HandreichungzuVIG-Anfragenvom26.05.2019

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Leitfaden zur Behandlung von Anfragen im Rahmen der Topf Secret-Kampagne

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26. Mai 2019 Handreichung für die Kreise und kreisfreien Städte zum Umgang mit den standardisierten VIG-Abfragen zu amtlichen lebensmittelrechtlichen Kontrollen In den vergangenen Tagen und Wochen haben wir aus mehreren Kreisen Nachfra- gen zum Umgang mit Widersprüchen bekommen, die von den Antragstellern gegen die nach unserem Muster erstellten Bescheide zur VIG-Informationsgewährung er- hoben worden sind. Gegenstand dieser weiteren ergänzenden Handreichung ist die Empfehlung des MJEVG zum Umgang mit entsprechenden Widersprüchen. Wichtig ist: Jeder Widerspruch ist individuell und gründlich zu bearbeiten. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Widerspruch fristgemäß eingegangen ist. Sollte dies nicht der Fall sein, ist der Widerspruch ohne sachliche Einlassung als unzulässig zurückzuweisen. Zwar kann eine Behörde theoretisch aus Gründen der Selbstkon- trolle der Verwaltung auch über verfristete Widersprüche sachlich entscheiden. Dies ist allerdings nicht zulässig, wenn durch den Ausgangsbescheid auch Rechte Dritter – wie hier jene der betroffenen Betriebe – tangiert sind. Bei zulässigen, insbesondere fristgemäßen Widersprüchen sollte auf etwaige Argu- mente des Widerspruchsführers eingegangen und im Übrigen auf den Ausgangsbe- scheid verwiesen werden. Regelmäßig führen Widerspruchsführer an, dass gar keine Veröffentlichungen erfolgen würden. Dann bietet sich folgende Vorgehensweise an: Auf dem Portal „Frag den Staat“ kann über die Suchfunktion mit der Antragsnummer (z.B. #12345) der jeweilige Antrag gefunden, der entsprechenden Link kopiert und im Widerspruchsbescheid mit der Anmerkung eingefügt werden, dass nachweislich die Informationsgewährung veröffentlicht worden ist. Gleichzeitig sollte zu Beweiszwe- cken ein Screenshot von der Veröffentlichung erstellt werden. Das beschriebene Vorgehen setzt indes voraus, dass der Widerspruchsbescheid erst nach der Informationsgewährung ergeht und dass die Informationsgewährung (Kon- trolltermine und Rechtsauskunft) direkt in einer E-Mail (nicht als Anhang!) erfolgt, weil die Informationen in diesem Fall automatisch im Internet veröffentlicht werden. Neben den individuell durch den jeweiligen Antragssteller oder die jeweilige Antrag- stellerin verfassten Widersprüchen, wurde nunmehr offenbar auch von den Organisa- toren der Aktion „Tops Secret“ ein Widerspruchsschreiben erstellt, dass zukünftig als Muster für Widersprüche gegen VIG-Entscheidungen aus Schleswig-Holstein dienen könnte. Das besagte Schreiben haben wir Ihnen mit dieser Handreichung als Anlage noch einmal zugesandt. Es empfiehlt sich aus unserer Sicht, auf diesen „Musterwi- derspruch“ landesweit einheitlich zu reagieren, um unsere klare Linie fortzusetzen. Aus diesem Grund haben wir für das besagte Schreiben einen Musterwiderspruchs- bescheid beigefügt (gelb markierte Passagen wären entsprechend anzupassen). 1
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Muster: Widerspruchsbescheid Musterkreis Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Musteradresse Aktenzeichen: XY-1234-Z Sachbearbeiterin: Erika Mustermann 08.03.2019 Mit PZU Herrn Max Mustermann Musterstraße 1 12345 Musterstadt maxmustermann@fragdenstaat.de Betreff: Ihr Antrag auf Informationsgewährung nach dem VIG Bezug: Ihr Widerspruch vom 28.02.2019 Widerspruchsbescheid Sehr geehrter Herr Mustermann, 1. Ihr Widerspruch vom 28.02.2019 gegen meinen Bescheid vom 21.02.2019 wird hiermit zurückgewiesen. 2. Verwaltungskosten werden nicht erhoben. Begründung: I. Am 01.02.2019 haben Sie per E-Mail einen Antrag nach dem Verbraucherinformati- onsgesetz (VIG) über die Internetplattform „Topf Secret“ versandt, welche unter https://fragdenstaat.de/kampagnen/lebensmittelkontrolle/ erreichbar ist. 2
