Klageerwiderung Bundesregierung G20

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REDEKER | SELLNER | DAHS  Rechrsanwärre

REDEKER SELLNER DAHS | Leipziger Platz 3 | 10117 Berlin Rechtsanwalt Gernot Lehr

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Berlin, den 19. Oktober 2017 Reg.-Nr.: 85/02341-17

In der Verwaltungsstreitsache

J. Bundesrepublik Deutschland

- VG 27 K 516.17 -

wird namens und im Auftrag der Beklagten beantragt,
1) die Klage abzuweisen;

2) die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.

Begründung:

Die Klage ist unbegründet. Der Entzug der Presseakkreditierung des Klägers für
den G20-Gipfel in Hamburg durch die Beklagte vom 07.07.2017, dem Kläger
bekanntgegeben am 07.07.2017 durch Vollzugsbeamte des Bundeskriminalamts
(im Folgenden: BKA), war rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen Widerruf
der Akkreditierungsentscheidung gemäß $ 49 Abs. 2 VwVfG lagen vor.

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R E D E K E R 5 B IL N E R DA H 5 RECHTSANWÄLTE

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Im Einzelnen:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Entzugs einer Presseakkreditierung des
Klägers für den G20-Gipfel in Hamburg.

1.

a)

Erteilung der Presseakkreditierung durch die Beklagte

Am 07. und 08.07.2017 fand in Hamburg der durch die Beklagte organisierte G20-
Gipfel statt. Für die Presseberichterstattung über den G20-Gipfel wurde in den Ham-
burger Messehallen das Internationale Medienzentrum (IMC) eingerichtet. Zugang
zum IMC sowie zu allen weiteren Austragungsorten des G20-Gipfels einschließlich
zahlreicher Hotels, in denen Gipfelteilnehmer untergebracht waren, wurde nur gegen
Vorlage einer entsprechenden persönlichen Akkreditierung gewährt. Verantwortlich für
das Akkreditierungsverfahren von Journalisten war für die Beklagte das Presse- und In-

formationsamt der Bundesregierung (im Folgenden: BPA).

Das Akkreditierungsverfahren verlief wie folgt: Journalisten, die am G20-Gipfel teil-
nehmen wollten, konnten sich in der Zeit vom 03.04.2017 bis zum 23.06.2017 online
registrieren und die Erteilung einer Akkreditierung beantragen. In der Zeit ab dem
24.06.2017 war die Beantragung einer Akkreditierung in sog. Nachakkreditierungsver-
fahren möglich, deren Prüfungsumfang sich von den regulären Verfahren nicht unter-
schied.

Die Entscheidung über die Akkreditierungsersuchen der Journalisten erfolgte in einem
zweistufigen Verfahren. Zunächst wurde durch das BPA die Journalisteneigenschaft
überprüft. Auf der zweiten Stufe des Akkreditierungsverfahrens fragte das BPA beim
Bundeskriminalamt etwaige Sicherheitsbedenken ab. Die Journalisten hatten insoweit
bei der Antragstellung eingewilligt, dass ihre personenbezogenen Daten vom BPA an
das BKA weitergegeben werden. Bei der Prüfung des BKA, ob in Bezug auf die jewei-
ligen Antragsteller Sicherheitsbedenken bestehen, bezog das BKA entsprechend der
gewöhnlichen Verwaltungspraxis Einträge aus polizeilichen Verbunddateien und Er-
kenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (im Folgenden: BfV), des Landes-
kriminalamtes (LKA) Hamburg sowie anlassbezogen (z.B. dann, wenn Dateieinträge
unvollständig oder nicht hinreichend aussagekräftig erschienen) Erkenntnisse weiterer
Landeskriminalämter (LKÄ) ein. Dieser Prüfumfang ist bei sämtlichen Akkreditie-

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rungsanträgen und damit auch denen anderer Personen- und Berufsgruppen, die Zugang
in den unmittelbaren Sicherheitsbereich von Schutzpersonen gem. $ 5 BKAG begehren,

gleich.

