20201105-urteil-ovg-berlin-brandenburg

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen

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- 11 - sind. Nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles kann es Konstellationen geben, in denen auch der Zugang zu Unterlagen über abgeschlossene Vorgänge zu ver- sagen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018, a.a.O. Rn. 18, 23). a) Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass bei Anwendung dieser Grundsätze der Offenlegung von Sitzungsprotokollen des Beirats eine einengende Vorwirkung für dessen zukünftige Beratungen entgegenstehe. (aa) Bei den Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats handelt es sich bereits nicht um Beratungen einer Behörde, da der Beirat nicht Teil einer Behörde, des Bundesministeriums der Finanzen, ist. Entgegen der Annahme der Beklagten ist er nicht organisatorisch in das Ministerium integriert. Der Wissenschaftliche Beirat ist in voller Unabhängigkeit und zudem ehrenamtlich tätig (§ 1 der Satzung). Seine Mitglieder werden auf Vorschlag des Beirats, der zuvor über die Vorschläge abstimmt, berufen und können jederzeit aus eigenem Wunsch oder auf Vorschlag des Beirats aus dem Beirat ausscheiden (§ 3 der Sat- zung). Der Beirat hat einen eigenen Vorsitzenden, den er aus seiner Mitte wählt (§ 5 Satz 1 der Satzung). Zudem wird ihm vom Ministerium Personal für die Sekre- tariatsgeschäfte zur Verfügung gestellt(§ 10 der Satzung), so dass er nach außen selbständig auftreten könnte. Schließlich ist er nach der Satzungsüberschrift der Beirat „beim" Bundesministerium der Finanzen (vgl. zu den vorstehenden Kriterien OVG Münster, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475.10 - ZLR 2011, 113, juris Rn. 58). Die Einflussmöglichkeiten des Ministeriums auf den Beirat sind zudem gering. Nach § 8 der Satzung bestimmt der Minister den Zeitpunkt der Veröffentlichung der gutachterlichen Äußerungen des Beirats, die aber nicht später als zwei Monate nach Übergabe an ihn erfolgen soll. Ferner kann er die Vertraulichkeitspflicht hin- sichtlich des Gegenstandes der Beratungen und der gutachterlichen Äußerungen aufheben. Nach § 6 Satz 2 der Satzung soll lediglich den Wünschen des Ministers auf Beratung bestimmter Themen Rechnung getragen werden. Da die Ausnahmetatbestände des Informationsfreiheitsgesetzes eng auszulegen sind (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 9), kann eine wertende Betrachtung im Sinne der Argumentation der Beklagten nicht dazu führen, die vorgenannten Umstände aus- zuklammern und Beratungen des Beirats als die des Bundesfinanzministeriums - 12 -
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- 12 - selbst anzusehen. Dem dürfte es auch entsprechen, dass nach den Anwendungs- hinweisen des Bundesministeriums des Innern (GMBI. 2005, 1346 zu 111.5.) zu den beratenden Gremien, die nicht Teil einer Behörde sein sollen, beispielhaft der dor- tige „Beirat Verwaltungsverfahrensrecht" zählt, der dem hiesigen Beirat vergleich- bar sein dürfte (vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Wis- senschaftliche Beratungsgremien bei der Bundesregierung und im Bundestag, S. 32 unter 2.9.13). (bb) Es ist ferner nicht davon auszugehen, dass die zukünftigen Beratungen des Beirats aufgrund einer Veröffentlichung der Protokolle beeinträchtigt werden. Die generelle Annahme der Beklagten, bei einer drohenden Veröffentlichung von Sit- zungsprotokollen sei eine effektive Arbeit des Beirats nicht mehr sichergestellt, da diese eine kontinuierliche Atmosphäre der Offenheit und Unbefangenheit erfordere, genügt nicht, eine Beeinträchtigung anzunehmen. Die generalisierende Betrachtungsweise