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Die Plattform ermöglicht es Verbraucherinnen und Verbrauchern, im Internet mit we- nigen Klicks standardisierte Anträge auf Informationsgewährung nach VIG zu stellen. In Ihrer E-Mail lautet es auszugsweise: Sehr geehrte Damen und Herren, ich beantrage die Herausgabe folgender Informationen: 1. Wann haben die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im folgen- den Betrieb stattgefunden: Musterbetrieb, Musterstraße 2, 12345 Musterstadt 2. Kam es hierbei zu Beanstandungen? Falls ja, beantrage ich hiermit die Herausgabe des ent- sprechenden Kontrollberichts an mich. (…) Ich bitte um eine Antwort in elektronischer Form (E-Mail). Mit Verwaltungsakt vom 21.02.2019 habe ich entschieden, Ihnen Informationen über amtliche lebensmittelrechtliche Kontrollen des Betriebes „Musterbetrieb, Musterstra- ße 2, 12345 Musterstadt zu gewähren, wobei sich die Informationsgewährung auf die Termine der letzten beiden amtlichen lebensmittelrechtlichen Kontrollen des Betrie- bes sowie eine Rechtsauskunft, ob im Rahmen dieser Kontrollen etwaige Beanstan- dungen vorlagen, beschränkt. Im Übrigen habe ich Ihren Antrag abgelehnt. Mit E-Mail vom 04.03.2019 an die Adresse maxmustermann@fragdenstaat.de habe ich Ihnen die folgenden Informationen über den in Rede stehenden Betrieb gewährt: 1. Die letzten beiden amtlichen lebensmittelrechtlichen Kontrollen fanden am 28.09.2018 und am 22.01.2019 statt. 2. Es sind im Rahmen dieser Kontrollen keine Beanstandungen festgestellt wor- den, bzw. keine Beanstandungen festgestellt worden, zu deren Veröffentli- chung ich Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 40 Abs. 1a LFGB berechtigt bin. Mit Schreiben vom 26.02.2019, bei uns eingegangen am 28.02.2019, haben Sie ge- gen meinen Bescheid vom 21.02.2019 Widerspruch eingelegt. Sie machen geltend, dass über „Topf Secret“ keine automatische Veröffentlichung erfolgen würde, sondern es vielmehr auch bei der Nutzung des auf der Website zur Verfügung gestellten Antragsformulars bei der Entscheidung des jeweiligen Antrags- stellers bliebe, ob und wo er die erhaltenen Informationen später veröffentlicht. Ferner führen Sie an, dass die Antragsteller die Antwort der Behörde regelmäßig per Post erhalten würden und daher für eine anschließende Publikation auf der Home- page von „Topf Secret“ aktiv tätig werden müssten. Aufgrund der erforderlichen Ein- zelschritte (Scannen, Hochladen, Schwärzen) sei bei lebensnaher Betrachtung da- von auszugehen, dass zahlreiche Antragssteller wegen des damit verbundenen Auf- 3
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wandes von einer Veröffentlichung auf der Homepage von „Topf Secret“ absehen würden. Des Weiteren führen Sie aus, dass in dem „sehr seltenen“ Fall, dass die Behörde per Mail antwortet, nach automatischer Schwärzung „lediglich“ der Inhalt der E-Mail au- tomatisch veröffentlicht werden würde. Um etwaige Anhänge zu veröffentlichen, müsse der Nutzer darauf klicken. Sie betonen, dass keine Veröffentlichungsabsicht unterstellt werden könne, sondern es vielmehr Sache des einzelnen Antragstellers sei, ob und wo er die erhaltenen In- formationen veröffentlicht. Auskunftspflichtige Behörden würden nicht allein wegen der Möglichkeit einer anschließenden Veröffentlichung Ansprüche nach dem VIG verweigern dürfen. Im Übrigen machen Sie geltend, dass das VIG die Verwendung der Informationen nicht einschränken würde und sich daher nicht erschließen