12 S 17.19 Beschluss - Anonymisiert

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Abschrift OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS OVG 12 S 17.19 VG 9 L 221/19 Potsdam In der Verwaltungsstreitsache hat der 12. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plü- ckelmann und die Richter am Oberverwaltungsgericht Böcker und Dr. Raabe am 6. März 2020 beschlossen: -2-
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-2- Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. April 2019 wird geändert. Die Anträge der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tragen hat. Der Wert des Streitgegenstandes des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf 5.000,00 EUR, der des Verfahrens zweiter Instanz auf 10.000,00 EUR fest- gesetzt. Gründe Die Beschwerde hat Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das die Überprüfung im Beschwerdeverfahren bestimmt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses. I. Der Hauptantrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist als Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Altn. 1 VwGO) statthaft und auch sonst zulässig. Dem Widerspruch der Antragstellerin kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG keine aufschiebende Wirkung zu. Der von dem Antragsgeg- ner mit Bescheid vom 1. März 2019 dem Beigeladenen gewährte Informationszu- gang zu den Kontrollberichten vom 31. Juli und 21. März 2018 betrifft Daten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Der Beigeladene hat mit seiner Frage nach „Beanstandungen“ und der für diesen Fall erbetenen Herausgabe des entsprechen- den Kontrollberichts eine Informationsgewährung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG beantragt. Die „Beanstandungen“ sollten nach seinem Antrag ausdrücklich unzu- lässige Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittel- gesetzbuchs oder anderer geltender Hygienevorschriften betreffen. Der Antrags- gegner hat nach der Begründung des angegriffenen Bescheides auch aufgrund des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) VIG über dieses Begehren entschieden (dazu OVG Lüne- burg, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 2 ME 707/19 - juris Rn. 6; VGH Mannheim, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 1891/19 - juris Rn. 4). Es ist zudem -3-
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-3- unstreitig, dass in den Kontrollberichten Feststellungen über Mängel getroffen wor- den sind und eine Frist zur Beseitigung der Mängel gesetzt worden ist. Die Annahme, dem Rechtsbehelf der Antragstellerin komme aufschiebende Wir- kung nach § 80 Abs. 1 VwGO zu, weil § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG voraussetze, dass der Antrag auf Informationsgewährung von vornherein ausschließlich auf Auskünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG ziele (vgl. VG Stade, Beschluss vom 1. April 2019 – 6 B 380/19 - ), ist weder mit dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG vereinbar, noch mit dem gesetzlichen Zweck, bei Rechtsverstößen wegen des überragenden Inte- resses der Öffentlichkeit an einer schnellen Information die sofortige Vollziehbarkeit gesetzlich anzuordnen (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 18). II. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Bei der Entscheidung nach § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO sind die gegenläufigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Erweist sich der angefochtene Verwal- tungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse die gegenläufigen privaten und/oder öffentlichen Vollzugsinteressen. Bei offensichtlicher Erfolglosigkeit des Rechtsmittels in der Hauptsache behauptet sich auch bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung regel- mäßig das Vollzugsinteresse des Begünstigten (vgl. Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 80a Rn. 32 m.w.N). Ist hingegen bei summarischer Prüfung der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht offensichtlich, sind die einander gegen- über stehenden Interessen zu gewichten. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen (vgl. OVG Müns- ter, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 - juris Rn. 8 m.w.N.). Danach ist der Antragstellerin vorläufiger Rechtsschutz nicht zu gewähren. 1. In die Interessenabwägung ist einzustellen, dass der angegriffene Bescheid vo- raussichtlich rechtmäßig ist. a) Die Antragstellerin geht zu Unrecht davon aus, dass die Gewährung des Infor- mationszugangs bereits verfahrensfehlerhaft sei, weil der Antragsgegner gegen- über dem Beigeladenen keinen auch ihr bekannt zu gebenden Grundbescheid nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VIG erlassen habe, mit dem ihm mitgeteilt worden sei, wo, wann -4-