Die finale Entscheidung über die Erteilung der Akkreditierungen für die Pressevertreter
lag beim BPA. Nach erfolgter Bearbeitung des Akkreditierungsersuchens und der
Rückmeldung des BKA, dass keine Sicherheitsbedenken vorliegen, erhielten die Jour-
nalisten per E-Mail ein Bestätigungsschreiben über ihre Akkreditierung. Sofern das
BKA vor Beginn des G20-Gipfels weitere sicherheitsbezogene Erkenntnisse des BfV
oder der Polizeien der Länder zu Journalisten erhielt, prüfte es in diesen Fällen erneut,
ob eine Mitteilung an das BPA über das Vorliegen von Sicherheitsbedenken unter Be-
rücksichtigung der Pressefreiheit erforderlich war. Soweit das BKA dem BPA den Aus-
schluss eines Journalisten empfahl, entschied das BPA erneut über die Akkreditierung.
Die Ausgabe der Akkreditierungsausweise erfolgte zu ausgewählten Zeiträumen zwi-
schen dem 01.07. und 08.07.2017 in Hamburg.

Insgesamt erteilte die Beklagte 5.101 personalisierte Presseakkreditierungen für den
G20-Gipfel, davon 150 im Nachakkreditierungsverfahren.

Neben den persönlichen Akkreditierungen, für die jeweils personalisierte Grundakkredi-
tierungskarten ausgehändigt wurden, war auch für den G20-Gipfel in Hamburg das sog.
Poolterminsystem vorgesehen. Bei „Pools“ handelt es sich um geführte Pressetermine
im unmittelbaren Aufenthaltsbereich von Schutzpersonen (Staatsgäste, Delegierte etc.),
hier also innerhalb der Sicherheitszone 1. Für die begrenzten Poolplätze mussten sich
die Medienvertreter gesondert bewerben. Die sogenannten Poolkarten, die die Teilnah-
me regeln, wurden ausschließlich durch das BPA vergeben. Die Poolkarten waren ent-
sprechend der üblichen Praxis nicht personalisiert. Sie wurden an einzelne Medien, aber
auch an freie Journalisten ausgegeben. Das jeweilige Medium war auf den Poolkarten
nicht zu erkennen. Sie konnten daher von allen akkreditierten Journalisten eines Medi-
ums genutzt werden. Dieses bei entsprechenden Veranstaltungen übliche System er-
möglicht den Medien eine weitgehend autonome und flexible Gestaltung des Einsatz-
plans ihrer für den G20-Gipfel persönlich akkreditierten Journalisten. Die an den Si-
cherheitsschranken des IMC und anderer Veranstaltungsorte des G20-Gipfels (z.B. der
Elbphilharmonie) gegebene Möglichkeit, die Zugangsberechtigung durch Poolkarten
elektronisch (durch einen sog. Beeper) zu steuern, war bei den Sicherheitsschranken der

16 Tagungshotels und dem Gästehaus des Hamburger Senats nicht gegeben.

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b)

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Bereits im Rahmen der Akkreditierungsverfahren übermittelte das BKA dem BPA zu
mehreren Journalisten die Information, dass Sicherheitsbedenken vorlägen. Diese resul-
tierten aus einem Datenabgleich im sog. ISA-Anred-Verfahren (IT-gestützte Sachbear-
beitung Abgleichsverfahren — AnfrageRechercheDokumentation), also einem Abgleich
mit bestimmten, im Vorfeld definierten polizeilichen Dateien. Geprüft wurden dabei vor
allem die INPOL-Datensätze, deren Datenbesitzer Bund oder Länder sind. Das BKA
fragte zudem zusätzliche Erkenntnisse des BfV und des LKA Hamburg sowie anlassbe-
zogen von weiteren Landeskriminalämtern an. In vielen Fällen lagen bis zum Ablauf
des regulären Akkreditierungsverfahrens am 23.06.2017 ausschließlich polizeiliche und
noch keine BfV-Erkenntnisse des BfV vor. Für die sicherheitsbezogene Überprüfung
durch das BKA waren die Erkenntnisse des BfV teilweise von zentraler und herausge-
hobener Bedeutung. Regelmäßig wurden dem BPA die konkreten Inhalte der jeweiligen
Sicherheitsbedenken des BKA, die aus dieser zusammengefügten Erkenntnislage resul-
tierten, nicht mitgeteilt. Das BKA teilte gegenüber dem BPA lediglich mit, dass Sicher-
heitsbedenken bestünden.

