Urteil Gegenrechtsschutz Fußballsponsor

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Beglaubigte Abschrift

Aktenzeichen:
3 O 153/23




                                   Landgericht
                                Landau in der Pfalz

                              IM NAMEN DES VOLKES

                                                  Urteil

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren


                                                                          - Verfügungskläger -




gegen


                                                                        - Verfügungsbeklagte -




wegen Unterlassung

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz durch den Vizepräsidenten des
Landgerichts Dr. Schelp, die Richterin am Landgericht Röhm und die Richterin Gripp auf Grund
der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2023 für Recht erkannt:



1.      Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2.      Der Verfügungskläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3.      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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                                      Tatbestand

Der Verfügungskläger begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Verfü-
gungsbeklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln sinngemäß folgende Äußerungen un-
tersagt werden sollen:

1. der Verfügungskläger arbeite mit Reichsbürgern und Rechtsextremen zusammen;
2. der Verfügungskläger unterstütze einen Reichsbürger finanziell, um ihn aus dem Gefäng-
nis zu holen.

Der Verfügungskläger betreibt                                            Seit Jahrzehnten un-
terstützt er bzw. der von ihm geführte Betrieb den Fußballverein
                und wird auf der Homepage des Vereins als sog. „Hauptsponsor“ aufgeführt.
Zuletzt erhielt der Verein eine finanzielle Zuwendung i.H.v. ca. 10.000,- EUR pro Saison
ausgezahlt.

Am 31.07.2023 schickte die Verfügungsbeklagte an ein Präsidiumsmitglied des Südwest-
deutschen Fußballverbandes unter dem Betreff „Rechtsextremistischer Hauptsponsor des
                      “ unter Beifügung entsprechenden Bildmaterials folgende E-Mail:


„Sehr geehrter                    ,

anbei erhalten Sie Bildmaterial von der rechtsextremen Demonstration „Für Frie -
den und Freiheit“ vom 29.07.2023 in

Diese Demonstrationen finden seit geraumer Zeit in                                    statt,
werden von Personen aus dem rechten Milieu organisiert und beinhalten Hetze
und Fremdenhass. In den Aufrufen zur Demonstration (siehe Online- Werbung
anbei) wird ganz gezielt gegen die Demokratie gewettert.

In dem Foto „Demo_Festplatz“ sehen Sie im Hintergrund
klar erkennbar an seinem Firmenfahrzeug. Er ist Hauptsponsor des Sportvereins
                                         Auf   der    Webseite         des   Fußballvereins
                                                     wird   er   als   Hauptsponsor aufge -
führt, siehe Bild anbei.
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Der Sprecher im Vordergrund ist                            , Organisator des „Mar -
sches aufs Schloss“, eine Demonstration, die am 28. Mai 2022 zum
                 hinaufführte. Bei der Veranstaltung fanden sich Rechtsextreme von
diversen Organisationen, wie „Freie Sachsen“ aber auch Reichsbürger ein.

Im Hintergrund sehen Sie auch                                              Mitglied
des „Nationalen Widerstands“, einem Netzwerk von verschiedenen rechtsextremen
Gruppierungen. Anbei finden Sie einen Screenshot seiner Facebook-Seite, auf
dem er ein T-Shirt der Gruppierung trägt.

Meine Ausführungen lassen keinen Zweifel daran zu, dass
ganz offen mit Reichsbürgern und Rechtsextremen sympathisiert und zusammen -
arbeitet.

Als Bürger mit Migrationsgeschichte finde ich den Umgang mit                    in
unserer Gemeinde höchst besorgniserregend. Wie kann es sein, dass ein offen
bekennender Unterstützer von Rechtsextremen Hauptsponsor in unserem Fußball -
verein ist?

Diese Personen rufen offen zum Widerstand gegen unsere Regierung auf, sind
Feinde der Demokratie und lassen keinerlei Zweifel an ihrer rechtsextremen Ge -
sinnung offen.