der Beklagten führte entgegen der Kon- zeption des Gesetzes zu einer unzulässigen Bereichsausnahme für die Tätigkeit des Beirats (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - NVwZ 2017, 1621, juris Rn. 17 und vom 13. Dezember 2018, a.a.O. Rn. 26). Sie würde bei einem Ausschluss der Sitzungsprotokolle und deren Anlagen vom Informationszugang die im Zusammenhang mit seiner Beratungsfunktion anfallenden Unterlagen vollstän- dig betreffen. Bei Vorgängen, die - wie Verlaufsprotokolle - einer typisierten Be- trachtungsweise zugänglich sind, kann die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen zwar auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. März 2017, a.a.0. Rn. 17 und vom 13. Dezember 2018, a.a.O. Rn. 26). Das rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, die Tätigkeit des Beirats sei bei einer Offenlegung seiner Sitzungsprotokolle generell gefährdet. Dagegen spricht bereits, dass die Mitglieder des Beirats anerkannte, in jeder Hin- sicht unabhängige Wissenschaftler sind, für die mit Blick auf das die Wissenschaft kennzeichnende Bemühen um Wahrheit (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Januar 1994, a.a.O. Rn. 46) der öffentliche Diskurs eines Themas mit der damit verbundenen Gefahr der Kritik Teil ihrer beruflichen Tätigkeit ist. Dass diese Überlegung auch für die Tätigkeit innerhalb des Beirats trägt, belegt der Umstand, dass in § 8 der Sat- zung nicht nur bestimmt ist, dass seine gutachterlichen Äußerungen grundsätzlich - 13 -
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- 13 - zu veröffentlichen sind, sondern auch, dass unterschiedliche Meinungen in der gut- achterlichen Äußerung dargelegt werden sollen, sofern in wichtigen Punkten eine einheitliche Meinung nicht erzielt wird. Ferner kann nach der Satzung eine Minder- heit ihre abweichende Auffassung in einem Minderheitsvotum zum Ausdruck brin- gen. Der vorstehende Befund der wissenschaftlichen Unabhängigkeit wird durch den in der mündlichen Verhandlung geschilderten Fall bestätigt, in dem sich die einen Gutachtenentwurf erstellenden Mitglieder des Beirats entschlossen haben sollen, diesen unter eigenem Namen zu veröffentlichen, nachdem der Beirat sich mehrheitlich gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen hatte. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass im Rahmen einer Diskussion auch vorläu- fige und nicht ausgereifte, entsprechend angreifbare Argumente in die Auseinan- dersetzung eingebracht werden könn.en. Mit dieser Situation sind Wissenschaftler jedoch auch bei öffentlichen Tagungen konfrontiert, ohne dass sich daraus gene- relle Schlussfolgerungen in Bezug auf ihre Bereitschaft zu Wortbeiträgen ziehen lassen dürften. Im Übrigen erscheint zweifelhaft, dass es der Typik der Diskussion in den Sitzungen des Beirats entspricht, dort gedanklich wenig vorbereitete Diskus- sionsbeiträge einzubringen, da die Themen der Tagesordnung einer Sitzung wäh- rend der vorherigen Tagung bestimmt werden. Auch die Einbringung von Stellung- nahmen, die mit Blick auf ihre Wirkung in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrau- lichkeit erfordern, dürfte mit Blick darauf, dass die Mitglieder des Beirats sich mit hohem fachwissenschaftlichen Wissen mit den von ihnen gewählten Themen sach- lich auseinandersetzen, nicht die Regel sein. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die Bereitschaft der Beiratsmitglieder, sich offen Und unbefangen zu äußern, auch davon abhängt, ob ihr Redebeitrag auf sie persönlich zurückgeführt werden kann. