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- 31 - (4) Ein Diensteanbieter, dessen Hauptzweck es ist, sich an Urheberrechtsverletzun- gen zu beteiligen oder sie zu erleichtern, kann sich auf Absatz 2 nicht berufen. §2 Diensteanbieter (1) Diensteanbieter im Sinne dieses Gesetzes sind Anbieter von Diensten im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Par- laments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informations- gesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1), die 1.   es als Hauptzweck ausschließlich oder zumindest auch verfolgen, eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern und öffentlich zugänglich zu machen, 2.   die nach dem Urheberrecht geschützten Inhalte im Sinne der Nummer 1 organisieren, 3.   die Inhalte im Sinne der Nummer 1 zum Zweck der Gewinnerzielung bewerben und 4.   mit Online-Inhaltediensten um dieselben Zielgruppen konkurrieren. (2) Startup-Diensteanbieter sind Diensteanbieter mit einem jährlichen Umsatz inner- halb der Europäischen Union von bis zu 10 Millionen Euro und deren Dienste der Öffent- lichkeit in der Europäischen Union seit weniger als drei Jahren zur Verfügung stehen. (3) Kleine Diensteanbieter sind Diensteanbieter mit einem jährlichen Umsatz inner- halb der Europäischen Union von bis zu 1 Million Euro. (4) Für die Berechnung des Umsatzes eines Diensteanbieters nach den Absätzen 2 und 3 ist die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen anzuwenden (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36; L 334 vom 27.12.2019, S. 164). Maßgeblich ist jeweils der Umsatz des vorangegangenen Kalenderjahres. §3 Nicht erfasste Dienste Dieses Gesetz gilt insbesondere nicht für 1.   nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien, 2.   nicht gewinnorientierte bildungsbezogene und wissenschaftliche Repositorien, 3.   Entwicklungs- und Weitergabe-Plattformen für quelloffene Software, 4.   Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste im Sinne des Artikels 2 Nummer 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. De- zember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. Nr. L 321 vom 17.12.2018, S. 36), 5.   Online-Marktplätze,
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- 32 - 6.   Cloud-Dienste, die zwischen Unternehmen erbracht werden, und 7.   Cloud-Dienste, die ihren Nutzern das Hochladen von Inhalten für den Eigengebrauch ermöglichen. Teil 2 Erlaubte Nutzungen §4 Vertragliche Nutzungsrechte (1) Ein Diensteanbieter ist verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschütz- ter Werke zu erwerben. Der Diensteanbieter erfüllt diese Pflicht, sofern er Nutzungsrechte erwirbt, die ihm entweder angeboten werden oder die über eine im Inland ansässige Ver- wertungsgesellschaft oder abhängige Verwertungseinrichtung verfügbar sind. (2) Nutzungsrechte nach Absatz 1 müssen 1.   für Inhalte gelten, die der Diensteanbieter typischerweise öffentlich wiedergibt, 2.   in Bezug auf Werke und Rechtsinhaber ein erhebliches Repertoire umfassen, 3.   den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abdecken und 4.   die Nutzung zu angemessenen Bedingungen ermöglichen. §5 Maschinell nicht überprüfbare gesetzlich erlaubte Nutzungen Zulässig ist die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken und Teilen von Werken durch den Nutzer eines Diensteanbieters zu folgenden Zwecken: 1.   