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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Verfahrensinformation und McKinsey-Studie zu Rückkehr

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21 Ausgangslage Besonders hoch ist die durchschnittliche Duldungsquote in der Gruppe der „irregulä- ren Migranten“. Bei ca. 87% der rund 50.000 Personen ist die Aufenthaltsbeendigung vorübergehend ausgesetzt. Möglicher Grund für die hohe Duldungsquote ist die Zusam- mensetzung der Herkunftsländer in dieser Gruppe: Diese Personen kommen vorran- gig aus unsicheren Herkunftsländern. 1.1.3. Die meisten Ausreisepflichtigen kommen aus dem Westbalkan Je nach Herkunftsland sind die Hürden für eine erfolgreiche Rückkehr von Ausreise- pflichtigen höher oder niedriger. Deshalb ist eine Transparenz über die Herkunft der Aus- reisepflichtigen von großer Bedeutung. Eine Differenzierung aller im AZR erfassten Ausreisepflichtigen nach Herkunftsländern zeigt, dass 38% aus Westbalkanstaaten10 stammen. Es folgen Afghanistan mit 7%, Syrien mit 5%, die Maghreb-Staaten11, die Russische Föderation und der Irak mit jeweils 4%, die Türkei mit 3% sowie Pakistan, Indien, Libanon und Iran mit jeweils 2%. Die restlichen 27% entfallen auf Länder mit einem Anteil von jeweils unter 2% (Abbildung 3). Bei den 38% der Ausreisepflichtigen aus dem Westbalkan ist die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Rückkehr relativ hoch. Durch Absprachen mit den meisten betref- fenden Staaten können deutsche Behörden Laissez-Passer-Papiere für die Rückreise ausstellen, wodurch eine aufwendige Passersatzpapierbeschaffung entfallen kann. ABBILDUNG 3 Ausreisepflichtige nach Herkunftsland (HKL) laut AZR in Tsd., Stichtag 31. Juli 2016 Westbalkanstaaten 38% Afghanistan ~ 215 Ausreisepflichtige laut AZR 7% Syrien 5% Maghreb-Staaten 4% Russische Föderation 4% Irak 4% Türkei 3% Pakistan 2% Indien 2% Libanon 2% Iran 2% Weitere1 ~ 30% der Ausreise- pflichtigen aus HKL mit geringem Kooperationserfolg2 27% 1 Länder mit < 2% Anteil an Ausreisepflichtigen (145 Länder inkl. "ungeklärt") 2 Mangelnde Kooperation, z.B. bei der Passersatzpapierbeschaffung Quelle: Ausländerzentralregister 10 Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien. 11 Tunesien, Algerien, Marokko.
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22 Allerdings stammen auch 30% aller Ausreisepflichtigen aus Herkunftsländern mit historisch geringem Kooperationserfolg. Mit diesen Ländern bestehen keine Rückübernahme- abkommen oder entsprechenden Vereinbarungen, oder sie werden nur mangelhaft umgesetzt. Hier zeigen sich in der Praxis insbesondere Probleme bei der Passersatz- papierbeschaffung (z.B. hohe Nachweisforderungen, fehlende Reaktion auf Anfragen oder sehr lange Antwortzeiten) und bei der Erlaubnis von Sammelchartern. 