Lagebericht Bosnien und Herzegowina 2021

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Aktueller Lagebericht zu Bosnien und Herzegowina

Die Lageberichte des Auswärtigen Amts sind Grundlage für fast alle Asylverfahren vor deutschen Verwaltungsgerichten. Sie sind nicht öffentlich zugänglich und als Verschlusssache eingestuft. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist Anwält:innen sogar auf eine mögliche Strafbarkeit hin, sollten sie die Berichte weitergeben. Deswegen sorgen wir jetzt gemeinsam mit Pro Asyl selbst für Transparenz.

Diese Anfrage wurde als Teil der Kampagne „Lageberichte des Auswärtiges Amts“ gestellt.

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Herzegowina gibt cs einen neunköpfigen Roma-Rat und ein sog. , Advisory Board on Roma",
in dem Vertreter der Ministerien, des Roma-Rats und der internationalen Gemeinschaft vertre-
ten sind.

1.4. Religionsfreiheit

Gemäß der Verfassung ist die Glaubens- und Religionsfreiheit garantiert. Diese Rechte werden
auch durch vergleichbare Regelungen in den Entitätsverfassungen und durch das Religionsge-
setz garantiert. Alle anderen Gesetze und Verordnungen im Land müssen mit dem Religions
gesetz in Einklang gebracht werden. Jede Diskriminierung in Glaubensfragen ist verboten.
Dazu gchört u. a. die Beleidigung von kirchlichen Amtsträgern, die Beschädigung von religiö-
sen Gebäuden und das Verspotten einer Religion. Bei der Abwägung von Kunst- gegen Religi-
onsfreiheit schen sich Verfechter der Kunstfreiheit scharfem Gegenwind ausgesetzt: Sie werden
von religiös Gebundenen als,.aggressive Atheisten" verächtlich gemacht. Die Strafverfolgung
entsprechender Fälle ist|
     nicht in jedem Fall konsequent.
Anerkannte Religionsgemeinschaften sind die Islamische Gemeinschaft, die Serbisch-Ortho-
doxe Kirche, die Katholische Kirche und die Jüdische Gemeinde sowie alle anderen Kirchen
und religiösen Gemeinschaften, deren Rechtspersönlichkeit vor Inkraftreten des Religionsge-
setzes anerkannt worden ist. Der Staat darf nicht in die kirchliche Selbstverwaltung cingreifen.
Es gibt keine Staatskirche und keine Staatsreligion.

1.5. Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis




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wird nicht praktiziert.
Homosexuelle Handlungen sind nicht strasbar. Das Polizei- und Ordnungsrecht in den Entitäten
kann aber Personen aufgrund ihrer sexuellen Identität als LGBTI durch eine Generalklausel
benachteiligen, die der Polizei bei einer Bedrohung der öffentlichen Moral" und einer drohen
den,Verletzung patriotischer, nationaler, religiöser und moralischer Gefühle der Bürger" Ein-
griffsrechte gibt.
1.6. Militärdienst
Mit der Abschaffung der Wehrpflicht und einer Ziclgröße gesamtstaatlicher Streitkräfte von
9.200 Zeit- und Berufssoldaten, 1.000 zivilen Beschäftigten und ca. 5.000 Reservisten sollen
die Streitkräste in ihren Strukturen teilweise an NATO-Standards angeglichen werden. Seit
2012 nehmen die Streitkräfte an der NATO-geführten Operation, Resolute Support" in Afgha-
nistan teil. 2010 wurde für Bosnien und Herzegowina der Membership Action Plan (MAP) der
NATO konditioniert aktiviert. Ungeachtet weiter nicht erfüllter Voraussetzungen wurde das
Land 2018 erstmals zur Vorlage eines ,Annual National Program" (ANP) cingeladen. Die
Frage des ANP erwies sich im Zuge der Regierungsbildung nach den Wahlen 2018 als Politi
kum. Während die Ubermittlung von den bosniakischen und teilweise kroatischen Parteien zur


