Das Urteil gegen Globke

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Lfd.Nr.1068 Das entspricht auch den völkerrechtlichen Verpflichtungen, die dem deutschen Volk nach der bedingungslosen Kapitulation des Hitler-Faschismus auferlegt wurden. Im Potsdamer Abkommen heisst es unter III A 5: "Kriegsverbrecher und alle diejenigen, die an der Planung oder Verwirklichung nazistischer Massnahmen, die Greuel oder Kriegsverbrechen nach sich zogen oder als Ergebnis hatten, teilgenommen haben, sind zu verhaften und dem Gericht zu übergeben." Die Bundesregierung hat stets das Potsdamer Abkommen missachtet, und ihr Vertreter hat es 1956 im Karlsruher KPD-Prozess als "leere Hülse" bezeichnet. Sie erfüllt auch nicht die hier genannte Verpflichtung und lässt den Angeklagten Globke als hohen Staatsbeamten amtieren, anstatt ihn vor Gericht zu stellen. Die DDR achtet das Völkerrecht und führt das Verfahren gegen Globke stellvertretend für das ganze deutsche Volk durch. Dabei kommt der Tatsache grosse Bedeutung bei, dass sich auf Grund der Gesetze der DDR Vertreter ausländischer Organisationen als gesellschaftliche Ankläger der staatlichen Anklage gegen Globke angeschlossen haben. Die Herren Palant aus Frankreich, Landau aus Israel und Isidorczyk aus Polen haben im Namen von Organisationen der Widerstandskämpfer und Opfer des Naziregimes durch ihre Erklärungen zur Aufdeckung der Verbrechen des Angeklagten beigetragen und eine seinen Taten entsprechende Strafe gefordert. II. « Zuständigkeit des Obersten Gerichts der DDR » Mit der völkerrechtlichen Verpflichtung der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchführung dieses Prozesses hängt die Zuständigkeit des Obersten Gerichts der DDR auf das engste zusammen. Ausgangspunkt ist die völkerrechtlich verbindliche Ächtung von Aggressionskriegen und die Tatsache, dass im Londoner Statut des Internationalen Militärtribunals und durch den bestätigenden Beschluss der UNO-Vollversammlung Verbrechen gegen den Frieden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen für strafbar erklärt sind. Um im Interesse der Menschheit diese völkerrechtlichen Normen durchzusetzen und die Verbrecher zu hindern, sich durch Übersiedlung in ein anderes Land der Strafverfolgung zu entziehen, ist eine universelle Zuständigkeit zur Aburteilung solcher Verbrechen, wie sie der Angeklagte Globke begangen hat, begründet. Bereits daraus würde sich die Zuständigkeit des Obersten Gerichts ergeben. Die Handlungen des Angeklagten im Rahmen der Judenverfolgung und der Germanisierungspolitik des Hitler-Regimes stellen aber auch Handlungen dar, die in der Absicht begangen wurden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Damit sind sie als Völkermord im Sinne des Artikels II der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes zu qualifizieren, die am 9.Dezember 1948 von der UNO-Vollversammlung als Resolution 260 (III) angenommen wurde. Nach Artikel VI dieser Konvention ist für derartige Verbrechen ein Gericht des Staates, in dessen Gebiet die Handlung begangen worden ist, oder ein internationales Strafgericht zuständig. Da der Tatort der Verbrechen des Angeklagten Globke Berlin ist, ergibt sich auch aus dieser Völkerrechtsnorm die Zuständigkeit des verhandelnden Gerichts. Im Hinblick auf den Tatort bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der vom Bezirksgericht Jerusalem im Urteil gegen Eichmann erörterten Frage, wie sich diese Bestimmung zu dem Prinzip der universellen Zuständigkeit verhält. Die Verteidigung hat im Zusammenhang mit der Zuständigkeit des Obersten Gerichts der DDR die Tatsache unterstrichen, dass der Angeklagte heute Bürger der Bundesrepublik ist, während das Oberste Gericht die Verfassung und die Strafgesetze der DDR anzuwenden hat. Daraus würden sich bei einer nach Gründung der DDR vorgenommenen Handlung keine Probleme ergeben. Im Hinblick darauf, dass die Handlungen des Angeklagten vor 1945 liegen, ist festzustellen: Der Angeklagte wird dadurch nicht schlechter gestellt als bei einem in Westdeutschland durchgeführten Strafverfahren. Auch in der Bundesrepublik sind die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts geltendes Recht. Mord ist in beiden 77