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-4- und auf welche Art seinem Antrag stattgegeben werde, um erst in einem zweiten Schritt den Realakt der Informationsgewährung zu vollziehen. Der Antragsgegner hat den Beigeladenen und die Antragstellerin ausweislich der Verwaltungsvorgänge mit Bescheiden vom 1. März 2019 über die Informationsgewährung und die Art der Informationsgewährung informiert und klargestellt, dass eine Informationsgewäh- rung nach Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung der Bescheide durch postali- sche Übersendung der Dokumente erfolge. Den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 und 3, Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 und 3 VIG genügt dies. b) Der dem Beigeladenen gewährte Informationszugang dürfte auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden sein. Die vom Verwaltungsgericht und der Antrag- stellerin insoweit als offen bezeichneten Rechtsfragen sind zwischenzeitlich in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung weitgehend geklärt. (aa) Bei den streitgegenständlichen Kontrollberichten handelt es voraussichtlich um Daten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) VIG. Ausreichend ist insoweit, dass die zu- ständige Behörde eine Abweichung von den Anforderungen der dort genannten Re- gelungen unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvor- schriften abschließend festgestellt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 - juris Rn. 32; OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 9; OVG Münster, a.a.O., Rn. 13 ff.; VGH München, Urteil vom 16. Februar 2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 47). Davon ist hier auszugehen. Die Kontrollberichte stellen kein von der An- tragstellerin angenommenes bloßes Behördeninternum dar, das - primär auf der Basis naturwissenschaftlich-analytischer Erkenntnisse beruhend - lediglich die Vor- stufe zu einer Beanstandung darstellen könne. Der Antragsgegner hat insoweit dar- gelegt, dass in den Kontrollberichten Mängel festgestellt worden seien, angeordnet worden sei, dass der vorgefundene Zustand zu ändern sei und eine Frist zur Be- seitigung der Mängel gesetzt worden sei. Zur Verdeutlichung hat er auf das ver- wendete Formular „Amtliche Lebensmittelüberwachung Kontrollbericht/Mängelpro- tokoll“ hingewiesen. Dieses ist dergestalt strukturiert, dass die angewendeten Kon- trollkriterien auszuwählen sind, Feststellungen, Mängel und Verstöße zu nennen sind und eine Beseitigungsfrist anzuordnen ist. Bereits diese Vorgaben bringen es mit sich, dass eine tatsächliche Feststellung hinsichtlich eines vorgefundenen Zu- stands getroffen und diese Feststellung rechtlich bewertet, das heißt als (Rechts- )Verstoß oder Nicht-(Rechts-) Verstoß (dazu BT-Drs. 17/7374, S. 15) qualifiziert -5-
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-5- wird. Insbesondere machen die Aufforderung, die Mängel innerhalb einer gesetzten Frist zu beseitigen, und die in dem Kontrollbericht enthaltene Rechtsbehelfsbeleh- rung deutlich, dass aus Sicht des Antragsgegners eine abschließende Beurteilung der Sach- und Rechtslage erfolgt war (vgl. OVG Münster, a.a.O. Rn. 15). Der Einwand der Antragstellerin, die in den Kontrollberichten getroffenen Feststel- lungen enthielten keine Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen worden seien, überzeugt nicht. Es mag entsprechend dem Vortrag der Antragstellerin wünschens- wert sein, dass in einem Kontrollbericht auch die Rechtsvorschriften zitiert werden, von denen abgewichen worden sein soll; einer ausdrücklichen – schriftlichen – Zu- ordnung eines Verstoßes zu bestimmten Rechtsnormen bedarf es jedoch nicht (vgl. OVG Münster, a.a.O. Rn. 15). Nach der Gesetzesbegründung muss lediglich eine „Abweichung von Rechtsvorschriften“ überhaupt festgestellt werden (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 15 unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vom 29. April 2004, ABL. L 165 vom 30. April 2004, S. 1; darauf ebenfalls hinweisend OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 11). Auch die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 30 ff.) notwen- dige abschließende aktenkundige Feststellung der Verstöße unter Würdigung des Sachverhalts und einschlägiger Rechtsnormen soll lediglich vermeiden, dass juris- tisch noch nicht von der zuständigen Stelle tatsächlich und rechtlich gewürdigte Informationen bereits zum Gegenstand eines Informationsbegehrens gemacht wer- den können (vgl. OVG Münster, a.a.O. Rn. 15). Dies bedingt jedoch nicht die schrift- liche Wiedergabe bestimmter Rechtsnormen. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass der Zugang zu Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG von einer bestandskräftigen Abweichungsfeststellung abhinge, an der es fehle, ist bereits nicht erkennbar, auf Grund welcher Umstände die in den Kontrollberichten enthaltenen Verfügungen entgegen der Äußerung des Antragsgegners nicht bestandskräftig geworden sein sollen. Im Übrigen ist zwi- schenzeitlich höchstrichterlich geklärt, dass eine nicht zulässige Abweichung im Sinne der vorgenannten Regelung nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 30). Auch eines von der Antragstellerin verlangten rechtskräftigen Bußgeldbescheides bedarf es nicht (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 27). -6-
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-6- Die Antragstellerin kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG notwendigen Feststellungen sich nicht auf ein situatives Phänomen beziehen dürften, sondern es sich um strukturelle Fehler handeln müsse, die einen Verstoß gegen eine Norm begründen würden, und es sich um Mängel handeln müsse, die einen Bezug zu Lebensmitteln hätten und insofern Grund für eine Beanstandung gäben. Es erscheint mit Blick auf die anzunehmende Bestandskraft der Mängelfeststellung in den Kontrollberichten bereits zweifelhaft, ob die Antragstellerin sich noch mit Erfolg darauf berufen kann, dass dort Mängel festgestellt worden seien, obwohl keine Abweichung von maßgeblichen Rechtsvor- schriften des Lebensmittelrechts gegeben war. Vorsorglich sei in diesem Zusam- menhang auch darauf hingewiesen, dass es dem Gesetzeszweck, dem Marktteil- nehmer eine umfassende Informationsgrundlage zu geben (BT-Drs. 17/7374, S. 2), entspricht, auch von Verstößen zu erfahren, die nicht unmittelbar zu Gesundheits- gefährdungen führen (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 13). Im Übrigen dürfte der Ein- wand der Antragstellerin nicht tragen, weil dem Verbraucher nach dem Gesetzes- zweck die Informationen ungefiltert zugänglich gemacht werden sollen (BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. juris Rn. 15; Beschluss vom 15. Juni 2015 – 7 B 22.14 – juris Rn. 10) und die informationspflichtige Stelle nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VIG nicht verpflichtet ist, die inhaltliche Richtigkeit der Information zu prüfen. Es besteht nach § 6 Abs. 4 Satz 1 VIG lediglich ein Anspruch des Dritten auf unver- zügliche Berichtigung, wenn sich die zugänglich gemachte Information im Nach- hinein als falsch oder die zugrunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergege- ben herausstellen. Ferner erscheint es auch mit Blick auf die nach dem Verbrau- cherinformationsgesetz mögliche Außenwirkung einer Abweichungsfeststellung wenig wahrscheinlich, dass die Antragstellerin gegen eine bei einer Lebensmittel- überwachung getroffene Feststellung von Mängeln, die mit einer Aufforderung zu einer fristgebundenen Beseitigung und Rechtsbehelfsbelehrung verbunden war, keinen Widerspruch einlegen würde, wenn kein hinreichender Grund für eine Be- anstandung gegeben war. Ein von der Antragstellerin geforderter Produktbezug der Informationen ist ebenfalls nicht Voraussetzung des Informationsanspruchs nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 23 ff.) -7-
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-7- (bb) Die Herausgabe der Kontrollberichte leidet entgegen der Auffassung der An- tragstellerin auch nicht an einer unverhältnismäßigen Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG, an dessen Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 41 ff.). Es bestehen keine Bedenken, dass die Herausgabe der Kontrollberichte geeignet ist, den Gesetzeszweck zu erfüllen. Das Verbraucherinformationsgesetz dient der Transparenz staatlichen Handelns und dem ungehinderten Zugang zu Informatio- nen, um den Marktteilnehmern eine eigenverantwortliche Entscheidung am Markt zu ermöglichen (BT-Drs. 17/7374, S. 2). Die umfassende Information des Verbrau- chers soll dabei gewährleistet sein (BT-Drs. 16/5404). Die Herausgabe der hiesigen Kontrollberichte, in denen Mängel bei der Lebensmittelüberwachung durch die zu- ständige Behörde festgestellt und von dieser Anordnungen zur Beseitigung der Mängel mit Fristsetzung erlassen worden sind, ist danach geeignet, den Gesetzes- zweck zu erfüllen. Der Einwand der Antragstellerin, Kontrollberichte richteten sich an ein Fachpublikum, das die Relevanz von in den Berichten beschriebenen Situa- tionen erkenne, so dass nur die Herausgabe einer kommentierten