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass mit Blick auf§ 5 Abs. 1 IFG und dem entsprechend eingeschränkten Klageantrag des Klägers personenbezogene Daten grundsätzlich nicht herausgegeben werden dür- fen, so dass die Anonymität der Beiratsmitglieder in Bezug auf ihren Redebeitrag typischerweise gewahrt bleibt. Der Hinweis der Beklagten, bestimmte Redebeiträge einzelner Beiratsmitglieder seien aufgrund deren hoher Spezialisierung und der ver- einzelt geringen Anzahl der Vertreter eines Fachs zuordenbar, steht dem nicht ent- gegen, da nicht davon auszugehen ist, dass eine solche Reanonymisierbarkeit auf- grund des bloßen Inhalts eines Diskussionsbeitrags typisch ist und grundsätzlich - 14 -
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- 14 - sämtliche Inhalte der Protokolle des Wissenschaftlichen Beirats betrifft. Eine nä- here Präzisierung, welche Sitzungsprotokolle in welchen Teilen betroffen sein sol- len, hat die Beklagte nicht vorgenommen (dazu nachstehend Ziffer 6 a). Anders als die Beklagte meint, rechtfertigt der Schutz des Entscheidungsprozesses des Beirats als solcher nicht die Annahme einer Beeinträchtigung der Beratungen entsprechend dem Schutz der Kabinettsprotokolle der Bundesregierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018, a.a.O. juris Rn. 24 f.). Der Beirat wird lediglich im Vorfeld einer möglichen Entscheidungsfindung des Bundesfinanzminis- teriums tätig, so dass seine Protokolle nicht dem Kernbereich, erst recht nicht dem „Kernbereich des Kernbereichs" exekutiver Eigenverantwortung zuzuordnen sind. Die Annahme einengender Vorwirkungen der Offenlegung drängt sich insoweit nicht bereits auf wie bei der Veröffentlichung der Kabinettsprotokolle. Die Autorität des Beirats und die Akzeptanz seiner Empfehlungen hängen auch nicht davon ab, dass er wie die Bundesregierung „mit einer Stimme spricht". Vielmehr dürfte das Ver- trauen in seine Tätigkeit gerade darauf beruhen, dass auch Minderheitenauffassun- gen offengelegt und nicht aufgrund politischer Erwägungen verschwiegen werden. Der bereits angeführte Inhalt von § 8 der Satzung des Beirats bestätigt dies. Die Tätigkeit des Beirats weist auch nicht Besonderheiten auf, aufgrund derer die Ein- sichtnahme in die Protokolle der von der Beklagten ebenfalls angeführten Deut- schen Lebensmittelbuch-Kommission nach§ 3 Nr. 3 Buchst. b IFG ausgeschlossen worden ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. November 2010, a.a.O. Rn. 82 ff., 105 ff.). Insbesondere ist er nicht heterogen mit Mitgliedern aus verschiedenen Ver- kehrskreisen, sondern mit anerkannten Wissenschaftlern besetzt, so dass die Ge- fahr nicht besteht, dass seine Beratungen die analytisch-sachliche Ebene verlas- sen, sofern seine Protokolle offen gelegt werden würden. b) Die Annahme der Beklagten, durch eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle könne die politische Entscheidungsfindung des Bundesministeriums der Finanzen beeinträchtigt werden, rechtfertigt die Annahme des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG ebenfalls nicht. Die Beklagte stützt sich insoweit zu Unrecht darauf, dass es zu Rechtfertigungs- druck führen würde, wenn etwa bekannt werde, dass das Bundesministerium der - 15 -
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- 15 - Finanzen eine finanzpolitische Entscheidung getroffen habe, die von den Empfeh- lungen des Wissenschaftlichen Beirats abweiche. Dies überzeugt im vorliegenden Zusammenhang bereits deshalb nicht, weil die Protokolle des Wissenschaftlichen Beirats als reine Beratungsgrundlage einer Entscheidungsfindung des Ministeriums keinen Rückschluss auf den dortigen Gang der Meinungsbildung zulassen (zum fehlenden Schutz des Beratungsgegenstandes: BVerwG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O. juris Rn. 10 und 20). Im Übrigen ist nicht zwingend, welche Konsequenzen das Bundesfinanzministerium aus Empfehlungen des Beirats zieht. Ein von der Be- klagten angenommener Rechtfertigungsdruck ist mithin abhängig vom jeweiligen Einzelfall und kann nicht generell unterstellt werden. Dies gilt umso mehr als § 8 der Satzung des Beirats - wie dargelegt - gerade eine Veröffentlichung seiner gut-' achterlichen Äußerungen vorsieht. 