Der Deutsche Fußballverband als auch der Fußballverband                organisieren
seit Jahren Kampagnen wie „Ein buntes Füreinander“, „Fußball Verein(t) gegen
Rassismus“ oder Nie wieder“, um auf Rassismus aufmerksam zu machen und
gezielt gegen Fremdenhass in Sportvereinen vorzugehen.

Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass Rechtsextreme nicht unsere Vereine und
unsere Zivilgesellschaft unterwandern. Machen Sie als Fussballverband Druck
auf                      die finanzielle Unterstützung durch             sofort zu
beenden und für die Werte des Fußballverbandes einzustehen.

Vielen Dank und beste Grüße,
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Die E-Mail wurde an den Präsidenten des Fußballvereines Sportverein
           den Zeugen       weitergeleitet. Dieser führte mit der Verfügungsbeklagten am
08.08.2023 ein persönliches Gespräch, dessen näherer Inhalt zwischen den Parteien strei-
tig ist.

Nachdem der Präsident des Fußballvereins die vorgenannte E-Mail wiederum an den Ver-
fügungskläger weitergeleitet hatte, ließ dieser die Verfügungsbeklagte mit Anwaltsschrei-
ben vom 14.08.2023 unter Fristsetzung bis zum 18.08.2023 auffordern, es ab sofort zu un-
terlassen, gegenüber Dritten - insbesondere gegenüber
                 die genannte Äußerung zu tätigen.

Mit Schreiben vom 18.08.2023 ließ die Verfügungsbeklagte jegliche Ansprüche auf Unter-
lassung über ihren Verfahrensbevollmächtigten ablehnen.

Der Verfügungskläger trägt vor:

Durch die Bekundungen der Verfügungsbeklagten in der E-Mail vom 31.07.2023 sei sein
allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt; die darin enthaltenen Äußerungen seien als Tat-
sachenbehauptungen zu qualifizieren und offensichtlich unwahr. Derartige Äußerungen sei-
en von der Verfügungsbeklagten daher zu unterlassen. Dass er bei der Demonstration ne-
ben Rechtsextremen oder Reichsbürgern gestanden habe, bestreite er mit Nichtwissen.

Zusätzlich zu der vorgenannten E-Mail habe sich die Verfügungsbeklagte im Rahmen eines
Gespräches mit dem Präsidenten des Fußballvereins dahingehend geäußert, dass der Ver-
fügungskläger einen Reichsbürger finanziell unterstütze, um ihn aus dem Gefängnis zu ho-
len. Da diese Äußerungen ebenfalls unwahr seien, könne er von der Verfügungsbeklagten
auch insoweit eine Unterlassung derartiger Bekundungen verlangen.

Der Verfügungskläger beantragt,

1.

der Verfügungsbeklagten - unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider-
handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall,
dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anzuordnen und bis zu sechs
Monaten Ordnungshaft zu vollstrecken - es ab sofort zu untersagen, in Bezug auf ihn mittels
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der Verbreitung der Äußerung, er arbeite mit Reichsbürgern und Rechtsextremen zusam-
men, wenn dies geschieht wie in der von der Antragsgegnerin versandten E-Mail vom
31.07.2023 (Anlage A2), ihn bei Dritten so verächtlich zu machen und so in seinem Anse-
hen herabzuwürdigen, damit Dritte dazu bewegt werden, ihn von seinem finanziellen Enga-
gement bei dem                                    auszuschließen;

2.

der Verfügungsbeklagten - unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider-
handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall,
dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anzuordnen und bis zu sechs
Monaten Ordnungshaft zu vollstrecken - ab sofort zu untersagen, in Bezug auf ihn gegenüber
Dritten zu behaupten, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, er unterstütze einen Reichs-
bürger finanziell, um ihn aus dem Gefängnis zu holen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt:

             Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte trägt vor:

Es fehle an einem Verfügungsanspruch. Soweit sich der Verfügungskläger gegen ihre Äu-
ßerung in der E-Mail vom 31.07.2023 wende, sei diese von der Meinungsfreiheit des Art.
5 Abs. 1 GG gedeckt. Sie nehme hierbei erkennbar eine wertende Schlussfolgerung vor,
denn sie drücke mit der gewählten Formulierung lediglich aus, dass ihrer Meinung nach
kein Zweifel an der Gesinnung des Verfügungsklägers bestehe. Soweit sie sich in diesem
Zusammenhang auf Tatsachen beziehe, seien diese allesamt wahr.