würde, warum der einzel- ne Anspruchsteller die ihm erteilten Informationen zur Förderung der gesetzlich ge- wollten Transparenz nicht weiterverbreiten darf. Die Rechtsordnung würde es Priva- ten nicht verbieten würde, Informationen im Internet oder in anderen Medien zu ver- breiten. Sie führen überdies an, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer Herausgabe von Kontrollberichten nicht entgegenstünde, weil gravierende Un- terschiede in qualitativer und quantitativer Hinsicht zwischen der aktiven staatlichen Information der gesamten Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB und der passiven behördlichen Information einzelner Antragssteller bestünden. Veröffentlichungen durch Private würden nicht annähernd dieselbe Autorität wie eine offizielle Veröffent- lichung durch Behörden beanspruchen. Die Ausstrahlungswirkung der jeweiligen be- hördlichen Informationsfreigabe auf das Wettbewerbsgeschehen sei daher nicht an- nähernd vergleichbar. Überdies seien behördliche Informationen, die auf nichtstaatli- chen Internetseiten wie „Topf Secret“ wiedergegeben werden, ganz offen als Infor- mationen „aus zweiter Hand“ erkennbar. Schließlich machen Sie geltend, dass Ihr Antrag nicht rechtsmissbräuchlich sei. II. Ihr Widerspruch, zu dessen Entscheidung ich nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Ver- waltungsgerichtsordnung (VwGO) berufen bin, ist zulässig, aber unbegründet. 1. Der von Ihnen angegriffene Verwaltungsakt ist recht- und zweckmäßig im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 4
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Im Hinblick auf die für den Erlass erforderliche Rechtsgrundlage sowie die formelle Rechtmäßigkeit möchte ich zunächst auf meine Ausführungen in dem Ausgangsbe- scheid vom 21.02.2019 verweisen. In diesen Punkten dürfte zwischen den Parteien im Übrigen auch Einigkeit bestehen. Der Ausgangsbescheid ist – insbesondere im Hinblick auf den Umfang der Informati- onsgewährung – überdies auch materiell rechtmäßig. Der Umfang der auf Ihren Antrag zu gewährenden Informationen richtete sich zu- nächst nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) VIG. Danach hat jeder nach Maßgabe des VIG Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von An- forderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den Abweichungen getroffen worden sind. Darunter fallen grundsätzlich konkrete Kontrollmaßnahmen und mögliche Ver- stöße einzelner Betriebe (sog. „Verstoß-Daten“, vgl. BeckOK InfoMedienR/Rossi, 22. Ed. 1.5.2018, VIG § 2 Rn. 32). Im Falle Ihres Antrages musste die Informationsge- währung indes auf die Termine der letzten beiden amtlichen lebensmittelrechtlichen Kontrollen des oben genannten Betriebes sowie eine Rechtsauskunft, ob im Rahmen dieser Kontrollen etwaige Beanstandungen vorlagen, beschränkt werden. Eine tat- sächliche Auskunft über Beanstandungen sowie eine Herausgabe von Kontrollbe- richten, gesetzt den Fall, dass Beanstandungen vorlagen, wäre im Zusammenhang mit Ihrem Antrag hingegen unzulässig. Ein staatliches Informationshandeln, dass eine zeitlich unbegrenzte Veröffentlichung sämtlicher Verstöße eines Unternehmens gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtli- che Vorschriften unabhängig von der Qualität des Verstoßes bewirkt, ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nämlich verfassungswidrig. Dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 40 Abs. 