4, Ein Informationszugang scheidet auch nicht nach § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG für Teile der Sitzungsprotokolle aus. Die Regelung schützt die auswärtigen Beziehun- gen der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen. Ob durch die Bekanntgabe einer Information ein Nachteil für die auswärtigen Be- ziehungen der Bundesrepublik Deutschland eintreten kann, lässt sich nur mit Blick auf die außenpolitischen Ziele, die sie verfolgt, und die insoweit verfolgte Strategie beantworten. Der mögliche Eintritt von Nachteilen für die internationalen Beziehun- gen kann nur Gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. Das Ge- richt kann insoweit nur nachprüfen, ob die Behörde von einem zutreffend und voll- ständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend be- gründet hat und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüch- liche Einschätzung getroffen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009, a.a.O. Rn. 14 ff.). a) Gemessen daran rechtfertigt der von der Beklagten geltend gemachte Umstand, dass in den Protokollabschnitten 111/18, 11/18 und 1/18 zum Thema der „Europäi- schen Einlagensicherung" diskutiert worden sei, nicht den teilweisen Ausschluss des Informationszugangs. Die entsprechenden Passagen sollen Bewertungen der Politik der Europäischen Zentralbank und Fragen der Mitgliedstaaten zum Europä- - 16 -
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- 16 - ischen Stabilisierungsfonds enthalten, die bei einer Offenlegung dazu führen könn- ten, dass sich die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank oder an- dere Mitgliedstaaten in ihrer Handlungsweise mit der Folge kritisiert fühlen könnten, dass Verwerfungen drohen. Insoweit bleibt bereits offen, welches Ziel die Bundes- regierung oder das Bundesfinanzministerium im Verhältnis zu den angeführten In- stitutionen und Mitgliedstaaten mit welcher Strategie verfolgt und inwieweit dieses Ziel beeinträchtigt werden könnte. Selbst wenn man unterstellen wollte, es sollten allgemein die Beziehungen von Verstimmungen im Zusammenhang mit dem Thema der "Europäischen Einlagensicherung" freigehalten werden, trägt dies nicht. Dass die angeführten Passagen der Protokolle die Beziehungen zu anderen Mit- gliedstaaten, der Europäischen Kommission oder der Europäischen Zentralbank zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland trüben könnten, erscheint nicht plau- sibel. Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, dass die Äußerungen der Beirats- mitglieder aus dem Jahr 2018 noch heute unbenannte Aspekte enthalten. Unab- hängig davon leuchtet es nicht ein, dass Bewertungen einzelner Beiratsmitglieder im Rahmen einer fachlichen Diskussion die Bundesrepublik Deutschland gegen- über den Vorgenannten in ein schlechtes Licht rücken sollen. Dass eine sachliche Auseinandersetzung über international bedeutsame finanzpolitische Themen Be- wertungen enthält, die auch als Kritik verstanden werden können, dürfte für euro- päische Staaten und bei den angeführten Institutionen eine Selbstverständlichkeit sein, zumal die europäische Geldmarkt- und Stabilitätspolitik seit Jahren kontrovers diskutiert wird. Zudem erscheint es nicht plausibel, dass Diskussionsbeiträge ein- zelner Beiratsmitglieder