10-a-10561-22-ovg-urteil-end-4337-schw-geschwarzt
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Unternehmerbetriebe des Justizvollzugs“
10 A 10561/22.OVG 1 K 489/20.MZ OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn Timo Stukenberg, - Kläger und Berufungsbeklagter - Prozessbevollmächtigte: dka Rechtsanwälte, Immanuelkirchstraße 3 - 4, 10405 Berlin, gegen das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Minister der Justiz, Ernst-Ludwig- Straße 3, 55116 Mainz, - Beklagter und Berufungskläger - wegen Auskunft nach dem LTranspG hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz auf- grund der Beratung vom 24. Januar 2023, an der teilgenommen haben Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Lindemann Richter am Oberverwaltungsgericht Vogel Richter am Oberverwaltungsgericht Göbel ehrenamtliche Richterin ehrenamtlicher Richter

-2- für Recht erkannt: Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 18. November 2021 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der fest- zusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll- streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Kläger begehrt Zugang zu Informationen des Beklagten betreffend den rheinland-pfälzischen Justizvollzug. Mit elektronischer Nachricht vom 4. Juni 2020 über die Plattform „www.fragdenstaat.de“ beantragte der Kläger beim Beklagten, ihm sämtliche Ver- einbarungen zwischen dem Justizministerium des Beklagten bzw. der zuständigen nachgeordneten Behörde und externen Vertragspartnern über die Produktion in so- genannten Unternehmerbetrieben der Justizvollzugsanstalten im Bundesland Rheinland-Pfalz, insbesondere eine vollständige Liste aller Vertragspartner mit Ver- tragsbeginn und Laufzeit, dem jeweils hergestellten Produkt und dem vereinbarten Lieferumfang für jeweils einen Stichtag im Mai 2019 und im Mai 2020 zuzusenden. Mit Bescheid vom 18. Juni 2020 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Nach § 3 Abs. 1, Abs. 4 Landestransparenzgesetz – LTranspG – seien Strafverfolgungs- und Straf- vollstreckungsbehörden nur transparenzpflichtig, soweit sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnähmen. Vom Begriff der „Strafvollstreckungs- behörden“ seien auch die Einrichtungen des Justizvollzugs umfasst. Im deutschen Rechtssystem werde zwischen der Strafvollstreckung im weiteren Sinne und der Strafvollstreckung im engeren Sinne unterschieden. Der Begriff der Strafvoll- streckung im weiteren Sinne beziehe sich auf die Strafverwirklichung insgesamt und damit auch auf den Justizvollzug. Das Vollzugsrecht enthalte zwar ganz über- -3-

-3- wiegend Normen, welche die Art und Weise der Durchführung von Freiheitsent- ziehungen zum Inhalt hätten, jedoch gebe es starke inhaltliche Überschneidungen mit der Strafvollstreckung im engeren Sinne. So wirkten sich beispielsweise voll- zugliche Regelungen unmittelbar auf die Strafzeitberechnung aus, die an sich dem Bereich der Strafvollstreckung im engeren Sinne zugeordnet sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar zu begründen, warum der Justizvollzug als ein in die Strafvoll- streckung im engeren Sinne eingebetteter und auf das engste mit ihr verwobener Abschnitt der Strafrechtspflege nicht unter § 3 Abs. 4 LTranspG subsumiert werden solle. Dass § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LTranspG bei den entgegenstehenden öffentlichen Belangen die „Behörden des Strafvollzugs“ ausdrücklich nenne, spreche nicht gegen seine Rechtsauffassung. Die Norm komme vielmehr zum Tragen, soweit durch die Behörden des Justizvollzugs Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen würden. Das sei hier allerdings nicht der Fall. Die Ein- richtung von Unternehmerbetrieben schaffe Arbeitsmöglichkeiten für Gefangene, die so Fähigkeiten für ein zukünftiges Leben ohne Straftaten erlernten. Dies diene der Resozialisierung und damit einem Vollzugsziel nach § 2 Satz 1 Landesjustiz- vollzugsgesetz – LJVollzG –. Die Einrichtung von Unternehmerbetrieben stelle daher eine justizvollzugsspezifische Aufgabe und keine der öffentlichen Verwaltung dar. Verwaltend werde der Justizvollzug lediglich dann tätig, wenn er – wie etwa bei der Personal- oder Gebäudeverwaltung – Aufgaben wahrnehme, wie sie auch bei anderen Behörden anfielen. Die dem Bescheid vom 18. Juni 2020 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung enthielt unter Bezugnahme auf § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – den Hinweis, gegen den Bescheid könne Klage beim Verwaltungsgericht Mainz erhoben werden. Den vom Kläger gleichwohl eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Wider- spruchsbescheid vom 6. Juli 2020, dem Kläger zugestellt am 17. Juli 2020, als un- zulässig zurück. Der Widerspruch sei nicht statthaft. Zwar schreibe § 22 Satz 3 LTranspG für Streitigkeiten nach dem Landestransparenzgesetz ein Widerspruchs- verfahren vor. Die Norm sei aber nicht einschlägig, weil dieses Gesetz im vor- liegenden Falle aus den im angegriffenen Bescheid näher dargelegten Gründen keine Anwendung finde. Der Kläger hat am 4. August 2020 Klage erhoben und geltend gemacht, diese sei zulässig. Ein Widerspruchsverfahren sei durchzuführen gewesen, weil es sich auch -4-