1.1.4. Mehr als 50% aller Ausreisepflichtigen verteilen sich auf drei Bundesländer Mit ca. 27% halten sich Ende Juli 2016 laut AZR die meisten Ausreisepflichtigen in Nord- rhein-Westfalen auf. Es folgen Baden-Württemberg mit 18%, Niedersachsen mit 9% und Bayern mit 7%. In den anderen Bundesländern liegt der prozentuale Anteil jeweils darunter (Abbildung 4). ABBILDUNG 4 Anzahl Ausreisepflichtiger in Deutschland laut AZR in Tsd., Stichtag 31. Juli 2016, 100% = ~ 215.000 Schleswig- Holstein 6 (3%) Mecklenburg- Vorpommern Hamburg 7 (3%) Berlin Bremen Nieder- sachsen 4 (2%) 20 (9%) Nordrhein- Westfalen Hessen Saarland Rheinland- Pfalz v 59 (27%) 12 (6%) 2 (1%) 12 (6%) Quelle: Ausländerzentralregister 3 (1%) 14 (6%) Brandenburg 6 (3%) Sachsen- Anhalt 5 (2%) Sachsen Thüringen Bayern Baden- Württemberg 8 (4%) 4 (2%) 15 (7%) 38 (18%)
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23 Ausgangslage 1.1.5. Die Zahl der Ausreisen reicht nicht aus, um ein nachhaltiges Rückkehrsystem zu etablieren Die aktuellen Ausreisen reichen nicht aus, um die wachsende Zahl der Ausreisepflichtigen auszugleichen. Zwischen Januar und Ende Juli 2016 erfolgten rund 50.000 zentral erfasste Ausreisen (Abbildung 5).12 Davon waren rund 70% über das zentrale Förderprogramm 13 REAG/GARP geförderte freiwillige Ausreisen und rund 30% Rückführungen. Bei den Rückführungen hatten Ausreisepflichtige aus Westbalkanstaaten einen Anteil von 72%, bei den freiwilligen Ausreisen von 68%, wobei Personen aus dem Westbalkan in der Gesamtheit nur 38% der Ausreisepflichtigen ausmachen. Bis Ende des Jahres 2016 wird sich die Gesamtzahl der erfassten Ausreisen auf schät- 14 zungsweise rund 85.000 erhöhen. ABBILDUNG 5 ~ 85 Anzahl Ausreisen in Tsd. Hochrechnung bis Ende 20161 58 22 (39%) ~ 16 (32%) Rückführungen2 Freiwillige Ausreise3 28 14 (51%) 14 (49%) 36 (61%) ~ 35 (68%) 2014 2015 2016 (bis 31. Juli) Bei Rückführungen 40% 71% 72% Bei freiwilligen Ausreisen 65% 87% 68% Anteil aus dem Westbalkan 1 Bei Fortschreibung der durchschnittlichen Ausreisezahlen von Januar bis Ende Juli 2 Nur von der Bundespolizei zentral kommunizierte Rückführungen betrachtet 3 Nur freiwillige Ausreisen über REAG/GARP betrachtet – reale Zahl der Ausreisen ggf. höher (zusätzliche individuelle Förderung der Länder, nicht geförderte Ausreisen etc.) Quelle: IOM; Bundespolizei 12 Daten von Bundespolizei und aus IOM-Statistik; ggf. erfolgten freiwillige Ausreisen außerhalb des Programms. Der Um- fang lässt sich auf Grund fehlender Registrierungen nicht erfassen. 13 Reintegration and Emigration Program for Asylum Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Program: Auf eine einmalige Förderung aus diesem Förderprogramm hat Anspruch, wer in bestimmte Herkunftsländer ausreist und mittellos ist. Diese Förderung kann eine Reisebeihilfe von maximal 200 EUR, eine Übernahme der Reisekosten und eine finanzielle Wiedereingliederungshilfe für die Rückkehrer im Herkunftsland in Höhe von maximal 500 EUR umfassen (je nach Fall können einzelne oder alle drei Elemente der Förderung zum Tragen kommen). Es handelt sich um eine bundesweite Förderung, die hälftig vom Bund und von den Ländern getragen wird. Siehe auch Kapitel 2 und 3. 14 Bei Fortschreibung der durchschnittlichen Ausreisezahlen von Januar 2016 bis Ende Juli 2016.
