Koalitionsvertrag Berlin CDU/SPD 2023

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Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin stellt als Hochschule der Verwaltung
auch weiterhin den zentralen akademischen Ausbildungsort für die öffentliche Verwaltung
des Landes Berlin dar.

Wir wollen die Ausbildungskapazitäten ausbauen und die dafür                   notwendigen
Rahmenbedingungen der Praxisanleiterinnen und -anleiter verbessern.

Wir fördern und verbessern Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen anhand
der Bedarfe der Berliner Verwaltung, Polizei und Justiz, gerade im Hinblick auf die gängigen
Sprachen wie z. B. Englisch, Türkisch, Arabisch und Russisch.

Wir setzen in diesem Zusammenhang unter anderem auch auf die Ausweitung der
europäischen Austauschprogramme, insbesondere mit europäischen Partnerstädten. Die
Beschäftigten der Berliner Verwaltung werden im Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern, die
Falschinformationen und Verschwörungsmythen verbreiten oder sich rassistisch,
antisemitisch, frauenfeindlich, homophob oder extremistisch äußern, unterstützt. Wir stärken
vor diesem Hintergrund die Demokratiebildung und digitale Medienkompetenz innerhalb der
Berliner Verwaltung. Der Diversity-Check wird fortgeführt.

Die Koalition baut die Anreize für alle Mangelberufe im öffentlichen Dienst,
insbesondere im IT-Bereich, aus. Dazu gehören neben der Gewinnung auch die Bindung
sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen. Die Einstellung von Fachkräften wird
durch innovative Rekrutierungsmaßnahmen erleichtert, Personalentwicklungshemmnisse
werden identifiziert und aufgelöst. Zu diesem Zweck wird das Land Berlin für die Entwicklung
und Umsetzung dieses Ziels eine entsprechende Gesamtstrategie erarbeiten. Im Rahmen
dessen werden Möglichkeiten für Zuschläge – zur Gewinnung von IT-Fachkräften nach dem
Beispiel Bayerns – geprüft.

Die Koalition verkürzt Behördenwege. Deshalb werden wir weitere Bürgerämter
unbürokratisch einrichten und mobile Bürgeramts-Einheiten in entlegeneren Ortsteilen mit
schwach entwickelter ÖPNV-Anbindung bereitstellen. Darüber hinaus wollen wir die
Bürgerämter weiter stärken und einen Springerpool einrichten. Das Projekt zukunftsfähige
Ordnungsämter aus dem Zukunftspakt Verwaltung führt die Koalition weiter. Für die
Ordnungsämter strebt die Koalition eine Zielvereinbarung an, um landesweit ein hohes
Niveau bei der Sauberkeit, der Überwachung des ruhenden Verkehrs, beim
Verbraucherschutz und der Ordnung im öffentlichen Raum zu entwickeln. Vergleichbare
Projekte werden aufgesetzt für weitere Ämter, die Dienstleistungen für Bürgerinnen und
Bürger anbieten.

Wir haben ein serviceorientiertes Verständnis von öffentlicher Verwaltung Zielsetzung ist
beispielsweise, dass die Verwaltung Bürgerinnen und Bürger darauf hinweist, wenn ihre
Ausweisdokumente zu verlängern sind.

Mit dem Ziel der Entbürokratisierung und Beschleunigung prüfen wir die Anwendung von
Genehmigungsfiktionen.

Die Koalition wird schnellstmöglich ein Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild
einführen und dabei nur den Bereich Verfassungsschutz aus dem Geltungsbereich
herausnehmen.     Dabei    werden    wir  die   hohen   Standards des    Berliner

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Informationsfreiheitsgesetzes erhalten und einen umfassenden Rahmen für die Leitlinie
„Open by default“ für die öffentlichen Daten schaffen.

Die Einführung von neuen Verwaltungsvorschriften und -regeln soll sich am Grundsatz
besserer Rechtssetzung und am One-in-One-out-Verfahren orientieren. Ziel ist es, den
Anstieg von Belastungen dauerhaft zu begrenzen, ohne politisch gewollte Maßnahmen zu
behindern.