für Zitate nach § 51 des Urheberrechtsgesetzes, 2.   für Karikaturen, Parodien und Pastiches nach § 51a des Urheberrechtsgesetzes und 3.   für sonstige gesetzlich erlaubte Fälle der öffentlichen Wiedergabe nach Teil 1 Ab- schnitt 6 des Urheberrechtsgesetzes. §6 Maschinell überprüfbare gesetzlich erlaubte Nutzungen (1) Zulässig ist die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken und Teilen von Werken durch den Nutzer eines Diensteanbieters zu nicht kommerziellen Zwecken oder zur Erzielung nicht erheblicher Einnahmen in folgendem Umfang: 1.   bis zu 20 Sekunden je eines Films oder Laufbildes,
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- 33 - 2.   bis zu 20 Sekunden je einer Tonspur, 3.   bis zu 1 000 Zeichen je eines Textes und 4.   je eines Lichtbildwerkes, Lichtbildes oder einer Grafik mit einem Datenvolumen von bis zu 250 Kilobyte. (2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, sofern kein vertragliches Nutzungsrecht besteht, das Nutzungen nach Absatz 1 erlaubt, und es sich nicht um eine gesetzlich erlaubte Nutzung gemäß § 5 handelt. §7 Direktvergütungsanspruch für vertragliche Nutzungen, angemessene Vergütung gesetzlich erlaubter Nutzungen (1) Hat der Urheber das Recht der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes einem Drit- ten eingeräumt, so hat der Diensteanbieter für Nutzungen nach § 4 gleichwohl dem Urheber eine angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe des Werkes zu zahlen. § 20b Absatz 2 Satz 2 bis 4 des Urheberrechtsgesetzes ist entsprechend anzuwenden. (2) Für Nutzungen zum Zweck des Pastiches (§ 5 Nummer 2) sowie für maschinell überprüfbare gesetzlich erlaubte Nutzungen (§ 6) hat der Diensteanbieter dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen. § 60h Absatz 3 Satz 1 und § 60h Absatz 4 des Urheberrechtsgesetzes sind entsprechend anzuwenden. §8 Kennzeichnung erlaubter Nutzungen (1) Lädt ein Nutzer ein Werk hoch, das vom Diensteanbieter nach Maßgabe von § 10 gesperrt werden soll, so ist der Diensteanbieter verpflichtet, 1.   den Nutzer sofort über das Sperrverlangen des Rechtsinhabers zu informieren, 2.   den Nutzer zugleich auf die Erforderlichkeit eines vertraglichen Nutzungsrechts oder einer gesetzlichen Erlaubnis nach den §§ 5, 6 für die öffentliche Wiedergabe des hoch- geladenen Inhalts hinzuweisen, und 3.   es dem Nutzer sofort zu ermöglichen, die Nutzung als vertraglich oder gesetzlich er- laubt zu kennzeichnen. (2) Hat der Nutzer den von ihm hochgeladenen Inhalt nach Absatz 1 gekennzeichnet und ist die Kennzeichnung nicht nach § 12 offensichtlich unzutreffend, so ist der Inhalt durch den Diensteanbieter öffentlich wiederzugeben und die Sperrung oder Entfernung nach den §§ 10 und 11 unzulässig. Der Diensteanbieter informiert den Rechtsinhaber in diesen Fäl- len sofort über die öffentliche Wiedergabe und die Kennzeichnung nach Satz 1.