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Voraussetzung zur Regierungsbildung erklärt wurdc, verweigerte das Präsidentschaftsmitglied
der Repub      Srpska seine Zustimmung unter Berufung auf einen Neutralitätsbeschluss der
dortigen Nationalversammlung, Erst Ende 2019 konnte dahingehend eine Einigung erzielt wer-
den, dass mit dem ,Reformprogramm für Bosnien und Herzegowina" gewissermaßen ein Kom-
promisspapier im Hinblick auf die künftige Zusammenarbeit der Streitkräfte des Landes im
internationalen Umfeld an die NATOübersandt wurde.In dem Programm wird eine Koopera
tion mit der NATO befürworte

                                                                  Für eine erneute Vermittlung
zur möglichen Fertigstellung und späteren Nachreichung des Reformprogramms hat sich die
Botschaft der USA angeboten.
Fahnenflucht ist strafbar. Für die Zeit des Kriegs 1992-1995 ist die Fahnenflucht aber -   zu-

sammen mit zahlreichen anderen Straftatbeständen -durch verschiedene Amnestiegesetze von
1996 straflos gestellt.
Nach dem Amnestiegesetz der Föderation Bosnien und Herzegowina vom Juni 1996 wird Am-
nestie für Delikte nach 66 Strafvorschriften gewährt. Die wichtigsten darunter sind Fahnen-
flucht, Militärdienstentziehung, Gehorsamsverweigerung, Feindunterstützung einschlielßlich
Uberlaufen zum Feind und Dienst in einer feindlichen Streitkraft, Sabotage, Spionage, Geheim-
nisverrat und Terrorismus. Laufende Verfahren werden eingestellt, neue Verfahren werden
nicht eingeleitet. Verhängte Strafen werden erlassen. Nach dem Amnestiegesetz vom 19. Juni
1996 der Republika Srpska wird die Befreiung von der Strafverfolgung bzw. Strafvollstreckung
für alle Personen angeordnet, die in der Zeit vom 01.01.1991 bis zum 14.12.1995 Straftaten
gegen die Streitkräfte der Republika Srpska verübt haben. Kriegsverbrechen sind von der Am
nestie ausgenommen.
1.7. Handlungen gegen Kinder
Es gibt keine staatlichen Handlungen, die spezifisch gegen Kinder gerichtet sind.

1.8. Bedingungen für Menschen mit Behinderung




                                     Es fehlt an Pflegepersonal, und Therapien sind selten.
Erst ab einem gewissen Behinderungsgrad (Arbeitsunfähigkeit) werden geringe statliche Zah-
lungen geleistet. Bosnien und Herzegowina hat 2010 das VN-Ubercinkommen über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen und das Fakultative Protokoll ratifiziert und 2017 seinen
ersten Bericht dem VN-Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen
vorgelegt. Der Ausschuss hat in seinen Concluding Observations vom Mai 2017 auf einige
Mängel in der Implementierung des Ubereinkommens hingewiesen und zahlreiche Empfehlun-
gen eingebracht, u. a. im Bercich Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung von Menschen
mit Behinderungen (es wird z. B. bei dem Zugang zu staatlichen Hilfen zwischen Menschen,
deren Behinderungen kriegsbedingt sind, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, unter-
schieden).



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1.9. Geschlechtsspezifische Verfolgung
Die Verfassung garantiert die Gleichheit von Frauen und Männern vor dem Gesetz. Nach
dem Gleichberechtigungsgesetz sind Frauen und Männer unabhängig von ihrem Familienstand
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in allen   gesellschaftlichen Bereichen gleichgestellt. In der konservativen
                                                                                         Bil-
Frauen   jedoch häufig geschlechtsspezifischen Benachteiligungen in Politik, Wirtschaft,
dung und Erziehung ausgesetzt, insbesondere, wenn sie der jeweiligen Minderheitsbevölkerung
angehören. Frauen werden wirtschaftlich benachteiligt: So sind z. B. Frauen bei gemeinsamem
Grundbesitz oft nicht im Grundbuch eingetragen. Sexuelle Belästigung ist zwar strafbar, findet
aber laut Aussage von Menschenrechtsorganisationen und NROs dennoch häufig statt. Primär
werden Frauen am Arbeitsplatz belästigt, zeigen dies jedoch nur selten an. Trotz der Verab-