Digitale Verwaltung
Die Koalition beendet das Umsetzungsdefizit bei digitalen Bürgerdienstleistungen und
baut die Möglichkeit der Nutzung von Online-Anträgen über das Service-Portal Berlin sowie
eine mobile Applikation aus. Das Ziel bleibt dabei ein vollständig medienbruchfreier
Verwaltungsprozess. Sichtbare Veränderungen und Verbesserungen müssen zügig spürbar,
messbar und sichtbar sein. Für die wichtigsten Dienstleistungen (u. a. Wohnsitzanmeldung,
Anzeige von Geburt und Sterbefall, Anmeldung der Eheschließung, Meldebescheinigung,
Antrag Bildungs- und Teilhabepaket, Baugenehmigungen) und die hierfür zuständigen Ämter
werden wir deshalb „Sprint-Programme“ aufsetzen und durch den Senat über Kennzahlen
und konkrete Teilprojekte besonders steuern. Wenn es geeignete Lösungen bereits in
anderen Bundesländern und Kommunen gibt, die dort ihre Wirksamkeit in der praktischen
Anwendung bereits unter Beweis stellen konnten, dann wird der Übertragbarkeit auf Berlin
zunächst zügig geprüft und dann mittels einer geeigneten Implementierungsstrategie
übernommen.

Wir werden ein zusätzliches digitales Bürgeramt der Zukunft erproben. So wird das
gemeinsame und koordinierte Vorgehen von Senat und Bezirken bei der Digitalisierung der
Dienstleistungen für die Bürgerinnen, die Bürger und die Wirtschaft sichtbar.

Wir werden die digitale Präsenz Berlins überarbeiten und vereinheitlichen. Ein gemeinsamer
Internetauftritt aller Verwaltungen wird entwickelt. Es wird auf bereits digitalisierte
Dienstleistungen gesondert hingewiesen und eine direkte Verknüpfung zum Service-Portal
für den Abruf dieser Dienstleistungen geschaffen. Um die Navigation für Bürgerinnen und
Bürger zu erleichtern, wird statt der Darstellung des Leistungsportfolios einzelner Ämter und
Behörden eine Kategorisierung in Lebenslagen vorgenommen. Barrierefreiheit,
Mehrsprachigkeit und ein nutzerfreundliches Design werden als Standard vorgesehen. Diese
neue Form der Nutzererfahrung soll zum Leitprinzip unserer Digitalisierung werden.

Wir werden dabei auf ein „Single-Point-of-Contact“ abstellen, der möglichst einfach und
intuitiv zu bedienen ist. Usability Engineering wird dabei eine wichtige Rolle spielen.
Außerdem wollen wir uns an fortschrittlichen Chat-Bots orientieren. Dies erleichtert den
Bürgerinnen und Bürgern die Kontaktaufnahme mit der Verwaltung, entlastet unsere
Beschäftigten und macht Verwaltungshandeln insgesamt schneller.

Die Koalition wird das Wahl- und Abstimmungsrecht in einem konsensorientierten Verfahren
unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Expertenkommission Wahlen novellieren.

Die Berliner Verwaltung ist in den Bereichen der schnelleren Modernisierung und
Digitalisierung auf eine umfassendere und leichtere Zusammenarbeit mit Externen
angewiesen. Rahmenverträge für die wichtigsten Transformationsthemen (insbesondere

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Strategie-Beratung,     Digitalisierung  von  Dienstleistungen,   IT-Projektmanagement,
Prozessoptimierung, Personal) sollen zentral für die gesamte Landesverwaltung
ausgeschrieben und nutzbar gemacht werden. Die „Interne Beratung“ bei der
Verwaltungsakademie wird konsequent gestärkt. Wir gründen den GovTech Campus Berlin
– als integrierter Bestandteil des GovTech Campus Deutschland –, um die Zusammenarbeit
der Berliner KMU und Start-Up-Szene mit der Berliner Verwaltung zu erleichtern und zu
intensivieren.

Das Vergabewesen wird modernisiert und zeitgemäß organisiert. Hierzu wird ein
berlinweiter Standard entwickelt, der dann von der Berliner Verwaltung verbindlich genutzt
wird. Dabei wird darauf zu achten sein, dass hinreichend große Organisationseinheiten auf
Landes- und Bezirksebene geschaffen werden.

Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung in sämtlichen Lebensbereichen nutzen:
themenübergreifend denken und handeln, neue Ansätze ausprobieren – das ist der Weg zur
Smart City, der die gesamte Stadtgesellschaft einbezieht. Die Grundlage dafür bildet die
Smart City Strategie „Gemeinsam Digital: Berlin“. Die Umsetzung folgt dem Grundsatz:
Evidenzbasiert planen, zentral steuern und dezentral umsetzen. Senatsverwaltungen und
Bezirke werden gleichberechtigt in die Erarbeitung einbezogen.

Die Koalition fördert den Kulturwandel der Verwaltung und etabliert ressort- und
ebenenübergreifendes Arbeiten sowie den fachlichen und personellen Austausch zwischen
den verschiedenen Akteuren. Wir wollen das agile Arbeiten in der Berliner Verwaltung
etablieren und nehmen dafür die Führungskräfte in die Verantwortung. Es wird ein neues
Leitbild für Führungskräfte im Land Berlin erarbeitet. Durch ein einheitliches
Vorgehensmodell und den Einsatz moderner Werkzeuge und Methoden sollen Vorhaben
künftig schneller, transparenter und bedarfsgerechter umgesetzt werden.

Um den Kulturwandel in der Berliner Verwaltung zu fördern, werden wir ein landesweites
Qualitätsmanagement institutionalisieren. Bestandteil des Qualitätsmanagements ist die
Optimierung von Verwaltungsprozessen. Diese sollen agiler, resilienter und evidenzbasierter
werden. Dazu werden wir genau schauen, wie wir diese Prozesse zwischen Land und
Bezirken untereinander effizienter aufeinander abstimmen können.

Ein neues Digitalgesetz löst das bisherige E-Government-Gesetz Berlin ab, ordnet die
Aufgaben der zuständigen Gremien neu und schärft die eigenständige Position des Chief
Digital Officer (CDO), so dass die Aufgaben einer landesweiten politisch-administrativen
Steuerung wirksamer ausgeübt werden können.

Die Berliner Verwaltung wird schnellstmöglich, spätestens bis zum Ende der
Legislaturperiode, in die Lage versetzt, ihre Akten elektronisch zu führen. Das weitere
Rollout der Digitalen Akte gemäß der vorliegenden Planung wird konsequent und
nutzerorientiert fortgesetzt.

Ein transparentes Verwaltungshandeln prägt das neue digitale Dienstleistungsverständnis
der Berliner Verwaltung. Dafür wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass die Bürgerinnen und
Bürger und die Wirtschaft den Fortgang ihrer Verwaltungsangelegenheit online verfolgen
können.


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Wir wollen ein Datenschutzcockpit einrichten, damit jede Bürgerin und jeder Bürger
jederzeit sehen kann, welcher Teil der Verwaltung aus welchem Grund und aufgrund welcher
gesetzlichen Grundlage auf seine/ihre persönlichen Daten zugegriffen hat. Auf Wunsch
werden sogenannte Pushmails versendet. Dies fördert das Vertrauen in das Handeln unserer
Verwaltung.

Für die Einbringung neuer Gesetzesentwürfe der Exekutive ist der Digitalcheck
verpflichtend.

Die Koalition erkennt den Bedarf für neue IT-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung an und
prüft nur bei fehlender Praxiserfahrung deren Nutzung im Rahmen verschiedener
Machbarkeitsstudien – ansonsten geht Umsetzung vor Prüfung.

Für ein Land wie Berlin wird die Sicherung und Stärkung der Digitalen Souveränität immer
wichtiger. Dabei verstehen wir Digitale Souveränität als die Fähigkeiten und Möglichkeiten
von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig,
selbstbestimmt und sicher ausüben zu können. Die Dachstrategie „Gemeinsam Digital:
Berlin“ entwickeln wir weiter.

Die Digitalpolitik wird an den Grundsätzen der Digitalen Souveränität, Nutzerzentriertheit
und Agilität ausgerichtet.

Ein neues Datenmanagement, die gemeinsame Datennutzung der gesamten Verwaltung
und eine Data Governance, die die öffentlichen Daten auch Dritten (Wirtschaft,
Wissenschaft, Zivilgesellschaft) als Open Data zur Verfügung stellt, ist wesentliche
Voraussetzung für die digitale Transformation der Verwaltung. Das Land Berlin will als
Zentrum einer neuen Strategie zum gemeinsamen Datenmanagement für die gesamte
Berliner Verwaltung den „Berlin DataHub“ gründen.