-4- dann um eine Streitigkeit nach dem Landestransparenzgesetz handele, wenn dessen Anwendbarkeit umstritten sei. Die Klage sei auch begründet. § 3 Abs. 4 LTranspG stehe seinem Informationszugangsantrag nicht entgegen, da der Straf- vollzug nicht zu den Strafvollstreckungsbehörden im Sinne der Vorschrift gehöre und außerdem eine Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in Rede stehe. Der Begriff der Verwaltungstätigkeit sei weit zu verstehen. Es gehe um die Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe. Aus den Gesetzgebungsmaterialien (LT-Drs. 16/5173, S. 33), Ziffer 3.3 der Ver- waltungsvorschrift zum Landestransparenzgesetz – VV-LTranspG – vom 24. November 2017 (MinBl. 2017, 356) und der einschlägigen Rechtsprechung ergebe sich, dass der Justizvollzug zum Aufgabenbereich der öffentlichen Verwal- tung gehöre. Er sei jedenfalls nicht im Sinne von § 3 Abs. 4 LTranspG Teil der Straf- vollstreckung. Selbst wenn man Gegenteiliges mit dem Beklagten annähme, be- rührten die mit seinem Antrag abgefragten Informationen nicht die Kerntätigkeit einer Strafvollstreckungsbehörde. Die Transparenzpflicht von Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden beziehe sich jedenfalls nicht nur auf Verwaltungs- tätigkeiten, die – wie etwa die Personalverwaltung – in jeder anderen Behörde an- fielen. Wenn der Landesgesetzgeber in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LTranspG den Straf- und Maßregelvollzug von der strafvollstreckungsrechtlichen Tätigkeit der Staatsanwaltschaft abgrenze und eigenständig benenne, spreche dies im Übrigen dafür, dass die Vollzugsbehörden nicht zu den Strafvollstreckungsbehörden im Sinne des Landestransparenzgesetzes gehörten. Der Kläger hat – nachdem der Beklagte geltend gemacht hatte, der in Rede stehende Informationszugangsantrag berühre die Interessen Dritter, denen für den Fall, dass das Landestransparenzgesetz entgegen seiner Rechtsansicht an- wendbar sei, vor einer Informationsherausgabe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sei – seine Klage von einem Verpflichtungs- auf einen Bescheidungsantrag umgestellt und zuletzt sinngemäß beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2020 zu verpflichten, seinen Antrag vom 4. Juni 2020, ihm sämtliche Vereinbarungen zwischen dem Justiz- ministerium des Beklagten bzw. der zuständigen nachgeordneten Behörde und externen Vertragspartnern über die Produktion in sogenannten Unternehmerbetrieben der Justizvollzugsanstalten in Rheinland-Pfalz, -5-