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24 1.1.6. Das Zeitfenster für eine erfolgreiche Rückkehr liegt bei ca. sechs Monaten In den ersten sechs Monaten nach Eintritt der Ausreisepflicht reisen rund zweimal so viele 15 Personen aus wie in den zwei Jahren danach. Nach zweieinhalb Jahren sind insgesamt nur ca. 40% der Ausreisepflichtigen ausgereist; rund 60% halten sich noch in Deutschland auf. Ca. 35% dieser 60% sind noch ausreise- pflichtig. Die übrigen rund 25% haben nachträglich einen Aufenthaltstitel erhalten. Ca. 60% der Personen mit Aufenthaltstiteln erhalten Aufenthaltstitel auf Grund von familiären 16 Gründen , der Unmöglichkeit der Ausreise (§ 25 Abs. 5 AufenthG) oder nachträglicher Schutzbedürftigkeit17. Ca. 15% sind wieder in das Asylverfahren eingetreten. Dies zeigt, dass die Verkürzung der Rückkehrprozesse von großer Bedeutung ist, um die Anzahl der Ausreisenden zu erhöhen. Der größte Rückkehrerfolg ist in den ersten sechs Monaten nach Entstehen der Ausreisepflicht zu verzeichnen. Danach steigt im Verlauf der Zeit die Wahrscheinlichkeit, dass Ausreisepflichtige nachträglich einen Aufenthaltstitel erhalten. Auch die Verkürzung des Asylprozesses leistet hier einen wichtigen Beitrag, da durch einen insgesamt kürzeren Aufenthalt in Deutschland die Wahrscheinlichkeit zur dauer- haften Verfestigung verringert wird. 15 Analyse der Kohorte der zu Ende Dezember 2013 ausreisepflichtig gewordenen Personen. Unbekannt Verzogene wer- den ebenfalls der Gruppe der Ausgereisten zugerechnet. 16 Familiennachzug oder Eheschließung. 17 Aufenthaltstitel im Nachgang eines positiven Bescheids oder zum Schutz der Person.
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25 Ausgangslage 1.2. Hochrechnung: Bis Ende 2017 wird die Anzahl Ausreise- pflichtiger in Deutschland auf rund 485.000 steigen Mit ca. 85.000 Ausreisen bis Ende des Jahres liegt die Zahl der Ausreisen zwar deutlich über dem Niveau der beiden Vorjahre (2014: 28.000 und 2015: 58.000); angesichts der hohen Zahl anhängiger Asylverfahren (rund 580.000 Ende September 2016) sowie weiterer zu erwartender Asylanträge bis Ende 2017 stellt dies jedoch keine ausreichende Entlastung dar: Unterstellt man eine Schutzquote von 53%18 für die zukünftigen Ent- 19 scheidungen bis Ende 2017 , entsprechende Annahmen zu Klagequote und -erfolgen und eine Fortschreibung der aktuellen zentral erfassten Ausreisezahlen (85.000 für 2016 prognostiziert), ist bis Ende 2017 hochgerechnet mit einem Anstieg von den derzeit 215.000 auf ca. 485.000 Ausreisepflichtige zu rechnen (Abbildung 6). ABBILDUNG 6 Hochrechnung Anzahl Ausreisepflichtiger vom 31. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2017 in Tsd., angenommene Schutzquote für Hochrechnung: 53% (anhängige Verfahren) ~ 175 ~ 465 ~ 250 ~ 120 ~ 485 ~ 215 Ausreise- pflichtige 07/2016 Annahmen zu Hochrechnung zusätzlicher Aus- negativ beschie- denen Klagen reisepflichtiger (Wiedereintritt durch negative Ausreisepflicht)2 Bescheide und sonst. Verfahrens- erledigungen1 Annahmen zu neu Fortschreibung erhobenen/positiv freiwilliger Ausreisen/ beschiedenen Klagen und nach- Rück- führungen4, 5 träglichen Ein- tritten in das Asyl- verfahren (Aus- setzung Ausreise- pflicht)3 Ausreise- pflichtige Ende 2017 1 Annahme: keine Zugänge von Ausreisepflichtigen bei Auszuweisenden und "irregulären Migranten", ~ 700.000 Asylentscheide im Jahr 