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Nach dieser Norm sind Lebensmittelüberwachungsbehörden bei bedeutsamen Verstößen gegen lebensmit- tel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften dazu verpflichtet, diese von Amts wegen zu veröffentlichen. Das BVerfG hat diesbezüglich in seinem Beschluss vom 21.03.2018 (Az. 1 BvF 1/13) festgestellt, dass nur Verstöße von hinreichendem Ge- wicht veröffentlicht werden dürfen. Ferner hat es festgestellt, dass die Informationsin- teressen der Öffentlichkeit hinter den durch die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Grundge- setz (GG) geschützten Interessen des Betriebes zurücktreten, wenn Verstöße gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften zeitlich unbegrenzt durch Le- bensmittelüberwachungsbehörden veröffentlicht werden. Begründet wird dies damit, dass die zeitlich unbegrenzte Vorhaltung teilweise nicht endgültig festgestellter oder bereits behobener Rechtsverstöße zu einem erheblichen Verlust des Ansehens füh- ren kann, der bei zunehmendem zeitlichen Abstand nicht mehr von einem legitimen Informationsinteresse gedeckt wird (sog. Pranger-Wirkung). 5
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Eine vollumfängliche Beantwortung der standardisierten VIG-Anträge, die uns über das Portal „Topf Secret“ erreichen, würde ein staatliches Informationshandeln dar- stellen, welches eine zeitlich unbegrenzte Veröffentlichung von Verstößen gegen le- bensmittelrechtliche Vorschriften unabhängig von der Qualität der Verstöße bewirkt. Wenn Sie also anführen, dass nicht ersichtlich sei, warum der einzelne Anspruchstel- ler die ihm erteilten Informationen zur Förderung der gesetzlich gewollten Transpa- renz nicht weiterverbreiten darf, verkennen Sie dabei folgendes: Die Rechtsordnung verbietet vorliegend nicht Ihnen eine Veröffentlichung von Informationen, sondern dem Staat. Gerade weil weder das VIG noch sonstige geltende Rechtsnormen Priva- ten verbieten, VIG-Informationen im Internet oder anderen Medien zu verbreiten, dür- fen wir manche Informationen, die mittels der standardisierten „Topf Secret“ - Anträ- ge begehrt werden, gar nicht erst gewähren. Denn die vollumfängliche Beantwortung dieser Anträge hätte Auswirkungen auf die Wettbewerbspositionen der betroffenen Betriebe, die in quantitativer und qualitativer Hinsicht einem aktiven staatlichen In- formationshandeln i.S.d. § 40 Abs. 1a LFGB mindestens gleichzustellen wären. a) Automatische Veröffentlichung Begründet ist dies zunächst in dem Umstand, dass die Informationen, welche im Zu- sammenhang mit der Beantwortung standardisierter „Topf Secret“ – Anträge gewährt werden, automatisch auf dem Internet zu finden sind. Ihrer gegenteiligen Auffassung liegt der Irrtum zugrunde, dass die Antragsteller die Antwort der Behörde regelmäßig per Post erhalten würden und daher für eine an- schließende Publikation auf der Homepage von „Topf Secret“ aktiv tätig werden müssten. Zwar mag zutreffen, dass die Bescheidung von „Topf Secret“-Anträgen zu- weilen postalisch erfolgt. Die eigentliche Informationsgewährung – und nur auf diese kommt es vorliegend an – erfolgt in Schleswig-Holstein und somit auch unsererseits hingegen stets per E-Mail. Grund dafür ist, dass die Antragssteller diese Art der In- formationsgewährung ausdrücklich begehren. So haben auch Sie in Ihrem Antrag explizit um „Antwort in elektronischer Form (E-Mail)“ gebeten. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs begehrt, so hat die informationspflichtige Stelle gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG die Informationen auf diese Art zu gewähren. Wenn Sie also anführen, dass aufgrund der erforderlichen Einzelschritte (Scannen, Hochladen, Schwärzen) bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen sei, dass zahlreiche Antragssteller wegen des damit verbundenen Aufwandes von einer Veröf- fentlichung auf der Homepage von „Topf Secret“ absehen würden, läuft diese Argu- mentation ins Leere, da die Informationsgewährung nicht postalisch erfolgt, sondern per E-Mail. Dies setzt kein Scannen oder Hochladen voraus, eine Schwärzung per- sonenbezogener Daten erfolgt – zumindest theoretisch – durch einen Algorithmus. Wie Sie selbst zutreffend feststellen, wird der Inhalt behördlicher E-Mails, die an die durch „Topf Secret“ generierten Adressen versandt werden, automatisch, d.h. ohne etwaiges Aktivwerden des Antragsstellers oder der Antragstellerin, im Internet veröf- fentlicht. Sobald der jeweilige Behördenmitarbeiter oder die jeweilige Behördenmitar- 6
