2015-09-15-hessen-expertenkommission-zu-verfassungsschutzgesetz.pdf

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Stellungnahme der Expertenkommission zum LfV-GE

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30 Unbeschadet dessen ist die Formulierung zu überdenken. Statt über „anafytische Kompe- tenzen" soll die Behörde wohl eher über Sachverstand und Mittel verfügen und nicht nur Ressourcen „vorhalten", sondern Fähigkeiten auch gebrauchen. Beides dürfte jedoch so selbstverständlich sein, dass gefragt werden kann, ob eine Normierung tatsächlich erforder- lich ist. In diesem Zusammenhang weist die Kommission zudem darauf hin, dass ein Leitbild vorzugswürdiger Weise nicht „von oben herab" verkündet wird (BuH, Rn. 438). Es erscheint sinnvoll, das Leitbild - wie im polizeilichen Bereich auch - durch die Behörde selbst erarbei - ten zu lassen und durch die Einbeziehung der Mitarbeiter eine hohe Akzeptanz und eine breite „Verwurzelung" zu erreichen. Auch gibt es im LN Hessen hierzu Vorarbeiten, die fort- entwickelt werden könnten (vgl. a.a.O., Empfehlung 40.03). 31 Wenig normenklar sind auch legislative Superlative und Abstrakta. So spricht etwa § 7 Abs. 2 Nr. 1 LN-GE von der „Optimierung" des „Informationsflusses". Aus Sicht der Kom- mission ist durch diesen Sprachgebrauch nicht hinre ichend klargestellt , welche Formen des Informationsaustauschs in der Sache geboten (oder umgekehrt ausgeschlossen) sein sollen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Frage, welches Niveau der Informationsübermittlung (oder nicht mehr) ,,gut genug" ist, um im Sinne der Norm „optimal" bereits zu sein. Diese Unklar- heiten sind - unbeschadet der unten (Rn. 46 ff .) näher zu diskutierenden inhaltlichen Vorbe- halte gegen die Norm - auch deshalb bedenklich, weil sie den Rechtsanwender dazu verlei- ten können, im Zweifelsfa lle „alles" zu übermitteln. 32 Auch ist die Wirkung der Gesetzessprache im systematischen Verhältnis von Normen im Blick zu behalten. So soll beispielsweise die Übermittlung von Daten zu Staatsschutzdelikten gemäß § 22 Abs. 1 LN -GE (lediglich) davon abhängen, dass die Übermittlung zur Verhütung oder Verfolgung Übermittlung 11 erforderlich" ist. Dem gegenüber verlangt § 22 Abs. 2 LN-GE für die zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben oder anderer höchstwertiger Rechtsgüter, dass die Übermittlung 11 uner lässlich" ist. Der Entwurf erweckt durch diesen Wortlaut den Anschein, dass bei der Datenweitergabe zur Abwehr einer Le- bensgefahr ein strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen sei als z.B. bei der Verfolgung eines Propagandadelikts. 33 Zudem rät die Kommission zu mehr begrifflicher Geschlossenheit. Das Gesetz wird besser 11 lesbar", wenn es Identisches identisch bezeichnet (anders z. B. die §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 13 Abs. 9 LN -GE: drei abweichende Bezeichnungen der obersten Landesbehörde). Au.eh sollte das Gesetz den zentralen Begriff 11 Verfassungsschutz ", der einerseits den administrativen 10
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Verfassungsschut z (die Verfassungsschutzbehörde), sungsschutz (den Schutz der freiheitlichen andererseits den materiellen Verfas- demokrat ischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder) bezeichnen kann, eindeutig, nämlich in Übereinstimmung mit Art. 73 GG nur im Sinne des materiellen Verfassungsschutzes , ver- wenden . 34 Die Kommission empfiehlt schließlich, die oben (Rn. 8 ff .) diskutierten Kompetenzgrenzen auch bei der Gesetzessystematik zu berücksichtigen. Die grundgesetzliche Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der Zusammenarbeit beinhaltet auch die Kompetenz, den Ländern einen bestimmten Kanon an Aufgaben zuzuweisen (vgl. HLT~Drs. 12/6584, S. 11: ,,Aufgaben und Befugnisse [der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder dürfen] einen Min deststandard nicht unterschreiten. Der Bund ist aufgrund seiner Gesetzgebungskompe- ten z berufen, diesen Standard festzulegen [ ...]"). Dabei ist unzweifelha ft, dass die Länder ,,ihren" Verfassungsschutzbehörden neben den „Pflichtaufgaben" auch andere, darüber hin- ausgehende Aufg aben zuweisen dürfen, sofern diese zusätzlichen Aufgaben nicht so um- fänglich sind, dass eine Beeinträchtigung Werthebach/Droste 35 der Zusammenarbeit zu besorgen wäre (vgl. in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, a.a.O., Rn. 65). Abweichend hiervon sieht § 4 LfV-GE eine undifferenzierte „Mischbeschreibung" von bun- desgesetzlichen und ergänzenden landesgesetzlichen Aufgaben vo r. Zugleich enthält die Vorschrift nur einen Teil der in § 3 BVerfSchG genannten Aufgaben, näml ich die Beobach- tung der genannten verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Tät igkeiten im Sinne von § 3 . Abs. 1 BVerfSchG. Die in § 3 Abs. 2 BVerfSchG normierte Mitwirkung an Sicherheitsüb er- prüfungen und technischen Sicherungsmaßnahmen hat der Entwurf hingegen in § 6 LfV-GE geregelt. Nach Überzeugung der Kommission wäre es aus Gründen der Normenk larheit vorzugswürdig, die Aufgaben nach dem BVerfSchG von den durch das Landesrecht beschrie- benen weiteren Aufgaben abzuschichten und in einer Vorschrift zusammenzuführen. Glei- ches gilt für die Begriffsbestimmungen . 11
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Aufgabenbeschreibung VII. Die Kommission befürwortet, dass der Entwurf eine Erweiterung der Aufgabenbeschrei- bung des LfV Hessen um den Aspekt der Prävention vorsieht. VIII. Allerdings sollte das Gesetz auch weiterhin die zentrale Aufgabe der „Sammlung und Aus- wertung von Informationen" ausdrücklich benennen. IX. Der Entwurf hält daran fest, dass das LfV Hessen auch Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität (OK) zu beobachten habe. Die Kommission empfiehlt dem gegenüber zu prüfen, ob die Bekämpfung der OK ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden zu über- lassen ist. Dies könnte die Verfassungsschutzbehörde entlasten und dazu beitr agen, ihr Aufga- benprofil zu schärfen. 36 Die Kommission hat die Aufgabenbeschreibung in § 4 LfV-GE über die oben (Rn. 34 f.) dis- kutierte Frage der Gesetzessystematik hinausgehend auch inh altlich erörtert. 37 Sie stellt zunächst fest, dass der Entwurf zu Recht die Prävention als eigenständige Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde in den Blick nimmt . Das LfV Hessen hat sich in diesem Be- reich bereits in Erfolg ver sprechender Weise betätigt , etwa durch die Mit wirkung in Bera- tungseinrichtung en des Landes oder Fachveranstaltungen, etwa für Kommunen, den Justiz- voll zug, aber auch Schulen, Feuerwehren und Vereine (näher BuH, Rn. 413 ff.). Die Kommis- sion erblickt hierin eine erfreuliche Entwicklung zur Öffnung und zur positiven Außen- wirkung als „Diens t leister für Demokrat ie" . Auch sind weitere M aßnahmen zur Verstärkung von Beratung und Austausch mit der Zivilgesellschaft geplant. Diese Anstrengungen wü rden durch eine Normi erung gemäߧ 4 Abs. 1 Satz 2 LfV-GE gesetzlich unterfüttert. 38 Allerdings gibt die Kommission zu bedenken, dass das LfV Hessen keine Einrichtung zur all- gemeinen politischen Bildung ist . Insbesondere darf die öffentliche Präventionsarbe it nicht zu Lasten des „Kerngeschäfts" der lnformatior1sb eschaffung und -auswe rtung gehen (BuH, a.a.O.). 39 Die Kommission hält es in diesem Zusammenhang für bedenklich, dass sich der Entwurf auch begrifflich vom bundesrechtlichen und bisher in § 2 Abs. 2 HVerfSchG enthaltenen Auftrag zur „Sammlung und Auswertung von Informa tione n" über Bestrebungen und Tätig - keiten im Sinne von § 3 Abs. 1 BVerfSchG entfernt. Auch das Bundesverfassungsgeric ht (BVerfG ) hat in seiner Entscheidung vom 24. 04 .2013 (1 BvR 1215/07 - ,,Antiterro_rdatei" ) die 13