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- 34 - §9 Erstreckung von Erlaubnissen (1) Ist dem Diensteanbieter die öffentliche Wiedergabe eines Werkes erlaubt, so wirkt diese Erlaubnis auch zugunsten des Nutzers, sofern dieser nicht kommerziell handelt oder keine erheblichen Einnahmen erzielt. (2) Verfügt der Nutzer über eine Erlaubnis, ein Werk über einen Diensteanbieter öf- fentlich wiederzugeben, so wirkt diese Erlaubnis auch zugunsten des Diensteanbieters. Teil 3 Nicht erlaubte Nutzungen § 10 Sperrung nicht erlaubter Nutzungen (1) Verlangt ein Rechtsinhaber vom Diensteanbieter, sein Werk zu sperren, so ist der Diensteanbieter hierzu nach Maßgabe von § 1 Absatz 2 verpflichtet, sobald der Rechtsin- haber die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt hat und sofern die Sperrung nach § 8 Absatz 2 und § 12 zulässig ist. (2) Startup-Diensteanbieter (§ 2 Absatz 2) sind zur Sperrung nicht verpflichtet, so- lange die durchschnittliche monatliche Anzahl unterschiedlicher Besucher der Internetsei- ten des Dienstes 5 Millionen nicht übersteigt. (3) Es wird widerleglich vermutet, dass kleine Diensteanbieter (§ 2 Absatz 3) im Hin- blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zur Sperrung verpflichtet sind. § 11 Entfernung nicht erlaubter Nutzungen Verlangt ein Rechtsinhaber vom Diensteanbieter, sein unerlaubt wiedergegebenes Werk zu entfernen, so ist der Diensteanbieter nach Maßgabe von § 1 Absatz 2 hierzu sowie zur künftigen Sperrung nach Maßgabe von § 10 verpflichtet, sobald der Rechtsinhaber die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt hat und sofern die Entfernung und Sperrung nach § 8 Absatz 2 und § 12 zulässig sind. § 12 Sperrung oder Entfernung bei offensichtlich unzutreffender Kennzeichnung als er- laubte Nutzung (1) Die Sperrung oder Entfernung ist trotz Kennzeichnung nach § 8 Absatz 2 durch- zuführen, wenn diese offensichtlich unzutreffend ist. Stimmt der vom Nutzer hochgeladene Inhalt zu mindestens 90 Prozent mit den vom Rechtsinhaber zur Verfügung gestellten In- formationen überein, so wird im Falle der Berufung auf gesetzliche Erlaubnisse vermutet,
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- 35 - dass die Kennzeichnung offensichtlich unzutreffend ist. Satz 2 gilt nicht für einzelne Abbil- dungen. (2) Der Diensteanbieter informiert den Nutzer sofort über die Sperrung und deren An- lass. Teil 4 Rechtsbehelfe § 13 Rechtsbehelfe, Zugang zu den Gerichten (1) Für Nutzer und Rechtsinhaber ist die Teilnahme an einem Beschwerdeverfahren (§§ 14 und 15) freiwillig. (2) Für Nutzer, Rechtsinhaber und Diensteanbieter ist die Teilnahme an der außerge- richtlichen Streitbeilegung (§§ 17 und 18) freiwillig. (3) Der Schutz des Urhebers vor Entstellung des Werkes nach § 14 des Urheber- rechtsgesetzes bleibt unberührt. (4) Das Recht, die Gerichte anzurufen, bleibt unberührt. § 14 Internes Beschwerdeverfahren (1) Der Diensteanbieter muss den Nutzern und den Rechtsinhabern ein wirksames, kostenfreies und zügiges Beschwerdeverfahren über die Sperrung, Entfernung und öffent- liche Wiedergabe von geschützten Werken zur Verfügung stellen. (2) Beschwerden sind zu begründen. (3) Entscheidungen über Beschwerden müssen von natürlichen Personen getroffen werden, die unparteiisch sind. (4) Der Diensteanbieter ist verpflichtet, 1.   die Beschwerde allen Beteiligten unverzüglich zur Kenntnis zu bringen, 2.   allen Beteiligten die Möglichkeit zur unverzüglichen Stellungnahme zu der Beschwerde zu geben und 3.   innerhalb einer Woche nach Einlegung über die Beschwerde zu entscheiden.
