generell hat unsere Seite ein neues Design sowie einen neuen
      Aufbau bekommen. Damit unsere User*innen noch leichter einen Überblick über all die
      Bereiche bekommen können.


      Und damit auch andere mit uns mitkämpfen, haben wir erstmals eine Summer School
      abgehalten, um so unser Wissen weiterzugeben.


      Viel Vergnügen beim Lesen des Jahresberichts 2022.


      Vera Deleja-Hotko
      Leitung Recherche




  Inhalt

  1                                Grußwort

  2                                Kampagnen & Aktionen, Klagen, Recherchen, Plattform

  7                                Finanzen

  8                                Ausblick & Dank
2

FRAGDENSTATT 2021                                                               SEITE
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                                                56 KUNSTEDITIONEN
                                                und 90 Welcome-Pakete versendet



                                                1 ZEITUNG HERAUSGEBRACHT
Kampagnen &                                     und 1.333 mal verschickt


Aktionen                                        4 SCHREIBTISCH-HOOLIGANS
2022 haben wir auf verschiedene Missstände      entworfen
aufmerksam gemacht und gemeinsam mit unserer
Community für Transparenz gesorgt.


Koalitionstracker
Im Koalitionsvertrag versprechen
Regierungen gern die tollsten Vorhaben,        Druckerzeugnis
die sie später gar nicht umsetzen.             Wir staunten nicht schlecht, als das
Deswegen haben wir mit Wikimedia               Verwaltungsgericht Berlin uns im Juni
Deutschland und anderen Organisationen         2022 eröffnete, dass FragDenStaat keine
den Koalitionstracker gebaut, mit dem          Presse sei. Die Begründung: Nur, wer
Sie die Regierungsarbeit der Ampel-            Recherchen auf Papier druckt, zählt zur
Koalition live verfolgen können. Die Bilanz    Presse und kann sich bei
aus dem ersten Jahr: Nicht einmal ein          Behördenauskünften auf die
Drittel der 268 Vorhaben wurde bisher          Pressefreiheit berufen. Also haben wir
überhaupt angefasst.                           FragDenStaat einfach ausgedruckt und
                                               daraufhin letztinstanzlich bestätigt
Wie ist die Lage?                              bekommen: Wir sind jetzt offiziell Presse.
Was klar ist: Keine Person darf in Länder
abgeschoben werden, in denen ihr               Klima-Helpdesk ongoing
ernsthafte Gefahren drohen. Was nicht          Die Klimakrise beschäftigt uns alle sehr.
immer klar ist: Wo droht Gefahr? Genau         Bereits 2021 haben wir daher den Klima-
das sollen die Lageberichte des                Helpdesk eingerichtet, mit dem wir
Auswärtigen Amts feststellen.                  Privatpersonen, Journalist*innen oder
Gemeinsam mit ProAsyl und unserer              soziale Initiativen dabei unterstützen, das
Community sorgen wir dafür, dass die           Umweltinformationsgesetz für ihre Ziele
Berichte veröffentlicht werden.                zu nutzen. Auch 2022 konnten wir so
                                               wichtige Umweltinfos befreien: von
                                               Kohlelobby bis Kraftwerksemissionen,
                                               von Autobahntunnel bis
                                               Feldhamsterparzelle.
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FRAGDENSTAAT                                                              SEITE
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                                                     142
                                                     Klagen eingereicht



Klagen                                               1 Auflösung
                                                     einer Stiftung