dem Beirat als solchem zugerechnet werden sollen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, weil etwa der Beirat eine abschließende Bewertung der Politik der Europäischen Zentralbank oder anderer formuliert haben sollte, er- scheint die Annahme der Gefahr der Beeinträchtigung der internationalen Bezie- hungen Deutschlands nicht einleuchtend. Der Beirat gehört nicht der Bunderegierung bzw. nicht dem Bundesfinanzministe- rium an. Der Einwand der Beklagten, im Ausland würden seine Aussagen oft dem Ministerium zugerechnet, erscheint im vorliegenden Zusammenhang nicht stimmig. Der Wissenschaftliche Beirat existiert seit dem Jahre 1949 und hat seit dieser Zeit 116 Stellungnahmen und Gutachten zu finanzpolitischen Themen veröffentlicht (vgl. Bundesfinanzministerium-Übersicht der Gutachten des Wissenschaftlichen - 17 -
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- 17 - Beirats beim BMF, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standard- artikel/Ministerium/Geschaeftsbereich/Wissenschaftlicher_Beirat/Gutachten_und_ Stellungnahmen/Gutachtenuebersicht/gutachtenuebersicht.htm). Diese sind auch im Ausland nach ihrem Inhalt nur für Fachleute, insbesondere Regierungsbeamte und Wissenschaftler, von Interesse und dürften bereits aufgrund ihres rein wissen- schaftlichen Gangs der Untersuchung die Unabhängig der Autorenschaft nahe le- gen. Jedenfalls erscheint es gerade vor dem Hintergrund der Angabe der Beklag- ten, dass es im Ausland eine unabhängige Beratung durch wissenschaftliche Gre- mien regelmäßig nicht geben soll, nicht plausibel, dass den Fachkreisen im Ausland ungeachtet der langen Existenz und umfangreichen Publikationsliste des Wissen- schaftlichen Beirats verborgen geblieben sein soll, dass dieser unabhängig ist und sich nicht im Namen des Bundesfinanzministeriums äußert. Dagegen spricht auch, dass der vom Ministerium veröffentlichten Liste der Publikationen der Hinweis vo- rangestellt ist, dass die Gutachten nicht notwendigerweise die Meinung des Minis- teriums wiedergeben, die Satzung des Beirats durch das Ministerium veröffentlicht ist und die Unabhängigkeit des Beirats ohne Aufwand zu ermitteln ist (vgl. Wissen- schaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen,            https://de.wikipe- dia.org/wiki/Wissenschaftlicher_Beirat_beim_Bundesministrium_f%C3%BCr_Wirt- schaft). Vor dem geschilderten Hintergrund erscheint die Annahme, dass in den Protokollen des Wissenschaftlichen Beirats enthaltene fachwissenschaftliche Be- wertungen, die wiederum allenfalls in Fachkreisen von Interesse sein werden, im europäischen Ausland im Ergebnis dem Bundesfinanzministerium zugerechnet werden, nicht plausibel. Das Vorbringen der Beklagten, durch offen diskutierte Positionen würden den inter- nationalen Verhandlungspartnern Einblicke in die nicht öffentlich bekannte deut- sche Verhandlungsstrategie zu den Verhandlungen zur europäischen Einlagensi- cherung eröffnet, lässt ebenfalls nicht erkennen, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland belastet werden. Vorsorglich sei darauf hingewie- sen, dass die Einschätzung der Beklagten auch nicht genügt, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 3 Buchst. a IFG zu bejahen, da bereits nicht plausibel ist, dass Äuße- rungen der Beiratsmitglieder mit Bewertungen der Politik der Europäischen Zent- ralbank und Fragen der Mitgliedstaaten zum Europäischen Stabilitätsmechanismus Einblick in die Verhandlungsstrategie des Bundesministeriums der Finanzen ge- - 18 -