schiedung von Gesetzen zum          Schutz      vor   häuslicher Gewalt auf Entitätsebene im Jahr 2006 ist
häusliche Gewalt gegen Frauen nach wie vor weit verbreitet. Im Zuge der pandemiebedingten
Restriktionen ist eine Zunahme an häuslicher Gewalt zu beobachten, während sich die Ressour
cen für Betroffene reduzierten. Im Mai 2020 trat das überarbeitete Law on Protection from
Domestic Violence in der Republika Srpska in Kraft, welches häusliche Gewalt zur Straftat
macht. Aufgrund des bestehenden gesellschaftlichen Tabus kommt es jedoch nur selten zur
Anzeige. Vergewaltigung (auch in der Ehe) ist strafbar und wird mit einer Gefängnisstrafe von
bis zu 15 Jahren geahndet.
Erst langsanm findet das Thema Gewalt gegen Frauen Beachtung. Mit Kampagnen wie,#ni sam
trazila" (I didn't ask for it) wird es zunehmend enttabuisiert.


                                                               Das Helsinki-Komitee berichtet von häufigen
Tätlichkeiten Heterosexueller, insbesondere gegen männliche Homosexuelle. Auch andere
LGBTI sind vereinzelt Tätlichkeiten und Anfeindungen ausgesetzt. Eine wachsende Anzahl
von Polizisten durchläuft jedoch ein Training, das sie für Delikte gegenüber Menschen auf
grund ihrer sexuellen Identität sensibilisiert. Kurse der auf Rechte von LGBTI spezialisicrten
NRO Sarajevo Open Center sind seit diesem Jahr Teil des Lehrplans der Polizeiakademie. Seit
2015 wurde keiner der angezeigten Fälle von Angriffen, die auf der sexuellen ldentität beruhen,
vor Gerichten verhandelt. Allerdings entschied das Verfassungsgericht im Dezember 2018,
dass die Behörden des Kanton Sarajewo während eines LGBTI-Filmfestivals 2014 das Recht
auf Versammlungsfreiheit verletzt hatten, indem die Sicherheit der Teilnehmer nicht ausrei-
chend geschützt und die Vorfälle juristisch nur unzurcichend aufgearbeitet wurden. Die zweite
Pride Parade war für den 23.08.2020 in Sarajewo geplant, konntc aber aufgrund der CoVID-
19-Pandemie nichtstattfinden.


Prostitution ist strafbar. Sie findet meist versteckt in Privatwohnungen statt.

Menschenhandel wird durch das Strafgesetz mit Strafe bewehrt. Nach den Entitäts-Strafgeset-
zen sind ferner u. a. Freiheitsberaubung, Zuhälterei, Entführung, Vergewaltigung, Geschlechts-
verkehr mit Hilflosen und sexucller Missbrauch eines Kindes strafbar. Bosnien und Herzego-
wina ist Herkunfts-, Ziel- und Transitland für Männer, Frauen und Kinder, die Opfer von Men-




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                                                   wurden. Häufig sind die Opfer
schenhandel, sexueller Ausbeutung und Zwangsarbeit
                                                           und Nordmazedonien oder aus
der, sie kommen aus Nachbarländern wie Serbien, Montenegro
anderen Herkunftsländern wie Afghanistan und Sri Lanka.
                                                                                      Im Januar

                                                                             des Menschenhan-
2020 wurde für den Zeitraum 2020-2023 ein Aktionsplan zur Bekämpfung
                                                             mit NROs         zusammen.
dels angenommen. Die Behörden arbeiten auf diesem Gebiet eng

1.10 Exilpolitische Aktivitäten
                                                                            Verhalten ist für die
Es sind keine relevanten  politischen Exilgruppen bekannt. Exilpolitisches
                                                               keine staatlichen Repressionen
Rückkehr     ohne Bedeutung. Ein Asylantrag in Deutschland hat
zur Folge.