Inzwischen haben wir 142 Klagen            Ein wichtiges Urteil für alle
eingereicht. Presserechtliche Verfahren    Antragsteller*innen gab es im Sommer
sowie Klagen auf EU-Ebene kamen dazu.      vom OVG Münster: Die standardmäßige
So klagen wir gemeinsam mit Sea-Watch      Abfrage von Postanschriften über
                                           FragDenStaat seitens der Behörden ist
gegen Frontex und gegen das EU-
                                           unzulässig.
Parlament wegen eines griechischen
Nazi-Abgeordneten.
                                           Im Januar hat unsere Auswertung
                                           gezeigt, dass Deutschland eines der
Der Bundesgerichtshof hat in der letzten   wenigen Länder ist, das überhaupt
Instanz entschieden, dass unsere           Gebühren für Informationsanfragen
Veröffentlichung des Glyphosat-            erhebt. Dagegen kämpfen wir weiterhin
Gutachtens rechtmäßig war - ein großer     und ermutigen, zu klagen. In unserem
Sieg gegen die Bundesregierung. Und        Hilfebereich haben unsere Legal-
das Bundesverwaltungsgericht hat           Ehrenamtlichen bereits für drei häufige
geurteilt, dass der wissenschaftliche      Ablehnungsgründe Tipps
                                           zusammengetragen, damit unsere
Beirat des Finanzministeriums seine
                                           User:innen den Behörden etwas
Protokolle offenlegen muss.
                                           entgegensetzen können. Das
                                           Großprojekt 2022 “Offenes Handbuch zur
Außerdem haben wir erstritten, dass die    Informationsfreiheit” ist aktuell in den
Stiftung Klima- und Umweltschutz M-V       letzten Zügen.
der Presse Auskünfte erteilen muss.


Für Transparenz bezüglich der Lobby-
Tätigkeiten von Gerhard Schröder ging
es durch mehrere Instanzen. Die gute
Nachricht: Durch das Verfahren sind wir
nun offiziell als Presse anerkannt. Die
gewünschten Informationen haben wir
aber leider immer noch nicht.
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                                                              109
                                                              veröffentliche Blogartikel


                                                              5.096
Recherchen                                                    neue Newsletter-Abos


                                                              2 Leaks
                                                              geheimer Dokumente



Gemeinsam mit dem ZDF Magazin Royal haben        Über ein Jahrzehnt haben wir die
wir 2022 die “NSU-Akten” veröffentlicht, die     Zahlungen der EU-Agrarsubventionen
ursprünglich 120 Jahre geheim bleiben sollten.   gesammelt und auf farmsubsidy.org
In einer weiteren Sendung haben wir uns dem      aufbereitet. Gemeinsam mit nationalen
bürokratischen Chaos in den                      und internationalen Medienpartner*innen
Ausländerbehörden gewidmet und aufgezeigt,       haben wir die Daten ausgewertet. Die
was für Folgen das für Betroffene hat.           Analyse ergab unter anderem, dass sich
                                                 die Vergabe der Gelder nach unfairen
Unsere Recherchen zur zwielichtigen Stiftung     Kriterien richtet und die klimaschädliche
Klima- und Umweltschutz in Mecklenburg-          Landwirtschaft davon profitiert.
Vorpommern haben zur Auflösung dieser
beigetragen und die Brandenburger                In einer weiteren Recherche ging es um
Landesregierung ist durch uns in                 die Bundestagslobby. Wir
Erklärungsnöte wegen des Baus eines              veröffentlichten gemeinsam mit
Abschiebezentrums am Flughafen BER               abgeordnetenwatch interne Briefe, die
gekommen.                                        eine gezielte Interessensvertretung
                                                 zahlreicher Unternehmen durch
Unser Brüsseler Büro zeigte die finanzielle      Bundestagsabgeordnete belegen.
Beteiligung von EU-Mitgliedstaaten an
Frontex-Einsätzen auf. Außerdem haben wir
den unter Verschluss gehaltenen OLAF-Report
über Frontex veröffentlicht.
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                                                                                    Seite