2016, 600.000 Asyl- entscheide im Jahr 2017; inkl. Personen der Gruppe "irreguläre Migranten", die einen negativen Bescheid aus dem Asylverfahren erhalten 2 Inkl. negativ beschiedener Klagen von Personen mit erfolgreichen Eilanträgen und negativer Klagen von einfach unbegründet negativ Beschiedenen 3 Inkl. erfolgreicher Eilanträge/Klagen, Aussetzung der Ausreisepflicht bei Klageeinreichung von einfach unbegründet negativ Beschiedenen und Personen der Gruppe "irreguläre Migranten", die in das Asylverfahren eintreten 4 Annahme: Ausreisen/Rückführungen zwischen dem 31. Juli 2016 und dem 31. Dezember 2017 entsprechen durchschnittlichen Werten des Jahres 2016 (bis Ende Juli) 5 Für freiwillige Ausreise nur Zahlen aus REAG/GARP-Programm, Ausreisen von Nicht-Asylbewerbern sowie noch nicht beschiedenen Asylbewerbern könnten ggf. zu einem geringen Teil enthalten sein Quelle: Ausländerzentralregister; IOM; Bundespolizei; BAMF 18 Gewichtete kumulierte Schutzquote von Januar bis Ende September 2016 der derzeit anhängigen Asylverfahren zu Ende Sep- tember 2016; für Details zur Schutzquote und Verteilung der anhängigen Verfahren nach Herkunftsländern siehe Anhang C. 19 Aktuelle Schätzung des BAMF: 700.000 Entscheidungen im Jahr 2016, 600.000 Entscheidungen im Jahr 2017 (von den 600.000 Entscheidungen sind 400.000 anhängige Verfahren).
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26 1.3. Maximal zu adressierende Größe 2017: Ausreise von 570.000 Ausreisepflichtigen Leitbild ist die Rückkehr aller Ausreisepflichtigen. Konkret bedeutet das: Ausgehend von der annahmenbasierten Hochrechnung von 485.000 Ausreisepflichtigen bis Ende 2017 und zuzüglich der in der Hochrechnung berücksichtigten erwarteten 85.000 Aus- reisen im Jahr 2017 müssten hochgerechnet theoretisch 570.000 Ausreisen erfolgen, wenn alle Ausreisepflichtigen noch 2017 ausreisen sollten. Die Rückkehr aller Ausreise- pflichtigen würde damit ungefähr eine Versiebenfachung der Ausreisen gegenüber 2016 bedeuten (Abbildung 7). ABBILDUNG 7 Zusätzlich benötigte Ausreisen Ausreisen in Tsd., Ausreisepflichtige laut AZR 2017 fortgeschriebene Ausreisen analog zu 20161 Faktor der benötigten Erhöhung der Ausreisen2 ~ 7x ~ 570 ~ 485 ~ 85 20163 ~ 85 Theoretisch notwendig bis Ende 20174 1 Annahme: Ausreisen 2017 wie 2016 2 Erhöhung im Gesamtjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum; Annahme: Ausreisen August bis Dezember 2016 wie durchschnittlich im Januar bis Ende Juli 2016; inkl. freiwilliger Ausreisen (REAG/GARP) sowie Rückführungen 3 Davon ~ 30% Abschiebungen und ~ 70% freiwillige Ausreisen (nur REAG/GARP); Annahme: Ausreisen August bis Dezember 2016 wie durchschnittlich im Januar bis Ende Juli 2016 4 Basiert auf "Hochrechnung Ausreisepflichtiger bis Ende 2017"; ohne Ausreisen im Jahr 2017 Quelle: Ausländerzentralregister; IOM; Bundespolizei; BAMF Die Ausreisepflichtigen fallen in verschiedene Kategorien mit unterschiedlichen Erfolgs- aussichten für eine Rückkehr bzw. Rückführung (Abbildung 8): ƒƒ Durch internationale Bemühungen auf Bundesebene zu adressieren. 