Unterstützung für Gehörlose in Baden-Württemberg

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Landtag von Baden-Württemberg                                                       Drucksache 16 / 10022 16. Wahlperiode                                                                     17. 03. 2021 Kleine Anfrage des Abg. Abg. Anton Baron AfD und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Unterstützung für Gehörlose in Baden-Württemberg Kleine Anfrage Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Gehörlose gibt es nach ihrer Kenntnis aktuell in Baden-Württemberg? 2. Unter welchen Einschränkungen und/oder Erkrankungen müssen diese beson- ders häufig leiden? 3. Besteht ihres Erachtens Aufholbedarf bei der Unterstützung für Gehörlose in den Medien im Allgemeinen und in den öffentlich-rechtlichen Medien im Spezi- ellen (beispielsweise Untertitel und Dolmetscher)? 4. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um die Unterstützung der Gehörlosen zu verbessern unter Angabe, welche Möglichkeiten die Betroffe- nen haben (finanzielle Hilfen ebenso wie praktische, vgl. Frage 3)? 5. Wie steht Baden-Württemberg angesichts des nicht vorhandenen Gehörlosen- gelds im bundesweiten Vergleich nach ihrer Kenntnis da (bitte tabellarische Dar- stellung der ihr bekannten Gehörlosengelder in den Bundesländern)? 6. Aus welchem Grund gibt es in Baden-Württemberg kein Gehörlosengeld? 7. Welche zusätzlichen Kosten haben Gehörlose erfahrungsgemäß durchschnitt- lich für Ausgleichsmaßnahmen wie etwa Gebärdendolmetscher und Hörakustik unter Darlegung, wie diese zusätzlichen Kosten abgerechnet werden können? 8. Gibt es für Betroffene bei den in Frage 7 genannten oder bei anderen kosten- pflichtigen Ausgleichsmaßnahmen ihrer Gehörlosigkeit Unterstützungsmög- lichkeiten, die über eine steuerliche Absetzbarkeit hinausgehen? 9. Falls Frage 8 bejaht wird – welche Unterstützungsmöglichkeiten sind das? Eingegangen: 17. 03. 2021 / Ausgegeben: 21. 04. 2021                                                           1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet          Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich- abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente                net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Landtag von Baden-Württemberg                                                           Drucksache 16 / 10022 10. Welche neuen Entwicklungen und Positionen der Landesregierung gibt es be- züglich der Einführung eines Bundesteilhabegelds auf Bundesebene? 17. 03. 2021 Baron AfD Begründung Nachdem Drucksache 16/791 (Kleine Anfrage Palka AfD) aus dem Jahr 2016 be- reits einige Erkenntnisse zur Teilhabe von Gehörlosen und insbesondere zu einem Gehörlosengeld geliefert hat, soll die vorliegende Kleine Anfrage weitere Fakten und Positionen zu dieser und anderen Maßnahmen abfragen und aktuelle Zahlen offenlegen. Antwort Mit Schreiben vom 9. April 2021 Nr. 32-0141.5-016/10022 beantwortet das Minis- terium für Soziales und Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Gehörlose gibt es nach ihrer Kenntnis aktuell in Baden-Württemberg? In Baden-Württemberg gab es laut amtlicher Statistik des Statistischen Landes- amtes Baden-Württemberg zum 30. Dezember 2019 4.084 gehörlose Menschen. (Anm.: Die amtliche Statistik erhebt das Merkmal Taubheit und nicht Gehörlo- sigkeit.) Die Statistik verzeichnet weitere 3.689 Menschen, deren Gehörlosigkeit kombiniert ist mit Störungen der Sprachentwicklung und entsprechenden Stö- rungen der geistigen Entwicklung. Insgesamt gab es zum 30. Dezember 2019 in Baden-Württemberg 7.773 gehörlose Menschen mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 50. Weitere 33.141 Menschen sind schwerhörig mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 (Quelle: Statistisches Landesamt: Schwerbehinderte Menschen in Baden-Württemberg am 31. Dezember 2019, Sta- tistische Berichte Baden-Württemberg – K III 1 – 2j/19). 