-5- insbesondere eine vollständige Liste aller Vertragspartner mit Vertrags- beginn und Laufzeit, dem jeweils hergestellten Produkt und dem vereinbarten Lieferumfang für jeweils einen Stichtag im Mai 2019 und im Mai 2020 unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist dem Vorbringen unter Ergänzung und Vertiefung seiner Ausführungen im an- gegriffenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid entgegengetreten. Mit Urteil vom 18. November 2021 hat das Verwaltungsgericht der Klage statt- gegeben. Sie sei zulässig. Insbesondere sei der gegen den Bescheid vom 18. Juni 2020 erhobene Widerspruch statthaft gewesen. Es liege eine Streitigkeit nach dem Landestransparenzgesetz vor, für die § 22 Satz 3 LTranspG ein Vorverfahren vor- schreibe. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg, da die Ablehnung des Antrags auf Informationszugang mit der Begründung des Beklagten, das Landestrans- parenzgesetz sei für die begehrte Information nicht anwendbar, rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Denn das Landestransparenzgesetz gelte auch für den Bereich des Strafvollzugs. Dieser gehöre zu den nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 LTranspG transparenzpflichtigen Stellen und sei nicht gemäß § 3 Abs. 4 LTranspG vom Anwendungsbereich ausgenommen. Die Einrichtungen des Straf- vollzugs seien jedenfalls nicht Strafvollstreckungsbehörden im Sinne dieser Norm. Die Strafvollstreckung erfolge gemäß § 451 Strafprozessordnung – StPO – durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde und der Strafvollzug gemäß § 139 Strafvollzugsgesetz – StVollzG – durch die Justizvollzugsanstalten als Voll- zugsbehörden. Der Beklagte weise zwar zu Recht darauf hin, dass in der straf- prozessualen Kommentarliteratur vorwiegend zwischen der Strafvollstreckung im weiteren Sinne und der Strafvollstreckung im engeren Sinne unterschieden werde. Dabei werde der Begriff der Strafvollstreckung im weiteren Sinne wie der Begriff der Strafverwirklichung verstanden und umfasse bei Freiheitsstrafen auch den Straf- vollzug. Der strafprozessuale Begriff einer den Strafvollzug umfassenden Strafvoll- streckung im weiteren Sinne könne aber nicht auf das Landestransparenzgesetz übertragen werden. Dem stehe entgegen, dass § 3 Abs. 4 LTranspG als Aus- nahmevorschrift eng auszulegen sei. Auch die ratio legis streite für ein weites Ver- ständnis. Denn das Landestransparenzrecht verfolge das Ziel, die Transparenz und -6-

-6- Offenheit der Verwaltung zu vergrößern. Für ein restriktives Verständnis des Be- griffs der Strafvollstreckung spreche ferner die systematische Auslegung des Ge- setzes unter Einbeziehung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LTranspG. Danach solle der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, soweit und solange das Be- kanntwerden der Information etwa die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden beeinträchtigen würde. Wenn hier die Staatsanwaltschaften einerseits und die Be- hörden des Straf- und Maßregelvollzugs andererseits gesondert genannt würden, zeige dies, dass der Landesgesetzgeber die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften und den Strafvollzug unterscheide, mithin den Strafvollzug in § 3 Abs. 4 LTranspG be- wusst nicht erwähnt habe. Für ein von der Strafvollstreckung durch die Staats- anwaltschaft getrenntes und selbständiges Verständnis des Strafvollzugs sprächen ferner die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede. Die rechtstechnische Trennung zwischen den beiden Regelungsbereichen werde durch die bestehenden Verschränkungen in der Vollzugspraxis nicht aufgehoben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung macht der Beklagte weiter geltend, die Klage sei bereits unzulässig, weil ein Widerspruchsverfahren nach § 22 Satz 3 LTranspG nicht durchzuführen gewesen sei. Es sei nicht einzusehen, warum bei jeder Zuschrift an eine oberste Landesbehörde, in der es auch nur mittelbar um Auskünfte oder die Bestätigung von vorgebrachten Tatsachen gehe, ein Wider- spruchsverfahren zu durchlaufen sein solle. Das Landestransparenzgesetz sei nicht anwendbar, weil es sich bei den Behörden des Justizvollzugs um Strafvollstreckungsbehörden im weiteren Sinne handele. Die enge Verwobenheit zwischen der im Landestransparenzgesetz ausdrücklich genannten Strafvollstreckung und dem Strafvollzug zeige sich auch daran, dass beide Bereiche der Strafrechtspflege zuzurechnen seien. Für den Bereich der Strafrechtspflege sei wiederum allgemein anerkannt, dass er nicht von den Informationsfreiheitsgesetzen erfasst werde. Nach der Rechtsprechung handele es sich insoweit um einen „gemeindeutschen Standard“. Es sei – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte in der Gesetzesbegründung – davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber diesen gemeindeutschen Standard nicht habe verlassen wollen. Der Umstand, dass in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LTranspG die Behörden des Strafvollzugs neben der Staatsanwaltschaft Erwähnung fänden, zeige zudem, dass der Gesetzgeber diese Behörden grundsätzlich gleich behandeln wolle. Dessen ungeachtet scheitere der -7-