Das Innovationspotenzial der Technologiestiftung Berlin und des CityLAB Berlin gilt es
weiter auf- und auszubauen. Dafür werden wir weitere konkrete Formate verabreden, in
denen die Technologiestiftung die Verwaltung bei der digitalen Transformation unterstützt:
zunächst bei der Verstetigung von Prototypen und der Ertüchtigung offener Infrastrukturen
(LoRaWAN). Das CityLAB Berlin werden wir als Labor-Experimentierraum für die Umsetzung
der Digitalpolitik weiter ausbauen.

Wir werden eine Multi-Cloud-Strategie für Berlin erarbeiten und die Berliner Strategie und
Lösung in Abstimmung mit der von Bund, Ländern und Kommunen im IT-Planungsrat
entwickelten Strategie und – wo immer möglich – mit vorhandenen Lösungen für die
Deutsche Verwaltungscloud umsetzen. Wir setzen uns das Ziel, zukünftige
Basisanwendungen cloudbasiert zur Verfügung zu stellen.

Die Einführung von KI-gestützten Entlastungsmaßnahmen wird mit der Unterstützung von
externen Expertinnen und Experten in den Fokus genommen. Die Dienstleistung „Digitales
Parkraummanagement“ wird durch die zuständige Senatsverwaltung gemeinsam mit den
Ordnungsämtern, dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten und der für
Digitalisierung zuständigen Senatsverwaltung bis Ende 2023 umgesetzt. Hierfür werden der
Antrags- und Überwachungsprozess konsequent digitalisiert und automatisiert. Insbesondere
der Antragsprozess wird das erste Beispiel für das neue proaktive Verwaltungshandeln in

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Berlin. Wir streben an, die hier erhobenen Daten in ein Berliner Ökosystem „Mobilitätsdaten“
einfließen zu lassen. Dieses Ökosystem wird Grundlage für eine evidenzbasierte
Verkehrsplanung Berlins sein.

Die Verwendung von Open-Source-Lösungen stärkt die digitale Souveränität unserer
Berliner Verwaltung. Bei der Suche nach geeigneten digitalen Lösungen für die
Verwaltungsmodernisierung werden wir Open-Source-Lösungen einen besonderen Raum
einräumen. Hierzu gehört auch der bereits intensivierte Austausch zu „best practices“.
Bestehende Kooperationen zu Open-Source werden wir verstärken und erweitern.

Das Ausrollen des IKT-Arbeitsplatzes auf sämtliche Arbeitsplätze des Landes Berlin mit
seinen vier Komponenten Telefonie, LAN, Drucken und BerlinPC wird fortgeführt. Hierzu
gehören auch Kollaborationstools.

Wir wollen das ITDZ-Gesetz evaluieren und qualifizieren. Ergänzend wird geprüft, einen
zusätzlichen IT-Dienstleister zu gründen, der sich auf die Bereitstellung von Angeboten für
verfahrensabhängige IKT, inklusive cloudbasierter Systeme konzentriert, während die
Bestandssysteme (insbesondere verfahrensunabhängige KT und IKT-Basisdienste) vom
ITDZ betrieben werden. Das etwaige neue Systemhaus kann als Joint-Venture mit einem
erfahrenen Dienstleister starten und Partnerschaften mit dem aufstrebenden GovTech-Sektor
in Berlin eingehen.

Die Datenschutzbeauftragte soll Servicedienstleister für alle Verwaltungen inklusive der
Bereitstellung von Positiv-Listen von nutzbaren Lösungen und Beispielen guten
Verwaltungshandelns in Bezug auf alle Datenschutzbereiche sein. Die behördlichen
Datenschutzbeauftragten sollen die an der Verarbeitung beteiligten Beschäftigten stärker
informieren und bei der datenschutzkonformen Umsetzung unterstützen.

Die schnellere Modernisierung und Digitalisierung der Berliner Verwaltung und die
Beseitigung des Umsetzungsdefizits bei der Digitalisierung erfordert flexible und nachhaltige
finanzielle Rahmenbedingungen.

Gerade die Hauptstadt Berlin benötigt einen erhöhten Sicherheitsstandard. Die
Digitalisierung von Dienstleistungen erfordert ein hohes Niveau der digitalen Sicherheit durch
eine ganzheitliche Umsetzung von Informationssicherheit und Cybersicherheit als Grundlage
von Vertrauen in digitale Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger sowie für die
Wirtschaft.