2. Unter welchen Einschränkungen und/oder Erkrankungen müssen diese beson- ders häufig leiden? Die meisten gehörlosen Menschen wurden entweder taub geboren oder haben ihr Gehör schon als Kleinkind verloren. Sie haben daher regelmäßig keinen Spracher- werb über die Lautsprache. Die Deutsche Gebärdensprache, mit der sich gehörlose Menschen in der Regel verständigen, ist eine eigenständige und anerkannte Spra- che. Sie ist jedoch über den Kreis der gehörlosen Menschen und deren Angehörige hinaus nicht so weit verbreitet, wie dies z. B. andere Fremdsprachen sind. Insofern liegen Einschränkungen gehörloser Menschen insbesondere im Bereich der Kom- munikation zwischen Gehörlosen und Hörenden vor. Eine Kompensation über die Schriftsprache ist nicht immer möglich, weil die Grammatik von Schrift- und Ge- bärdensprache sehr unterschiedlich ist. Deutsch ist für gehörlose Menschen als Schrift- und Lautsprache eine Fremdsprache. Über Erkrankungen gehörloser Menschen liegen keine Informationen vor. Es ist davon auszugehen, dass sich Erkrankungen gehörloser Menschen nicht von Er- krankungen hörender Menschen unterscheiden. 3. Besteht ihres Erachtens Aufholbedarf bei der Unterstützung für Gehörlose in den Medien im Allgemeinen und in den öffentlich-rechtlichen Medien im Spezi- ellen (beispielsweise Untertitel und Dolmetscher)? Die für die Mediengesetzgebung zuständigen Länder haben sich gemeinsam das Ziel gesetzt, durch den Ausbau barrierefreier Medienangebote allen Menschen die 2
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Landtag von Baden-Württemberg                                                         Drucksache 16 / 10022 Teilhabe am medialen Diskurs und an der Gesellschaft insgesamt zu ermöglichen. Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste enthält der im Jahr 2020 in Kraft getretene Medienstaatsvertrag hierzu wichtige Schritte. Die Länder erarbeiten derzeit darüber hinausgehende Maßnahmen. Sie haben zu- dem erklärt, dass sie angesichts der fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten von allen Medienanbietern verstärkte Anstrengungen beim Ausbau barrierefreier Angebote erwarten – ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten setzen sich in herausgehobenem Maße für die Belange gehörloser Menschen ein. Sie bieten für eine vergleichswei- se hohe Anzahl ihrer Sendungen untertitelte Angebote und Angebote in Gebärden- sprache an. Der Südwestrundfunk beispielsweise hat seine Untertitel-Quote auf 87,9 % ausgebaut und untertitelt in den zuschauerrelevanten Kernzeiten (16:00 Uhr bis 23:30 Uhr) nahezu lückenlos. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Landesmedienanstalten ha- ben im Jahr 2020 auf Bitten der Rundfunkkommission der Länder gemeinsam die Zentrale Anlaufstelle für Barrierefreie Angebote (ZABA) eingerichtet, die als eine für Menschen mit Behinderungen leicht erreichbare Online-Anlaufstelle Informa- tionen zur Barrierefreiheit in den Medien bereitstellt und Beschwerden entgegen- nimmt. 4. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um die Unterstützung der Gehörlosen zu verbessern unter Angabe, welche Möglichkeiten die Betroffe- nen haben (finanzielle Hilfen ebenso wie praktische, vgl. Frage 3)? Die Landesregierung fördert den Landesverband der Gehörlosen Baden-Württem- berg e. V. jährlich in Höhe von 130.000 Euro. In dieser jährlichen Fördersumme sind 82.200 Euro zur Finanzierung von Gebärdensprachdolmetschern und sons- tigen Kommunikationshilfen anlässlich von Elternabenden und Eltern-, Lehrer- bzw. Lehrerinnen-Gesprächen für hör- und sprachbehinderte Eltern enthalten. Zudem fördert die Landesregierung das Projekt „Gebärdensprachdolmetscher/ -innen von der Kita bis zum Abschlusszeugnis“ von 2018 bis 2021 in Höhe von insgesamt 40.000 Euro. Projektträger ist der Landesverband der Gehörlosen Ba- den-Württemberg e. V. Mit dieser modellhaften Förderung soll gehörlosen Eltern die Teilnahme an allen vorschulischen und schulischen Veranstaltungen durch die Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern er- möglicht werden. 5. Wie steht Baden-Württemberg angesichts des nicht vorhandenen Gehörlosen- gelds im bundesweiten Vergleich nach ihrer Kenntnis da (bitte tabellarische Darstellung der ihr bekannten Gehörlosengelder in den Bundesländern)? 