Im Übrigen habe sie sich nicht dahingehend geäußert, dass der Verfügungskläger einen
Reichsbürger finanziell unterstütze, um ihn aus dem Gefängnis zu holen. Sie habe den Prä-
sidenten des Fußballvereins lediglich gefragt, ob sich dieser sicher sein könne, dass der
Verfügungskläger, wie er den             unterstütze, nicht auch rechte Organisationen fi-
nanziere.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2023 wurde der Zeuge               vernommen und
die Verfügungsbeklagte informatorisch angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2023 verwiesen.




                            Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Es fehlt an einem Verfügungsanspruch.

1.

Ein Anspruch des Verfügungsklägers auf Unterlassung der angegriffenen Äußerung der
Verfügungsbeklagten mit E-Mail vom 31.07.2023 aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2
BGB in Verbindung mit § 186 StGB scheidet vorliegend aus. Die Äußerung der Verfü-
gungsbeklagten greift nicht rechtswidrig in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte allge-
meine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers ein.

a)

Die Äußerung ist zwar grundsätzlich geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Verfügungsklägers zu verletzen.

Bei der Aussage „Meine Ausführungen lassen keinen Zweifel daran zu, dass
      ganz offen mit Reichsbürgern und Rechtsextremen sympathisiert und zusammenarbei-
tet“ handelt es sich um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfü-
gungsklägers.

Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich um einen offenen Tatbestand,
dessen Inhalt die Rechtsprechung nicht abschließend umschrieben, sondern seine Ausprä-
gungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet hat (OLG Karlsruhe
Urt. v. 23.6.2021 – 6 U 190/20). Zu den anerkannten Inhalten des allgemeinen Persönlich-
keitsrechts gehört, dass der Einzelne selbst darüber befinden darf, wie er sich gegenüber
Dritten und der Öffentlichkeit darstellen will und was seinen sozialen Geltungsbereich aus-
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machen soll (BVerfG, Beschluss vom 03.11.1999 – 2 Bvr 2039/99). Es schützt die Person
insofern vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die von nicht ganz unerhebli-
cher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind (BVerfG, Beschluss vom 11. Dezem-
ber 2013 – 1 BvR 194/13). Daraus folgt die Gewährleistung des Schutzes vor Äußerungen,
die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der
Öffentlichkeit, auszuwirken.

Mit der Aussage der Verfügungsbeklagten ist eine Wirkung verbunden, die geeignet ist,
das Ansehen des Verfügungsklägers in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Sowohl Reichs-
bürger als auch Rechtsextreme werden in der Gesellschaft weitgehend geächtet; durch die
Aussage wird ein Bezug des Verfügungsklägers zu eben jenen Gruppen hergestellt, der
das Ansehen seiner Person in der Gesellschaft herabzusetzen geeignet ist.

b)

Der Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig. Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt
es sich um eine zulässige Meinungsäußerung. Im Rahmen der gebotenen Abwägung
kommt dem Recht auf Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten der Vorrang gegenüber
dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, und dem
Recht auf Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG, des Verfügungsklägers zu.