Um den bestmöglichen Schutz unserer IKT-Infrastruktur zu gewährleisten, wird in
besonderer Weise in ein landesweit verbindliches, transparent hohes gemeinsames
Informationssicherheitsniveau der öffentlichen Verwaltung investiert.

Die Automatisierung von Verwaltungshandeln mittels Algorithmen geht mit einer großen
Verantwortung einher. Bestandteil des Qualitätsmanagements wird deswegen nicht nur
deren Überprüfung hinsichtlich zu erwartender Effizienzsteigerung sein, sondern auch deren
möglichen ungewollten ethischen Auswirkungen. Bei deren Überprüfung orientieren wir uns
an etablierten internationalen Standards und arbeiten hier eng mit der Zivilgesellschaft
zusammen.


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Stadt der Vielfalt

Werte wie Respekt, Toleranz und Anerkennung unserer freiheitlich-demokratischen
Grundordnung sind die Grundlage für einen guten und funktionierenden Zusammenhalt. Wir
setzen auf Vielfalt, gegenseitigen Respekt und Weltoffenheit. Unsere Stadt mit ihrer
besonderen Mischung lebt vom Miteinander, nicht vom Nebeneinander – erst recht nicht vom
Gegeneinander.

Gleichstellung
Die Gleichstellung von Mann und Frau muss in allen Lebensbereichen vorangetrieben
werden.

Die Koalition setzt sich dafür ein, dass Frauen und Männer in der Wirtschaft, Wissenschaft,
Politik, Verwaltung, im kulturellen sowie öffentlichen Leben gleichberechtigt teilhaben.

Die Koalition prüft die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten eines Paritätsgesetzes.

Wir setzen das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm fort. Dieses ergänzen wir durch
eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie.

Wir setzen uns für die intersektionale Gleichstellung ein. Das bedeutet, die Koalition tritt der
Mehrfachdiskriminierung aller Frauen entgegen – unabhängig von ihrem sozialen
Geschlecht, einer rassistischen oder antisemitischen Zuschreibung, einer Behinderung, der
Sprache, dem Alter, dem Gewicht, der Religion und Weltanschauung, dem sozialen Status,
der sexuellen oder geschlechtlichen Identität, dem Gesundheitszustande, einer
Beeinträchtigung, dem Familienstand sowie dem Migrations- oder Fluchtstatus.

Wir werden Frauenarmut konsequent bekämpfen.

Die Entgeltgleichheit bei gleicher und gleichwertiger Arbeit bleibt ein zentrales Ziel der
Koalition. Wir wollen die Bildung im Bereich Finanzen für Mädchen und Frauen stärken, um
die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben zu schaffen.

Deutlich mehr Mütter als Väter reduzieren ihre wöchentliche Arbeitszeit, um die unbezahlte
Care-Arbeit zu übernehmen. Die Reduzierung der Arbeitszeit von Frauen führt häufig in eine
Teilzeitfalle, die nicht selten dazu führt, dass Frauen später von Armut bedroht sind.
Flexiblere Arbeitszeitmodelle und Möglichkeiten zum flexiblen, mobilen Arbeiten zur
besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden ausgebaut. Dies dient auch der
Attraktivitätssteigerung des Landes Berlin als Arbeitgeber.

Berlin ist Hauptstadt der Alleinerziehenden. Wir streben an, die Lebens- und
Arbeitsbedingungen von Einelternfamilien, zumeist Müttern, deutlich zu verbessern. Das
Landesprogramm Alleinerziehende          soll    verstetigt   werden.   Die Anlauf-       und
Koordinierungsstellen für Alleinerziehende in den Bezirken und die Angebote für
Alleinerziehende werden durch eine öffentliche Kampagne bekannter gemacht. Die
Koordinierung der bezirklichen Anlaufstellen für Alleinerziehende muss sichergestellt werden.




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Eine Regelfinanzierung von Frauenprojekten und Beratungsstellen will die Koalition
schrittweise etablieren. Die Finanzierung von Frauen- und Beratungsstellen wird verstetigt.
Die Eingruppierung der Beschäftigten in den Frauenprojekten soll entsprechend ihrer
tatsächlichen Tätigkeit und Qualifikation im Rahmen ihrer Zuwendung sichergestellt werden.
Die Koalition stärkt den Aufbau, Erhalt und die Weiterentwicklung der Berliner
Fraueninfrastruktur des Beratungsnetzwerks für Frauen für Beruf, Bildung und Beschäftigung
einschließlich der Fachstelle Vereinbarkeit Beruf und Familie.