6. Aus welchem Grund gibt es in Baden-Württemberg kein Gehörlosengeld? Es wird auf die Antwort der Landesregierung in Drs. 16/791 verwiesen. Ein Ge- hörlosengeld gibt es (Stand 2016) in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Eine erneute Umfrage unter den Ländern war inner- halb der gesetzten Frist nicht möglich. Die Landesregierung spricht sich gegen die Gewährung eines Gehörlosengeldes aus. Dies u. a. auch deshalb, weil in den letzten beiden Jahrzehnten immer wieder das Landesblindengeld als eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung einer Gruppe von Menschen mit Beeinträchtigung diskutiert worden ist. Durch die Verabschie- dung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wurde vor allem die Gewährung per- sonenzentrierter Hilfen und damit eine Gleichbehandlung aller Menschen mit Be- hinderungen sichergestellt. Im Fokus dieser gesetzlichen Neuregelung stand die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft, durch die Schaf- fung von mehr Selbstbestimmung und die Möglichkeit einer passgenauen Bedarfs- ermittlung. Die Leistungen sollen sich am persönlichen Bedarf orientieren und personenbezogen ermittelt werden. Über die Verfahren der Teilhabeplanung und der Gesamtplanung wird gesetzlich sichergestellt, dass Menschen mit Behinderun- gen die Leistungen erhalten, die sie für eine selbstbestimmte Teilhabe benötigen. Die begleitende Unterstützung – für gehörlose Menschen insbesondere auch Ge- 3
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Landtag von Baden-Württemberg                                                         Drucksache 16 / 10022 bärdensprachdolmetscher – wird durch Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe nach § 113 SGB IX sichergestellt. In § 78 Absatz 1 Satz 3 SGB IX ist zudem festgelegt, dass die Assistenzleistungen auch die Verständigung mit der Umwelt beinhalten. Zudem konnte die Proble- matik, inwieweit eigenes Einkommen und Vermögen bei der Hilfegewährung zu betrachten ist, durch die Überführung der Teilhabeleistung in das SGB IX zu einer Verbesserung der Situation für Menschen mit Behinderungen beitragen. Durch die- se Neuregelungen besteht aus Landessicht kein Bedarf mehr für spezialgesetzlich durch die Länder geregelte Zusatzleistungen. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung in Drs. 16/791 verwiesen. 7. Welche zusätzlichen Kosten haben Gehörlose erfahrungsgemäß durchschnitt- lich für Ausgleichsmaßnahmen wie etwa Gebärdendolmetscher und Hörakustik unter Darlegung, wie diese zusätzlichen Kosten abgerechnet werden können? Die Kosten für Ausgleichsmaßnahmen wie etwa Gebärdensprachdolmetscher und Hörakustik, soweit sie nicht durch die Eingliederungshilfe (vgl. Antwort auf die Fragen 5 und 6) oder andere jeweils zuständige Rehabilitationsträger abgedeckt werden, hängen stark von dem jeweiligen Einzelfall ab. Statistische Daten über die Höhe dieser durchschnittlichen Kosten liegen der Landesregierung nicht vor. 8. Gibt es für Betroffene bei den in Frage 7 genannten oder bei anderen kosten- pflichtigen Ausgleichsmaßnahmen ihrer Gehörlosigkeit Unterstützungsmöglich- keiten, die über eine steuerliche Absetzbarkeit hinausgehen? 9. Falls Frage 8 bejaht wird – welche Unterstützungsmöglichkeiten sind das? Gehörlose schwerbehinderte Menschen haben nach § 185 Abs. 5 SGB IX im Rah- men der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeits- leben Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Der Anspruch richtet sich auf die Übernahme der vollen Kosten, die für eine als notwendig festgestellte Arbeitsassistenz entstehen. 10. Welche neuen Entwicklungen und Positionen der Landesregierung gibt es be- züglich der Einführung eines Bundesteilhabegelds auf Bundesebene? Die Landesregierung hat sich im Rahmen der Weiterentwicklung der Eingliede- rungshilfe durch das BTHG nachdrücklich für ein Bundesteilhabegeld ausgespro- chen. Der Bundesgesetzgeber hat sich jedoch im BTHG-Gesetzgebungsprozess gegen ein Bundesteilhabegeld entschieden. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung in Drs. 16/791 verwiesen. Lucha Minister für Soziales und Integration 4
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