Abgewiesene Anträge auf Einstweilige Verfügung #Zensurheberrecht

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Abschrift Kammergericht Beschluss Geschäftsnummer: 24 W 21/14 15 0 58/14 Landgericht Berlin 12.03.2014 tn dem einstweiligen Verfügungsverfahren Bundesrepublik Deutschland./. Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. u.a. hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Eißholzstraße 30-33, 10781 Ber- lin, durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Harte, die Richterin am Kammergericht Dr. Kasprik-Teperoglou und den Richter am Kammergericht Landwehrmeyer am 12. März 2014 beschlossen: 1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 2014 - 15 0 58/14- wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.667,00 EUR festgesetzt. Gründe: Die nach § 567 Abs. f Nr.2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 2014, durch den ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht zu Recht urheberrechtliche Unterlassungsansprüche der Antragstellerin nach den §§ 97 Abs.1, 2 Abs.1 Nr.1 und Abs.2, 15 Abs.2 S.2 Nr.2 und 19a UrhG verneint, weil die Antragsgegner mit der Veröffentlichung der ihnen zuvor auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG) zugänglich gemachten Vorlage des Referats V I 5 des Bundesministerium des lnnern vom 16.11.2011 (V I 5-121 333- 7/1) im Internet nicht in Rechte derAntragstellerinan einem urheberrechtlich schutzfähigen Werk AVR1
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2 eingegriffen haben; denn die Anforderungen, die an eine persönliche geistige Schöpfung zu stellen sind, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt(§ 2 Abs.2 UrhG). Zur Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung vom 11.02.2014 und in dem Nichtabhilfebeschluss vom 28.02.2014 verwiesen wer- den. Dabei hat das Landgericht - entgegen der Beschwerdebegründung - auch nicht unterlassen, sich mit der- geltend gemachten- Individualität des Werkes auseinanderzusetzen, hat aber zu- treffend berücksichtigt, dass es sich um ein Sprachwerk handelt, das im weitesten Sinne dem (rechts-)wissenschaftlichen Bereich zuzuordnen ist, ohne dass es insoweit auf eine genaue Ab- grenzung zwischen dem Schutzbereich des§ 2 Abs.1 Nr.1 und§ 2 Abs.1 Nr.7 UrhG ankommt. Zwar trifft es zu, dass grundsätzlich auch inhaltliche Werkelemente- wie etwa die Fabel eines Romans -dem Urheberrechtsschutz zugänglich sein können; dies gilt bei Sprachwerken wissen- schaftlichen und technischen Inhalts aber nur mit der Einschränkung, dass Gedanken und Lehren in ihrem Kern, ihrem gedanklichen Inhalt, in ihrer politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftli- chen Aussage, Gegenstand der freien geistigen Auseinandersetzung bleiben müssen und nicht auf dem Weg über das Urheberrecht monopolisiert werden können (vgl. nur Loswenheim in: Schricker I Loswenheim (4. Auflage 2010) § 2 UrhG Rdn. 59). Dem steht schon der Schutz der Meinungsfrei- heit und der Freiheit der Wissenschaft und Lehre entgegen, der durch Art 5 Abs.1 und 3 GG ge- währleistet wird. Dieser schützt gleichermaßen die Freiheit der wissenschaftlichen wie der politi- schen Auseinandersetzung; diese kann deshalb nicht dadurch eingeschränkt werden, dass be- stimmte Argumente oder gedankliche Zusammenhänge einem Schutz unterstellt werden, der jeden anderen als den Urheber von ihrer Verwendung ausschließt. Für den urheberrechtliehen Schutz verbleibt deshalb im Wesentlichen nur die Darstellung und Formgestaltung unter Ausschluss der inhaltlichen Elemente. Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu ·beanstanden. Der ver- gleichsweise kurze- nur 4% seitige- Text besteht zu weiten Teilen aus wörtlichen Zitaten aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.11.2011; diese genießen schon nach § 5 Abs.1 UrhG keinen urheberrechtliehen Schutz. Dass weiteres Hintergrundmaterial in nennens- wertem Umfang verarbeitet worden wäre, kommt im Text jedenfalls nicht zum Ausdruck. Natürlich trifft es zu, dass sich die Stellungnahme nicht auf eine rein deskriptive Beschreibung des Urteils beschränkt, sondern aus der Urteilsanalyse einen Argumentationsstrang zum Beleg der Auffas- sung entwickelt, dass auch eine 2,5o/oige Sperrklausel bei der Europawahl verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Gedanken und Argumente sind aber - aus den dargelegten Gründen - als solche nicht urheberrechtsschutzfähig. Die sprachliche Gestaltung, zu der im Einzelfall auch die Darstel- lung und die Art und Form der Gedankenführung gehören können, lässt im vorliegenden Fall keine ausgeprägt individuellen, eigenschöpferischen Züge erkennen. Damit ist über den inhaltlich·
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3 fachlichen Wert der Vorlage kein Urteil gesprochen; dieser ist für die Frage der urheberrechtliehen Schutzfähigkeit des Textes aber ebensowenig von ausschlaggebender Bedeutung wie das Inter- esse, das diese Stellungnahme in der Öffentlichkeit gefunden hat. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 97 Abs.1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts er- folgt in Übereinstimmung mit den eigenen vorgerichtlichen Wertangaben der Antragstellerin und der Vorinstanz {§ 3 ZPO). Harte Dr. Kasprik-Teperoglou Landwehrmeyer
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I I REDEKER SELLNER DAHS RECHTSANWÄLTE REDEKER SELLNER DAHS I Leipzigcr Platz 3j D-10117 B~rlin Rechtsanwalt. • • • • • • • • Per Telefax vorab: 030/9015-2200 Kammergericht Eißholzstraße 30- 33 10781 Berlin Telefon Telefax +49/30 /88 56 6 - -@redeker.de Berlln, den 25. Februar 2014 Reg.-Nr.: 81/00568-14 WER/st/00003 Berlin Sofortige Beschwerde In dem einstweiligen Verfügungsverfahren Leipziger Platz 3 D-10117 Berlin Tel. +49 30 885665-0 Fax +49 30 885665-99 Deutsche Bank Berlin BLZ 100 700 00 Konto 1 550 359 IBAN: DE82 1007 0000 0155 0359 00 BIC: DEUTDEBBXXX Bonn der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern, Alt-Moabit 101 d, 10559 Berlin, - Antragstellerirr und Beschwerdefillrrerin - Prozess bevollmächtigte: Rechtsanwälte Redeker Sellner Dahs, Leipziger Platz 3, 10117 Berlin gegen 1. Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., vertreten durch den Vor- stand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsi .... .,.........,u~ Schlesische Straße 6, 10997 Berlin, geschäftsansässig Open Knowledge Foundation 2. Deutschland e.V., Schlesische Straße 6, 10997 Berlin, - Antragsgegner und Beschwerdegegner- Aktenzeichen I. Instanz: 15 0 58/14 LG Berlin Willy-Brandt-AIIee 11 D-53113 Bonn Tel. +49 228 72625-0 Fax +49 228 72625-99 Brüssel 172, Avenue de Cortenoergh B-1 000 Brüssel Tel. +32 2 74003-20 Fax +32 2 74003-29 Leipzig Mazartstraße 10 D-04107 Leipzig Tel. +49 341 21378-0 Fax +49 341 21378-30 London 265 Strand London WC2R 1BH I England Tel. +44 20 740486-41 Fax +44 20 743003-06 München Maffeistraße 4 D-80333 München Tel. +49 89 2420678-0 Fax +49 89 2420678-69 Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB Sitz Sonn Partnerschaftsgesellschaft mbB AG Essen PR 1947 UST-10: OE 122128379 erheben wir hiermit sofortige Beschwerde www.redeker.de
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I I REDEI<ER SELLNER DAHS RECH'TSANWÄI.TE Seite 2 ~,J ' gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 2014, zugestellt am 14.. Febru- ar 2014 (LG Berlin 15 0 58/14) und beantragen, ~. den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 2014: (LG Berlin 15 0 58/14) abzuändern und im Wege der einstweiligen Verfügung - wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung- Folgendes anzuordnen: Den Antragsgegnern wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00- ersatzweise Ordnungshaft- oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, die Vorlage des Referats V I 5 an die Hausleitung vom 16. November 2011 zur Bewertung eines Urteils des Btmdesverfassungsgerichts vom 09. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der 5-Prozent Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG im In- ternet oder auf sonstige Art und Weise Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder zugänglich machen zu lassen. Eine Ablichtung der angefochtenen Entscheidung ist als Anlage beigefügt. Begründung: Mit Antrag vom 6. Februar 2014 hat die Antragstellerirr den Erlass einer einstweiligen Verfü- gung bei dem Landgericht Berlin beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Land- gericht Berlin ohne mündliche Verhandlung diesen Antrag zurückgewiesen. Mit der soforti- gen Beschwerde verfolgt die Antragstellerirr den ursprünglichen Antrag weiter. Das Landgericht hat den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung .2Uliickgewiesen, weil es einen Unterlassungsanspn1ch nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG mit der Begründung ver- neint hat, d\r streitgegenständpche, von den Antragsgegnern veröffentlichte Text der Antrag- " stellerin (Leitungsvorlage der Antragstellerirr vom 16. November 2011) sei nicht urheber- ' rechtlich schutzfähig. Diese Rechtauffassung des Landgerichts Berlin stellt die Antragstellerirr zur Überprüfung des Kammergerichts. Im Einzelnen: www.redeker.de
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I I REDEI<ER SELLNER Df\HS HECHTSANWÄLTE Seite 3 1. Wir verweisen zunächst zur Vem1eidung von Wiederholungen aufunsere Ausfuhrungen aus der Antragsschrift vom 6. Februar 2014. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Leitungsvorlage nicht die Anforderungen an ein Sprachwerk im Slime von § 2 Abs. 2 UrhG erfullt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass das streitgegenständliche Sprachwerk dem (rechts-)wissenschaftlichen Bereich zuzuordnen sei und sich deshalb die Prüfung der Urheberrechtschutzfähigkeit nicht ohne Weiteres auch an der Gedankenformung und- führung des dargebotenen Inhalts orientiere, sondem sich in erster Linie an der Fonn und Art der San1mlung, sowie der Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes orientiere. Im Folgenden hat das Gericht dann allerdings ausschließlich die formalen Kriterien der Unterteilung des Textes in Votum, Sachverhalt und Stellungnahme geprüft und sich mit den inhaltlichen und schöpferischen Eigenheiten des Sprachwerks nicht be- fasst. 2. Dabei hat das Landgericht übersehen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Vorla- ge keineswegs um ein (rechts-)wissenschaftliches Werk handelt, sondern um eine recht- liche und politische Bewertung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die politischen Handlungsoptionen der Bundesregierung. Das Landgericht hat es so- dann unterlassen, sich mit der Individualität des Werkes als bedeutendstem Kriterium für die Bestimmung der urheberrechtliehen Werkqualität zu befassen vgl. hierzu nur Wandtke/Bullinger-Bullinger, § 2 UrhG, ·Rdnr. 21. Der vom Landgericht angenommene Vergleich mit einem Anwaltsschriftsatz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung (BGH-I ZR 213/83) greift deshalb zu kurz, weil er den Urheberrechtsschutz des Inhalts eines Werkes außer Acht lässt Fromm!Nordemann-Nordemann/Vinck, § 2 UrhG, Rdnr. 24; Schricker!Loewenheim-Loewenheim, § 2 UrhG, Rdnr. 55. Deshalb hat auch die Gesetzesbegründung zu § 2 UrhG ausdrücklich den Inhalt eines Werks als schutzfähig bezeichnet BT-Drucks. IV/270, S. 38; Schricker/Loewenheim- Loewenheim, § 2 UrhG, Rdnr. 56. Die Schutzwirkung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG bezieht sich deshalb nicht nur auf die in erster Linie vom Landgericht geprüfte Darstellungsform, sondern auch auf den Inhalt als persönliche geistige Schöpfung www.redeker.de