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- 36 - § 15 Externe Beschwerdestelle (1) Der Diensteanbieter darf sich zur Erfüllung seiner Pflichten nach § 14 einer aner- kannten externen Beschwerdestelle bedienen. (2) Die Entscheidung über die Anerkennung einer externen Beschwerdestelle trifft das Bundesamt für Justiz im Einvernehmen mit dem Deutschen Patent- und Markenamt. Für die Voraussetzungen sowie für das Verfahren der Anerkennung gelten im Übrigen die Vor- schriften des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes über die Anerkennung einer Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung entsprechend. § 16 Verantwortlichkeit bei Kennzeichnung als erlaubte Nutzung (1) Hat der Nutzer den hochgeladenen Inhalt nach § 8 Absatz 2 gekennzeichnet und ist die Kennzeichnung nicht nach § 12 offensichtlich unzutreffend, so ist der Diensteanbieter für die öffentliche Wiedergabe vorbehaltlich des Absatzes 2 urheberrechtlich nicht verant- wortlich. Die Freistellung des Diensteanbieters von der Verantwortlichkeit endet, wenn das Beschwerdeverfahren abgeschlossen oder die Frist zur Entscheidung über die Beschwerde nach § 14 Absatz 4 Nummer 3 abgelaufen ist. (2) Stellt sich die Kennzeichnung als erlaubte Nutzung nachträglich als unzutreffend heraus, so hat der Diensteanbieter dem Urheber eine angemessene Vergütung für die Dauer der öffentlichen Wiedergabe zu zahlen. § 7 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. § 17 Außergerichtliche Streitbeilegung vor privaten Schlichtungsstellen (1) Zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten über die Entfernung, Sperrung oder öffentliche Wiedergabe von geschützten Werken durch Diensteanbieter sowie über Auskunftsrechte (§ 20) können Rechtsinhaber und Nutzer eine private Schlichtungsstelle anrufen. (2) § 3c des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesamt für Justiz als zuständige Behörde die Entscheidung über die Anerkennung einer privaten Schlichtungsstelle im Einvernehmen mit dem Deutschen Patent- und Mar- kenamt trifft. § 18 Außergerichtliche Streitbeilegung vor der behördlichen Schlichtungsstelle (1) Das Bundesamt für Justiz richtet im Einvernehmen mit dem Deutschen Patent- und Markenamt die behördliche Schlichtungsstelle ein. (2) Die behördliche Schlichtungsstelle ist nur zuständig, wenn eine private Schlich- tungsstelle nach § 17 nicht zur Verfügung steht. § 17 Absatz 1 ist entsprechend anzuwen- den.
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- 37 - (3) Die Bestimmungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes über die behördliche Schlichtungsstelle sind entsprechend anzuwenden. Teil 5 Schlussbestimmungen § 19 Maßnahmen gegen Missbrauch (1) Verlangt ein vermeintlicher Rechtsinhaber von dem Diensteanbieter wiederholt die Entfernung oder Sperrung fremder oder gemeinfreier Werke als eigene Werke, so hat der Diensteanbieter den vermeintlichen Rechtsinhaber für einen angemessenen Zeitraum von den Verfahren nach den §§ 10 und 11 auszuschließen. (2) Verlangt ein vermeintlicher Rechtsinhaber vorsätzlich oder fahrlässig von dem Diensteanbieter die Entfernung oder Sperrung fremder oder gemeinfreier Werke als eigene Werke, so ist er dem Diensteanbieter und dem betroffenen Nutzer zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (3) Kennzeichnet ein Nutzer Nutzungen wiederholt fälschlicherweise als erlaubt, so hat der Diensteanbieter, den Nutzer für einen angemessenen Zeitraum von der Möglichkeit zur Kennzeichnung erlaubter Nutzungen auszuschließen. (4) Sperrt oder entfernt der Diensteanbieter wiederholt fälschlicherweise erlaubte Nut- zungen, so kann ein Verband, der nach § 3a des Unterlassungsklagengesetzes anspruchs- berechtigt ist, den Diensteanbieter auf Unterlassung in Anspruch nehmen. § 20 Auskunftsrechte (1) Der Rechtsinhaber kann von dem Diensteanbieter Auskunft über die Nutzung des von ihm lizenzierten Repertoires verlangen. (2) Der Rechtsinhaber kann von dem Diensteanbieter angemessene Auskunft über die Funktionsweise der Verfahren zur Sperrung und Entfernung unerlaubter Nutzungen sei- nes Repertoires nach den §§ 10 und 11 verlangen. § 21 Inländischer Zustellungsbevollmächtigter Für die Verpflichtung des Diensteanbieters zur Bestellung eines inländischen Zustel- lungsbevollmächtigten für das gerichtliche Verfahren gilt § 5 Absatz 1 des Netzwerkdurch- setzungsgesetzes entsprechend.
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- 38 - § 22 Anwendung auf verwandte Schutzrechte Dieses Gesetz ist auch auf verwandte Schutzrechte im Sinne des Urheberrechtsgeset- zes und ihre Inhaber anzuwenden. § 23 Zwingendes Recht Von den Vorschriften dieses Gesetz kann durch Vertrag nicht abgewichen werden. Artikel 4 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 7. Juni 2021 in Kraft.