Wiedergabe tat- sächlicher Feststellungen geeignet sei, den Zielsetzungen des Gesetzes zu genü- gen, überzeugt nicht. Gemäß dem gesetzgeberischen Leitbild des mündigen Ver- brauchers sollen bei der Behörde vorhandene Informationen grundsätzlich ungefil- tert zugänglich werden (BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 15). Dass Marktteilnehmer möglicherweise noch besser durch umfassendere Informationen in die Lage versetzt werden könnten, eine Entscheidung am Markt zu treffen, steht der Geeignetheit der Herausgabe der hiesigen Kontrollberichte nicht entgegen. Es bestehen ferner keine Bedenken, dass deren Herausgabe erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 50 zur Erforderlichkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG). Dies gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der weiteren Veröffentlichung der Informationen im Internet. Ihr Einwand, es bestehe eine Pflicht zur Veröffentlichung von relevanten Hygiene- verstößen und sonstigen lebensmittelrechtlichen Abweichungen bereits aufgrund von § 40 Abs. 1a LFGB, überzeugt bereits deshalb nicht, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Bezug auf die hier in den Kontrollberichten festgestellten Mängel eine Information nach § 40 Abs. 1a LFGB erfolgt ist. Im Übrigen wird durch die Pflicht zur Information nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht das gesetzgeberische Ziel -8-
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-8- des Verbraucherinformationsgesetzes, dem Verbraucher ein Informationszugangs- recht zu gewähren, erreicht. Die Herausgabe der Kontrollberichte ist schließlich auch angemessen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht dem ebenfalls nicht entgegen, dass hier die gewährte Information im Internet auf den Internetplattformen „Topf Secret“ und „FragDenStaat“ veröffentlicht werden soll. Zwar mag insbesondere durch eine Wei- terverwendung der Information im Internet die mittelbar-faktische Wirkung der Ver- breitung der Information durch Private für die Berufs- und Eigentumsfreiheit der Antragstellerin deutlich werden. Dies steht der Verfassungsmäßigkeit einer Heraus- gabe jedoch nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 47 ff.; OVG Münster, a.a.O. Rn. 59; VGH Mannheim, Beschlüsse vom 13. Dezem- ber 2019 – 10 S 2614/19 – juris Rn. 16 f. und – 10 S 1891/19 – juris Rn. 39 f.). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Gesetzge- ber unter anderem mit § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 und 2 VIG Schutzvorkeh- rungen geschaffen hat, die auch hier ausschließen, dass durch die Veröffentlichung der Kontrollberichte für die Antragstellerin unzumutbare Folgen zu erwarten sind (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 52; OVG Münster, a.a.O. Rn. 57). Im Übrigen stünde die Verweigerung der Herausgabe der Kontrollberichte mit Blick auf die beabsichtigte Verwendung kaum mit § 2a IWG in Einklang, nach dem die einem Zugangsanspruch unterliegenden Informationen grundsätzlich weiterverwendet werden dürfen (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 2614/19 - juris Rn. 17). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin widerspricht die Informationserteilung vor dem Hintergrund der von ihr angenommenen Veröffentlichung der Kontrollbe- richte im Internet auch nicht dem Geist des Gesetzes. Vielmehr steht es mit dem Gesetzeszweck in Einklang, wenn ein Verbraucher die erhaltenen Informationen mit anderen teilt und der Öffentlichkeit zugänglich macht (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 14). Sofern die Veröffentlichung für die Antragstellerin zu negativen Fol- gen führt, wird dies zudem dadurch relativiert, dass sie die negativen Öffentlich- keitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - juris Rn. 36; BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O., juris Rn. 50 m.w.N.). Der Einwand der Antragstellerin, mit Blick auf zu § 40 Abs. 1a LFGB ergangene Rechtsprechung (u.a. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, a.a.O.) bedürfe die -9-