Das Land Berlin bekennt sich zur Umsetzung des internationalen Abkommens des
Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen (Istanbul-Konvention)
und setzt diese konsequent um. Berlin wird sich daher zum Kampf gegen Diskriminierung
und aller Formen geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit
Maßnahmen zur Gewaltprävention und zum Opferschutz engagieren. Die Koalition wird eine
Bundesratsinitiative zur Fortsetzung der Finanzierung der Bundesmittel des
Aktionsbündnisses Istanbul-Konvention einreichen.

Wir werden ausreichende Schutzplätze für von Gewalt betroffene Frauen, ihrer Kinder
und weiteren von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffenen Personen unter
Berücksichtigung besonderer Bedarfe – darunter auch für Frauen und Kinder mit
Behinderungen – bereitstellen.

Wir werden den Ausbau der Frauenhäuser und Frauenwohnheimplätze,
Zufluchtswohnungen sowie Stufe-Zwei-Wohnungen weiter vorantreiben. Wir planen ein
neuntes und zehntes barrierefreies Frauenhaus unter Berücksichtigung der männlichen,
jugendlichen Kinder betroffener Frauen.

Zwangsheiraten sind strafbar und ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenwürde und
treffen insbesondere Frauen und queere Menschen. Die Koalition wird einen
wissenschaftlichen Forschungsauftrag zur Untersuchung des Ausmaßes und von
Verhinderungsmöglichkeiten in Auftrag geben. Zudem setzt sich die Koalition weiterhin für
die Förderung der Beratung gegen Zwangsheiraten ein.

Die Koalition fördert „Female-Genital-Mutilation-Cutting“-Präventionsprojekte sowie eine
angemessene Finanzierung der Change Agents.

Die Finanzierung der mobilen Bildungsberaterinnen für geflüchtete Frauen und die
aufsuchende Arbeit wird gesichert.

Die Koalition verbessert den Zugang zum Hilfesystem für geflüchtete Frauen mit
Behinderung.

Der Senat erstellt einen Bericht zur Lebens- und Gesundheitssituation von Frauen mit
Behinderung, um Bedarfe, Belastungen oder Diskriminierungen zu erfassen. Dazu gehören
insbesondere Aspekte der Barrierefreiheit.

Wir fördern niedrigschwellige Ausstiegsprojekte für Sexarbeitende, insbesondere im
Bereich der aufsuchenden Arbeit, sozialer Beratung, Gesundheitsvorsorge und
Übergangswohnen. Wir nehmen Armut und Zwang im Bereich der Sexarbeit stärker in den
Fokus. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation von

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Sexarbeitenden werden verstetigt und sollen ausgebaut werden. Wir werden sie besser
schützen und zu diesem Zweck Bordelle und den Straßenstrich engmaschiger und gezielter
auf Zuhälterei kontrollieren. Der Runde Tisch Sexarbeit wird fortgeführt. Insbesondere sollen
Hygiene, Sicherheit und damit die Gesundheit verbessert werden. Wir wollen die
Verrichtungsboxen durch feste, sichere Sanitäranlagen ersetzen (Straßenstrich).

Wir stellen uns einem weltweit erstarkenden Antifeminismus entgegen.

Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Berlin bekennt sich als selbstbewusste, vielfältige Stadt zum Einwanderungsland
Deutschland. Einwanderung und Zuwanderung haben unser Berlin zu der Weltmetropole
gemacht, die sie heute ist. Eine gelingende Integration sichern wir über den
Integrationsfonds ab, den wir gemeinsam erhöhen.