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Lfd.Nr.1068 deutschen Staaten unter höchste Strafe gestellt, und das Gericht hat gegen den Angeklagten die in Westdeutschland zulässige Höchststrafe für Mord, lebenslanges Zuchthaus, verhängt. Neben den völkerrechtlichen Erwägungen ergibt sich die Zuständigkeit des Obersten Gerichts der DDR aus dem innerstaatlichen Recht. Der 1.Strafsenat bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die 2 im Urteil gegen Theodor Oberländer vom 29.April 1960 getroffenen Feststellungen und fasst sie für den Angeklagten Globke folgendermassen zusammen: Nach §3 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik unterliegen alle im Gebiet der DDR begangenen Verbrechen dem Geltungsbereich des StGB. Die Handlungen des Angeklagten Globke fanden im früheren Deutschen Reich, und zwar in Berlin, statt. An diesem Tatort ändern die Instruktionsreisen des Angeklagten ins Ausland nichts, die der Durchführung seiner Verbrechen dienten. Der Angeklagte war stets deutscher Staatsangehöriger. Ein Teil des Gebietes des ehemaligen Deutschen Reichs einschliesslich seiner Hauptstadt Berlin ist heute das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik, deren Hauptstadt seit ihrer Gründung wiederum Berlin ist. Dass Westberlin zwar zum Territorium der DDR gehört, aber gegenwärtig als besonderes Gebiet unter einer eigenen Verwaltung und unter Besatzungsrecht steht, hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Die Deutsche Demokratische Republik ist, wie bereits im Urteil gegen Oberländer ausgeführt wurde, einer der beiden Nachfolgestaaten des mit der Zerschlagung des faschistischen Deutschen Reiches durch die Anti-Hitler-Koalition untergegangenen früheren deutschen Staates. Auf diese Tatsache ist es ohne Einfluss, dass die DDR gegenüber dem früheren Deutschen Reich einen auf einer revolutionären Umwälzung beruhenden neuen Staatstyp verkörpert. Die DDR übt alle Rechte eines souveränen Staates aus, zu denen auch die Jurisdiktionsgewalt auf ihrem Gebiet gehört. Deshalb steht ihr das Recht zur Aburteilung von Verbrechen deutscher Staatsangehöriger zu, mögen sie vor oder nach der Gründung der DDR auf ihrem heutigen Gebiet begangen worden sein. Demnach ergibt sich aus §3 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit §13 der Strafprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik die Zuständigkeit des Obersten Gerichts der DDR zur Aburteilung des Angeklagten Globke. B. « Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten » Der Angeklagte Globke wurde am 10.September 1898 in Düsseldorf als Sohn des Kaufmannes Josef Globke und seiner Ehefrau Sofie geb. Erberich geboren. Vom 7.Lebensjahr an besuchte er die Volksschule, von 1908 an das Kaiser-Karl-Gymnasium in Aachen, wo er am 15.November 1916 die Reifeprüfung ablegte. Anschliessend befand er sich bis zum 16.November 1918 im Heeresdienst. Er gehörte dem Feldartillerie-Regiment 56 an und war an der Westfront eingesetzt. Nach seiner Entlassung vom Heeresdienst studierte der Angeklagte an den Universitäten Bonn und Köln Rechtswissenschaft und bestand am 11.Mai 1921 in Köln die erste juristische Prüfung mit "ausreichend". Am 30.Mai 1921 trat er den Dienst als Referendar beim Amtsgericht Eschweiler an und wurde auf die Reichsverfassung und die Preussische Landesverfassung vereidigt. Er war zur Ausbildung weiter beim Landgericht Köln, bei der Staatsanwaltschaft Köln, bei Rechtsanwalt Dr. Lieren und Notar Dr. Krebs in Köln, beim Amtsgericht Köln und beim Kammergericht Berlin tätig. Am 16.Mai 1922 promovierte der Angeklagte zum Dr.jur. mit der Beurteilung "magna cum laude" in Giessen über das Thema "Die Immunität der Mitglieder des Reichstages und der Landtage". Er bestand am 11.April 2 Siehe Lfd.Nr.1087. 78
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Lfd.Nr.1068 1924 die zweite juristische Staatsprüfung mit "gut" und wurde am 28.April 1924 durch den Preussischen Justizminister zum Gerichtsassessor ernannt. Am 30.April 1924 meldete er sich beim Oberlandesgerichtspräsidenten in Köln zum Dienstantritt und wurde an das Amtsgericht Aachen überwiesen. Von Ende Oktober 1924 bis Ende März 1925 war der Angeklagte als amtlicher Vertreter verschiedener Rechtsanwälte in Aachen tätig. Ende 1924 wurde er folgendermassen beurteilt: a) Vom Landgerichtspräsidenten: "Noch nicht näher bekannt, da längere Zeit als Vertreter von Rechtsanwälten tätig gewesen." b) Vom Oberlandesgerichtspräsidenten: "Als Assessor mir noch nicht bekannt geworden, hat als Referendar Gutes geleistet." Bereits am 14.April 1924 hatte der Angeklagte an den Preussischen Minister des Innern ein Gesuch um Übernahme in die innere Staatsverwaltung gerichtet. In dem Gesuch heisst es: "Mein Wunsch geht dahin, dem preussischen Staat meine Dienste zu widmen." Auf Anforderung des Innenministers berichtete der Regierungspräsident in Aachen am 16.Juni 1924 ausführlich über den Angeklagten und seine Familie. Der Bericht schliesst: "Gegen die Übernahme des Gerichtsassessors Johannes Globke in den Ver- waltungsdienst sind keine Bedenken zu erheben. Bei seiner persönlichen Vorstellung hat Dr. Globke einen vorzüglichen Eindruck gemacht." Am 1.April 1925 beantragte der Angeklagte beim Oberlandesgerichtspräsidenten in Köln einen sechsmonatigen Urlaub zwecks Beschäftigung bei der Stadtverwaltung in Aachen. Der Urlaub wurde gewährt, und am 4.Mai 1925 wurde Globke mit Zustimmung des Ministers des Innern und unter Vorbehalt der Einstellungsgenehmigung der Besatzungsbehörde bei der Polizeiverwaltung Aachen beschäftigt. Am 18.September 1925 beantragte der Angeklagte einen weiteren sechsmonatigen Urlaub, der zunächst gewährt, aber durch den Oberlandesgerichtspräsidenten in Köln am 6.Februar 1926 infolge des ausserordentlichen Bedarfs der Justizverwaltung an richterlichen Hilfskräften widerrufen wurde. Am 14.Februar 1926 wandte sich der Polizeidezernent der Regierung in Aachen an den Oberlandesgerichtspräsidenten in Köln mit dem Ersuchen, Globke in der Verwaltung zu belassen. In dem Schreiben heisst es: "Als eingearbeitete Kraft und als einziger Stellvertreter des Polizeiverwalters ist er nur schwer zu entbehren. Seine dauernde Übernahme in den Verwaltungsdienst wird in Kürze erwartet." Bereits am 10.Februar 1926 hatte der Regierungspräsident in Aachen einen Antrag an den Preussischen Innenminister gerichtet, Globkes Übernahme in die allgemeine Staatsverwaltung zu veranlassen. In dem Antrage heisst es: "Dr. Globke hat sich in jeder Weise bewährt." Zehn Tage darauf wurde der Angeklagte aus dem Justizdienst entlassen, mit Wirkung vom 1.März 1926 unter Ernennung zum Regierungsassessor endgültig in die innere Staatsverwaltung übernommen und dem Polizeipräsidium in Aachen überwiesen. In einer Beurteilung des Angeklagten durch den Regierungspräsidenten in Aachen vom 28.Februar 1927 heisst es: "Sehr tüchtiger und sehr eifriger Beamter mit vorzüglichen Kenntnissen." Der Angeklagte setzte seine Tätigkeit bei der Polizeiverwaltung Aachen fort und wurde am 19.März 1929 folgendermassen beurteilt: "Nimmt seit mehreren Jahren die Dienstgeschäfte als dauernder Vertreter des Pol.