-7- geltend gemachte Informationszugangsanspruch auch an § 2 Abs. 3 LTranspG. Denn mit § 4 Abs. 1 Landesjustizvollzugsdatenschutzgesetz – LJVollzDSG – bestehe eine Norm, die das Transparenzrecht verdränge. Hiernach dürften Justizvollzugsbehörden personenbezogene Daten nur verarbeiten, wenn dies das Landesjustizvollzugsdatenschutzgesetz oder eine andere Norm für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausdrücklich erlaube. Es bestehe also ein umfassender Ausschluss für andere Informationszugangsansprüche. Dies habe das Verwaltungsgericht Stuttgart (Urteil vom 16. Dezember 2021 – 14 K 4318/20 –, juris) für die vergleichbare Vorschrift des § 66 Erstes Buch Justizvollzugsgesetzbuch – JVollzGB I BW – entschieden. § 4 LJVollzDSG schließe Auskunftsansprüche, die über die speziell in diesem Gesetz normierten Auskunftsansprüche hinausgingen, ausdrücklich aus und schaffe so einen gesetzgeberischen Schutzwall um die Daten und Informationen des Justizvollzugs. Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 18. November 2021 abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt unter Ergänzung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens das verwaltungsgerichtliche Urteil und trägt weiter vor, aus dem Umstand, dass Straf- vollzug und -vollstreckung aufs engste miteinander verwoben seien, folge noch nicht, dass beide als Teil der Strafrechtspflege vom Anwendungsbereich des Landestransparenzgesetzes ausgeschlossen seien. Eine tragfähige Begründung hierfür ergebe sich aus den Einlassungen des Beklagten jedenfalls nicht. Insoweit sei noch einmal die klare Trennung zwischen beiden Bereichen zu betonen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Antrag keine Informationen über einzelne Strafgefangene betreffe. Es gehe allein um die Beziehung des Beklagten zu privatwirtschaftlichen Unternehmen. Der Zweck des Landestransparenzgesetzes spreche zudem gegen eine extensive Auslegung der Norm. Entgegen der Auffassung des Beklagten lasse sich auch die Rechtsprechung -8-

-8- des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu § 66 JVollzGB I BW nicht auf § 4 LJVollzDSG übertragen. Schon in Bezug auf ihren Anwendungsbereich unterschieden sich beide Normen wesentlich. Das Landesjustizvollzugsdatenschutzgesetz beziehe sich insbesondere allein auf personenbezogene Daten. Darüber hinaus treffe es erkennbar keine Regelung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie ein Heft Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung des Beklagten, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 4. Juni 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die zulässige Klage (I.) ist begründet (II.). I. Die Klage ist zulässig. Sie ist zunächst als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft (so auch OVG RP, Urteil vom 11. März 2022 – 10 A 11263/21.OVG –, n.v.; HambOVG, Urteil vom 8. Februar 2018 – 3 Bf 107/17 –, juris Rn. 22; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. April 2014 – 3 L 319/13 –, juris Rn. 24; weitergehend hierzu Mannefeld, in: Heinemann [Hrsg.], LTranspG RP, 2018, § 22 Ziff. 22.4.2) und wurde insbesondere fristgerecht erhoben. Maßgeblich ist hier die Klagefrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO, so dass die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchs- bescheids zu erheben war. § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 VwGO, der in Fällen, in denen ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist, die Klage- erhebung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts, mit dem der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt wurde, vorschreibt (zur Rechtsfolge der Verfristung im Falle eines gleichwohl erhobenen Widerspruchs vgl. -9-