Das BPA entschied unter Zugrundelegung des jeweiligen Einzelfalls in Abwägung des
öffentlichen Interesses an der sicheren und ordnungsgemäßen Durchführung des G20-
Gipfels und der Sicherheit innerhalb des IMC sowie den anderen Veranstaltungsorten
einerseits mit dem Grundrecht der Pressefreiheit der antragstellenden Journalisten ande-
rerseits, von der Ablehnung der Akkreditierungsbegehren abzusehen. Dies zeigt, dass
eine im Vergleich zu anderen Akkreditierungsverfahren (z.B. für Service-Kräfte und
Handwerker, deren Akkreditierungsbegehren bei Sicherheitsbedenken ohne weiteres
abgelehnt wurden) eine besondere Berücksichtigung und Würdigung der grundrechtlich
geschützten pressebezogenen Tätigkeiten erfolgte. Teilweise — so u.a. auch im Fall des
Klägers — wurde mit dem BKA vereinbart, als milderes Mittel im Fall konkreter Ge-
fährdungslagen von polizeilichen oder hausrechtlichen Maßnahmen Gebrauch zu ma-
chen. Aufgrund dieser damaligen Einschätzung und der ins Auge gefassten Vorgehens-
weise wurden während des Akkreditierungsverfahrens keine Akkreditierungsanträge

von Journalisten aufgrund von Sicherheitsbedenken abgelehnt.

Der Kläger registrierte sich am 16.06.2017 in der durch die Beklagte für die G20-
Akkreditierung eingerichteten online-Datenbank und beantragte die Erteilung einer per-
sonalisierten Akkreditierung. Mit E-Mail vom 23.06.2017 wandte sich das BPA zum
Zwecke der Sicherheitsüberprüfung von insgesamt 450 Medienvertretern, zu denen
auch der Kläger gehörte, an das BKA. Das BKA übermittelte dem BPA daraufhin am

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23.06.2017 die Information, dass zu keinem der 450 Journalisten Sicherheitsbedenken
bestünden. Der Entscheidung des BKA, in Bezug auf den Kläger keine Sicherheitsbe-
denken an das BPA zu übermitteln, lag zugrunde, dass in der INPOL-Datenbank zum
Kläger keine Einträge vorhanden waren. Das BKA gelangte zu der Überzeugung, dass
allein auf Grundlage dieser sicherheitsbezogenen Informationen über den Kläger bei
Zugrundelegung der zu diesem Zeitpunkt bekannten Bewertung der Sicherheitslage eine
Verweigerung der Akkreditierung nicht geboten war. Mit E-Mail vom 23.06.2017 be-
stätigte die Akkreditierungsstelle des BPA dem Kläger die Erteilung der Akkreditie-

rung.

Anlässlich der Akkreditierungsentscheidung zu dem Journalisten, bei dem das BKA
Sicherheitsbedenken hatte, stimmten sich BPA und BKA zu der einzelfallbezogenen
Abwägung des öffentlichen Interesses an einer ordnungsgemäßen und sicheren Durch-
führung des G20-Gipfels und der Ausübung der Pressefreiheit durch die Akkreditierung
begehrenden Journalisten ab. Insbesondere die Möglichkeit etwaiger milderer Mittel in
Form polizeilicher und hausrechtlicher Maßnahmen wurde in Betracht gezogen. Im Er-
gebnis wurde vereinbart, die sicherheitsbezogene Prüfung mit besonderer Aufmerksam-
keit durchzuführen und die Ausübung der Pressefreiheit soweit wie möglich zu gewähr-
leisten. Ausschlussempfehlungen sollten durch das BKA nur ergehen, wenn die Sicher-
heitsbedenken auch durch etwaige Mindermaßnahmen nicht hinreichend beseitigt wer-

den konnten.