-Verwalters beim Pol.-Präsidium Aachen, das auf Anordnung der Besatzung dem Oberbürgermeister unterstellt werden musste, wahr und eignet sich bei seinen gründlichen Kenntnissen, seinem besonderen Geschick bei der Behandlung politischer Fragen vorzugsweise zum Hilfsarbeiter bei einem Oberpräsidium." Am 29.November 1929 ernannte der Preussische Minister des Innern den Angeklagten zum Regierungsrat und übertrug ihm ab 1.Januar 1930 eine Regierungsratsstelle bei der 79
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Lfd.Nr.1068 staatlichen Polizeiverwaltung in Berlin; er sollte dort die Polizeiämter Prenzlauer Berg und Weissensee übernehmen. Bereits am 3.Dezember 1929 wurde jedoch der Angeklagte infolge der angespannten Geschäftslage als Hilfsarbeiter in das Preussische Ministerium des Innern berufen und verblieb dort. Nach dreimonatiger Probezeit forderte der Minister des Innern von den unmittelbaren Vorgesetzten des Angeklagten Beurteilungen an. Am 1.April 1930 schrieb Ministerialrat Dr. Schütze, dem sich die übrigen Ministerialbeamten im wesentlichen anschlossen: "In der Folge wurde Herr Dr. Globke mit der Sicherung und Zusammenstellung des Materials für zwei bedeutsame Prozesse vor dem Staatsgerichtshof befasst. Hierbei hat er eine gute juristische Auffassungsgabe gezeigt und recht erfreuliche Leistungen erbracht ... Ich bin in der angenehmen Lage, bestätigen zu können, dass er über ein reiches Wissen, eine schnelle Auffassungsgabe, eine gewandte Ausdrucksweise und über eine stets einwandfreie Vortragsform verfügt ... Seine Leistungen und Fähigkeiten beurteile ich hiernach zusammenfassend dahin, dass er mir in jeder Richtung geeignet erscheint, in einer Zentralinstanz tätig zu sein." Der Angeklagte wurde am 10.September 1932 neben anderen Aufgaben stellvertretender Referatsleiter für die politischen und kulturellen Angelegenheiten des Saargebiets. Auch nach dem 30.Januar 1933 blieb der Angeklagte im Preussischen Ministerium des Innern. Lediglich das Referat "Ordens- und Titelsachen" wurde ihm am 3.Mai 1933 abgenommen. In seinem Fragebogen auf Grund des faschistischen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.April 1933 wies der Angeklagte auf seine Frontkämpfereigenschaft hin und reichte später eine entsprechende Bescheinigung des Büros für Kriegsstammrollen nach. Ausserdem gab der Angeklagte an, seit 1922 Mitglied der Zentrumspartei gewesen zu sein. Über die Zentrumsbeamten erklärte der damalige Preussische Ministerpräsident Göring am 18.Mai 1933 vor dem Preussischen Landtag: "Insonderheit möchte ich den vorgebrachten Beschwerden des Zentrums gegenüber klarstellen, dass ein dem Zentrum angehöriger Beamter nichts für seine Existenz zu befürchten hat, oder ein dem Zentrum angehöriger Anwärter für das Beamtentum in seiner künftigen Laufbahn in nichts behindert ist darum, weil er dem Zentrum angehört. Wenn aber in diesen letzten Wochen und Monaten dem Zentrum angehörende Beamte von ihren Posten entfernt werden mussten, so nicht deshalb, weil sie Zentrumsanhänger waren, sondern ausschliesslich deshalb, weil sie sich in der Vergangenheit als Beamte in einem Sinne betätigt haben, der nicht die Gewähr bieten kann, dass sie in Zukunft Stützen des neuen Preussens und des neuen Deutschlands sein können." Diese von Göring aufgestellten Voraussetzungen wurden beim Angeklagten bejaht; am 1.Dezember 1933 wurde er zum Oberregierungsrat