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- 39 - Begründung A. Allgemeiner Teil I.      Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen 1.   Hintergrund Die letzten Jahre sind durch rasante Entwicklungen der Medientechnologien gekennzeich- net, die zu einem ständigen Wandel in der Art und Weise geführt haben, wie urheberrecht- lich geschützte Werke und sonstige Schutzgegenstände geschaffen, erzeugt, vertrieben, verwertet und vom Publikum genutzt werden. Die Europäische Kommission hatte mit der Mitteilung vom 9. Dezember 2015 „Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheber- recht“ ihr rechtspolitisches Programm für die vorige europäische Legislaturperiode umris- sen (COM(2015) 626 final, S. 3): –    „Das derzeitige EU-Urheberrecht muss binnenmarktkonformer und, wo dies angezeigt erscheint, einheitlicher werden, wozu insbesondere Aspekte im Zusammenhang mit der Territorialität des Urheberrechts anzugehen sind. –    Ferner muss das Urheberrecht gegebenenfalls neuen technologischen Realitäten an- gepasst werden, damit es weiterhin seinen Zweck erfüllen kann.“ Zusammen mit der Mitteilung legte die Europäische Kommission im Rahmen des „Ersten Urheberrechtspakets“ den Entwurf der Portabilitäts-Verordnung vor, die schließlich als Ver- ordnung (EU) 2017/1128 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt am 20. Juli 2017 in Kraft trat und seit dem 1. April 2018 gilt. Sie regelt – als erste unmittelbar geltende Verordnung im europäischen Urheberrecht – den grenzüberschreitenden Zugang zu abonnierten Online-Diensten bei vorübergehendem Auslands-Aufenthalt innerhalb der Europäischen Union. Der Unionsgesetzgeber hat den Mitgliedstaaten mit der Richtlinie (EU) 2019/790 vom 17. April 2019 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (im Folgenden: DSM-RL; DSM für „Digital Single Market“) einen umfangreichen Rechtsetzungsauftrag erteilt. Die DSM-RL adressiert als Querschnitts-Richtlinie eine Vielzahl urheberrechtlicher Fragen (ge- setzliche Erlaubnisse u. a. für das Text und Data Mining, nicht verfügbare Werke, kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung, Reproduktionen von gemeinfreien visuellen Wer- ken, Presseverleger-Leistungsschutzrecht, Verlegerbeteiligung, Verantwortlichkeit von Up- load-Plattformen, Urhebervertragsrecht). Zu ihrer Umsetzung sind daher etliche Rechtsän- derungen erforderlich, die am 7. Juni 2021 in Kraft treten sollen. Bis dahin ist zudem die Online-SatCab-Richtlinie (EU) 2019/789 vom 17. April 2019 (im Folgenden: Online-Sat- Cab-RL) umzusetzen, die insbesondere die Online-Verwertung von Rundfunkprogrammen teilweise neu ordnet. Der Schutz von Presseveröffentlichungen im Hinblick auf Online-Nutzungen (Presseverle- ger-Leistungsschutzrecht, Artikel 15 DSM-RL), der Anspruch auf einen gerechten Aus- gleich (Verlegerbeteiligung, Artikel 16 DSM-RL) sowie Bestimmungen zu den gesetzlichen Erlaubnissen (insbesondere Text und Data Mining, Artikel 3 und 4 DSM-RL) sind bereits im Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes adressiert. Dieser Entwurf des Zweiten Gesetzes setzt nunmehr die übrigen Rechtsetzungsaufträge der DSM-RL sowie die Online-SatCab-RL um.