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- 18 - währen. Dies gilt erst recht, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung klarge- stellt hat, dass die maßgeblichen Protokollausschnitte keine Positionen aus ver- traulichen Verhandlungen enthielten. b) Der Ausschluss der Information nach § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG ist auch nicht in Bezug auf Teile der Sitzungsprotokolle 11/18 und IV/17 gerechtfertigt, die Ausfüh- rungen zum Thema „Leistungsbilanzüberschüsse" enthalten sollen. Soweit die Passagen ebenfalls Bewertungen der Politik der Europäischen Zentralbank sowie Fragen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus betreffen sollen, genügt dies entsprechend dem bereits Ausgeführten nicht, die Vo- raussetzungen des Ausschlussgrundes anzunehmen. Auch der darüber hinausgehende Hinweis der Beklagten, dass Politikoptionen, die der Wissenschaftliche Beirat als mögliche Empfehlungen diskutiere; von anderen Ländern als Bedrohung wahrgenommen werden könnten, führt nicht zum Informa- tionsausschluss. Abgesehen davon, dass die Beklagte damit offen lässt, ob die Bei- ratsmitglieder entsprechende Politikoptionen in den angeführten Passagen der Pro- tokolle diskutiert haben, sind auch insoweit weder ein konkretes außenpolitisches Ziel noch die dazu verfolgte Strategie dargelegt. Auch welche Einwirkung auf die internationalen Beziehungen befürchtet wird, bleibt offen und erschließt sich nicht durch den Hinweis, die Bunderegierung hätte die Folgen der Veröffentlichung zu tragen, obwohl sie deren Ursachen nicht veranlasst habe. Im Übrigen erscheint aus den vorstehenden Gründen nicht plausibel, dass europäische Staaten Diskussions- beiträge von einzelnen Beiratsmitgliedern dem Bundesfinanzministerium zurech- nen. c) Die Beklagte stützt sich ferner ohne Erfolg darauf, dass der Beirat nach dem Sitzungsprotokoll 11/17 einen Vortrag zur „Zukunft der EU-Finanzen" diskutiert habe. Mit ihrer Annahme, die dortige Einschätzung des Expertengremiums würde „bei- spielsweise bei verschiedenen Szenarien und Haftungsfragen höchstwahrschein- lich Kursreaktionen an den Devisenmärkten auslösen, die die Marktfunktionen stö- ren" würden, ist die Gefahr einer nachteiligen Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nicht dargelegt. Soweit die Beklagte geltend macht, dass politische Reaktionen in der britischen Brexitdebatte bei einer Veröffentlichung konkret vorhersehbar seien und Großbritannien eine Einmischung - 19 -
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- 19 - als unangemessen empfinden könne, überzeugt auch dies aus den bereits genann- ten Gründen nicht. Da die Briten am 1. Februar 2020 aus der Europäischen Union ausgeschieden sind, kommt dem Argument unabhängig davon keine Bedeutung mehr zu. 5. Der Informationszugang ist auch nicht nach § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG in Bezug auf das Sitzungsprotokoll 111/18 ausgeschlossen. Die Regelung setzt voraus, dass auf- grund der konkreten Umstände eine Beeinträchtigung der Kontroll- oder Aufsichts- aufgaben unter anderem der Finanzbehörden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies erfordert eine auf konkreten Tatsachen beruhende prognosti- sche Bewertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840, juris Rn. 30). Soweit die Beklagte geltend macht, dass der Beirat sich nach dem Sitzungsproto- koll 111/18 mit Fragen der Blockchain-Technik und der Kryptowährungen auseinan- dergesetzt habe, betrifft dies nach der von ihr eingereichten Gliederung (Anlage B 2, BI. 174 ff. der Gerichtsakten) lediglich den Punkt IV des Protokolls. Auch insoweit vermag ihre Annahme, dass das Bekanntwerden der Diskussionsbeiträge die Kon- troll- und Aufsichtsaufgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht konkret beeinträchtigen könnte, den Informationsausschluss jedoch