befördert. In einer Beurteilung vom 23.Mai 1934 heisst es über das Arbeitsgebiet des Angeklagten: "Selbständiger Referent für Verfassungs-, Standesamtssachen, Namensänderungen p.p. Ständiger Vertreter für Saarsachen und andere grenzpolitische Angelegenheiten des Westens." Globke wird folgendermassen beurteilt: "Eignet sich nach Befähigung, Fleiss und Leistungen in hervorragendem Masse zum Ministerialrat. Gründlicher Arbeiter, gutes Judiz, klare und gewandte Ausdrucksweise im mündlichen Vortrag wie in schriftlichen Ausführungen." Am 27.August 1934 wurde Globke auf Adolf Hitler vereidigt. Am 30.August 1935 - inzwischen war seit dem 1.November 1934 das Preussische Innenministerium mit dem Reichsinnenministerium vereinigt worden - beurteilte Staatssekretär Dr. Stuckart Globke folgendermassen: "Globke ist ein guter Jurist und Verwaltungsbeamter mit klarem Urteil und rascher Entschlusskraft und Entscheidungsfähigkeit. ... Seiner überlegenden Art 80
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Lfd.Nr.1068 entsprechend erscheint er mehr für die Zentralbehörde als für die Mittelbehörden geeignet. Nach weiterer Bewährung würde ich seine Ernennung zum Ministerialrat befürworten." Am 25.April 1938 richtete der Reichs- und Preussische Minister des Innern, Frick, an den Stellvertreter des Führers in München unter dem Betreff "Beamtenbeförderungen im Reichs- und Preussischen Ministerium des Innern" ein Schreiben, in dem es heisst: "In meinem Ministerium stehen 3 Stellen für Ministerialräte zur Verfügung. Ich beabsichtige, dem Führer und Reichskanzler vorzuschlagen, die Oberregierungsräte Ritter von Lex, Krug von Nidda und Dr. Globke zu Ministerialräten zu befördern ... 3. Oberregierungsrat Dr. Globke gehört unzweifelhaft zu den befähigsten und tüchtigsten Beamten meines Ministeriums. In ganz hervorragendem Masse ist er an dem Zustandekommen der nachstehend genannten Gesetze beteiligt gewesen: a) des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15.September 1935 (RGBl. I S.1146), b) des Gesetzes zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehe- gesundheitsgesetz) vom 18.10.1935 (RGBl. I S.1246), c) des Personenstandsgesetzes vom 3.11.1937 (RGBl. I S.1146), d) des Gesetzes zur Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5.1.1938 (RGBl. I S.9). Ausserdem verdient seine Mitarbeit bei der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich anerkennend hervorgehoben zu werden. Dr. Globke ist bisher wegen seiner früheren langjährigen Zugehörigkeit zur Zentrumspartei nicht zur Beförderung zum Ministerialrat vorgeschlagen worden. Bei seiner seit der Machtergreifung durch die NSDAP bewiesenen Loyalität und steten Einsatzbereitschaft halte ich es aber für dringend erforderlich, ihm nunmehr durch die Beförderung zum Ministerialrat eine Anerkennung für seine ganz vorzüglichen Leistungen zuteil werden zu lassen." Am 17.Mai 1938 stimmte der Stab des Stellvertreters des Führers der Ernennung Globkes zum Ministerialrat zu. Die Ernennung erfolgte am 13.Juli 1938 und die Einweisung in eine Ministerialratsstelle am 19.Juli 1938. Nach einer aus dem Haushalt entnommenen Zusammenstellung von Dr. Medicus, Ministerialdirigent im Reichsinnenministerium, wies dieses im Jahre 1938 folgende Zusammensetzung auf: 1 Reichsminister, 2 Staatssekretäre, 3 Ministerialdirektoren, 6 Ministerialdirigenten, 29 Ministerialräte sowie 26 weitere höhere und 135 mittlere Beamte. Am 21.August 1939 meldete der Angeklagte die Aufhebung seiner Kriegsbeorderung; daraufhin sah das Innenministerium davon ab, einen Unabkömmlichkeitsantrag zu stellen. Am 27.Januar 1940 teilte der Angeklagte seine Einberufung zur Beobachtungsersatzabteilung 