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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Unterlagen Treffen Uniper E.ON

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Treffen des Beklagten und Uniper zeitlich nachfolgend aufgenommen. Die Inbetrieb- nahme ist mittlerweile ein knappes Jahr her (vgl. Artikel „Proteste gegen den Start von Datteln 4“, bereit vorgelegt als Anlage K 11). Die Anforderungen an den Vortrag des Beklagten, weshalb hier die Herausgabe der Gesprächsvorbereitungen ein Verwaltungsverfahren noch nachteilig beeinflussen könnte, sind daher nochmal ungleich höher. Der allgemein gehaltene Hinweis, dass man sich, sollten solche Gesprächsvorbereitungen herausgegeben werden müssen, künftig nicht mehr frei und unbefangen über Themen austauschen könne, adressiert schon nicht den Schutzbereich des Ausnahmetatbestands. Auch dies ist in der Recht- sprechung geklärt: „Der bloße Hinweis auf den Schutz der von einzelnen Mitarbeitern ver- tretenen Rechtspositionen und die damit zusammenhängende offene Erörterung zu kontroversen Fragen genügt dafür nicht, zumal etwaigen personenbezogenen Geheimhaltungsinteressen nicht im Rahmen des öffentlichen Belangen dienenden § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG zu begegnen ist.“ (OVG Berlin-Brandenburg Urt. v. 8.5.2008 – 12 B 24/07, BeckRS 2008, 37152, bestä- tigt durch BVerwG BVerwG, Urt. v. 2. 8. 2012 – 7 C 7/12, NVwZ 2012, 1619) Diese Feststellung bezog sich auf die Beratung von Kabinettsmitgliedern (in den Be- grifflichkeiten des Beklagten also die sog. „Leitungsebene“), welche als politische Entscheidungsträger/innen notwendig in der Öffentlichkeit stehen, für ihre Politik Rechenschaft ablegen müssen und dementsprechend auch einem gewissen Recht- fertigungsdruck ausgesetzt sind. Aber selbst in diesen Fällen, in denen Beratungen in unmittelbarer personeller und sachlicher Nähe zu einer noch anstehenden politi- schen Entscheidung stattfinden, ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass das Bekanntwerden von Unterlagen, die den Beratungsprozess nachvollziehbar machen und die Entscheidung unmittelbar vorbereiten, nachteilige Auswirkungen auf die freie und offene Willensbildung der Regierung hätte: „Eine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regie- rung ist für die hier noch in Rede stehenden Unterlagen nicht zur Über- zeugung des Gerichts dargetan. Die Informationen betreffen nicht die Erörterungen im Kabinett und auch nicht die unmittelbare Vorbereitung von Kabinettsitzungen in der Runde der Staatssekretäre. Es geht viel- mehr um Informationen, die der Information und Vorbereitung der Bun- deskanzlerin oder des Chefs des Bundeskanzleramtes für die Entschei- dung über den Atomausstieg dienten. Eine gewisse Nähe zum innersten 11
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Bereich der Willensbildung der Regierung ist damit zwar gegeben, es handelt sich aber dennoch um der Regierungsentscheidung vorgela- gerte Beratungs- und Entscheidungsabläufe“ (VG Berlin, Urt. v. 18. Dezember 2013 – VG 2 K 249.12, ZUR 2014, 433, 435) Dies muss umso mehr in dem konkreten Fall gelten, in dem die streitgegenständli- chen Unterlagen nicht durch Vertreter der Regierung, die sog. „Leitungsebene“, er- arbeitet worden sind, sondern durch die sog. „Fachebene“ oder „Mitarbeiterebene“. Hier ist schon gar nicht ersichtlich, wie eine Offenlegung der „unbefangenen Bera- tung und Meinungsäußerung“ durch die Fachebene, bei der es sich um in der Öf- fentlichkeit namentlich nicht näher bekannte und als Personen in der politischen Öf- fentlichkeit auch nicht relevante Personen handelt, künftig die unbefangene Bera- tung unmöglich und ein Hineinregieren in nicht abgeschlossene Verwaltungsvor- gänge wahrscheinlich machen würde. Angesichts der Tatsache, dass die betreffen- den Personen nicht in der Öffentlichkeit stehen und dem allgemeinen Verständnis nach auch keine politischen Entscheidungen treffen, können sie auch keinem öffent- lichen Druck ausgesetzt sein, der das künftige Funktionieren des Regierungshan- delns in der durch die Informationen betroffenen Verwaltungsentscheidung beein- trächtigt – niemand in der Öffentlichkeit geht davon aus, dass die „Mitarbeiter- ebene“ eine politische Entscheidung wie über die Inbetriebnahme des