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beiterin auf „E-Mail senden“ klickt, erscheinen die darin jeweils gewährten Informati- onen auf dem Portal „Topf Secret“. Es ist folglich mitnichten Sache des einzelnen Antragstellers, ob und wo er die erhaltenen Informationen veröffentlicht. Vielmehr erfolgt bei der Informationsgewährung zu „Topf Secret“ - Anträgen per E-Mail immer eine Veröffentlichung im Internet, die unmittelbar durch staatliches Handeln bewirkt wird. Sie führen in diesem Zusammenhang an, dass Kontrollberichte, die als E-Mail- Anhang versendet werden, nur veröffentlicht werden würden, wenn der Antragsteller bzw. die Antragstellerin darauf klicke. Selbst wenn dem so wäre, würde dies nur eine marginale, zu vernachlässigende Hürde darstellen, die im Hinblick auf die erhebliche Veröffentlichungswahrscheinlichkeit keine andere Entscheidung rechtfertigen würde. Wer einen Antrag über das Portal „Topf Secret“ stellt, tut dies mit Veröffentlichungs- absicht. Das Portal dient nämlich nicht dem Zweck, eine bürgerfreundliche Möglich- keit zu schaffen, Anfragen nach dem VIG zu stellen. Wenn dem so wäre, hätten die Betreiber auf die Veröffentlichungsfunktion verzichten können. Der einzige Zweck, den das Portal verfolgt, ist die Veröffentlichung sämtlicher Kontrollergebnisse im In- ternet. So schreiben die Betreiber der Plattform in ihrem Blog selbst: „Wir wollen mit der Mitmach-Plattform Druck aufbauen, damit Behörden in Zu- kunft ausnahmslos alle Kontrollergebnisse veröffentlichen müssen.“ Dass dies verfassungswidrig wäre, wurde nunmehr hinreichend erörtert. Ein behörd- liches Handeln, das einen verfassungswidrigen Zustand begründet, ist unzulässig. Deshalb dürfen wir im Falle eines „Topf Secret“-Antrages keine Kontrollberichte her- ausgeben. Dabei ist auch zu berücksichtigten, dass die in Rede stehenden E-Mails samt Anhängen nicht an private E-Mail-Adressen der Antragstellerinnen oder Antrag- steller versendet werden, sondern direkt an das Portal, das sich das oben genannte Ziel gesteckt hat. Es kann an dieser Stelle nicht ausgeschlossen werden, dass auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Portals Zugriff auf die Dateien haben. Ebenso wenig ist gewährleistet, dass das Portal und die darauf gespeicherten Infor- mationen hinreichend gegen Datendiebstahl und -missbrauch gesichert sind. So hat eine Auswertung des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleich- stellung Schleswig-Holstein (MJEVG) ergeben, dass es bei 1.000 seit Januar 2019 in Schleswig-Holstein gestellten „Topf-Secret“-Anträgen in 279 Fällen zu unerwünsch- ten Offenlegungen von personenbezogenen Daten wie Namen und Anschrift der An- tragsteller und Antragstellerinnen sowie Namen von Behördenmitarbeitern und - mitarbeiterinnen kam. Die Datenschutzerklärung des Portals befand sich im Zeitpunkt der Auswertung auf dem Stand des 14. Januars 2018 und enthielt infolgedessen kei- nerlei Hinweise auf die seit dem 25. Mai 2018 anzuwendende Datenschutzgrundver- ordnung. Demnach wurden (und werden) sämtliche Antragstellerinnen und Antrags- steller fehlerhaft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten aufgeklärt. 7