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Bedeutung der nachrichtendienstlichen Datensammlung und Erkenntn isgewinnung durch Auswertung betont {BVerfG, a.a.0., Rn. 116 ff.). Abweichend hiervon spricht § 4 Abs. 1 Satz 3 LN-GE davon, dass das LN Hessen „differenzierte Gefahrenpotenzialanalysen " zu erstellen habe. Die Kommission erblickt hierin ein weiteres Beispiel für eine wenig hilfreiche begriffliche Neuschöpfung, welche die Aufgabenbeschreibung verunklart. 40 Anlass zur besonderen Diskussion gibt nach Überzeugung der Komm ission auch der Um- stand, dass der Entwurf bei der Beschreibung der Aufgaben daran festhält, dass das LN Hes- sen „Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes" zu beobachten habe {§ 4 Abs. 2 Nr. 5 LN-GE, entspricht § 2 Abs. 2 Nr. 5 HVerfSchG). 41 Die Beobachtung der Organisierten Kriminalität (OK) gehört nicht zu dem durch das BVerf- SchG vorgegebenen „Aufgabenkanon" {vgl. o. Rn. 34). Vielmehr handelt es sich um eine ori- ginäre Landesaufgabe, die außerhalb Hessens nur noch von der Verfassungsschutzbehörde des Freistaats Bayern wahrgenommen wird {Art . 1 Abs. 1 Satz 2 VerfSchG BY). . 42 Der mangelnde bundesrechtliche „Rückhalt" bedingt erheb liche Einschränkungen für die Ar- beit. So ist in Ermangelung einer bundesgesetzlichen Normierung der Zusammenarbeit ein länderüb ergreifendes Tätigwerden problematisch. Eine Beobachtung der OK „im Geltungs- bereich des Grundgesetzes" dürfte dem LN Hessen aus tatsächlichen und rechtlichen Grün- den kaum möglich sein. Darüber hinausgehend gibt es im Bereich der OK keine gesetzliche Grundlage für Maßn ahmen der Telekommunikationsüberwachung nach dem Artikel 10- Gesetz."Hinzu tritt, dass im Bereich der OK - anders als bei vielen politisch extremistischen Bestrebungen - keine „offenen Quellen" vorhanden sind {z.B. Internetbeiträge, Plakate). Als nachrichtendienstliche Flyer und Mittel stehen der Verfassungsschutzbehörde im We- sentlichen nur Finanzermittlungen und Observationen zur Verfügung. Vertrauenspersonen können aufgrund des quasi definitorischen Umstands, dass vom Beobachtungsobjekt Straf- taten von erheb licher Bedeutung ausgehen, regelmäßig nur an der Peripherie eingesetzt werden . 43 Die Kommission zweifelt, dass sich trotz dieser Beschränkupgen Erfolge erzie len lassen, die über das hinausgehen, was die Strafverfolgungsbehörden leist en könn en. Die OK zeichnet sich durch ein weit verzweigtes, auch staatenübergreifendes Betätigungsfeld aus. Dieses kann durch eine Landesverfassungsschutzbehörde, die im Verfassu ngsschutzverbund auf nur einen einzigen Partner mit insow eit gleichem Auftrag trifft, kaum mehr _als ausschnitts- 14
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weise beobachtet werden. Auf der anderen Seite ermöglicht und gebietet die weit in das Vorfeld verlagerte Strafbarkeit eine frühzeitige Befassung durch die Sicherheits- /Strafve rfol- gungsbehörden, die sich auf eine bre it angelegte Zusammenarbeit im bundesweiten Ver- bund stützen können und denen im Bereich der OK mehr Instrumente der verdeckten Infor- mat ionsbeschaffung (z.B . Telekommunikations .überwachung nach § lOOa StPO) zur Verfü- gung stehen. 44 Auch hat sich die Kommission in ihrer 8. Sitzung am 19.02.2015 beim LN Hessen vor Ort über die Tätigkeit im Einsatzgebiet OK informiert. Sie hat den Eindruck gewonnen, dass in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Initiative zur Beobachtung durch das LN Hessen von der Polizei ausging. Es handelte sich hierbe i um Fälle, bei denen das Niveau des ,,Tatverdachts" (z.B . auf Geldwäsche) so gering war, dass weitere polize iliche Ermittlungs - maßnahmen (noch) nicht zu rechtfertigen gewesen wären. Mit dem geringgradigen Ver- dacht ging ein nur geringes Maß an Gefährdung für Schutzgüter des Verfassungsschutzes im materiellen Sinne einher . Auch soweit das LN Hessen von eigenen Erfolgen im Bereich des illegalen Kunsthandels berichtet hat, war nach Einschätzung der Kommission ein Bezug zum Verfassungsschutz im materiellen Sinne kaum erkennbar. 45 Ausgehend hiervon regt die Komm ission an zu prüfen , ob die Aufgabe der Bekämpfung der OK ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden überlassen werden soll. Dies könnt e die Verfassungsschutzbehörde entlasten und dazu beitragen , ihr Aufgabenprofil zu schärfen. · 15