nicht zu recht- fertigen. Die Befürchtung, im vorgenannten Zusammenhang geäußerte interne Ein- schätzungen eines Mitarbeiters der Bundesanstalt könnten als Hinweise auf Schwächen der bestehenden Regulierung und Aufsicht verstanden werden, so dass der Markt Produkte designen könnte, die ohne diese Informationen nicht entworfen worden wären und zum Schaden eines funktionierenden Kapitalmarkts entwickelt werden würden, genügt dafür nicht. Die Beklagte lässt bereits offen, ob die internen Einschätzungen überhaupt Schwä- chen der bestehenden Regulierung konkret aufgezeigt haben oder ob hier nur eine entfernte Möglichkeit besteht, dass aus den im Protokoll enthaltenen Ausführungen auf Schwächen geschlossen werden könnte. Ferner vermag die erwogene Möglich- keit der Entwicklung neuer Produkte zum Schaden des Kapitalmarkts eine hinrei- chend konkrete Wahrscheinlichkeit einer solchen Folge nicht zu begründen. Gegen sie spricht, dass der Gesetzgeber das Kreditwesengesetz mit Wirkung vom 1. Ja- - 20 -
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- 20 - nuar 2020 erweitert hat (BGBI. 2019 1, S. 2602) und Kryptowerte als Finanzinstru- mente aufgenommen (§ 1 Abs. 1 a Satz 2 Nr. 6 KWG) und auch die Verwahrung von Krypto-Assets als eine lizenzpflichtige Finanzdienstleistung (§ 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 10 KWG) normiert hat. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber zwar Kryptowerte reguliert, aber mögliche Schwächen der Regulierung und Aufsicht in diesem Zusammenhang nicht behoben werden, obwohl ihre Kenntnis mit hinrei- chender Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung neuer Produkte zum Schaden eines funktionierenden Kapitalmarkts führen soll, hat die Beklagte nicht dargelegt. Der von dem Kläger beantragten Beweisaufnahme zum Inhalt der Äußerungen des Mit- arbeiters der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bedurfte es vor dem geschilderten Hintergrund nicht. 6. Die Beklagte macht überwiegend ohne Erfolg geltend, dass der Informationszu- gang weitergehend als vom Verwaltungsgericht angenommen nach § 5 Abs. 1 IFG ausgeschlossen sei. Die dort geschützten personenbezogenen Daten bezeichnen alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Zu den personenbezogenen Daten zählen insbesondere auch subjektive Informationen wie Mitteilungen oder Beurtei- lungen von einer Person (vgl. Karg, in: Simitis/Hornung/Spiecker genannt Döh- mann, Datenschutzrecht, DSGVO mit BDSG, 2019, Art. 4 Nr. 1 DSGVO Rn. 27 ff.; Klar/Kühling, in: ders./Buchner, Datenschutz-Grundverordnung/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Nr. 1 Rn. 8). Zur Identifizierbarkeit genügt, dass der Personenbezug mit Zusatzwissen und Mitteln, über die der Antragsteller oder Dritte verfügen und die vernünftigerweise eingesetzt werden können, hergestellt werden kann (vgl. Karg, a.a.O. Rn. 57 ff., 61 m.w.N.). a) Die Annahme der Beklagten, der Zugang zu den Sitzungsprotokollen ermögliche es, einzelne Diskussionsbeiträge von Beiratsmitgliedern diesen zuzuordnen, ob- wohl die dort außerhalb der Teilnehmerliste enthaltenen Namen, Titel, Berufs- und Funktionsbezeichnungen geschwärzt seien, genügt nicht, um den Informationszu- gang auszuschließen. In Bezug auf die von der Beklagten aus der fachlichen Spe- zialisierung von Beiratsmitgliedern gefolgerte Reanonymisierbarkeit einzelner ihrer Aussagen fehlt bereits jeder konkrete Anhaltspunkt, wo innerhalb der streitgegen- ständlichen Sitzungsprotokolle Äußerungen enthalten sein sollen, die auf Grund ih- res Inhalts ohne jeden Zweifel auf eine Spezialisierung schließen lassen sollen, die - 21 -
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