größten Koh- lekraftwerks Deutschlands trifft; entsprechend trifft auch der Beklagte die Unter- scheidung zwischen der „Fachebene“ und der „Leitungsebene“, wobei sich nach dem eigenen Vortrag des Beklagten den streitgegenständlichen Unterlagen eben nicht entnehmen lässt, welche der Vorschläge diese „Leitungsebene“ in den Gesprächen mit Uniper in welchem Umfang übernommen und thematisiert hat. Auch insoweit droht daher kein Hineinregieren Dritter in politische Entscheidungen durch Ausüben öffentlichen Drucks. Hier geht es ganz klassisch um Transparenz behördlicher Pro- zesse und nicht um eine unsachgemäße Beeinflussung von Regierungshandeln. Insoweit bereiten die streitgegenständlichen Unterlagen nach dem Vortrag des Be- klagten auch keine konkrete politische Entscheidung vor. Vielmehr enthalten die Ge- sprächsvorbereitungen nur „Erwägungen und Vorschläge der Mitarbeiterebene, die politisch nicht vorabgestimmt sind und aus welchen auch nicht ersichtlich ist, was letztendlich von der Leitung politisch gebilligt ist […] Möglicherweise ist nicht ein einziger der in den Vorbereitungen aufgeführten Aspekte, Überlegungen und Gedanken der Fachebene in den Gesprächen von der 12
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Leitungsebene überhaupt oder mit dem vorgeschlagenen Inhalt verwen- det worden.“ (Widerspruchsbescheid, S. 2, bereits vorgelegt als Anlage K 6) Dem Kläger erschließt sich somit nicht, dass die Beklagte zum einen argumentiert, dass die Unterlagen keine Aussagekraft für politische Auffassungen und Vorhaben der Entscheidungsträger enthielten, zum anderen aber durch die Veröffentlichung dieser dann insoweit nichtssagenden Unterlagen eine Gefährdung für die Vertrau- lichkeit von Beratungen zu erwarten sei. Insgesamt hat der Beklagte damit nicht ansatzweise substantiiert dargelegt, ob und inwieweit die Offenlegung der durch die „Fachebene“ vorgenommene Gesprächs- vorbereitung des Gesprächs zwischen der „Leitungsebene“ und Uniper bezüglich des Kohlekraftwerks Datteln IV konkrete, nachteilige Auswirkungen auflaufende behörd- liche Verfahren das Kohlekraftwerk betreffend haben könnte. Die Ausführungen im Verwaltungsverfahren belegen eher das Gegenteil. Es ist auch nicht ersichtlich, wes- halb mehr als ein Jahr nach den Treffen zwischen dem Beklagten und Uniper, auf den sich die Gesprächsvorbereitungen bezogen haben, und der zwischenzeitlichen Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks Datteln IV eine Offenlegung der auf Fachebene angestellten, umfassenden Überlegungen zur Inbetriebnahme von Datteln IV und zu den anstehenden Gesprächen mit dem Betreiber nicht erfolgen kann. Dies wider- spricht jedem modernen Verständnis von Verwaltungstransparenz und der Möglich- keit zur nachträglichen Kontrolle behördlicher Entscheidungsprozesse in Belangen von höchster gesellschaftlicher und politischer Bedeutung, nämlich der Erreichung der verbindlichen Klimaziele und der dringend gebotenen Abmilderung des Klima- wandels. Mit den Zielen der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG ist dies nicht vereinbar. bb) Kein aus sich selbst heraus begründbarer Schutz der geheimen Arbeitsweise Stattdessen verweist der Beklagte pauschal darauf, dass die – auch rückwirkende – Preisgabe „derartige[r] Unterlagen […] massive Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Staatskanzlei“ habe. Das ist schon nicht der richtige Maßstab. Der Beklagte of- fenbart hier einen kategorischen Willen zur pauschalen Geheimhaltung behördlicher Prozesse entgegen der gesetzlich geforderten Verwaltungstransparenz. Die geäu- ßerte Besorgnis, dass durch eine Pflicht zur Herausgabe von Dokumenten, die – of- fenbar gewohnt intransparente – „Arbeitsweise“ der „Fachebene“ in der Staatskanz- lei verunmöglicht werde, kann jedenfalls eine Ablehnung des konkreten Anspruchs rechtlich nicht tragen. Die „Arbeitsweise“ der Behörde ist schon nicht Schutzgegen- stand der Ausnahmetatbestände. Nachhaltig irritierend ist hierbei, dass der Beklagte 13