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Informationell es Trennungsprinzip X. und Grundrec hte Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 24.04.2013 (1 BvR 1215/07 - ,,Antiterrordatei" [ATD]) die Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bekräftigt und ein )nformationel les Trennungsprinzip" formuliert, nach wel - . ehern „Daten zwischfn den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden grundsätz lich nicht aus- getauscht werden" dürfen. Einschränkungen der Datentrennung sollen nur ausnahmsweise zu- lässig sein. XI. Der Entwurf für ein Gesetz über ·das Landesamt für Verfassungsschutz spiegelt dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht wider, son_dern kehrt es um. So beruht § 7 Abs. 2 Satz 1 LN- GE auf der Vorstellung, dass Zusammenarbeit und Informationsaustausch von Verfassungs- schutz und Polizei die Regel sei. XII. Das Problem wird nicht dadurch entschärft, dass der Entwurf die B~hörden darauf ver- pflichtet, das „Trennungsgebot" zu beachten. Trennungsgebot und informationelles Trennungs- prinzip sind nicht miteinander gleichzusetzen. XIII. Mit Blick auf die zentr_ale Vorschdft zur Informationsüberm itt lung(§ 22 LN-GE} weist die Kommission darauf hin, dass der Austausch nicht allein durch eine Ausweitung der Übermitt- lungstatbestände verbessert werden kann. Vorrangig ist der Prozess der Bewertung durch die Verfassungsschutzbehörde in den Blick zu nehmen, um sicherzustel len, dass bedeutsame und dringliche Informationen tatsächlich als solche erkannt werden. XIV. Auch im Weiteren hat die Kommission Bedenken .. So mobi lisiert § 20 LN-GE Einrichtun - gen für den Zweck des Verfassungsschutzes, die dieser Aufgabe an sich fern stehen. Das Aus- maß der Verpflichtung zur Übermittlung von Daten an das LN Hessen ist angesichts der Größe des Adressatenkreises unangemessen weitreichend . Dies würde sich auch nachteilig .'auf das Vertrauen in die grundrechtsschützende Funktion des Verfassungsschutzes auswirken. 46 Der Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz- und Sicherheits-/Strafverfolgungs- behörden ist besonders grundrechtssensibel. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat _in seiner Entscheidung vom 24 .04.2013 (1 BvR 1215/07 - ,,Antiterrordatei" dass aus dem Grundrecht Trennungsprinzip" Nachrichtendiensten auf informationel le Selbstbestimmung [ATD]) festgeste llt, ein „informationelles (a.a.O., Rn. 123) abzu leiten ist . Es gebietet, dass „Daten zwischen den und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden" dür - fen. Einschränkungen der Datentrennung sollen nur ausnahmsweise zulässig sein. ,,Der Aus- 17
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tausch von Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein mögliches operatives Tätigwerden" muss nach der verfassungsgerichtlichen Entscheidung „grundsätz - lich einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen, das den Zugriff auf Informationen unter den erleichterten rechtfertigt". Bedingungen, wie sie den Nachrichtendiensten zu Gebot stehen, Hierbei dürften „Eingriffsschwellen für die Erlangung der Daten [ ...] nicht unterlaufen werden" (eingehend BuH, Rn. 35 ff .). 47 Die vorgenannte Entscheidung verdeutlicht, dass der vielfach geforderte Grundsatz des ,,Need to Share" als Prinzip der Verpflichtung des Verfassungsschutzes zur Informat ions- übermittlung an die Polizei nicht vo rbeha ltslos gelten kann. Sie ist daher auch für den vor- gelegten Entwurf von großer Bedeutung . Dies gilt zunächst für die Vorschrift des § 7 Abs. 2 LN-GE. Sie sieht vor, dass das Landesamt für Verfassungsschutz und die Polizeibehörden des Landes in „gemeinsamen" (auch länderübergreifenden ) ,,Sicherheitszentren" zusam- menarbeiten . 