Abwehrschreiben Zensurheberrecht

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JBB

JBB Rechtsanwälte, Christinenstraße 18/19, 10119 Berlin

Rechtsanwälte

Redeker Sellner Dahs

Frau Rechtsanwältin Sabine Wildfeuer
Leipziger Platz 3

10117 Berlin

Vorab per Telefax: 030-88566599 (4Seiten)

Berlin, 21. Januar 2014

Bundesrepublik Deutschland ./.

Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. u.a.
Unser Zeichen: 14-0098

Ihr Zeichen: 81/00060-14

Sehr geehrte Frau Kollegin Wildfeuer,

wir zeigen unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 17. Januar 2014 an, dass
wir sowohl den Verein Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., als
auch Herrn Stefan Wehrmeyer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichern wir anwaltlich.

Die von Ihnen in dem Schreiben geltend gemachten Ansprüche bestehen

nicht. Im Einzelnen:

1. Zunächst einmal halten wir es für fragwürdig, ob der streitgegenständli-
che Vermerk überhaupt urheberrechtlichen Schutz genießt. Wie Ihnen
sicherlich bekannt ist, haben das OLG Hamburg und das Bundesverfas-
sungsgericht dies etwa für einen Anwaltsschriftsatz in Zweifel gezogen,
der wohl sogar umfangreicher war, als der hier in Frage stehende Ver-
merk (BVerfG NJW 2000, 2416, 2417 sowie OLG Hamburg NJW 1999,
3343, 3344 - „Anwaltsschriftsatz‘).

JBB Rechtsanwälte
Jaschinski Biere Brexl Partnerschaft

Dr. Martin Jaschinski N
Sebastian Biere '

Oliver Brexl '

Thorsten Feldmann, LL.M. ?
Dr. Till Jaeger ?

Thomas Nuthmann
Julian Höppner, LLM. 3
Julia Gebert, 11.8.

Carsten Kiefer '

Robert Weist

Dr. Tim Engelhardt, ıı.m. *
Marie Lenz, LL.M.

Dr. Ansgar Koreng

Martin Michel

Dr. Miriam Ballhausen
Dominik Kirschner

Maria Leutloff

Dr. Lina Böcker

1 Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

2 Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

3 Fachanwalt für Informationstechnologierecht
4 Attorney at Law (New York)

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Was schon für einen Anwaltsschriftsatz gilt, hat umso mehr noch für den
hier gegenständlichen Vermerk zu gelten. Er ist kurz und knapp und er-
schöpft sich im rein handwerklichen. Sein Inhalt und seine Struktur sind
durch die Problemstellung und das referenzierte Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts vorgegeben, in dessen wörtlicher Wiedergabe er sich in
großen Teilen erschöpft. Eine individuelle Eigenprägung weist er nicht

auf.

Letztlich kommt es hier darauf aber auch gar nicht an, weil auch dann,
wenn man die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des Vermerks unterstel-

len wollte, die Veröffentlichung von 8 50 UrhG gedeckt wäre.

Denn der Vermerk betrifft ein Tagesereignis. Seine Autoren äußern darin
mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November
2011 (2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10) die Ansicht, dass jede Sperr-
klausel im Europawahlgesetz verfassungswidrig wäre. Gleichwohl ist mit
Gesetz vom 7. Oktober 2013 (BGBl. | S. 3749) das Europawahlgesetz da-
hingehend geändert worden, dass es in seinem $ 2 Abs. 7 eine Sperr-

klausel von 3% vorsieht.

Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, diesen Wider-
spruch zwischen der internen Expertise des Ministeriums und der später
im Gesetzgebungsverfahren vertretenen und dort herrschenden Auffas-
sung aufzuzeigen. Ganz offensichtlich geht es Ihnen ja auch um nichts
anderes, als darum, das Urheberrecht zu missbrauchen, um genau diese
Art von kritischer Berichterstattung zu unterbinden. Genuin urheber-
rechtliche Interessen scheint Ihre Mandantin an dem Text schließlich
nicht zu verfolgen. Das Urheberrecht besteht allerdings nicht in dem In-

teresse einzelner, die freie Meinungsäußerung anderer zu unterbinden.