Wir werden das Willkommenszentrum Berlin in Funktion und Ausprägung im Kontext von
Beratung von Geflüchteten, Einbürgerungsberatungen und Career Center weiterentwickeln.
VHS-Sprach- und Elternkurse werden ausgebaut und sollen schnell verfügbar sein, um die
Erwerbstätigkeit zu erleichtern. Es wird auch ein digitales Willkommenszentrum geschaffen,
das die zentrale Anlaufstelle der Beauftragten für Integration und Partizipation für alle
Menschen mit Migrationsgeschichte erweitert. Wir werden die Übersetzungs- und
Sprachmittlungsdienste fortführen und bedarfsgerecht ausbauen. Bedarfe an
Übersetzungsleistungen der Regelstrukturen und in Ämtern und Behörden werden wir in
einer Machbarkeitsstudie erfassen. Wir prüfen ein Landesprogramm mit einer
gesamtstädtischen, zentralisierten Struktur eines Online- und Offline Übersetzungsdienstes.

Das Landesrahmenprogramm „Integrationslotsinnen und Integrationslotsen“ sieht den
Einsatz von Beschäftigten in sozialversicherungspflichtigen Anstellungen sowie eine
berufsbegleitende Qualifizierung, Begleitmaßnahmen, Vernetzungsangebote und eine
landesweite Koordinierung vor.

Die Stellenbedarfe der Integrationsbeauftragten-Büros in den Bezirken werden geprüft.
Das Partizipationsgesetz bleibt erhalten, wird evaluiert und fortentwickelt. Die Koalition
bekennt sich zur Vielfalt und fördert die gleichberechtigte Teilhabe. Sie lehnt jede Form der
Stigmatisierung und Ausgrenzung ab. Bei Einstellungen und Beförderungen im öffentlichen
Dienst wird im Rahmen gesetzlicher Vorgaben angestrebt, die Vielfalt der Stadtgesellschaft
abzubilden. Die Ausgliederung der Strukturprojekte/-akteure aus dem PartIntProgramm in
einen Strukturfonds wird geprüft. Das Partizipations- und Integrationsprogramm wird
weiterentwickelt.

Förderung von Sprachkursen, migrationsbezogener Sozialarbeit und Streetwork,
Maßnahmen zur Bildungs- und Arbeitsmarktintegration werden ausgebaut.

Die Beratungsstelle für Migration und Gute Arbeit (BEMA) und die wichtige
Beratungsarbeit der Migrantenselbstorganisationen werden weiterentwickelt.

Der Senat prüft die Einführung einer Berlin City-ID-Card.




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Die Koalition wird eine Ansprechpartnerin bzw. einen Ansprechpartner des Senats für
Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene schaffen, um deren stärkere
Einbindung und Beachtung in Berlin zu gewährleisten.

Eine gesetzliche Grundlage für Bestattungen unter 48 Stunden wird zeitnah geschaffen. Die
Koalition wird so schnell wie möglich dafür sorgen, dass Grabflächen für Muslime geschaffen
oder ertüchtigt werden, um Bestattungen nach islamischem Ritus zu ermöglichen.

Wir möchten, dass in Deutschland ausgebildete Imame Verantwortung in muslimischen
Gemeinden übernehmen und Orientierung geben. Daher wird die Ausbildung von Imamen in
Berlin – in Kooperation mit den Verbänden – stärker gefördert. Ferner werden wir es Berliner
Moscheevereinen ermöglichen, in Berlin ausgebildete Imame in ihren Gemeinden zu
integrieren.

Wir werden ein Migrationsmuseum und Dokumentationszentrum aufbauen, welches sich
mit der jüngeren Einwanderungsgeschichte der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter befasst.

Die Regenbogenhauptstadt
Berlin setzt sich auf Bundesebene für ein modernes Selbstbestimmungsrecht, die
Abschaffung des Blutspendeverbots für Männer, die Sex mit Männern haben, sowie für
trans* Personen, und die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der
sexuellen Identität ein.

Die Koalition wird eine:n „Queer-Beauftragte:n der Landesregierung Berlin für die
Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ schaffen.

Die Bezirke benennen jeweils eine Person als Queerbeauftragte:n als Vollzeitstelle.

Die Koalition wird die Weiterentwicklung der Initiative „Berlin tritt ein für
Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ (IGSV) unter
Beteiligung der LSBTIQ*-Communitys im Jahr 2023 abschließen und anschließend finanziell
stärken. Struktur- und Projektförderungen sollen stärker intersektionale Aspekte
berücksichtigen. angelegt. Zudem streben wir eine stärkere Projektvielfalt im ganzen
Stadtgebiet an. Dafür werden wir bestehende Förderinstrumente überprüfen und neue
Projekte in bislang unterrepräsentierten Stadtteilen besonders unterstützen.