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- 40 - In seinem Urteil in der Rechtssache Pelham („Metall auf Metall“) vom 29. Juli 2019 (C‑476/17, Rn. 56 ff., ECLI:EU:C:2019:624) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ent- schieden, dass die Bestimmung des § 24 UrhG a.F. mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei. Auch die insoweit gebotenen Rechtsänderungen enthält dieser Entwurf. 2.    Neuartige Regulierungsinstrumente Der Entwurf ändert das geltende deutsche Urheberrecht an einer Vielzahl von Stellen im UrhG und im VGG. Darüber hinaus führt er zwei neue Rechtsinstrumente ein: zum einen die Bestimmungen zur Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen (Umsetzung des Arti- kels 17 DSM-RL) und zum anderen das Rechtsinstrument der kollektiven Lizenzen mit er- weiterter Wirkung (Artikel 12 DSM-RL). a) Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen (Artikel 17 DSM-RL; umgesetzt im Ur- heberrechts-Diensteanbieter-Gesetz, UrhDaG-E; Artikel 3 dieses Entwurfs) Die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen stand im Zentrum der rechtspolitischen Debatte um die DSM-RL: Die Inhaber von Urheberrechten, also Kreative und die Unternehmen der Kulturwirtschaft, hatten gefordert, fair an der Wertschöpfung be- teiligt zu werden, die auf diesen Plattformen erzielt wird. Wie andere Verwerter geschützter Inhalte müssten sie grundsätzlich Lizenzen erwerben oder den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten unterbinden. Die Nutzer hatten verlangt, dass ihre Meinungs-, Kunst- und Kommunikationsfreiheiten gewahrt bleiben, und Befürchtungen gegen ein strukturelles „Overblocking“ artikuliert. Plattformen sahen keine Notwendigkeit der Regulierung; die bis- lang geltende Rechtslage einschließlich bestehender Haftungsprivilegien trage den Rech- ten und Interessen aller Beteiligten hinreichende Rechnung. Die Bundesregierung hatte der DSM-RL zugestimmt, in einer Protokollerklärung aber fest- gehalten, dass es bei der Umsetzung insbesondere darum gehen müsse, die Rechte der Kreativen und der Nutzer in den Blick zu nehmen, und nach Möglichkeit auf „Upload-Filter“ zu verzichten (siehe Ratsdokument 7986/19 vom 15. April 2019). Das Urheberrechts- Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG-E) nutzt die Gestaltungsspielräume des Artikels 17 DSM- RL, um die Rechte und Interessen aller Beteiligten – der Kreativen, der Unternehmen der Kulturwirtschaft, der Plattformen und ihrer Nutzer – bestmöglich zur Entfaltung zu bringen. –     Im Interesse der Unternehmen der Kulturwirtschaft, die in der Regel die Inhaber der Verwertungsrechte sind, stellt der Entwurf klar, dass Upload-Plattformen künftig für alle Inhalte, die sie zugänglich machen, urheberrechtlich verantwortlich sind und somit für unrechtmäßige Uploads auf Unterlassung und Schadensersatz haften. Die Plattformen müssen im Rahmen des Zumutbaren für die hochgeladenen Inhalte Lizenzen erwer- ben. Will der Rechtsinhaber keine Lizenz erteilen, muss die Plattform dafür sorgen, dass Inhalte, deren Nutzung auch nicht gesetzlich erlaubt ist, nicht verfügbar sind („take down“ und „stay down“). Plattformen können sich also nicht länger auf das Hostprovi- der-Privileg („Safe Harbour“) berufen. –     Im Interesse der Nutzer erlaubt der Entwurf die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zu den Zwecken der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Die Dienstean- bieter werden dazu verpflichtet, ihren Nutzern die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Uploads als erlaubte Nutzungen zu kennzeichnen. Solche als erlaubte Nutzung gekennzeich- nete Inhalte muss der Diensteanbieter auch dann zunächst online zugänglich machen, wenn der Rechtsinhaber einen Sperrvermerk für das betreffende Werk angemeldet hat. Zudem werden Bagatellnutzungen zu nicht kommerziellen Zwecken in einem bestimm- ten geringfügigen Umfang erlaubt und Lizenzen der Plattformen wie auch gesetzliche Erlaubnisse stellen Nutzer von der Haftung frei. –     Im Interesse der Kreativen sieht der Entwurf einen Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen für lizenzierte Inhalte vor. Zudem sind die Kreativen für Nutzungen im
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