Auch wenn man die Voraussetzungen des 8 50 UrhG hier nicht als gege-
ben ansehen wollte, wäre die Veröffentlichung jedenfalls nicht „wider-
rechtlich“ im Sinne von 8 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG, weil sie durch die Mei-

nungsfreiheit unserer Mandanten und das öffentliche Informationsinte-

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resse gerechtfertigt wäre. Auf EGMR NJW 2013, 2735 - „Ashby Donald“;
BVerfG NJW 2000, 2416 - „Anwaltsschriftsatz“; OLG Hamburg NJW 1999,
3343 - „Anwaltsschriftsatz” und OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. Juli 2003, Az.
4 W 32/03 weisen wir exemplarisch hin. Es kann kein Zweifel daran be-
stehen, dass gerade im hier gegebenen Fall das öffentliche Interesse an
der Veröffentlichung des Vermerks weitaus überwiegt, zumal Ihre Man-
dantin sich demgegenüber ohnehin nicht auf Grundrechte berufen kann
und schon deshalb die Abwägung im Sinne unserer Mandanten ausfal-

len muss.

4. Im Übrigen halten wir es auch für äußerst befremdlich, wenn sich gerade
der Staat nun des Urheberrechts als Mittel zur Pressezensur bedient, zu-
mal hier nicht im Ansatz erkennbar ist, worin eigentlich das Geheimhal-
tungsinteresse Ihrer Mandantin liegen soll. Ihre Mandantin stellt ja oh-
nehin jedermann auf entsprechenden kostenfreien Antrag hin den Ver-
merk zur Verfügung. Worin dann aber das Interesse liegt, es unseren
Mandanten zu untersagen, den Vermerk über ihre Homepage öffentlich
machen, erschließt sich uns nicht. Letztlich entlastet das lediglich die
IFG-Abteilung des Bundesinnenministeriums, die sich ja gerne über ihre

vermeintliche Arbeitsüberlastung beklagt.

Unsere Mandanten sind an einer grundsätzlichen Klärung der Angelegenheit
interessiert. Eine Unterlassungserklärung werden sie demgemäß nicht abge-
ben. Sollten Sie nach alledem die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens
für notwendig erachten, gehen wir davon aus, dass Sie in Erfüllung Ihrer pro-
zessualen Wahrheitspflicht ($ 138 Abs. 1 ZPO) dieses Schreiben Ihrem verfah-
renseinleitenden Schriftsatz beifügen und uns im Passivrubrum bezeichnen.

Wir sind zustellungsbevollmächtigt.

Abschließend stellen wir fest, dass Ihre Abmahnung mit Blick auf $ 97a Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 UrhG unwirksam ist, weil Sie unseren Mandanten vorschlagen,
sich zu verpflichten, auch eine Verbreitung des Vermerks künftig zu unterlas-
sen. Dabei unterlassen Sie es, mitzuteilen, dass die von Ihnen vorgeschlage-

ne Unterlassungserklärung insofern über die abgemahnte Rechtsverletzung

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hinausgeht. Denn eine Verbreitungshandlung haben unsere Mandanten
nicht vorgenommen. Eine solche setzt nach $ 17 Abs. 1 UrhG ein körperli-
ches Werkstück voraus und kann daher naturgemäß nicht im Internet be-
gangen werden. Ihre Mandantin ist daher verpflichtet, unser Honorar als
Rechtsverteidigungskosten zu erstatten ($ 97a Abs. 4 Satz 1 UrhG). Diesbe-

züglich werden wir in Kürze gesondert auf Sie zukommen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Ansgar Koreng

Rechtsanwalt

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