32% (ca. 180.000) kommen aus Herkunftsländern mit geringem Kooperationserfolg. Die Ausreise dieser Gruppe ist faktisch nur durch internationale Bemühungen auf Bundesebene zu erreichen (siehe auch Kapitel 2). ƒƒ Durch operative Verbesserungen zu adressieren. Etwa 40% (ca. 230.000) stammen aus kooperativen Herkunftsländern und sind in Deutschland geduldet (alle Duldungs- gründe außer „fehlende Passersatzpapiere“). Ein gewisser Teil dieser Gruppe wird auf Grund dauerhafter nicht selbstverschuldeter Abschiebungshindernisse (z.B. medizini- scher Gründe) in Deutschland bleiben. Bei den übrigen wird es darum gehen, die Ausreise durch prozessuale und operative Verbesserungen zu beschleunigen und den Rückkehrerfolg zu erhöhen. Es gilt, insbesondere die Gruppe mit „sonstigen Duldungs- gründen“ detailliert zu analysieren und tatsächliche Abschiebungshindernisse zu
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27 Ausgangslage identifizieren. Zu dieser Gruppe dürften z.B. auch Personen gehören, deren Folge- anträge noch in Bearbeitung sind oder deren Familienangehörige aktuell das Asyl- verfahren durchlaufen. ƒƒ Vorrangig zu adressieren. 28% der Ausreisepflichtigen (ca. 160.000) kommen aus kooperativen Herkunftsländern und leben hier ohne Duldung oder sind auf Grund fehlender Passpapiere geduldet. Bei dieser Gruppe liegen keine Abschiebungs- hindernisse vor, die einer Rückführung generell im Wege stehen würden: Die Pass- ersatzpapierbeschaffung sollte möglich sein, da sich die entsprechenden Herkunfts- länder auch in der Vergangenheit kooperativ gezeigt haben. Bei den Personen ohne Duldung ist davon auszugehen, dass gar kein Abschiebungshindernis vorliegt. Daher gilt es, Personen dieser Gruppe vorrangig zur Rückkehr zu bewegen. ABBILDUNG 8 Differenzierung Ausreisepflichtiger Ende 2017 (ohne Ausreisen)1 in Tsd. Unterteilung Ausreisepflichtiger Ende 20172 ~ 570 HKL mit geringem Kooperationserfolg3 ~ 180 ~ 35 Identifizierbare Gründe4 Kooperative HKL Geduldet ~ 195 Sonstige Gründe Fehlende Reisedokumente Nicht geduldet ~ 32% durch internationale Bemühungen auf Bundes- ebene zu adressieren ~ 50 ~ 110 ~ 40% durch operative Verbesse- rungen zu adressieren ~ 28% vorrangig zu adressieren Ausreisepflichtige 1 Basiert auf "Hochrechnung Ausreisepflichtiger bis Ende 2017"; ohne für 2017 fortgeschriebene Ausreisen analog zu 2016 (Annahme: Ausreisen 2017 wie 2016) 2 Annahme: gleiche Verteilung wie Ende Juli 2016 3 Mangelnde Kooperation, z.B. bei Passersatzpapierbeschaffung 4 Identifizierbare Duldungsgründe ohne "fehlende Reisedokumente"; ~ 12% der Duldungen, davon 6% Gruppenaussetzung Landesbehörde, 2% familiäre Bindung, 2% humanitäre Gründe, 2% medizinische Gründe Quelle: Ausländerzentralregister; IOM; Bundespolizei; BAMF
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28 1.4. Prozesse: Für die Optimierung der Rückkehr Ausreisepflichtiger sind vier Prozesse relevant Die Rückkehr Ausreisepflichtiger in ihre Herkunftsländer und die Weiterwanderung in andere Zielländer wird in unterschiedlichen Verfahren durchgeführt, die sich an den vier wesentlichen Personengruppen orientieren. Unterscheiden lassen sich grund- sätzlich vier Kernprozesse (Abbildung 9): ABBILDUNG 9 Zentrale Personengruppen 4 relevante Rückkehrprozesse Ausreisepflichtige im Asylkontext1 Rückführung "Irreguläre Migranten" Freiwillige Rückkehr (und Reintegration) Ausgewiesene Rückführung nach Ausweisung Dublin-Fälle Dublin- Überstellung 1 Negativ Beschiedene sowie sonstige Verfahrenserledigungen ƒƒ Freiwillige Rückkehr (und Reintegration) – alle Ausreisepflichtigen. Diese Option steht allen Ausreisepflichtigen offen und kann durch beratende und unter bestimmten Voraussetzungen