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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Schreiben eines Staatssekretäres an den Minister zum Kauf von Selbsttötungsarznei in „extremen Notlagen“ Schwerstkranker

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AR Bundesministerium
für Gesundheit

Bundesministerium für Gesundheit, 53107 Bonn Lutz Stroppe

Präsident des Bundesinstituts für Staatssekretär

Arzneimittel und Medizinprodukte
Herrn Prof. Dr. Karl Broich
Kurt-Georg-Kiesinger Allee 3 TEL +49 (0)228 99 441-1030
53175 Bonn FAX +49 (0)228 99 441-4903
E-MAIL poststelle@bmg.bund.de

HAUSANSCHRIFT Rochusstraße 1, 53123 Bonn’
POSTANSCHRIFT 53107 Bonn

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Berlin, 27, Juni 2018

Sehr geehrter Herr Präsident, dr 4 w AP a Iri /

Bürgerinnen und Bürger haben beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) Anträge auf Erteilung von betäubungsmittelrechtlichen Erwerbserlaubnissen jeweils
für eine letale Dosis eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung gestellt. Nach
intensiver Beratung im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) möchten wir Sie hiermit
bitten, solche Anträge zu versagen. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Selbsttötungs-
handlungen durch die behördliche, verwaltungsaktmäßige Erteilung von Erlaubnissen zum

Erwerb des konkreten Suizidmittels aktiv zu unterstützen.

Die Erteilung einer Erwerbserlaubnis für Betäubungsmittel nach $ 3 nach Absatz 1 Nummer 1
Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist zum Zweck der Selbsttötung gerade nicht mit dem Zweck
des BtMG vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzu-

stellen.

Würde man die Regelung des $ 5 Absatz 1 Nummer 6 BtMG dahingehend auslegen, dass der
Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes, die not-
wendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, ausnahmsweise vereinbar
sei, wenn sich die / der suizidwillige Erwerber{in) wegen einer schweren und unheilbaren
Erkrankung in einer extremen Notlage befinde, so würde dies bedeuten, dass die Beendigung
des Lebens als therapeutischen Zwecken dienend angesehen würde. Eine Selbsttötung kann

jedoch keine Therapie sein.
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Eine solche Entscheidung wäre nicht zu vereinbaren mit den Grundwerten unserer Gesell-
schaft wie auch mit den Grundwertungen des Deutschen Bundestages, auf denen die Neure-
gelung des $ 217 Strafgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäfts-
mäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3. Dezember 2015 beruht. Der parlamentarische
Gesetzgeber hat sich hier ausdrücklich dagegen ausgesprochen, die Legitimität der Suizidas-
sistenz an die Erfüllung materieller Kriterien - wie schweres und unerträgliches Leiden - zu

knüpfen.

Die Mehrheit des Deutschen Ethikrats empfiehlt in seiner ad-hoc-Empfehlung vom 1. Juni
2017 „Suizidprävention statt Suizidunterstützung. Erinnerung an eine Forderung des Deutschen
Ethikrates anlässlich einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts“, „entgegen der vom
Bundesverwaltungsgericht vorgeschlagenen problematischen Neuausrichtung des normativen
Ordnungsrahmens, an dem zuletzt noch einmal legislativ bekräftigten ethischen Grundgefüge
festzuhalten und nicht der gebotenen Achtung individueller Entscheidungen über das eigene

Lebensende eine staatliche Unterstützungsverpflichtung zur Seite zu stellen“.

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Um die Versorgung von Menschen am Lebensende zu bessern und Schmerzen zu lindern, hat
der Gesetzgeber im Übrigen nach intensiven Diskussionen im Jahr 2015 zu Fragen der palliati-
ven und hospizlichen Versorgung neue gesetzliche Regelungen beschlossen, mit denen diese
Hilfen ausgebaut werden. Der Lebensschutz wird in Bezug auf schwerkranke oder leideride
Menschen unter anderem realisiert durch alle Maßnahmen, die im Rahmen der Gesundheits-
versorgung und Pflege, der Hospiz- und Palliativversorgung sowie der Suizidprävention erfol-

gen.

Zu den verfassungsrechtlichen und rechtlichen Fragestellungen darf ich ergänzend auf das
von Ihrem Haus in Auftrag gegebene Rechtsgutachten des Verfassungsrechtlers und ehema-
ligen Bundesverfassungsrichters Prof. Dr. Dr. Di Fabio verweisen, welches ich hiermit vollum-

fassend in Bezug nehme. Die Ergebnisse des Gutachtens entsprechen unserer Einschätzung.
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Angesichts der grundlegenden und weitreichenden, insbesondere verfassungsrechtlichen Fra-
gen in diesem Zusammenhang kann und darf nach unserer Überzeugung durch eine deutsche
Verwaltungsbehörde auf Bundesebene keine staatliche Entscheidung dahingehend getroffen
werden, die Tötung eines Menschen durch Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des konkre-

ten Suizidmittels zuzulassen und diese damit aktiv zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

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