2. Repressionen Dritter
                                                 Ministeriums für Menschenrechte und Flücht-
Nach  Angaben des bosnisch-herzegowinischen
                                                                   zu verbalen und körpcrli-
linge und des European Roma Rights Center kommt es gelegentlich
                                                   Statistiken hierzu liegen nicht vor. Es ist
chen Ubergriffen gegen Roma durch Privatpersonen;
                                                          stratfrechtlich verfolgt werden.
nicht bekannt, dass solche Taten in nennenswertem Umfang




3. Ausweichmöglichkeiten




III Menschenrechtslage
1. Schutz der Menschenrechte in der Verfassung
Laut bosnisch-herzegowinischer Verfassung gilt die Europäische Menschenrechtskonvention
(EMRK) mit ihren Zusatzprotokollen dirckt und unmittelbar. Sie hat Vorrang vor allen anderen
Gesetzen. Die EMRK wurde am 12.07.2002 ratifiziert.

Laut Verfassung gelten zudem folgende Menschenrechtsübereinkommen:
       Völkermordkonvention (1948);

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     Vierte Genfer Konvention (1949) mit Zusatzprotokollen (1977):
     Flüchtlingsübereinkommen (1951) mit Zusatzprotokoll (1966);
     Ubereinkommen über die StaatsangchQrigkeit verheirateter Frauen (1957);
     Konvention   zur   Reduzierung der Staatenlosigkeit (1961);
     Internationales Ubereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminiíerung
     (CERD) (1966);
     Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte mit Zusatzprotokollen (IC-
     CPR) (1966 und 1989);

     Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) (1966);
     Ubereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAWw)
     (1979);
     Ubereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende
     Behandlung oder Strafe (CAT) (1984);

     Europäisches Übereinkommen zur Verhinderung von Folter und unmenschlicher oder er-
      niedrigender Behandlung oder Strafe (1987);
      Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) (1989);
      Internationales Ubereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeiter und ihrer
      Familienmitglieder (CMW) (199
      Fonds zur Entwicklung der eingeborenen Völker Lateinamerikas und der Karibik (1992);
      Europäische Charta für regionale oder Minderheitensprachen (1992);

      Rahmenübereinkommen zum Schutz der nationalen Minderheiten (1994);

      Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) (2006)
      Internationales Ubereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
      (CED) (2006).
Gemäß der Verfassung müssen die Behörden mit allen Menschenrechtsorganisationen zu-
sammenarbeiten, die über ein Mandat des VN-Sicherheitsrats verfügen. Nach dem Daytoner
Rahmenabkommen für den Frieden sind auch die Entitäten zur Unterstützung aller im Bereich
der Menschenrechte tätigen internationalen Organisationen und NROs verpflichtet.

Das letzte Universelle Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) zu Bosnien und Herzegowina fand
im November 2019 statt.
2. Folter

Die Verfassung von Bosnien und Herzegowina schreibt für alle Menschen das Recht auf Frei-
heit von Folter fest. Das Land ist danach an die Antifolterkonvention (1984) und die Europäi-
sche Folterverhütungskonvention gebunden. Bosnien und Herzegowina hat 2003 vorbehaltlos
die Zuständigkeit der Antifolterkommission nach Art. 22 der VN-Antifolterkonvention ancr-



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 kannt. Folter ist in Bosnien und Herzegowina strafbar. Der Ausschuss des Europarates zur Ver-
  hütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (European Committee
 for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, CPT) über-
 prüft seit 2011 Polizeistationen, Haftanstalten und psychiatrische Einrichtungen. Die letzte
 Uberprüfung fand im Juni 2019 stat, ein Bericht liegt noch nicht vor. Es kommt nach Angaben
 des CPT im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen verbreitet und innerhalb
 der Gefängnisse nach wie vor vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen
 Angehörige der Roma. Der Ausschuss hörte Berichte von Zeugen, nach denen einige von der
  Polizei festgehaltene Personen mit einer Pistole im Mund bedroht wurden und Scheinhinrich
 tungenausgesetzt waren. Dem Auswärtigen Amt sind solche Vorfälle nicht bekannt.