auch finanzielle Förderung unterstützt werden. ƒƒ Rückführung – Ausreisepflichtige im Asylkontext und „Irreguläre Migranten“. Hält sich eine Person ohne Aufenthaltstitel in Deutschland auf, ist sie vollziehbar ausreisepflichtig und kann bzw. muss (nach der EU-Rückführungsrichtlinie) zurück- geführt werden. ƒƒ Rückführung nach Ausweisung – Ausgewiesene. Die Rückführung erfolgt unter Berücksichtigung einiger Besonderheiten, die sich im Zusammenhang mit der Aus- weisung ergeben. ƒƒ Dublin-Überstellung – Dublin-Fälle. Ist für die Durchführung des Asylverfahrens 20 einer Person ein anderer Mitgliedsstaat des Dubliner Übereinkommens zuständig, ist der Betroffene für die Durchführung des Asylverfahrens in diesen Staat zu überstellen. 20 EU-Mitgliedsstaaten sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein.
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29 Ausgangslage 1.4.1. Freiwillige Rückkehr (und Reintegration) Allen Ausreisepflichtigen steht die Möglichkeit offen, freiwillig in ihr Herkunftsland zurückzu- kehren bzw. in einen aufnahmebereiten Drittstaat weiterzuwandern – nach Ablauf ihres Aufenthaltsrechts (ggf. auch bereits vor oder während des Asylprozesses) reisen sie ohne Zwang aus (sofern nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eine Über- wachung der Ausreise erforderlich ist). Die freiwillige Rückkehr kann durch verschiedene Programme finanziell und beratend gefördert werden. Auf diese Art und Weise erfolgen bisher rund 70% und somit der Großteil der Ausreisen. Der entsprechende Prozess lässt sich 21 simplifiziert in die vier Schritte Information, Ausreiseförderung, Ausreisevorbereitung und Reisedurchführung (und ggf. Reintegration) unterteilen (Abbildung 10).22 ABBILDUNG 10 AUSREISE KANN GRUNDSÄTZLICH AUCH OHNE BERATUNG/FÖRDERUNG ERFOLGEN Freiwillige Rückkehr (und Reintegration) Simplifizierte Prozessdarstellung1 Optional BAMF Ausländerbehörde International Organization for Migration (IOM) Einreise Flughäfen/Botschaften Information Ausreiseförderung Ausreisevorbereitung Reisedurchführung Asylantragstellung Rückkehrberatung Antrag auf REAG/GARP oder sonstige Förderung2 Prüfung durch IOM/Förderstelle Reiseorganisation Mitteilung über Förderung Ankündigung bei Zielland Auszahlung REAG/GARP oder sonstige Förderung Ausreise Rücksendung GÜB3 Ausreise 1 Stark schematische Darstellung des Prozesses; für den detaillierten Prozessverlauf siehe Anhang D. Kreise auf den Linien stellen geteilte Verantwortlichkeiten dar 2 Antrag auf REAG/GARP wird durch antragsübermittelnde Stellen gestellt 3 Grenzübertrittsbescheinigung ƒƒ Information. Um eine Förderung der freiwilligen Rückkehr in Anspruch nehmen zu können, sind Ausreisepflichtige zuerst über die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr zu informieren und ggf. zu beraten. Einen ersten Hinweis auf diese Möglichkeit erhalten Asylbewerber im Falle der Ablehnung des Asylantrags gemeinsam mit dem negativen Bescheid. In den übrigen Fällen (z.B. bei Ausreisepflichtigen, die sich schon längere Zeit in Deutschland aufhalten) soll die Information über die Ausländerbehörden erfolgen. Bei Interesse an einer freiwilligen Rückkehr kann eine Beratungsstelle (z.B. Ausländer- behörden, Wohlfahrtsverbände) aufgesucht werden. 21 Siehe detaillierte Prozessdarstellung im Anhang D. 22 Ablauf des Prozesses durch Interviews mit Prozessbeteiligten erfasst.