Plattform
Im Frühjahr 2022 hat unser Tech-Team            Aber das ist nicht alles: Wir haben 2021
ein neues Tool für unsere Plattform             auch unseren Hilfebereich überarbeitet
entwickelt: den Klageautomaten.                 und unsere Moderations-Werkzeuge
Nutzer*innen können nun automatisiert           verbessert, so dass wir unsere
prüfen, ob bei ihrer Anfrage eine               Nutzer*innen besser unterstützen
Untätigkeitsklage möglich ist. Der              können. Damit FragDenStaat-Links auf
Automat erstellt dann gegebenenfalls            Social Media direkt erkannt werden,
einen fertigen Klageentwurf.In unserer          haben wir Share-Bilder für öffentliche
Entscheidungsdatenbank findet man               User*innen-Profile und Anfragen
inzwischen viele Urteile aus dem Bereich        angelegt.
der Informationsfreiheit. Dem
intransparenten Frontex-Portal haben wir
durch einen technischen Zusatz einen
Streich gespielt: Bislang gab die EU-
Behörde Informationen nur über ihre
eigene Plattform heraus. Dieses                29.250
Vorgehen machte es Anfragesteller:innen        Anfragen
unmöglich, die erhaltenen Antworten            davon 11.992 (teilweise) erfolgreich
öffentlich sichtbar zu machen. Durch ein
von uns entwickeltes Tool konnten wir
diese Taktik endlich beenden. Von nun
                                               9 Millionen
an gibt es einen Button, der die Frontex-
                                               Seitenaufrufe
Daten direkt auf das FragDenStaat-Portal
importiert, wo sie für alle zugänglich sind.   2.701
Dazu kommen natürlich hunderte kleinere        Problemberichte und
Verbesserungen, Fehlerbehebungen und           rund 4.000 E-Mails
die Wartung und Aktualisierung von
Softwarekomponenten. Außerdem
machen wir seit Juni mit Dokukratie
zentrale Dokumente der Demokratie
besser zugänglich.
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                                                                             Seite




                                                     482
                                                     Anfragen an
                                                     EU-Behörden

Advocacy
In den Köpfen der Politiker:innen ist      Mit ein paar Jahren Verspätung hat nun
Informationsfreiheit langsam               der sächsische Landtag ein
angekommen, aber bei der Umsetzung         Transparenzgesetz beschlossen, das
auf Papier hapert es noch. Trotz einiger   2023 in Kraft tritt, allerdings seinen
                                           Namen kaum verdient hat. Ob
großer Ankündigungen ist 2022 in
                                           Niedersachsen das besser hinbekommt?
Sachen Transparenzgesetze nicht viel
                                           Auch hier ist ein Transparenzgesetz Teil
passiert.
                                           des neuen Koalitionsvertrags. Wir sind
                                           Teil des Bündnisses für Transparenz in
So versprach z.B. die Ampel-Koalition im   Niedersachsen und werden die
Bund mehrfach, noch im selben Jahr         Erarbeitung des Gesetzes kritisch
Eckpunkte für das im Koalitionsvertrag     begleiten.
versprochene Transparenzgesetz
vorzulegen. Geschafft hat sie es nicht.    Detaillierte Informationen zur
Stattdessen haben wir im Oktober           Gesetzeslage in Deutschland finden Sie
gemeinsam mit einem breiten Bündnis        in unserem Transparenzranking.

zivilgesellschaftlicher Organisationen
einen eigenen Entwurf vorgelegt, an dem
sich die Regierungsparteien gerne
orientieren dürfen.
Auch in Berlin wird das Vorhaben
verschleppt. Erst brauchte der Senat
                                                TOP 3
ganze 20 Monate für die                        Anzahl Anfragen
Zulässigkeitsprüfung unseres                   Bundesministerien
Volksentscheids. Dann blockierte die
SPD auch noch eine Anhörung im                  Gesundheitsministerium: 508
Digitalausschuss zu ihrem eigenen               Innenministerium: 469
Gesetzentwurf. Fortschritt sieht anders         Wirtschaftsministerium: 440
aus.
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                                                                                         Seite 7




 Finanzen                                                                       FINANZEN




 Wir freuen uns sehr, mit einem Plus von 228.164 Euro das
 Jahr abschließen zu können. Neue Großprojekte sowie
 gegebenefalls neue Mitarbeiter*innen – und Klagen –
 können somit 2023 kommen.