Wegen der Eigenschaft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sog. offener Tatbestand
wird die Rechtswidrigkeit nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern ist im
Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdi-
gung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Ver-
hältnismäßigkeit positiv festzustellen (Sprau in: Grüneberg, Kommentar zum BGB, 82. Auf-
lage 2023, § 823 BGB, Rn. 95 m. w. N.). Stehen sich als widerstreitende Interessen - wie
vorliegend - die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs.
1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) gegenüber,
kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung zunächst maßgeblich darauf an, ob es sich
um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Meinungsäußerungen ge-
nießen den weitgehenden Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, während Tatsachenbehauptungen
grundsätzlich nur dann zulässig sind, wenn sie bewiesen werden können.

aa)
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Während bei Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und
der Wirklichkeit im Vordergrund steht, ist für Tatsachenbehauptungen die objektive Bezie-
hung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch. Von einer Tatsa-
chenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Ver-
ständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas
Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom
04.08.2016, BVR 2619/13; BGH NJW 2005, 279, 281). Meinungsäußerungen sind hinge-
gen durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und las-
sen sich daher nicht als wahr oder unwahr erweisen (BVerfG aaO; BGH, NJW 2009, 1872).
Für die Abgrenzung einer Meinungsäußerung von einer Tatsachenbehauptung ist zunächst
der Aussagegehalt der Äußerung zu ermitteln. Ausgehend vom Wortlaut sind bei der Deu-
tung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittenen Äußerungen stehen, und die Begleit-
umstände, unter denen sie fallen, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder
Zuschauer erkennbar sind. Es ist darauf abzustellen, wie eine Äußerung unter Berücksichti-
gung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsle-
ser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils re-
gelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkenn-
baren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 11; BGH,
NJW 2005, 279, 281; BGH, NJW 2004, 598, 599).

Bei Mischtatbeständen, in denen beide Äußerungsformen miteinander verbunden werden
und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist der Begriff der Meinung im
Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen. Soweit eine Äußerung,
in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme,
des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie im Interesse wirksamen Grundrechts-
schutzes insgesamt als Meinung geschützt, und zwar insbesondere dann, wenn eine Tren-
nung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufheben oder
verfälschen würde (BVerfG, Beschluss vom 04.08.2016, 1 BvR 2619/13). Die Wahrheit
oder Unwahrheit des Tatsachenkerns ist dann im Rahmen der Abwägung der schutzwürdi-
gen Belange der streitenden Parteien zu berücksichtigen (Grüneberg/Sprau aaO.). Anders
verhält es sich, wenn eine Äußerung in ihrem tatsächlichen Gehalt derart substanzarm ist,
dass sich ihr eine konkret greifbare Tatsache nicht entnehmen lässt und sie ein bloß pau-
schales Urteil enthält. Dann tritt der geringe tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung zu-
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rück und beeinflusst die Abwägung nicht (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1982 - 1 BvR
1376/79).

Gemessen hieran ist die Äußerung der Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger arbeite
mit Reichsbürgern zusammen und sympathisiere mit diesen, als Meinungsäußerung zu wer-
ten. Die angegriffene Äußerung enthält sowohl Tatsachenbehauptungen („arbeite mit
Reichsbürgern und Rechtsextremen zusammen “) als auch Elemente der Meinungsäu-
ßerung („Meine Ausführungen lassen keinen Zweifel daran zu, …“) . Da die Äuße-
rung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, vorliegend durch die Elemente der
Stellungnahme und des Meinens geprägt ist, ist die Äußerung von dem insoweit weit zu ver-
stehenden Meinungsschutz des Art. 5 GG gedeckt. Der substanzarme Tatsachenkern tritt
hinter die Wertung zurück.

Die Aussage ist durch die wertende Einleitung insgesamt in die Form einer Meinungsäuße-
rung gebettet. Ein Auseinanderreißen der oben aufgeführten Äußerungsteile würde den Ge-
halt der Aussage verfälschen. Die Verfügungsbeklagte hat die Äußerung im Anschluss an
die Darlegung der Teilnahme des Verfügungsklägers an einer Demonstration getätigt. Mit
der Aussage wollte sie gerade die von ihr gebildete Meinung hinsichtlich der politischen
Einstellung des Verfügungsklägers aufgrund dessen Teilnahme an dieser Demonstration
äußern.