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durchblicken lässt, dass er auch im Falle eines den Anspruch zuerkennenden Urteils, die gesetzlich geforderte Transparenz künftig anzuerkennen nicht willens ist, son- dern verschiedene Varianten ausschmückt, um auch künftig, die behördlichen Pro- zesse vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. So werde künftig entweder gar nicht mehr umfassend beraten oder Unterlagen wie die streitgegenständliche würden nach Erstellung einer politisch abgestimmten Gesprächsvorbereitung „vernichtet“: „Vor allem aber würden beide Vorgehensweisen nicht dazu führen, dass Unterlagen der hier in Rede stehenden Art an die Öffentlichkeit gelang- ten, weil sie in der ersten Variante nie zur Entstehung kämen und in der zweiten Variante als Entwürfe vernichtet würden.“ (Widerspruchsbescheid S. 3, bereits vorgelegt als Anlage K 6) Hierzu hat die Rechtsprechung bereits alles gesagt: „Das UIG verlangt stattdessen […] auch von der Regierung und obersten Bundesbehörden, sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen nach- träglich zu erklären. Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des UIG nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen bzw. auch zu einer „Flucht in die Mündlich- keit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vor- zubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereit- schaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-)zubilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden.“ (OVG Münster, Urt. v. 30.8.2016 – 15 A 2024/13, NVwZ-RR 2017, 525, Rn. 51) 2. Keine interne Mitteilung der informationspflichtigen Stelle gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG Es ist nichts dafür vortragen und auch nichts ersichtlich, dass der Zugang zu den streitgegenständlichen Informationen durch den Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG verwehrt werden könnte. Interne Mitteilungen i.S.d. Vorschrift sind sol- che Verwaltungsinterna (Unterlagen, Vermerke etc.), die entweder Verwaltungs- und Organisationsabläufe betreffen oder solche Dokumente, bei denen es nicht um 14
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Fakten, sondern um politische Bewertungen, Abwägungen und Einschätzungen – al- lerdings lediglich bezogen auf die Dauer eines behördlichen Entscheidungsprozesses – geht (vgl. OVG NRW, Urt. v. 30.08.2016, 15 A 2024/13, Rn. 101). Dieses Verständ- nis der Norm trägt der europarechtlichen Vorgabe einer engen Auslegung der Aus- nahmevorschriften Rechnung. Auch wird der von der Aarhus- Konvention vorge- nommene Zusammenhang mit dem Ablehnungsgrund des „material in the course of completion“ (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG: Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder noch nicht aufbereitete Daten) berücksich- tigt: Es geht um den Schutz des internen Diskussionsprozesses bis zur abschließen- den Entscheidung. Die Ablehnungsgründe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 UIG be- zwecken beide die Aufrechterhaltung eines geschützten Innenkreises der Verwal- tung, damit diese störungsfrei und ohne Unterbrechungen ihre Entscheidungen vor- bereiten, überdenken und ohne äußeren Rechtfertigungsdruck ändern kann (vgl. OVG NRW, Urt. v. 30.08.2016, 15 A 2024/13, Rn. 103; OVG Münster, Urt. vom 3. 8. 2010 - 8 A 283/08; VGH Mannheim, Urt. v. 29.6.2017 – 10 S 436/15; OVG Berlin- Brandenburg, Urt. v. 13. November 2015 - 12 B 16.14, Rn. 54 ff.). Ein Vorlageverfahren zu Qualität und Reichweite des Tatbestands der „internen Mit- teilung“, ist nach dem Vorlagebeschluss des BVerwG (Beschl. v. 08.05.2019 - 7 C 28.17) derzeit beim EuGH anhängig. Der Generalanwalt hat im Rahmen seiner Schlussanträge insbesondere die Darlegungslast der Behörde betont, die „erläutern [muss], inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Inte- resse, das durch eine von ihr geltend gemachte Ausnahme nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2003/4 geschützt wird, konkret und tatsächlich be- einträchtigen könnte. Außerdem muss die Gefahr einer Beeinträchti- gung des geschützten Interesses angemessen absehbar und nicht rein hypothetisch sein. Der bloße Umstand, dass ein Dokument in den An- wendungsbereich einer Ausnahme fällt, ist für sich allein genommen kein hinreichender Grund für eine Behörde, die Ausnahmebestimmung anzuwenden.“ (Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag v. 16.7.2020 – C-619/19, BeckRS 2020, 16056 Rn. 33/34) Hier hat der Beklagte im Verwaltungsverfahren bislang nichts dafür vorgetragen, ob überhaupt und inwieweit der Zugang zu den streitgegenständlichen Informationen die Sicherstellung einer effektiven und neutralen Entscheidungsfindung des Beklag- ten in einem konkreten Verwaltungsverfahren gefährden würde. Insoweit setzt sich der Makel der Ausführungen des Beklagten zu § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG fort, nach denen 15