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30 ƒƒ Ausreiseförderung. Entschließt sich ein Ausreisepflichtiger zur Rückkehr, kann er über eine antragsübermittelnde Stelle23 einen Antrag auf finanzielle Förderung stellen. Am häufigsten wird ein Antrag auf die bundesweit angebotene REAG/GARP-Förderung bei der International Organization for Migration (IOM) gestellt. Anträge auf REAG/GARP werden von der IOM geprüft und bearbeitet, Anträge auf anderweitige Förderungen, 24 25 wie z.B. die länderspezifischen Programme URA 2 und ERIN , von den jeweils zuständigen Stellen. ƒ ƒ Ausreisevorbereitung. Nach der Prüfung bekommt der Antragsteller ggf. eine Mitteilung über eine bewilligte Förderung und wird über den Termin für die Ausreise per Luft- oder Landweg informiert. Kommt eine Förderung nach den bean- tragten Programmen nicht in Betracht, kann der Antragsteller sich über weitere Alternativen beraten lassen oder aus eigenen Mitteln förderungsfrei ausreisen. Die Ausreise wird ggf. durch eine Ankündigung beim Zielland vorbereitet. ƒƒ Reisedurchführung. Etwaige Förderungen durch Reisebeihilfe und/oder Starthilfe werden entweder direkt am Flughafen oder – vor allem bei einer Ausreise auf dem Landweg – in der antragsübermittelnden Stelle in meist engem zeitlichen Zusammen- hang mit der Ausreise ausgezahlt. ƒƒ Nach erfolgter Ausreise soll eine Grenzübertrittsbescheinigung an die zuständige Ausländerbehörde zurückgesandt werden. Bei Ausreise mit dem Flugzeug wird die Rücksendung vom jeweiligen Flughafen vorgenommen – ansonsten von der deutschen Botschaft im Zielland oder der zuständigen Behörde bei Grenzübertritt auf dem Landweg, nachdem der Ausreisepflichtige sie dort abgegeben hat. 26 Der Prozess der freiwilligen Rückkehr dauert derzeit ab Äußerung des Rückkehrwillens durch den Betroffenen durchschnittlich rund sechs Wochen. Der Prozess kann in sehr schnellen Fällen minimal zwei Wochen dauern, kann aber auch durch äußere Umstände wie z.B. fehlende Passpapiere oder fehlende Flugverbindungen um Monate verzögert werden.27 23 Bei den zuständigen deutschen Behörden (Ausländerämter, Kreise, Gemeinden, Sozialämter etc.), staatlichen Wohnheimen, Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, Zentralen Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbe- auftragten und UNHCR. 24 Beratungs- und Reintegrationsprogramm für kosovarische Rückkehrer. 25 European Reintegration Instrument Network: Rückkehr- und Reintegrationsprogramm der EU für bestimmte Drittstaaten, z.B. Afghanistan. 26 Bescheinigung über das Verlassen des Schengen-Raumes, die am Flughafen oder an einer EU-Außengrenze ausgefüllt wird. 27 Die Bearbeitungszeit bei der IOM beträgt durchschnittlich elf Tage (REAG/GARP-Programm 2016 – Bericht zu Bund-Länder- Sitzung im September 2016). Für die genaue Aufschlüsselung der Prozessdauer siehe Anhang D.
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