 Ausgaben                                           Einnahmen


 Personalkosten                   543.128 €      Spenden                              409.314 €

 Widersprüche und Gebühren          8.516 €      Fördergelder                         623.417 €

 Klagen                            35.155 €                 davon über 50.000 Euro:

 Fortbildungen und Coaching         9.848 €                              Luminate 100.000 €

 Material und Technik               7.886 €                       Schöpflin Stiftung 100.000 €

 Aufträge, freie Mitarbeitende    164.451 €                                  NLnet 50.240 €

 Reisekosten und Verpflegung        2.746 €                      Bertha Foundation 79.830 €

 Verwaltungskosten                  7.179 €                               Adessium 53.130 €

 Brüssel Office                    24.874 €      Honorare                                  5.866 €

 Verwaltungskosten                  6.650 €      Sonstige Einnahmen                        4.000 €


 Gesamt                            810.433       Gesamt                          1.038.597 €
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Dank &
Ausblick
 Uns macht es Mut, zu sehen, dass unsere Arbeit Veränderungen bewegt und die
 Informationsfreiheit stärkt – sei es in der Politik der Bundesregierung oder auch
 auf kommunaler Ebene. Eure Rückmeldungen bestärken uns darin, dass wir auf
 dem richtigen Weg sind, eine noch größere Bewegung für Demokratie und
 Transparenz zu werden. Danke also an unsere 115.142 aktive FragDenStaat-
 Nutzer*innen, unsere tollen Ehrenamtlichen, unsere Medien- und
 Kooperationspartner*innen, unsere große Community und natürlich alle, die uns
 spenden und fördern.


 2022 sind wir auch als Team gewachsen und arbeiten verstärkt daran, bei
 FragDenStaat einen Ort zu schaffen, der unabhängig von Geschlecht, Alter,
 Herkunft oder sexueller Identität und unabhängig von der jeweiligen
 Lebensphase – entsprechende Interessen und Möglichkeiten nutzt und fördert.
 Kritisch sollen strukturelle Hürden und Barrieren identifiziert und folglich
 abgebaut werden. In unserem Verständnis funktioniert das vor allem durch
 steten Austausch, Beratung von Außen und mit der Bereitschaft von- und
 miteinander zu lernen.


 2023 kann das Jahr der Transparenz werden. Mehrere Gesetzesvorhaben sind
 in der Pipeline, die wir begleiten. Selbst bleiben wir an Frontex dran und auch
 die weitere Aufarbeitung des NSU-Komplex steht auf der Agenda. Darüber
 hinaus wird es neue Projekte geben wie unseren Rechtsschutzfonds sowie eine
 Datenbank mit Gerichtsentscheidungen zur Presse- und Informationsfreiheit,
 über die wir bald mehr berichten können. Unsere Summer School findet
 ebenfalls wieder statt. Außerdem arbeiten wir an einigen großen
 Veröffentlichungen gemeinsam mit deutschen und internationalen Medien.




 Impressum:
 FragDenStaat ist ein Projekt der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation.
 V.i.S.d.P. Arne Semsrott c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.,
 Singerstr. 109, 10179 Berlin
 okfn.de, fragdenstaat.de, info@fragdenstaat.de


 FragDenStaat-Team 2022: Melek Bazgan, Vera Deleja-Hotko, Judith Doleschal, Karl Engelhardt,
 Leonie Gehrke, Luisa Izuzquiza, Aiko Kempen, Max Kronmüller, Vivian Kube, Isa Lachmann, Giulia
 Norberti, Monica Phương Thúy Nguyễn, Lea Pfau, Arne Semsrott, Philipp Schönberger, Sebastian
 Sudrow, Hannah Vos, Stefan Wehrmeyer
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