-9- BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208 –, juris Rn. 20; Brenner, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn. 37; Wöckel, in: Eyermann [Begr.], VwGO, 16. Aufl. 2022, § 74 Rn. 9; Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider [Hrsg.], Verwaltungsrecht, Werkstand: 43. Ergänzungslieferung, August 2022, § 74 VwGO Rn. 33), ist nicht einschlägig. Denn entgegen der Rechtsansicht des Be- klagten ordnet § 22 Satz 3 LTranspG – nach § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO bundesrechtlich zulässig – die Durchführung eines Vorverfahrens an. Gemäß § 22 Satz 3 LTranspG ist ein Widerspruchsverfahren nach den Bestimmungen des 8. Abschnittes der Verwaltungsgerichtsordnung auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Landesbehörde ge- troffen wurde. Aus dem Sinnzusammenhang mit den Sätzen 1 und 2 des § 22 LTranspG folgt insoweit, dass eine Entscheidung im Sinne von § 22 Satz 3 LTranspG nur eine solche über eine „Streitigkeit nach dem Landestransparenz- gesetz“ sein kann. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn – wie hier – mit ihr die Anwendbarkeit des Landestransparenzgesetzes verneint wird. Denn es kommt maßgeblich auf die Rechtsnatur des der streitigen Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse an. Dieses wird – vergleichbar dem Streitgegenstand in einem Klageverfahren – durch den geltend gemachten Anspruch, in dem sich die angestrebte Rechtsfolge konkretisiert, und den zu Grunde liegenden Lebenssach- verhalt bestimmt (vgl. Gerstner-Heck, in: Bader/Ronellenfitsch [Hrsg.], BeckOK VwVfG, 58. Edition, Stand: 1. Januar 2023, § 9 VwVfG Rn. 26; Rixen, in: Schoch/Schneider [Hrsg.], a.a.O., § 9 VwVfG Rn. 30 m.w.N. zum Verfahrens- gegenstand eines Verwaltungsverfahrens). Transparenzrechtlich ist das Rechts- verhältnis danach, wenn das Transparenzgesetz für den geltend gemachten An- spruch das Prüfprogramm bildet. Ob der Anspruch im Ergebnis tatsächlich besteht, ist eine – hiervon unabhängige – Frage der Begründetheit (vgl. Reimer, in: Posser/Wolff [Hrsg.], BeckOK VwGO, 64. Edition, Stand: 1. Januar 2023, § 40 VwGO, Rn. 42 ff. m.w.N. für die Bestimmung des Begriffs der „öffentlich-rechtlichen Streitigkeit“ nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für dieses Verständnis streiten auch die Rechtsgrundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtsmittelklarheit. Denn es vermeidet, dass erst das Ergebnis einer ggf. umfangreichen und in der Sache umstrittenen Prüfung Aufschluss darüber gibt, - 10 -

- 10 - welcher Rechtsbehelf im Einzelfall statthaft ist. Zuletzt entspricht das Auslegungs- ergebnis – wie vom Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt – auch Sinn und Zweck des § 22 Satz 3 LTranspG, der die Selbstkontrolle der Verwaltung stärken und die Verwaltungsgerichte entlasten soll (LT-Drs. 16/5173 S. 48). Denn zur wirk- samen Selbstkontrolle gehört auch die Prüfung, ob ein geltend gemachter Anspruch zu Recht abgelehnt worden ist, weil der Anwendungsbereich des Landestrans- parenzgesetzes nicht eröffnet sein soll. Dass damit – wie vom Beklagten ein- gewandt – in einer Vielzahl von Fällen, die Informationszugangsansprüche be- treffen, auch gegen Entscheidungen von obersten Landesbehörden ein Vor- verfahren durchzuführen ist, ist die gesetzgeberisch gewollte Rechtsfolge des § 22 Satz 3 LTranspG. Der Umstand, dass nach § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO für den Regelfall Entscheidungen oberster Landesbehörden keiner Nachprüfung in einem Vorverfahren bedürfen, gebietet schon deshalb keine andere Auslegung, weil diese Norm eine hiervon abweichende Regelung ausdrücklich erlaubt und der Landesgesetzgeber Rheinland-Pfalz mit § 22 Satz 3 LTranspG von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Dies zu Grunde gelegt bemisst sich der vom Kläger geltend gemachte Informations- zugangsantrag nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes. War hiernach gemäß § 22 Satz 3 LTranspG ein Widerspruchsverfahren durchzuführen, ist die nach Zustellung des Widerspruchsbescheids binnen der Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO erhobene Klage nicht verfristet. II. Die Klage ist auch begründet. Die allein auf die Nichtanwendbarkeit des Landestransparenzgesetzes gestützte Ablehnung des klägerischen Informationszugangsbegehrens ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach den Grundsätzen des sogenannten steckengebliebenen Verwaltungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 – 7 C 7.14 –, juris Rn. 30 ff.; Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 12.13 –, juris Rn. 47; Schübel-Pfister, in: Eyermann [Begr.], a.a.O., § 113 Rn. 47 m.w.N.) besteht mithin ein Anspruch auf Neubescheidung des klägerischen Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Informationszugangsanspruch ist § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 LTranspG. Danach haben natürliche Personen - 11 -