 3: Todesstrafe

 Das EMRK-Protokoll Nr. 6 ist in Bosnien und Herzegowina am 01.11.2003 in Kraft getreten;
 die Todesstrafe wurde hierdurch abgeschafft. Der in der Verfassung der Republika Srpska ent-
 haltene Artikel zur Todesstrafe wurde im Oktober 2019 als verfassungswidrig erklärt und ist
 nun nichtig. Beide Entitäten haben die Todesstrafe aus ihren Strafgesetzbüchern gestrichen.

 4. Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen
 Fälle des Verschwindenlassens von Personen durch staatliche Stellen sind nicht bekannt, auch
 keine im Strafmaß unverhältnismäßigen Strafen. Unmenschliche oder erniedrigende Strafen
 werden nicht verhängt.
 Die Untersuchungshaft ist grundsätzlich auf ein Jahr begrenzt, in besonderen Fällen (z. B.
 Kriegsverbrechen, organisiertes Verbrechen, o. ä.) bestehen Verlängerungsmöglichkeiten. Es
gibt regclmäßige lHaftprüfungstermine. Verhaftcte müssen innerhalb von 24 Stunden entlassen
oder dem Haftrichter vorgeführt werden, sollen die notwendige medizinische Versorgung er-
halten sowie die Möglichkeit bekommen, einen Verteidiger auf eigene Kosten zu beauftragen
und Angehörige zu informieren. Diese Bestimmungen werden grundsätzlich eingehalten.

Die Haftbedingungen in Bosnien und Herzegowina variicren zwischen den einzelnen Haftan-
stalten. Die bisherigen Probleme wie Gewaltanwendung durch das Gefängnispersonal bzw. un-
ter den Inhaftierten selbst, das Fehlen konkreter Verhaltensregeln für das Gefängnispersonal
sowie schlechte medizinische Versorgung, bestehende schlechte Unterbringungsbedingungen
und Überbelegung in manchen Einrichtungen müssen nach kritischen Berichten verstärkt an-
gegangen werden. Unabhängigen internationalen und nationalen Beobachtern werden weitre
chende Besuchsrechte cingeräumt. Anfang 2018 wurde der Neubau des Staatsgefängnisses in
Vojkovic fertiggestelt, jedoch crst im Juli 2020 in Betricb genommen, da die Nominierung der
Gefängnisleitung die Eröffnung verzögerte. Die Ausbreitung der Pandemie hat allerdings den
Verlegungsprozess von Häftlingen beeinträchtigt. Der von der EU und Schweden finanzierte
Bau hat ca. 40 Mio. EUR gekostet und soll 348 Häftlinge aufnehmen (nur Männer).

Jugendliche männliche Strafgefangene im Alter von 16 bis 18 Jahren werden in einigen Haft
anstalten mit den erwachsenen Strafgefangenen zusammen untergebracht. Nur für jugendliche
Strafgefangene unter 16 Jahren werden separate Unterbringungsmöglichkciten gesucht.

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Auch Frauengefängnisse fehlen, sodass weibliche Strafgefangene zum Teil in abgetrennte Be-
reiche der allgemeinen Gefängnisse eingewiesen werden.
Die Umsetzung der vorgeschriebenen Sicherungsverwahrung von Straftätern, die ggf. eine

psychologische Behandlung erhalten müssen, erfolgt nicht immer im erforderlichen Umfang.
5.   Lage ausländischer Flüchtlinge
Bosnien und Herzegowina ist Vertragspartei der Genfer Flüchtlingskonvention und des
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kolls zur Rechtsstellung der Flüchtlinge. Das Gesetz über den Transit und den Aufenthalt von
Ausländern und Asyl vom 06.05.2008 sowie Durchführungsverordnungen erfüllen die Stan-
dards des Ubereinkommens.




Bosnien und Herzegowina war - im Vergleich zum Vorjahr          2020 deutlich weniger von Mig-

rationsbewegungen von Flüchtlingen und Migranten in Richtung Europäische Union betroffen.
Gleichwohl sind die Fälle registrierter unerlaubter Aus- und Einreisen mit 11.738 dokumentier-
ten Fällen, im Vergleich zu 2019 (6.039 Fälle) deutlich angestiegen. 2020 wurden ca. 16.000
Flüchtlinge bzw. Migranten durch den bosnischen Grenzschutz aufgenommen bzw. von der
bosnischen Ausländerbehörde aufgedeckt. Während das Recht auf Asyl in Bosnien und Herze-
gowina existiert, stellten von den registrierten Migranten bzw. Flüchtlingen lediglich 244 Per-
sonen einen Asylantrag. 2019 waren es noch 784 Personen. 2020 haben 15.178 Migranten bzw.
Flüchtlinge eine Asylabsichtserklärung abgegcben.