Nach der Vorlage weiterer sicherheitsrelevanter Erkenntnisse durch das BfV prüfte das
BKA erneut, ob gegen die Akkreditierungserteilung an den Kläger Sicherheitsbedenken
vorlagen. Hierbei wurden die Erkenntnisse von LfV Baden-Württemberg und LfV Ber-
lin einbezogen. Zu dem Kläger ergab sich dabei, dass dieser als Aktivist der linksextre-
mistischen Szene Berlins bekannt sei. Zudem engagiere sich der Kläger in bzw. habe
Kontakt zu gewaltbereiten Gruppierungen, die zu Protesten gegen den G20-Gipfel mo-
bilisierten. Das BKA sah auf der Basis dieser hinzugetretenen nachrichtendienstlichen
Erkenntnisse zumindest die Möglichkeit, dass der Kläger eine Akkreditierung für den
G20-Gipfel für Störungen der Abläufe im Sinne seiner politischen Ausrichtung nutzen
könnte. Eine Ausschlussempfehlung an das BPA erging dennoch nicht. Das BKA hielt
nach Abschluss der erneuten Sicherheitsüberprüfung am 06.07.2017 die Ergreifung po-
lizeilicher oder hausrechtlicher Maßnahmen gegen den Kläger unter Berücksichtigung

der besonderen grundrechtlichen Bedeutung der Pressefreiheit noch für ausreichend.

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Mit Datum vom 04.07.2017 übermittelte das BKA an das BPA eine Liste mit zunächst
76 Personen und den jeweiligen Empfehlungen des BKA (Zulassung, Zulassung bei
Durchführung von Mindermaßnahmen oder Ausschluss). Diese, in den Folgetagen je-
weils fortgeschriebene Liste - am 07.07.2017 umfasste die Arbeitsliste insgesamt 82
Personen - enthielt zu dem Kläger zunächst noch keine Information. Nach der Ent-
scheidung des BKA vom 06.07.2017 wurde der Kläger auf der am 07.07.2017 an das
BPA übermittelten Liste — wie die anderen akkreditierten Pressevertreter auch, zu denen
die Empfehlung zur Vornahme polizeilicher Mindermaßnahmen ergangen war — gelb

markiert.

Am 04.07.2017 wurde dem Kläger im IMC in Hamburg der personalisierte Akkreditie-

rungsausweis ausgehändigt.
Ereignisse am 06./07.07.2017 in Hamburg

Für den Abend des 06.07.2017 war die G20-kritische „Welcome-to-hell-
Demonstration“ angemeldet. Die Sicherheitsbehörden erwarteten hierzu bis zu 12.000
Teilnehmer, darunter auch gewaltbereite Demonstranten des sog. „schwarzen Blocks“.
Vorgesehen war ein Protestmarsch, der ab 19:00 Uhr vom Fischmarkt aus starten sollte.
Unmittelbar nach Beginn des Protestmarsches formierten sich unter den Demonstranten
etwa 1.000 vermummte Personen. Nachdem die Polizei weitgehend vergeblich dazu
aufgefordert hatte, die Vermummungen abzulegen, und die Beamten mit Flaschen, Stö-
cken, Eisenstangen und Latten angegriffen worden waren, erklärten die Veranstalter die
Demonstration gegen kurz vor 20:00 Uhr für beendet. In der Folge kam es zu massiven
Ausschreitungen zwischen höchst gewaltbereiten Demonstrationsteilnehmern und der
Polizei. Die Demonstranten errichteten Barrikaden und setzten mehrere PKWs in
Brand. Die hohe Gewaltbereitschaft der Demonstranten trat dabei offen zu Tage, wobei
sich die Angriffe auf Sicherheitsbeamte und die Sachbeschädigungen bis etwa 21:00
Uhr auf die Stadtteile St. Pauli und Altona ausweiteten. Im weiteren Verlauf häuften
sich zudem Übergriffe auf Geschäfte und Beschädigungen an Autos im Schanzenviertel
durch kleinere randalierende Gruppen und Einzelpersonen. Gegen 23:00 Uhr formierte
sich eine große Gruppe von Randalierern im Bereich des Bahnhofs Altona. Die Sicher-
heitslage im unmittelbaren Nahbereich der G20-Veranstaltungsorte und -

Verkehrsrouten war zusehends unübersichtlich.