Der in der Aussage enthaltene Tatsachenkern, der allenfalls in der Behauptung liegen könn-
te, der Verfügungskläger arbeite mit Reichsbürgern zusammen, beeinflusst die Abwägung
nicht. Soweit mit der Aussage eine entsprechende „Zusammenarbeit“ im engeren Sinne
gemeint sein könnte, ist der tatsächliche Gehalt so substanzarm, dass er hinter der Wertung
zurücktritt. Die Verfügungsbeklagte bedient sich bei Zusammenschau der Aussage dieser
Formulierung (“sympathisieren und zusammenarbeiten“) erkennbar zu dem Zweck, die Mei-
nungsäußerung hinsichtlich der politischen Einstellung des Verfügungsklägers zu unterstrei-
chen. Damit dient die Formulierung nur einer Stärkung der wertenden Aussage.

Aus dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG folgt weiterhin zwar nicht, dass jede Meinungsäuße-
rung zulässig ist. So sind insbesondere Formalbeleidigungen und Schmähkritik vom
Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
Formalbeleidigung sind jedoch nicht gegeben. Bei der Aussage der Verfügungsbeklagten
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handelt es sich auch nicht um Schmähkritik. Schmähkritik ist anzunehmen, wenn es bei ei-
ner Äußerung nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern die Herabset-
zung einer Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 14.6.2019 – 1 BvR
2433/17). Hier steht die Äußerung der Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger arbeite
offen mit Reichsbürgern zusammen, jedoch eindeutig in sachlichem Bezug zu der Demons-
tration, an der der Verfügungskläger teilgenommen hat.

Soweit der Verfügungskläger mit Nichtwissen bestreitet, bei der Demonstration neben
Rechtsextremen oder Reichsbürgern gestanden zu haben, ist dies für die Abwägung unbe-
achtlich. Die Einlassung kann entweder so verstanden werden, dass der Verfügungskläger
nicht gewusst haben will, dass es sich bei den Organisatoren und Teilnehmern neben ihm
auf den zur Akte gelangten Bildern um Rechtsextreme oder Reichsbürger gehandelt hat,
oder aber in der Weise, dass der Verfügungskläger die Tatsache bestreiten will, neben die-
sen Personen gestanden zu haben. Beides ist durch die vorgelegte Bilddokumentation
nebst Erläuterungen durch die Verfügungsbeklagte jedoch widerlegt, bzw. für die Kammer
hinreichend nachvollziehbar und glaubhaft gemacht. Aufgrund der ausführlichen und schlüs-
sigen Darlegung der Verfügungsbeklagten und das entsprechende Bildmaterial steht jeden-
falls fest, dass es sich bei den Personen, neben denen der Verfügungskläger auf den zu
den Akten gelangten Bildern zu sehen ist, tatsächlich um – von der Verfügungsbeklagten
sogar namentlich benannte und recherchierte – Reichsbürger und Rechtsextreme handelt.
Darauf, ob der Verfügungskläger diese Personen und ihre Einstellungen kannte, kommt es
aufgrund des äußeren Anscheins, der zu der von der Verfügungsbeklagten getätigten Mei-
nungsäußerung geführt hat, nicht an.

bb)

Die Meinungsäußerung greift auch nicht in rechtswidriger Weise in das Grundrecht auf Ver-
sammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 1 GG ein. Wer sich dazu entscheidet, seine politische
Meinung öffentlich kundzutun, muss in weiterem Maße akzeptieren, dass andere diese Mei-
nungskundgabe werten.

Einem Grundrechtsträger dürfen nicht dadurch, dass er ein Grundrecht ausübt, negative
Folgen entstehen. Daraus ist aber nicht zu schließen, dass aus der Teilnahme an einer De-
monstration nicht folgen darf, dass die Person von anderen Einzelpersonen einem bestimm-
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