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IV. Rückkehrfragen
1. Situation für Rückkehrer

1.1 Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Heizmaterial und
Strom ist landesweit sichergestellt. Insgesamt ist der Lebensstandard der Gesamtbevölkerung
dennoch niedrig. Der durchschnittliche monatliche Nettolohn in Bosnien und Herzegowina
liegt bei umgerechnet rund 465 Euro. Die Arbeitslosigkeit liegt bei ca. 15,7 % (2019), die Ju-
gendarbeitslosigkeit bei 38,8 %. Die Arbeitslosigkeit ist durch den Ausbruch der Pandemie
voraussichtlich um ca. 3-4 % gestiegen, offizielle Angaben liegen aber noch nicht vor. Die
durchschnittliche Rentenhöhe von 195 Euro in der Republika Srpska und ca. 240 Euro in der
Föderation ist ohne die in ländlichen Gebieten, nicht jedoch in den Städten mögliche Subsis-
tenzwirtschaft für eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln für eine Einzelperson nicht aus-
reichend. Die Höhe der Sozialhilfe ist nicht einheitlich geregelt. In der Föderation Bosnien und
Herzegowina beträgt sie 20 % des Durchschnittslohns im jeweiligen Monat, in der Republika
Srpska 15 % des Durchschnittslohns. Sie kann jedoch oftmals nicht ausgezahlt werden.




Rückkehrer werden z. T. mit Hilfe der UN-Organisation IOM (International Organization for
 Migration) betreut.

 1.2 Medizinische Versorgung




Grundsätzlich sind alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldete Personen gesetz
lich krankenversichert. Das Krankenversicherungsgesetz der Föderation deckt aber nur Rück-
kehrer ab, die bereits vor ihrer Ausreise krankenversichert waren. Aufgrund eines am
01.01.2009 in Kraft getretenen Gesetzes sind alle Vorschulkinder, Schüler bis 18 Jahre, Kinder
von 15 bis 18 Jahren, die keine weitere Ausbildung machen, Studenten bis 26 Jahre, Sozialhil-
 feempfängcer und Arbeitslose sowie alle Personen ab 65 Jahren krankenversichert. Der für vielc
 Gesundheitsleistungen zu erbringende Eigenanteil an den Kosten kann zu einer eingeschränk
ten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen führen. Nach Schätzungen des Helsinki-Ko-
 mitees haben etwa 60 % der Bevölkerung, darunter auch Kinder, keinen Zugang zu einer regel-
 mäßigen Gesundhcitsvorsorge.
Das Krankenversicherungswesen liegt in der Föderation Bosnien und Herzegowina bei den
Kantonalverwaltungen und der Entitätsverwaltung, in der Republika Srpska auf Entitätscbene
bei einem Versicherungsfonds. Das Gesundheitssystem gliedert sich in drei Bereiche. Der pri-
märe Gesundheitsschutz. umfasst medizinische Vorsorge, Notfallmedizin, Schul- und Arbeits-
medizin, Vorsorge für Mutter und Kind, hausärztliche, allgemeinrztliche und zahnärztliche
Behandlung sowie Arzneimittelversorgung. Er wird durch sog. Gesundheitshäuser, Erste-Hilfe-