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Es existieren mithin nachweislich nicht unerhebliche Datenschutz- und Datensicher- heitslücken. Diese räumen die Betreiber des Portals überdies auch selbst ein. So heißt es in der besagten Datenschutzerklärung unter Punkt 7.: „Wir weisen darauf hin, dass die Datenübertragung im Internet (z.B. bei der Kommunikation per E-Mail) Sicherheitslücken aufweisen kann. Ein lückenloser Schutz der Daten vor dem Zugriff durch Dritte ist nicht möglich.“ Neben den dargestellten Erwägungen, begründet sich vorliegend die konkrete Veröf- fentlichungsgefahr nicht zuletzt in folgendem Umstand: Die Informationen, die Ihnen in Beantwortung Ihres konkreten Antrages gewährt worden sind, wurden de facto (automatisch) im Internet veröffentlicht. Dies ist unter https://fragdenstaat.de/anfrage/kontrollbericht-zu-musterbetrieb öffentlich einsehbar. Wir unterstellen Ihnen also nicht nur eine Veröffentlichungsabsicht und verweigern eine Informationsgewährung auch nicht bloß aufgrund der Möglichkeit einer Veröf- fentlichung. Vielmehr liegt Ihrerseits bereits eine Veröffentlichung gewährter Informa- tionen vor. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ggf. auch etwaige negative Kontrollbe- richte veröffentlichen würden, grenzt somit an Sicherheit. Im Rahmen dieses Wider- spruchsverfahrens, das auch der Selbstkontrolle der Verwaltung dient, wurde die oh- nehin bestehende, erhebliche Veröffentlichungsgefahr mithin nicht widerlegt, sondern sogar bekräftigt. b) Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition Die Informationen, die auf dem Portal „Topf Secret“ veröffentlicht werden sollen, hät- ten erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition der betroffenen Betriebe. Zeitlich unbegrenzte Informationen über Beanstandungen bei lebensmittelrechtlichen Kontrollen haben immer gravierende Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition des betroffenen Betriebes am Markt, da eine zeitlich unbegrenzte Vorhaltung teilweise nicht endgültig festgestellter oder bereits behobener Rechtsverstöße zu einem erheb- lichen Verlust des Ansehens führen kann, der bei zunehmendem zeitlichen Abstand nicht mehr von einem legitimen Informationsinteresse gedeckt wird (vgl. BVerfG, Be- schluss vom 21.03.2018, Az. 1 BvF 1/13). Im Einzelfall kann dies bis hin zur Exis- tenzvernichtung reichen (BVerfG, a.a.O.). Bereits die Information, dass Beanstandungen im Rahmen der letzten beiden Kon- trolltermine vorlagen, hätte somit Auswirkungen auf die Wettbewerbspositionen der betroffenen Betriebe, sodass sie von staatlicher Seite nur veröffentlicht werden darf, wenn dies mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang steht. Da eine Veröffentlichung auf dem Portal „Topf Secret“ weder zeitlich begrenzt noch nach der Qualität etwaiger Verstöße differenzierend erfolgt, ist dies nicht der Fall. 8
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Im Übrigen dürften wir Sie auch dann, wenn in Bezug auf den angefragten Betrieb keine Beanstandungen vorlagen, nicht darüber informieren. Denn wenn wir in Be- antwortung einer der standardisierten Anträge, die uns über das Portal „Topf Secret“ erreichen, konkret darüber informieren würden, dass in dem jeweiligen Einzelfall kei- ne Beanstandungen vorlagen, würde dies in weiteren Antragsverfahren über das In- ternetportal „Topf Secret“ den eindeutigen Rückschluss ermöglichen, dass immer dann eine Beanstandung vorlag, wenn wir nicht derart konkret informiert haben. Dass auch die Herausgabe etwaiger negativer Kontrollberichte Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition des jeweiligen betroffenen Betriebes hätte, liegt auf der Hand. Aus diesen Gründen haben