Prioritätenpapier zu wesentlichen offenen Punkten der GEAS-Reform
VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH BMI/AG M I 4 26.04.2023 Prioritätenpapier zu wesentlichen offenen Punkten der GEAS-Reform Allgemein Bekräftigung des grundsätzlichen Interesses, die GEAS-Reform innerhalb der aktuellen EP-Legislaturperiode abzuschließen. Dies sollte sich auch in der Haltung DEU wiederspiegeln. Daher: konstruktive Mitarbeit, Einsatz für wirklich wesentliche Punkte und Flexibilität bei anderen Punkten. Die Zustimmung DEU hängt nicht davon ab, dass wir uns mit all unseren Punkten durchsetzen (notwendige Kompromissbereitschaft), sondern am Ende muss die Gesamtbalance stimmen. Im Folgenden werden nur die wesentlichen offenen Kernpunkte der Rechtsakte behandelt, zu denen es noch keine Ratsposition gibt. Bei den übrigen Rechtsakten ist die Ratsposition maßgeblich, der DEU zugestimmt hat. Für die Gesamtbalance sind die folgenden drei Aspekte für die BReg zentral: (1) verpflichtendes Grenzverfahren für bestimmte Personengruppen, (2) Reform der Zuständigkeitsregeln und Maßnahmen zur Reduzierung irregulärer Sekundärmigration, (3) dauerhafter, verlässlicher Solidaritätsmechanismus, an dem die Teilnahme verpflichtend ist. Asylverfahrens-VO Grenzverfahren • Grundsätzliche Unterstützung von verpflichtenden Asyl- und Rückkehrgrenzverfahren für bestimmte Personengruppen (bei einer Gefahr für die nationale Sicherheit/öffentliche Ordnung; bei einer qualifizierten Täuschung der Behörden; bei einer EU-weiten, bestimmten Schutzquote) unter den folgenden Prämissen: o DEU setzt sich für eine Schutzquote von 15 % ein. Bei einer sich abzeichnenden Überfüllung der Außengrenzeinrichtungen spricht sich DEU für eine Absenkung der Schutzquote auf 5 % aus; eine Aussetzung des Grenzverfahrens (Nichtanwendung des Kriteriums der Schutzquote) kommt nur als ultima ratio ggf. unter Beteiligung des Rates nach Genehmigung der KOM in Betracht. o DEU setzt sich für eine Dauer des Asylgrenzverfahrens von 12 Wochen plus 2 Wochen bei Einlegung eines Rechtsbehelfs ein (Höchstfrist; danach Einreise). o DEU setzt sich dafür ein, dass die von der KOM vorgesehene Ausnahme für Familien mit Kindern unter 12 Jahren auf Familien mit

VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH BMI/AG M I 4 26.04.2023 Kindern unter 18 Jahren ausgeweitet wird (Definition von Familie für das Asylgrenzverfahren: Familien mit einem Kind unter 18 Jahren sollen nicht getrennt werden, sodass auch volljährige Geschwister ausgenommen wären.) Zudem Unterstützung des Vorschlags der KOM, UMA generell vom Asylgrenzverfahren auszunehmen. Schließlich setzt sich DEU für Ausnahmemöglichkeiten für Personen ein, die besondere Unterbringungs-/Versorgungsbedarfe haben oder besondere Verfahrensgarantien benötigen (z. B. Menschen mit Behinderungen, Schwangere, LGBTIQ* etc.; vgl. Erwägungsgrund 15 Asylverf-VO-E), wenn die erforderliche Unterstützung nicht gewährt werden kann. Menschen mit erkennbaren Behinderungen sollen vom Grenzverfahren ausgenommen werden. o DEU setzt sich hinsichtlich der Einhaltung von besonderen Verfahrensbedürfnissen von vulnerablen Personengruppen für ein Monitoring durch die KOM in Form eines jährlichen Berichts ein. o Eine angemessene Unterbringung und Versorgung im Sinne der Aufnahme-RL sind während des gesamten Grenzverfahrens zu gewährleisten. o DEU setzt sich weiter dafür ein, dass Haft nur als ultima ratio in Betracht kommt (die sehr engen Voraussetzungen hierzu sind in der Aufnahme-RL geregelt; diese Maßstäbe müssen eingehalten werden). o Die Unterstützung durch die EU-Agenturen sollte aus DEU Sicht unter Berücksichtigung der jeweiligen Mandate möglichst breit ausgestaltet sein. Sichere Staatenkonzepte • Das Konzept des ersten Asylstaats (Art. 44) wird mitgetragen. • DEU befürwortet Regelungen zu den sicheren Drittstaaten, die dem nach Völker-/EU-Primärrecht vorgesehenen Mindestmaß entsprechen. o Dazu gehört, dass die Voraussetzungen in einem nicht unerheblichen, weitgehend autonomen Teilgebiet des Drittstaats vorliegen (z.B. Moldau, ausgenommen Transnistrien; Georgien, ausgenommen Abchasien und Südossetien). Das Vorliegen der Voraussetzungen im gesamten Staatsgebiet und für alle Personengruppen ist nicht erforderlich (grds. Unterstützung des Art. 45 Abs. 1a). In einem Erwägungsgrund sollte die Konkretisierung bzgl. des Teilgebiets klargestellt werden. Die vorgesehenen Annexe mit den sicheren Staaten sollen jeweils konkretisieren, welche konkret definierten Teilgebiete ausgenommen sind (in Ratsfassung bereits vorgesehen). Hinsichtlich der Bevölkerungsgruppen erscheinen eng begrenzte Ausnahmen für bestimmte - klar identifizierbare - Personengruppen möglich. Auch dies ist im Annex jeweils zu konkretisieren.

VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH BMI/AG M I 4 26.04.2023 Dies gilt auch für die gleiche Regelung bei den sicheren HKL (ebenfalls grds. Unterstützung des Art. 47 Abs. 1a). o Die Einstufung als sicherer Drittstaat im Einzelfall in Bezug auf einen bestimmten Antragsteller, wenn die Voraussetzungen für einen sicheren Drittstaat nicht vorliegen, wird abgelehnt (Art. 45 Abs. 2 Buchst. b). o DEU setzt sich dafür ein, dass ein Verbindungselement zwischen Antragsteller und Drittstaat besteht (vormals Art. 45 Abs. 2b Buchst. b). o DEU setzt sich dafür ein, dass in Art. 43a Abs. 2 ergänzt wird, dass der Mindeststandard im Wesentlichen dem nach der GFK verbürgten Standard entsprechen soll und dies in den Rechtstext aufgenommen wird. Die Kriterien sollen als nicht abschließender Katalog formuliert werden und zusätzlich um den Punkt „Rechtsschutz und Zugang zum Rechtssystem“ sowie „Gewährung des Zugangs zu Arbeitsmarkt und Studium/Ausbildung“ unter den gleichen Umständen wie den Staatsangehörigen eines fremden Landes entsprechend GFK“ ergänzt werden. Zudem Ergänzung zur Möglichkeit des Familiennachzugs entsprechend EMRK-Standards in einem Erwägungsgrund. • Es gibt keinen Konsens in der Bundesregierung zum Konzept der sicheren Herkunftsstaaten. Ist die Möglichkeit zur europäischen Vereinheitlichung der Einstufungskriterien und einer einheitlichen Anwendung absehbar, setzt sich Deutschland für eine Ausgestaltung unter den in diesem Abschnitt genannten Voraussetzungen ein und trägt eine Lösung auf diesem Schutzniveau mit. Dabei muss ein effektiver Schutz vor Verfolgung in allen vom jeweiligen Staat kontrollierten Gebieten gewährleistet sein. • Bei der Anwendung der sicheren Staatenkonzepte muss sichergestellt werden, dass die unabdingbaren Anforderungen des völkerrechtlichen Refoulementschutzes eingehalten werden. DEU wird sich dabei für einen starken Monitoring-Mechanismus einsetzen (Prüfung von Verbesserungsmöglichkeiten in Art. 46, 48-50). Ein solcher ist insbesondere auch bei der Möglichkeit, bilaterale Abkommen mit Drittstaaten zu schließen (Art. 45 Abs. 3), erforderlich. • Die Regelung aus Art. 50 wird grundsätzlich unterstützt, auch wenn hierdurch nationale Autonomie abgegeben wird. Soweit sich hieraus in der Umsetzung eine umfassende und abschließende europäische Lösung ergibt, wären nationale Listen nicht mehr erforderlich. Asyl- und Migrationsmanagement-VO 1. Verantwortung Ziel: so viel verbindliche Verantwortung wie möglich

VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH BMI/AG M I 4 26.04.2023 Die Flexibilisierung des Bereichs der Verantwortung sollte nicht zu weit greifen. In jedem Fall müssen die Rechte der Betroffenen eingehalten werden. Zuständigkeitskriterien • Definition des „Familienangehörigen“: Dem Vorschlag der KOM, sog. „Transitfamilien“ in die Definition aufzunehmen, können wir nähertreten. Weitere Änderungen bei der Definition des „Familienangehörigen“ werden an die Bedingung geknüpft, dass effektive Maßnahmen zur wirksamen Reduzierung irregulärer Sekundärmigration beschlossen werden (s. unten) und die Gesamtbalance im Übrigen stimmt. Unter einer solchen Bedingung wird grundsätzlich auch die Aufnahme erwachsener Geschwister unterstützt. • „Zeugnisse und andere Befähigungsnachweise“: Wird grundsätzlich unterstützt; erforderlich ist, dass klare Regelungen