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der Beklagte lediglich pauschal um die Fortführung der intransparenten Arbeits- weise der Staatskanzlei fürchtet. Sollte der Beklagte hierzu noch vortragen und das Gericht zu der Auffassung gelan- gen, dass die Frage, ob es sich bei den Gesprächsvorbereitungen zu diesem Zeit- punkt um nicht herauszugebende interne Mitteilungen handelt, beantrage ich be- reits jetzt, das Verfahren gem. § 94 VwGO bis zu einer Entscheidung des EuGH über den Anwendungsbereich des Ablehnungsgrundes der „internen Mitteilungen“ auszusetzen. 3. Überwiegendes öffentliches Interesse In jedem Fall dürfte das öffentliche Interesse an dem Zugang zu den streitgegen- ständlichen Informationen das Interesse des Beklagten an deren Geheimhaltung überwiegen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Gesprächsvorbereitungsunterlagen von der „Fachebene“ erstellt worden sind und der umfassenden Information der „Leitungs- ebene“ dienen, ohne Rückschlüsse auf deren politische Standpunkte zu ermöglichen. Das VG Berlin führte hierzu in seiner Entscheidung zu den Unterlagen zur 13. Novelle des AtG aus: „Je weiter ein Informationsbegehren in den innersten Bereich der Wil- lensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss das Infor- mationsbegehren sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend ge- machtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVer- fGE 110, 199 [221 f.]). Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungs- abläufe sind demgegenüber einem Informationsbegehren in einem ge- ringeren Maße entzogen. Besonders hohes Gewicht kommt dabei dem Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 [130]; 110, 199 [222]).“ (VG Berlin, Urt. v. 18.12.2013 – VG 2 K 249.12, ZUR 2014, 433, 435, bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.11.2015 – OVG 12 B 6.14, ZUR 2016, 170) Bei den Gesprächsvorbereitungsunterlagen handelt es sich, wenn überhaupt, um solche vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe. Da nicht klar ist, inwie- weit die „Leitungsebene“ die geäußerten Auffassungen der „Mitarbeiterebene“ bei 16
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ihren Gesprächen mit dem Uniper überhaupt und mit welcher Zwecksetzung hin- sichtlich behördlicher Entscheidungen berücksichtigt hat, sind sie weit entfernt vom innersten Bereich der Willensbildung der Regierung. Das Interesse an Geheimhal- tung ist daher denkbar gering. Ohnehin scheinen die Gesprächsvorbereitungsunter- lagen für den Beklagten von so untergeordneter Bedeutung zu sein, dass der Be- klagte in Erwägung zieht, entsprechende Unterlagen künftig nicht zu verakten, son- dern zu „vernichten“. Das Interesse an der Offenlegung der Gesprächsvorbereitung ist jedoch groß. Insbe- sondere auch vor dem Hintergrund, dass die betreffenden Gespräche nicht proto- kolliert worden sind, bieten sie die Gesprächsvorbereitungsunterlagen den einzigen Anhaltspunkt, welche Option betreffend Datteln IV überhaupt und mit welchen Be- urteilungen in der Staatskanzlei erwogen worden sind; mag aus ihnen auch nicht hervorgehen, für welche der von der Fachebene aufbereiteten Optionen sich die „Leitungsebene“ schließlich entschieden hat. Damit bieten sie jedoch den einzigen Ausgangspunkt, um im öffentlichen Diskurs, der durch die Umweltinformationsricht- linie gerade befördert werden soll, nachträglich zu debattieren, ob die Informatio- nen und Überlegungen zu Datteln IV sachgerecht waren und die Inbetriebnahme sowie der Weiterbetrieb von Datteln IV klimapolitisch vertretbar erscheint. Gleich- zeitig ist von großem Interesse, welche Inhalte insoweit für relevant erachtet wor- den sind, um sie ggf. auf höchster politischer Ebene mit Uniper zu diskutieren. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb sehr wichtig für den öffentlichen Diskurs, weil ge- klärt werden kann, ob und wie der Beklagte seinen Beitrag dazu leisten möchte, dass die Bundesrepublik Deutschland ihren völkerrechtlichen und gemeinschaftsrechtli- chen Verpflichtungen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen nachkommen kann. Bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen können Rechtsverstöße drohen, die im Ergebnis sogar zu Vertragsverletzungsverfahren führen könnten. Im konkre- ten Fall sind die Information insoweit von besonderer Bedeutung, weil der Minister- präsident sich infolge der Gespräche öffentlich dahingehend geäußert hat, dass die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks Datteln IV klimaschädliche Emissionen gerade verringern könne. Eine Aussage, für die der Ministerpräsident in der Öffentlichkeit einige Verwunderung und Kritik geerntet hat (vgl. Artikel aus „Spiegel Online“, „La- schets krumme Kohlerechnung“ vom 28.11.2019, bereits vorgelegt als Anlage K 10). Diese Äußerung steht in unmittelbaren Zusammenhang der Treffen der Beklagten mit Uniper und der nachfolgenden Inbetriebnahme des Kraftwerks. Es ist daher da- von auszugehen, dass in den „umfassenden Ausführungen der Fachebene“ für die politische Leitung, die „deren umfassender Information“ (Widerspruchsbescheid S. 2, bereits vorgelegt als Anlage K 6) dienten, entsprechende Ausführungen zu der 17
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durch den Ministerpräsidenten schließlich vertretenen Ansicht enthalten waren. In- soweit führt auch der Beklagte aus: „Ein öffentliches Interesse an dem Ergebnis der geführten Gespräche oder jedenfalls an der in den vertretenen Position mag gegeben sein […]“ (vgl. Widerspruchsbescheid, S. 5, bereits vorgelegt als Anlage K 6). Insoweit können die Gesprächsvorbereitungen der „Fachebene“ Aufschluss darüber geben, ob die entsprechenden politischen Entscheidungen und Maßnahmen einen Beitrag dazu leisten können, die vereinbarten Klimaziele trotz – oder laut dem Ministerprä- sidenten des Beklagten gerade wegen – der Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks Datteln IV zu erreichen und die Erderwärmung zu begrenzen. Die Offenlegung der Grundlageninformationen ist daher entscheidend, um die Tragfähigkeit des Begrün- dungsansatzes überprüfen und öffentlichen diskutieren zu können. Dementsprechend kann auf Basis der in den Gesprächsvorbereitungen zu Datteln IV enthaltenen Informationen in Verbindung mit den in der Folge der Gespräche öf- fentlich geäußerten Ansichten des Ministerpräsidenten des Beklagten zur Inbetrieb- nahme von Datteln IV auch diskutiert werden, ob in dieser Causa nicht doch, wie der Kläger in seinem Antrag mutmaßt, in besonderem Maße „Partikularinteressen“ zu Lasten von Umwelt und Gesundheit aller Menschen bevorzugt worden sind. In die- sem Zusammenhang wird vorsorglich bestritten, dass sich der Ministerpräsident des Beklagten, wie durch den Beklagten im Verwaltungsverfahren nahegelegt, in dem streitgegenständlichen Zeitraum auch mit Interessenvertretern von Umweltverbän- den zur Besprechung der Inbetriebnahme von Datteln IV getroffen hat. Das geltend gemachte Informationsinteresse liegt damit vollkommen auf der Linie der Umweltinformationsrichtlinie, die als Ziele der Informationsansprüche ausgibt: „das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und den Umweltschutz zu verbessern“ Erwägungsgrund 1 der Umweltinformationsrichtlinie (2003/4/EG) Hier profitieren Umweltbewusstsein, freier Meinungsaustausch und die Teilnahme der Öffentlichkeit in Umweltfragen gleichermaßen. Die drei Aspekte sind daher ku- muliert in die Abwägung einzustellen und überwiegen im Sinne der Verbesserung des Umweltschutzes und der Demokratisierung des Diskurses über umweltpolitische Maßnahmen schon deswegen den ins Blaue benannten Belang des Vertraulichkeits- schutzes. Vor diesem Hintergrund ist es unzumutbar, dass die Öffentlichkeit bislang nur raten kann, wie der Ministerpräsident zu der Auffassung gelangte, die Inbetrieb- nahme von Datteln IV sei klimapolitisch sinnvoll und ob und inwieweit diese tatsäch- lich einen Beitrag dazu leistet, die gemeinschaftsrechtlichen wie völkerrechtlichen 18
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Verpflichtungen der Beklagten im Bereich des Klimaschutzes mit hinreichender Si- cherheit zu erfüllen. III. Ergebnis Nach allem ist der Klage stattzugeben. RA Dr. Phillip Hofmann *** 19
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