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Parallel war durch die Sicherheitsbehörden die Anreise der Gipfelteilnehmer (36 Dele-
gationen mit bis zu 1.152 Delegierten) zu organisieren und zu sichern. Insgesamt befan-
den sich während des G20-Gipfels 109 Schutzpersonen in der Zuständigkeit des
BKA(darunter die weltweit am höchsten gefährdeten Staats- und Regierungschefs wie
z.B. Erdogan, Trump, Putin, Xi Jiping). Zu sichern waren neben den Hauptveranstal-
tungsorten (Messehallen und Elbphilharmonie) auch die weiteren Veranstaltungsorte
(etwa für das Partnerprogramm und die ministeriellen Treffen der Finanz- und Außen-
minister), die zahlreichen Tagungshotels sowie diverse Veranstaltungen am Rande des
G20-Gipfels, wie etwa ein Konzert in der Barclaycard Arena im Stadtteil Bahrenfeld, an
denen ebenfalls hochrangige Schutzpersonen teilnahmen. Es herrschten zeitweilig chao-
tische Verhältnisse auf den Straßen der Hamburger Innenstadt, die sich aus Sicht der Si-
cherheitsbehörden u.a. auch aufgrund der Vielzahl der Einzelveranstaltungen, der Größe
des von G20-Veranstaltungen betroffenen Gebietes und der baulichen Gegebenheiten
der Hamburger Innenstadt zu einer komplexen und singulären Sicherheitslage kumulier-
ten und die vorherigen Erwartungen - trotz umfassender Lageanalysen im Vorfeld -

nochmals in ihrer Gewaltdimension bei Weitem übertrafen.

Am 06.07.2017 leitete das BfV dem BKA nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu vier
für den G20-Gipfel akkreditierten Journalisten zu, zu denen der Kläger nicht gehörte.
Der Vermerk des BfV enthielt insbesondere Informationen dazu, dass ein die besonders
gewaltbereite Autonome Antifa Freiburg anführender Journalist im Mai 2017 den zent-
ralen Veranstaltungsort des G20-Gipfels besucht und dabei möglicherweise ausgekund-
schaftet habe. Die Gruppe um den Journalisten, der auch drei weitere ebenfalls akkredi-
tierten Journalisten angehören sollten, bildete nach den Informationen des BfV eine
linksextremistische Gruppe, deren Schwerpunkt auf der Vorbereitung von militanten
Anti-G20-Protesten in Hamburg lag. Sie seien jeweils dem gewaltorientierten Spektrum
zuzuordnen. Der Journalist betreibt im Übrigen auch die in der Zwischenzeit verbotene

linksextremistische Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ mit.

Überdies erhielt das BKA ebenfalls am 06.07.2017 von Seiten des BfV Informationen
dazu, dass sich der von Seiten der Nachrichtendienste als Rädelsführer der linksauto-
nomen Szene eingestufte akkreditierte Journalist in internen Online-Foren des Besitzes
einer Presseakkreditierung für den G20-Gipfel berühmt habe. Dies war deshalb bedeut-
sam, weil in der linksautonomen Szene schon im Vorfeld ein sog. „Action Day“ ange-
kündigt worden war. Unter diesem Begriff hatte die Szene im Vorfeld des G20-Gipfels
u.a. auf der Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ Ideen für Störaktionen jegli-

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c)

d)

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cher Art gesammelt und koordiniert. Im Rahmen der erforderlich gewordenen aktuali-
sierten Neubewertung der Sicherheitslage legte das BKA zugrunde, dass bereits kleine-
re, leicht durchzuführende Störaktionen, wie etwa der Wurf eines Schuhs oder einer Vi-
deokamera auf eine hochrangige Schutzperson, den störungsfreien Ablauf und die
Rahmenbedingungen für die Durchführung einer unbelasteten und ergebnisorientierten
internationalen Konferenz massiv beeinträchtigen würden. Eine Beeinträchtigung der
körperlichen Unversehrtheit von Schutzpersonen erschien bei Durchführung derartiger
Störaktionen im Inneren der Veranstaltungsörtlichkeiten, und damit im unmittelbaren
räumlichen Umfeld von Schutzpersonen, möglich, zumindest jedoch nicht ausgeschlos-
sen. Auch etwaige körperliche Attacken, die zu keinen oder nur geringen Verletzungen
einer Schutzperson führen würden, hätten sich auf das Konferenzklima nachhaltig nega-
tiv ausgewirkt und den Konferenzerfolg erheblich beeinträchtigen können. Hierbei wa-
ren auch die möglichen Reaktionen ausländischer Sicherheitsdienste zu berücksichtigen,
die zu einer Eskalierung der Situation hätten beitragen können. Neben den unmittelba-
ren Sicherheitsaspekten für die Schutzpersonen trat der von der Beklagten zu gewäh-
rende Funktionsschutz für den G20-Gipfel im Sinne einer belastungsfreien, effizienten
themen- und ergebnisorientierten Konferenzgestaltung. Insoweit musste auch der nega-
tive Symbolwert etwaiger körperlicher Attacken in die Sicherheitserwägungen einbezo-

gen werden.