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Stationen (i. d. R. angegliedert an Ambulanzen und Krankenhätuser), Zahnarztpraxen und Apo-
theken sichergestellt. Sekundärer (fachärztlich-konsultativer) Gesundheitsschutz umfasst Diag-
nostik, Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen in Fällen, in denen keine stationäre Bc
handlung notwendig ist. Er wird durch Gesundheitshäuser, ärztliche Privaipraxen und Kra
kenhäuser sichergestellt. Im tertiären Bereich findet man alle medizinischen Anwendungen in
stationären Einrichtungen, also in Krankenhäusern und Kliniken, die überwiegend staatlich or-
ganisiert und finanziert sind.
Es gibt über 300 Ambulanzen, die jeweils zwischen 2.000 und 10.000 Einwohner versorgen.
Grundsätzlich existiert in jeder größeren Gemeinde (ca. 120) ein Gesundheitshaus, das eine
medizinische Versorgung für 20.000 bis 50.000 Einwohner sicherstellen soll. Es existieren fünf
klinische Zentren (drei in der Föderation Bosnien und Herzegowina und zwei in der Republika
Srpska) in den größten Städten des Landes, hinzukommen landesweit 20 staatliche (Kantonal-
Krankenhäuser. Dazu kommen diverse private Krankenhäuser, Poli- und Fachkliniken. In grö-
Beren Städten gibt es cine wachsende Zahl an privatärztlichen Praxen und Kliniken.
Rehabilitationsmaßnahmen können mur in Fojnica, Graanica,        Tuzla, Olovo (Föderation) und
in Slatina (Laktaai) und Tesli, beide in der Republika Srpska, durchgeführt werden. Die mit
deutscher Unterstützung errichtete Einrichtung in Fojnica weist mit den höchsten Standard auf
und ermöglicht cine gefestigte berufliche Wiedereingliederung. Ambulante Rehabilitations-
manahmen wie z. B. Krankengymnastik sind privat in vielen größeren Orten möglich.


                                                     Arzte und Pflegepersonal wandern zuneh
                                         Deutschland.
mend ins Ausland ab, vorwiegend nach




Gangige Medikamente sind auf dem örtlichen Markt erhältlich und werden, soweit Kranken-
versicherungsschutz besteht, bei ärztlicher Verordnung von der Krankenversicherung bezahlt.
Kosten für Spezialmedikamente werden in der Regel nicht erstattet. Sie können auf dem Im-
portweg oder privat aus dem Ausland beschafft werden. Die Insulinversorgung, die ausschließ-
lich gegen Rezeptvorlage und kostenlos in Apotheken erfolgt, ist grundsätzlich gewährleistet.




         O Auswärtiges Amt 2021   Nicht zur Veröffentlichung bestimmt - Nachdruck verboten

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VSNur-fir den Dienstgebraueh In geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft




Die Behandlung von Opfern sexueller Gewalt ist zwar grundsätzlich möglich, es fehlt jedoch
auch hier an personellen und materiellen Kapazitäten. Frauen, die Schutz suchen, können sich
Zwecks Unterbringung in einem Frauenhaus an die zuständigen Zentren für Sozialarbeit oder
in Notfällen an die Polizei wenden.

2. Behandlung von Rückkehrerinnen und Rückkehrern




Die Situation für Rückkehrer, die während des Balkankriegs aus dem Land flohen, hat sich
verbessert.




 Die Zuständigkeit für die Koordination der Flüchtlingsrückkehr liegt beim bosnisch-herzego-
 winischen Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge, das die staatliche Rückkehrkom-
 mission zur Durchführung von Wiederaufbaumaßnahmen gebildet hat.

 Das zwischen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowina geschlossene Rücküber-
 nahmeabkommen ist seit 1. Januar 2008 in Kraft und ersetzt das seit 14. Januar 1997 wirksame
 bilaterale, zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bosnien und Herzegowina, verein-
 barte Rückübernahmeabkommen. Die in beiden Verträgen enthaltenen Verpflichtungen und
 Zusagen wurden eingehalten. Am 15.01.2014 crfolgte die Unterzeichnung des bilateralen
 Durchführungsprotokolls zum EU-Rückübernahmeabkommen mit Bosnien und Herzegowina.




 Dic Bchandlung der Rückkehrer durch Dritte ist abhängig davon, ob eine Rückkehr in Minder-
 heitengebiete (z. B. Bosniaken in die Republika Srpska) oder Mehrheitsgebiete (z. B. Serben in
 die Republika Srpska) erfolgt. Dort, wo sich die Volksgruppe, der die Rückkehrer angehören,

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