48 Es erscheint bereits im Ausgangspunkt bedenk lich, dass § 7 Abs. 2 Satz 1 LN-GE das Regel- Ausnahme-Verhältnis für die Informationsübermit t lung umkehrt. Die Norm beruht ersicht - lich auf der Vorstellung, dass die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei nicht die Ausnahme, sondern die Regel sei (,,sollen [ ...] zusammenarbeiten"). Auch setzen die be- zeichneten Ziele der Zusammenarbeit in der Sache regelmäßig den Austausch personen- bezogener Daten voraus. So ist insbesondere die „Früherkennung möglicher Bedrohungen " (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LN-GE) nur zu gewährleisten, wenn die Sicherheitsbehörden die · ihnen vorliegend en personenbezogenen Informa tionen wechselseitig preisgeben. Auch zie- len „operative Maßnahmen" (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LN-GE) naturgemäß auf einen konkre- ten Grundrechtsträger. Eine sachgerechte „Erörterung" ist nur denkbar, wenn auch perso- nenbezogene Daten ausgetauscht werden. 49 Dass dem Austausch dieser Daten Grenzen gesetzt sind, verdeutlicht § 7 Abs. 2 LN-GE hin- gegen nicht. Weder die Norm selbst noch die Begründung stellen einen unmittelbaren Be- zug zum informationellen Trennungsprinzip her . 50 Das Problem wird auch nicht dadurch entschärft, dass der Entwurf die Behörden darauf ve r- . pflichtet, das „Trennungsgebot" . zu beachten . Trennungsgebot und informationelles Tren- nungsprinzip sind nicht miteinander gleichzusetzen. Anders als das informationelle Tren- nungsprinzip ergibt sich das Trennungs~ebot nicht unmittelbar aus den Grundrechten, son- dern fußt auf dem sogenannten Polizeibrief der Alli ierten Milit ärgouverneure vom 14.04. 18
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1949 (ausführlich Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 13 ff. ). Nach allgemei- ner Auffassung enthält es eine organisatorische und eine befugnisrech tlic he Kompone nte. Organisatorisch verbietet es die Angliederung von Verfassungsschutzbehö rden an Polizei- dienststellen. Das Verbot ist einfachgesetzlich begründet und findet sich für Hessen in § 1 Abs. 2 HVerfSchG (entspricht § 3 Abs. 1 Satz 2 LN-GE). Befugnisrech tlic h beinhaltet das Trennungsgebot, dass den Verfassungsschutzbehör:den polizeiliche Befugnisse oder Wei- sungsbefugnisse nicht zustehen; auch dürfen sie die Polizeidienststellen nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt sind. Diesen Aspekt des Trennungsgebots hat der hessische Gesetzgeber einfachgesetzlich in § 3 Abs. 4 HVerf- SchG geregelt {entspricht § 9 Abs. 4 Satz 3, 4 LN -GE). Damit hat die in § 7 Abs. 2 Satz 1 LN- GE ausgesprochene Verpflichtung zur Beachtung des Trennungsgebotes lediglich klarstel - lende Funktion. Sie verdeutlicht, dass durch die Zusammenarbeit in gemeinsamen Sicher- · heitszentren weder eine Angliederung des Landesamts für Verfassungsschutz .an Polizei- dienststellen erfolgt, noch dem Landesamt für Verfassungsschutz Polizeibefugnisse zugebil- ligt werden sollen . 51 Damit verbleibt als Anknüpfungspunkt für das informationelle Trennungsprinzip lediglich die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Satz 3 LN-GE. Sie ordnet an, dass § 22 LN -GE „unberührt" Diese Vorschrift regelt die „Übermittlung von Daten inner halb des öffentlichen bleibe. Bereichs" . Unbeschadet des Umstands, dass aus den oben {Rn. 18 ff.) dargelegten Gründen Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit der Norm bestehen, ist im vorlieg ende n Z.usamme n- hang zunächst zu bemerken, dass auch § 22 LN -GE weder selbst noch in seiner Begründung einen unmittelbar en Bezug zum informationellen Trennungsprinzip erke nnen lässt. Viel- mehr soll die Vorschrift der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden einen „weiten Rah- men" geben. 52 Hierzu soll neben den bisher in § 10 HVerfSchG {ebenso § 20 Abs. 1 BVerfSchG) enthaltenen Übermittlungsgrund mittlungspflicht der Verhütung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten eine Über- zur Verhütung oder Verfo lgung von „sons tigen erheblichen Straftaten" {ge- meint wohl: einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung) treten. Zur näheren Be- stimmung verw eist der Entwurf exemplarisch auf§ 100a StPO. 53 Die Kommission hält dies für unangemessen w eitreichend. Die in Bezug genommen e Vor - schrift enthält Strafnormen, bei denen ein „herausragendes öffentliches Interesse" im Sinne des ATD-Urteils häufig zu verneinen ist {z.B. Wirtsch aftsde likt e wie Bankrott oder Straftaten 19
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