Noch während der gewalttätigen Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Auflö-
sung der „Welcome to Hell“-Demonstration rief die Staatssekretärin im Bundesministe-
rium des Innern, Dr. Haber, am späten Abend des 06.07.2017 gegen 20:00 Uhr den Lei-
ter des BPA, Staatssekretär Seibert, an. Staatssekretärin Dr. Haber informierte über die
neuen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zu den vier Journalisten. Ferner berichtete
sie über die aktuelle Entwicklung der Sicherheitslage an den G20-Veranstaltungs-orten
und in der Hamburger Innenstadt und erklärte, dass eine Neubewertung der Sicherheits-
lage insgesamt sowie konkret für das IMC und die anderen Veranstaltungsorte, zu de-
nen die Presseakkreditierungen Zugang gewährten, erforderlich sei. Auf die nachdrück-
liche Anregung von Staatssekretärin Haber entschied Staatssekretär Seibert in einem
weiteren Telefonat, dass den o.g. vier Journalisten die Presseakkreditierung entzogen
wird. Mit E-Mail vom 06.07.2017, 21:44 Uhr, teilte das BPA dem BKA die Entzugsent-

scheidung mit.

Die sehr angespannte Sicherheitslage rund um die Veranstaltungsorte und Tagungsho-
tels des G20-Gipfels spitzte sich in der Nacht auf den 07.07.2017 weiter zu. So konnten

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hochrangige Schutzpersonen nur unter größtem Sicherheitsaufwand zu ihren Hotels be-
gleitet werden. Verschiedene Schutzpersonen hatten hierbei zum Teil ganz erhebliche
Beeinträchtigungen hinzunehmen. Die norwegische Premierministerin Solberg konnte
etwa von einem Konzert in der Barclaycard Arena nicht in ihr Hotel zurückkehren, weil
die Zufahrtzu dem im Schanzenviertel gelegenen Hotel nicht möglich war. Auch der
Generaldirektor der WHO Azev£do musste bis 1:30 Uhr in der Nacht auf einer Polizei-
station warten, weil er nicht sicher in sein Hotel zurückkehren konnte. Das Hotel befand
sich innerhalb der Zone der härtesten Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und
Sicherheitsbehörden. Die Polizeistation wurde ihrerseits noch während seines Aufent-
haltes im Gebäude von Gewalttätern angegriffen und musste durch Kräfte der Hambur-
ger Polizei zusätzlich freigeräumt und geschützt werden. . Das offizielle Abendessen
des US-Finanzministers musste lagebedingt abgesagt werden. Die Polizei konnte meh-
rere wichtige Verkehrsrouten, die dem Transport hochrangiger Schutzpersonen von ih-

rem Hotel zu den Tagungsorten dienten, wegen Sicherheitsbedenken nicht freigeben.

Am Morgen des 07.07.2017 kam es erneut zu schweren Krawallen in der Hamburger
Innenstadt, in deren Verlauf G20-Gegner u.a. diverse PKWs in Brand setzten, zahlrei-
che weitere Sachbeschädigungen begingen und Geschäfte plünderten. In dem Sicher-
heitsbereich II in unmittelbarer Nähe zum Schanzenviertel erfolgte eine Störaktion von
Greenpeace, bei der ein Ballon vom Funkturm herabgelassen wurde. Die Sicherheitsla-
ge in einigen Bereichen der Hamburger Innenstadt war zeitweilig außer Kontrolle. Pa-
rallel dazu fanden in nahezu allen Tagungshotels Pressetermine unter Beteiligung hoch-

rangiger Schutzpersonen statt.