Für queere Personen mit Migrationsgeschichte, mit oder ohne Fluchterfahrung, fördern wir
niedrigschwellige und bezirksübergreifende Angebote der gesellschaftlichen Teilhabe. In der
IGSV werden diese Angebote noch stärker verankert.

Angebote für queere Jugendliche wird die Koalition weiter ausbauen, insbesondere in den
Außenbezirken. Wir werden die Beratungsangebote für Regenbogenfamilien werden
weiter stärken. Das Personal in den Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe, im Öffentlichen
Dienst sowie bei den Berliner Gerichten wird geschult, um Diskriminierung insbesondere für
Regenbogen-Pflegefamilien abzubauen.

Die Koalition wird Hasskriminalität konsequent bekämpfen. Dazu wird die bestehende
Präventions-, Beratungs- und Antigewaltarbeit zum Schutz queerer Personen ausgebaut. In

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der Aus- und Fortbildung der Polizei des Landes Berlin und von Juristinnen und Juristen wird
die Sensibilisierung für queerfeindliche Gewalt fest verankert. Handlungsempfehlungen des
Bundes zur Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt werden umgesetzt. Die
Koalition wird Schutzangebote – wie Schutzwohnungen und betreute Wohnformen –
ausbauen, insbesondere für Trans* Personen. Weitere Zufluchtswohnungen, auch bei
häuslicher Gewalt in queeren Partnerschaften, werden eingerichtet.

Wir werden zusammen mit den queeren Communitys eine Landesstrategie für queere
Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit entwickeln und die Präventions- und
Antigewaltarbeit zum Schutz queerer Personen ausbauen.

Um die Implementierung von wirksamen Strategien zur Bekämpfung queerfeindlicher
Hasskriminalität, u. a. im Regenbogenkiez, voranzutreiben, wird der Senat einen Runden
Tisch „Schutz vor queerfeindlicher Hasskriminalität“ einberufen, an dem
zivilgesellschaftliche und staatliche Vertretungen sowie Sicherheitsbehörden teilnehmen
werden.

Wir werden eine Studie zu Gewalt aufgrund von Trans*feindlichkeit in Auftrag geben, um
dieses Feld tiefergehend zu untersuchen und daraus zielgerichtet weitere Maßnahmen zu
entwickeln.

Die Koalition wirkt darauf hin, dass eine Übermittlung polizeilich erfasster antisemitischer,
rassistischer       und    queerfeindlicher      Straftaten      an    die    entsprechenden
zivilgesellschaftlichen Fachprojekte rechtssicher erfolgen kann.

Wir werden regelmäßig einen Queerpolitischen Round Table mit der Stadtgesellschaft
durchführen.

Die Koalition setzt sich weiter für lesbische Sichtbarkeit und Teilhabe sowie für die gezielte
Unterstützung von lesbischen Strukturen ein. Bestehende Projekte werden fortgesetzt, die
Antigewaltarbeit wird ausgebaut und Förderlücken werden geschlossen. Der Preis für
Lesbische Sichtbarkeit wird fortgesetzt. Mit einer Studie wird die Koalition den
Sorgerechtsentzug bei lesbischen Müttern historisch aufarbeiten. Die Koalition wird zudem
die besonderen Bedarfe von bisexuellen Menschen berücksichtigen. Gemeinsam mit ihnen
werden wir Maßnahmen zur Unterstützung ihrer Sichtbarkeit entwickeln. Die Sichtbarkeit und
Selbstbestimmung von trans*, inter und nicht-binären Menschen stärken wir und bauen in
Schulen, Hochschulen und der Verwaltung Hürden für eine vollumfängliche Berücksichtigung
der geschlechtlichen Identität ab.

In den Kultureinrichtungen werden Feministische und queere Perspektiven und die
Geschichte emanzipatorischer Bewegungen gestärkt. Im Stadtbild werden sie sichtbarer
gemacht. Der Queer History Month wird weiterentwickelt.

Zum Gedenken an den deutschen Arzt, Sexualforscher und Empiriker Magnus Hirschfeld,
der schwul, Sozialist, Jude und Mitbegründer der weltweit ersten Homosexuellen-Bewegung
war, wird der 14. Mai als Magnus-Hirschfeld-Tag etabliert und sein Wirken mit einer
jährlichen Veranstaltung gewürdigt.




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