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-9- Veröffentlichung nicht gefahrbezogener Informationen der Lebensmittelüberwa- chung einer Grenzziehung, begründet keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Her- ausgabe der Kontrollberichte. Die aktive staatliche Informationstätigkeit und die an- tragsgebundene Informationsgewährung gegenüber den Marktteilnehmern unter- scheiden sich so erheblich, dass eine unbesehene Übertragung der für eine aktive staatliche Informationstätigkeit geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen auf den hiesigen Fall der bloßen Informationsgewährung ausscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 47 ff., OVG Münster, a.a.O. Rn 49; OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 15; VGH Mannheim, Beschluss vom 13. Dezember 2019 – 10 S 2614/19 - juris Rn. 24 f.; offen insoweit OVG Koblenz, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 10 B 11634/19 – juris Rn. 8; OVG Hamburg, Beschluss vom 14. Oktober 2019 – 5 Bs 149/19 – juris Rn.11 ff.). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass anders als bei amtlichen Veröffentlichungen einer Be- hörde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, a.a.O. Rn. 58) bei privaten Ver- öffentlichungen auf Internetplattformen erwartet werden kann, dass alte Einträge als weniger relevant wahrgenommen werden. Die bereits angeführten Schutzvor- kehrungen des Verbraucherinformationsgesetzes reichen insoweit aus, unzumut- bare Folgen der Veröffentlichung einer Information auszuschließen (so ausdrück- lich BVerwG, Urteil vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 52). (cc) Es ist schließlich nicht davon auszugehen, dass der Antrag des Beigeladenen rechtsmissbräuchlich ist. Durch § 4 Abs. 4 VIG soll der informationspflichtigen Stelle eine angemessene Reaktion auf überflüssige Anfragen sowie auf querulatorische Begehren ermöglicht werden (vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12). Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag des Beigeladenen eine dieser Voraussetzungen erfüllt, bestehen nicht. Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Beigeladene habe seinen An- trag über die benannte Internetplattform gestellt, die es ermögliche, nicht über- dachte, massenhaft auch mit falschen Namen versehene Anträge zu stellen oder sich als staatliche Organe auszugeben, überzeugt dies bereits deshalb nicht, weil keine Zweifel an der Identität des Beigeladenen bestehen, der sich zudem mit der Weitergabe seiner personenbezogenen Daten einverstanden erklärt hat. Anhalts- punkte dafür, dass sein Antrag Teil einer massenhaft gestellten Anfrage in Bezug auf die in dem betreffenden Unternehmen der Antragstellerin durchgeführten letz- ten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen ist, bestehen ebenfalls nicht. - 10 -
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- 10 - Der Umstand allein, dass die Informationen über das Internet weiter verwendet wer- den sollen, begründet keine Rechtsmissbräuchlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2019, a.a.O. Rn. 22). (dd) Die Herausgabe der Kontrollberichte verstößt ferner nicht vor dem Hintergrund der geltend gemachten Veröffentlichung auf den benannten Internetplattformen ge- gen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip. Entgegen der Annahme der Antrag- stellerin überträgt der Antragsgegner mit der Herausgabe der Kontrollberichte keine hoheitlichen Handlungsrechte an private Stellen. Die von der Antragstellerin inso- weit angeführte materielle Privatisierung setzt voraus, dass die Verwaltung auf die Wahrnehmung einer Aufgabe gänzlich verzichtet und die Erledigung der Privatwirt- schaft überlässt (Kopp/Schenke, VwVfG, 18. Aufl., Einf. I Rn. 88). Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen vorliegen, bestehen nicht. 2. Die Interessenabwägung führt auch im Übrigen nicht zu einem überwiegenden Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Zu beachten ist insoweit, dass der Gesetzgeber in § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG für die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG genannten Fälle den Sofortvollzug angeordnet hat, so dass Widerspruch und Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschie- bende Wirkung haben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen gegen § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG keine aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 1891/19 -, juris Rn. 9 m.w.N.; OVG Münster, a.a.O. Rn. 100; Heinike, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittel- recht, Stand: Juli 2019, § 5 VIG Rn. 16, Schoch, NVwZ 2012, 1497, 1500). Der Gesetzgeber kann im öffentlichen Interesse die gesetzliche Suspensionsautomatik des § 80 Abs. 1 VwGO durchbrechen (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 – 1 BvR 2025/03 - juris Rn. 19). Zu dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutz gegen Akte öffentlicher Gewalt zählt auch das gerichtliche Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ei- nes Widerspruchs. Dass der Gesetzgeber es als sachgerecht angesehen hat, bei Informationen über Rechtsverstöße die sofortige Vollziehbarkeit der Verwaltungs- - 11 -
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