Für 10 Uhr war am Hauptveranstaltungsort in den Messehallen das erste offizielle Gip-
feltreffen aller Staats- und Regierungschefs, der sog. „Retreat“, vorgesehen. Zu diesem
„Pooltermin“ (Eintreffen der Staats- und Regierungschefs) an der Messehalle A inner-
halb der Sicherheitszonen waren 240 Medienvertreter zugelassen. Die Polizeiführung
Hamburgs untersagte gegen 08.45 Uhr die Abfahrt der Sicherheitskolonnen von den
Tagungshotels zum Hauptveranstaltungsort in den Messehallen aufgrund massiver Stö-

rungen. Zahlreiche Fahrtstrecken waren zu diesem Zeitpunkt weitgehend blockiert.

Am Morgen des 07.07.2017 fand beim BKA eine Dringlichkeitssitzung unter Beteili-
gung des Polizeiführers der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) der Sicherungs-

gruppe des BKA statt. Dabei wurde u.a. auch die Sicherheitslage
für das IMC und die anderen Veranstaltungsorte, zu denen die Presseakkreditierungen

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Einlass gewährten, neu bewertet. Das BKA bezog zudem die neuen Erkenntnisse aus
dem Vermerk des BfV vom 06.07.2017 sowie das inzwischen bekannt gewordene Be-
rühmen eines Journalisten mit seiner Presseakkreditierung in Online-Foren in seine
Neubewertung ein. Dieser Umstand wies darauf hin, dass gerade auch mit einem geziel-
ten Hineintragen der Störaktion in das Innere der Veranstaltungsörtlichkeiten und damit
in das unmittelbare räumliche Umfeld von Schutzpersonen gerechnet werden musste.
Das BKA gelangte zu der Erkenntnis, dass die Sicherheit und ordnungsgemäße Durch-
führung des G20-Gipfels einschließlich der Presseberichterstattung nur gewährleistet
werden könne, wenn diejenigen Journalisten, zu denen Sicherheitsbedenken vorlagen,
die erteilte Akkreditierung entzogen würde. Ohne Entzug der erteilten Akkreditierungen
war nach Auffassung des BKA nicht auszuschließen, dass akkreditierte Journalisten un-
ter Verwendung der ausgehändigten nichtpersonalisierten Poolkarten Einlass in den Si-
cherheitsbereich I erhalten konnten. Das BKA ging davon aus, dass auch im IMC mit
weiteren Facetten von Störaktionen im Rahmen des sog. „Action Day“ zu rechnen sei.
Die seit dem Abend des 06.07.2017 gewonnenen Lageerkenntnisse ließen befürchten,
dass dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnende Personen mit allen nur erdenkli-
chen Mitteln versuchen würden, den Verlauf der Veranstaltung, ggf. auch von innen
heraus, zu beeinträchtigen. Allein im Wege einer Durchführung von Mindermaßnahmen
ließ sich nach Einschätzung des BKA die Sicherheit der Schutzpersonen, gerade auch
angesichts des extrem hohen Gewaltpotentials der Proteste, nicht mehr mit hinreichen-

der Sicherheit gewährleisten.

Unmittelbar im Anschluss an die Dringlichkeitssitzung kontaktierte das BKA das BPA
telefonisch und teilte seine Neubewertung der Sicherheitslage mit. Dabei wurden insbe-
sondere erhebliche Sicherheitsbedenken für das IMC und die anderen von den Presse-
akkreditierungen betroffenen Veranstaltungsorte aufgrund des Vermerks des BfV vom
06.07.2017 erörtert. Infolge der vom BKA mitgeteilten massiven Sicherheitsbedenken
bereitete der stellvertretende Chef des BPA, Ministerialdirektor Dr. Seeger, unter Ab-
wägung der widerstreitenden Interessen die Entscheidung vor, dass die ursprüngliche,
im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens getroffene einzelfallbezogene Abwägung zu
revidieren und den verbleibenden 28 Journalisten (darunter der Kläger), zu denen Si-
cherheitsbedenken seitens des BKA bestanden, die persönlichen Presseakkreditierungen
zu entziehen seien. Diese Entscheidung traf sodann Staatssekretär Seibert. Im Anschluss
erging die Weisung des Polizeiführers des BKA, allen Pressevertretern, zu denen bis-
lang die Empfehlung zur Vornahme von Mindermaßnahmen erfolgt war, ab sofort Zu-

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