gefunden werden, die eine potentielle Missbrauchsmöglichkeit verhindern und die erforderliche Praktikabilität gewährleisten Maßnahmen zur Reduzierung irregulärer Sekundärmigration • Notifizierungsverfahren („take back“) mit klaren Fristen • längere Überstellungsfristen (Art. 35) o Forderung von 12 Monaten entsprechend „Absconding“-Papier o mind. sechs Monate ab Wegfall des Überstellungshindernisses, sofern der Antragsteller das Hindernis zu vertreten hat • möglichst lange Zuständigkeiten o Erlöschen nur bei entsprechend langen Zeiträumen o Erlöschen der Zuständigkeit nach Verlassen der EU für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten bei Wiedereinreise wird abgelehnt. [Im Übrigen wird bzgl. Überstellungsfristen, Zuständigkeitsübergang, Definition von Flucht/Fluchtgefahr im Ressortkreis an den Vorschlägen aus dem bereits abgestimmten sog. „Absconding“-Papier vom September 2021 festgehalten.] Solidaritätsmechanismus • Flexible Solidarität wird grundsätzlich mitgetragen. DEU ist bereit, sich an Umverteilungen entsprechend des „fair share“ zu beteiligen; Verpflichtung über den „fair share“ hinaus wird abgelehnt. • Berücksichtigung der irregulären Sekundärmigration bei der Definition von Migrationsdruck • SAR darf nicht behindert werden. Seenotrettungsspezifische Solidarität wollen wir leisten, aber nicht unabhängig von der irregulären Sekundärmigration. Hier kommt es auf die Ausgestaltung des Gesamtsystems an. • Bei Umverteilungen müssen Kriterien und Präferenzen des aufnehmenden MS berücksichtigt werden.

VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH BMI/AG M I 4 26.04.2023 • DEU kann sich Dublin-Transfer Offsets (Art. 44h) lediglich als freiwillige Solidaritätsmaßnahme auf einer letzten Stufe vorstellen. Ein Sicherungssystem zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die irreguläre Sekundärmigration in der EU und Pull-Faktoren ist für DEU essentiell. Krisen-Verordnung Asylkrisenmanagementverfahren (Art. 4, 6) • Sollten die Vorschläge der CZE Präs. von der SWE Präs. im Text aufgegriffen werden, würden wir ein Absenken der Schutzquote mit Blick auf den Anwendungsfall des verpflichtenden Asylgrenzverfahrens unterstützen (keine Überlastung der Außengrenzeinrichtungen). • DEU setzt sich auch im Sinne einer ausgewogenen Gesamtabstufung für eine maximale Frist von 16 Wochen plus 2 Wochen bei Einlegung eines Rechtsbehelfs ein. • Wir setzen uns für eine Verkürzung der Registrierungsfrist von bis zu vier Wochen ein. Umgang mit der Temporary Protection Directive (TPD) • Die komplementäre Beibehaltung der TPD neben der Krisen-VO wird unterstützt. Hierbei sollte besonderes Augenmerk auf das Schutzniveau und die Anwendungsfreundlichkeit gelegt werden; zudem sollten Regelungen für eine faire Verteilung enthalten sein. Zusammenführung mit der Instrumentalisierungs-VO • DEU setzt sich dafür ein, dass es nicht zu einer Integration der Instrumentalisierungs-VO in die Krisen-VO kommt. Sollte eine Zusammenlegung vorgeschlagen werden, wird sich DEU inhaltlich mit dem Vorschlag auseinandersetzen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Krisen-VO insgesamt ein wichtiges Instrument ist. [Bezüglich der KOM-Vorschläge von 2020 wird auf dem GEAS-Arbeitspapier vom August 2021 aufgesetzt, das insofern fortgelten soll, sofern hier keine Änderungen oder Konkretisierungen enthalten sind.]