Sie neben den Kontrollterminen lediglich die Rechtsaus- kunft erhalten, dass keine Beanstandungen festgestellt wurden, bzw. keine Bean- standungen festgestellt wurden, zu deren Veröffentlichung ich Ansehung der Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 40 Abs. 1a LFGB berechtigt bin. c) Quantitative und qualitative Vergleichbarkeit Die Auswirkungen einer Veröffentlichung von Informationen über lebensmittelrechtli- che Beanstandungen auf dem Portal „Topf Secret“ sind in quantitativer und qualitati- ver Hinsicht einem aktives staatliches Informationshandeln i.S.d. § 40 Abs. 1a LFGB nicht nur gleichzustellen, sondern sogar deutlich gravierender als jenes. Unter quantitativen Gesichtspunkten folgt dies aus der enormen Reichweite des Por- tals „Topf Secret“. So wurden dort innerhalb eines Monats 20.000 Anträge gestellt. Zum Vergleich: Eine stichprobenartige Auswertung hat ergeben, dass die Internetsei- te des MJEVG, auf der die Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB erfolgen, in einer Woche gerade einmal 21 Seitenaufrufe hatte. Die quantitativen Unterschiede sind mithin eklatant. Wenn Sie im Hinblick auf die qualitative Vergleichbarkeit anführen, behördliche In- formationen, die auf nichtstaatlichen Internetseiten wie „Topf Secret“ wiedergegeben werden, seien ganz offen als Informationen „aus zweiter Hand“ erkennbar, liegt dem abermals der Irrtum zugrunde, dass die Informationen nicht postalisch gewährt und somit nicht lediglich wiedergegeben werden. Vielmehr erscheint eine offizielle be- hördliche Antwort unmittelbar und unverändert im Internet. Insofern handelt es sich um Informationen aus erster (behördlicher) Hand, welchen deshalb sehr wohl auch die von Ihnen in Abrede gestellte Autorität staatlichen Handelns innewohnt. Überdies ist zu beachten: Ein aktives staatliches Informationshandeln i.S.d. § 40 Abs. 1a LFGB erfolgt sachlich, neutral, zeitlich begrenzt und nur, wenn aufgrund der Schwere des Verstoßes ein ernsthaftes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung besteht. So wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Informationsinteressen der Öffentlichkeit einerseits und den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Be- triebe anderseits hergestellt. Im Hinblick auf Veröffentlichungen auf dem Portal „Topf Secret“ ist dies indes nicht gewährleistet. Insbesondere würden dortige Veröffentli- 9
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chungen zeitlich unbegrenzt und unabhängig von der Schwere des Verstoßes erfol- gen. Die Auswirkungen auf die Wettbewerbspositionen der betroffenen Betriebe sind dort mithin qualitativ deutlich gravierender als im Falle staatlicher Veröffentlichungen i.S.d. § 40 Abs. 1a LFGB, nicht umgekehrt. Nach alledem war Ihr Antrag teilweise abzulehnen. Eine Einlassung auf Ihre Ausführungen zu der mangelnden Rechtsmissbräuchlichkeit Ihres Antrages kann dahinstehen, da wir Ihren Antrag nicht als rechtsmissbräuchlich erachtet haben. Aus diesem Grund haben wir ihm auch teilweise stattgegeben. Im Übrigen verweise ich auf die rechtlichen Ausführungen im Ausgangsbescheid. Die voranstehenden Ausführungen begründen nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides i.S.v. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 15 Abs. 3 Verwaltungskostengesetz des Lan- des Schleswig-Holstein (VwKostG SH) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 VIG. Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen den Verwaltungsakt vom 21.02.2019 kann beim Verwaltungsgericht in Schleswig innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides Klage erhoben werden. Hochachtungsvoll Erika Mustermann 10
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