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I I REDEKER SELLNER DAHS RECfn'SANWALTE Seite 4 Wandtke!Bullinger-Bullinger, § 2 UrhG, Rdnr. 48; BGH WRP 1999, 831 (833)- Tele-lnfo-CJJ; BGH GRUR 1997, 459 (460 f.)- CE-Info-Bank I. 3. Deshalb kormnt es bei der Bewertung der Schutzfähigkeit eines Sprachwerkes auch nicht nur auf die individuelle sprachliche Form, die das Landgericht zum Kern seiner Prüfung gemacht hat, sondern auch auf den Inhalt an, wenn er auf einer persönlichen geistigen Schöpfung beruht Wandtke/Bullinger-Bullinger, a.a.O., also auf die von der Gedankenführung geprägte Gestaltung der Sprache BGH GRUR 1997, 459 (460), st. Rspr. 4. Das Landgericht hat offenbar- ohne dies in dem angefochtenen Beschluss deutlich zu machen - den Schutzumfang des in Rede stehenden Werks ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 2 Abs. 1 Ziff. 7 UrhG als Darstellung wissenschaftlicher Art ge- prüft. Das lässt sich auch aus der Bezugnahme auf die Maßstäbe der "kleinen Münze" schließen, die sich im Wesentlichen mit wissenschaftlichen Darstellungen befassen Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 UrhG, Rdnr. 202 m.w.N. Dies widerspricht allerdings insoweit dem Beschluss des Landgerichts als es zunächst zutreffend festgestellt hat, dass auch Sprachwerke zu den geschützten Werken nach§ 2 Abs. I Ziff. 1 und Abs. 2 UrhG gehören. Die an sich im vorliegenden Fall aufgrund der politischen Gedankenfiihrung des streitgegenständlichen Vermerks erforderliche Prü- fung unter den Gesichtspunkten des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 UrhG hat das Landgericht Berlin aber offenbar nicht, zumindest aber nicht hinreichend vorgenommen. 5. Bei Anlegung der zutreffenden Maßstäbe für die Beurteilung der Gestaltungstiefe eines Sprachwerks im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 UrhG ergibt sich die Schutzfahigkeit der Leitungsvorlage im Sinne von§ 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG. Wie bereits in der Antragsseht1ft ausgeführt, beschränkt sich die streitgegenständliche Stellungnahme nicht auf die Auswettung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 und eine Auswahl einschlägiger Zitate aus dem Urteil. Kern der Stellungnahme sind die Interpretation und die politischen Schlussfolgerungen, die sich aus dem zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf andere Fallkonstellationen (hier Zulässigkeit einer 2,5-Prozent-Sperrklausel für Wahlen zum Europäischen Parla- ment) ergeben. Es handelt sich also nicht um eine rein deskriptive Beschreibung des Ur- www.redeker.de
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I I REDEKER SELLNER DAHS RECHTSANWÄlTE Seite 5 teils des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Zulässigkelt einer 5- Prozent-Sperrklausel, sondern gewichtet die politischen Handlungsspielräume fiir alter- native rechtliche Regelungen und enthält eigene schöpferische und individuelle Ein- schätzungen über voraussichtliche zukünftige Entscheidungen des Bundesverfassungs- gerichts, wenn es dem1 mit einem anderen Gesetz, das die Einfiihrung einer 2,5-Prozent- Sperrklausel vorsähe, befasst würde. Mitarbeiter der Ministerien, die fachjuristisch die Politik beraten und das Für und Wider von politischen Handlungsmöglichkeiten erwägen und Empfehlungen abgeben, sind da- bei in urheberrechtlich relevanter Weise verantwortlich und schöpferisch tätig. Es wäre widersprüchlich, ministeriellen Fachverstand einerseits in Politikberatung, Gesetzesvor- bereitung und im Gesetzgebungsverfahren einzubringen, dann aber den erstellten Wer- ken Schöpfungshöhe und Originalität bei Argumentation und Gedankenfiihrung abzu- sprechen. 6. Im Gegensatz zum älteren Schrifttum ist heute in Rechtsprechung und Literatur aner- kannt, dass grundsätzlich inhaltliche Werkelemente dem Urheberrechtsschutz zugäng- lich sind. Auf die Gesetzesbegründung zum Urheberechtsgesetz ist bereits oben verwie- sen worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die persön- liche geistige Schöpfung grundsätzlich auch in der Gedankenfonnung und Gedanken- fi.ihrung des dargestellten Inhalts zu sehen Schricker/Loewenhcim-Loewenheim, § 2 UrhG, Rdm. 56 m.w.N. auf die umfangreiche Rechtsprechung. Danach gilt, dass im vorliegenden Fall die Individualität, die den Urheberrechtsschutz begründet, nicht allein in der Form, sondern überwiegend auch im Inhalt und der von der Gedankenfiihrung geprägten Gestaltung der Sprache der in Rede stehenden Lei- tungsvorlage zu sehen ist, mit dem der Antragstellerin eine spezifische Handlungsemp- fehlung angeraten wird. Unabhängig von der Befassung mit dem Urteil des Bundesver- fassungsgerichts vom 9. November 2011 enthält der Vermerk nämlich eine - keines- wegs unumstrittene- inhaltliche Bewertung, die in einer politischen Handlungsempfeh- lung für ein mögliches künftiges Gesetzgebungsverfahren mündet. 7. Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des in Rede stehenden Sprachwerkes ergibt sich auch aus folgender Erwägung: Die Schlussfolgerungen der Verfasser hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit einer Sperrklausel im Buropawahlgesetz ist in der Öffentlich- keit mit Interesse wahrgenommen, weithin zitiert und Auslöser fiir Kritik daran gewe- sen, dass sich der Gesetzgebertrotz fachlich-juristischer Bedenken im Gesetzgebungs- www.redeker.de
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I I REDEKER SELLNER DAHS HECHTSANWÄLTE Seite 6 verfahren für eine Sperrklausel im Buropawahlgesetz von drei Prozent entschieden hat. Wäre die Vorlage inhaltlich olme Schöpfungs- und Gestaltungstiefe gewesen, hätte sich die Öffentlichkeit nicht für sie interessiert und wären im Bundesministerium des lnnem nicht im Anschluss an die Veröffentlichung der Vorlage in "Frag-den-Staat.de" über 170 IFG-Anträge auf Herausgabe des internen Dokuments eingegangen. 8. Die in Rede stehende Leitungsvorlage unterliegt deshalb dem Urheberrechtsschutz ge- mäߧ 2 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 UrhG, sodass der Unterlassungsanspruch gemäߧ 97 Abs. 1 UrhG gegeben ist. Dabei sei nochmals darauf hingewiesen, dass - anders als es die Anspruchsgegner vor- prozessual und öffentlicl1 behauptet haben - die Inanspruchnahme des Urheberrechts- schutzes keine Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeutet. Gegen die Mitteilung des Inhalts der Vorlage im "Spiegel" ist die Antragstellerio nicht vorgegangen. Sie hat sich auch nicht gegen die individuelle Herausgabe der Vorlage nach dem IFG gewehrt, je- doch den Antragsgegnern die Veröffentlichung untersagt. Der das Veröffentlichungs- verbot enthaltene IFG-Bescheid (Anlage AST 7) ist bestandskräftig. Für eine Durchset- zung dieses Verbots stehen öffentlich-rechtlich keine kurzfristig wirksamen Hand- lungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Ahmahnung und Rechtsdurchsetzung durch Einstweilige Verfügung oder vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung ist bei unrechtmäßigen Veröffentlichungen im Internet eine bewährte und effektive Form des Rechtsschutzes. Wie bereits im erstinstanzliehen Verfahren bitten wir darum, uns vom Erlass der cinstweili~ gen Verfügung oder bei etwaigen Bedenken gegen den Erlass vorab telephonisch zu benach- richtigen (030 ). Das Landgericht ist dieser Bitte nicht nachgekommen. Rechtsanwalt Verteiler Gericht l~fach perTelefaxvorab sowie 5-fach perPost www.redeker.de
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Ausfertigung 1 1' "j, ITiJ u. f l. F 2014 I< Landgericht Berlin Beschluss Geschäftsnummer: 15 0 58/14 11.02.2014 ln dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen VerfOgung der Bundesrepublik Deutschland, vertretend. d. Bundesministerium des lnnern, Alt-Moabit 101 d, 10559 Berlin, Antragstellerin, - Veffahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Redeker Sellner Dahs, Leipzlger Platz 3, 10117 Berlin,- gegen 1. den Open Knowledge Foundation Deutschlanden e.V. , vertreten d. d. Vorstand (namentlich nicht benannt), Schlesische Straße 6, 10997 Berlin, 2. Knowledge Foundation Deutschland e.V., Schlesische Straße 6, 10997 Berlin, Antragsgegner, '·. •, hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin am 11 . Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Meyer-Schäfer und die Richter am Landgericht Görke und Raddatz be- schlossen: AVR1
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