2 in Belgard mit. Auf dieser Meldung vermerkte Stuckart am gleichen Tage: "Min.Rat Globke ist unentbehrlich. Ich bitte sofort entsprechend zu verfahren." Am 29.Januar 1940 stellte das Ministerium des Innern einen Unabkömmlichkeitsantrag für Globke, in dem es heisst: "Der Beamte ist hier nicht entbehrlich; er ist Sachbearbeiter beim Generalbe- vollmächtigten für die Reichsverwaltung und Referent für Staatsangehörigkeitsfragen, die aus Anlass der Bildung des Protektorats, der Eingliederung der Ostgebiete, der Bildung des Generalgouvernements und der Umsiedlungsaktionen anfallen. Seine zivildienstliche Verwendung muss ich daher als vordringlich ansehen und bitte, von seiner Heranziehung zum Wehrdienst absehen zu wollen." Ausserdem bemühte sich das Innenministerium am 30.Januar 1940 telefonisch um die Freistellung des Angeklagten. 81
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Lfd.Nr.1068 Nachdem Globke am 27.März 1940 erneut mitgeteilt worden war, dass er demnächst mit einer Einberufung zu rechnen habe, gab Stuckart am folgenden Tage die schriftliche Anweisung, beschleunigt die Unabkömmlichstellung des Angeklagten zu beantragen, und fügte hinzu: "Herr Globke ist Generalreferent für die Angelegenheiten des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung und als solcher zur Zeit nicht entbehrlich." Am 4.April 1940 wurde Globke bis auf weiteres unabkömmlich gestellt. Am 1.November 1940 traf Ministerialrat Dr. Schütze in einer offiziellen Erklärung des Reichsministeriums des Innern die Feststellung, "dass der Ministerialrat Dr. Globke aus zwingenden Gründen der Reichsverteidigung zur Erfüllung kriegswichtiger Aufgaben der allgemeinen und inneren Verwaltung entgegen seinen persönlichen Wünschen vom Heeresdienst freigestellt werden musste. Irgendwelche Nachteile aus dieser Freistellung vom Waffendienst dürfen ihm daher nicht erwachsen." Im weiteren Ablauf des Krieges wurde der Angeklagte nicht mehr einberufen. 1943 wurde der Reichsführer SS, Himmler, Reichsinnenminister. Er erklärte einige Zeit danach vor dem Führungskreis der SS: "Ich habe bei der Übernahme meines Amtes alle Beamten des Innenministeriums gründlich und genau überprüfen lassen und nur die behalten, die meinen Absichten entsprachen." Der Angeklagte Globke blieb im Innenministerium, und sein Geschäftsbereich erweiterte sich von Jahr zu Jahr, wie die Geschäftsverteilungspläne ausweisen. In einem Urlaubsgesuch vom 14.Dezember 1943 führt er folgende von ihm bearbeitete Dezernate an: GBV-Sachen, Unterabteilungssachen I B, Staatsangehörigkeitssachen, West-Sachen, Angelegenheiten des ausländischen Verwaltungsrechts, italienische Angelegenheiten. Der Angeklagte gehörte nach eigenen Angaben - Fragebogen vom 31.Januar 1938 - folgenden faschistischen Organisationen an: NS-Kraftfahrkorps ab 1.9.1933, NS-Rechtswahrerbund ab 2.8.1934, NS-Volkswohlfahrt ab 1.11.1935, Reichsbund Deutscher Beamten ab 15.4.1936, Reichskolonialbund ab 13.11.1937. Der Angeklagte erhielt nach einem von ihm handschriftlich ausgefüllten Formular vom 16.Mai 1942 folgende Auszeichnungen: Ehrenkreuz für Frontkämpfer (auf eigenen Antrag vom 3.9.1934) am 1.11.1934, Medaille zur Erinnerung an den 13.März 1938 (Besetzung Österreichs) am 21.11.1938, Medaille zur Erinnerung an den 1.Oktober 1938 (Besetzung der sogenannten Sudetengebiete) am 26.10.1939, Silbernes Treudienstehrenzeichen (für 25jährige Beamtentätigkeit unter Anrechnung des Militärdienstes) am 30.11.1941, Kriegsverdienstkreuz 2.Klasse am 30.1.1942. Ausserdem wurde er nach einer Inspektionsreise nach Rumänien, die er mit Staatssekretär Stuckart unternahm, von der Antonescu-Regierung am 4.April 1942 mit dem Komturkreuz des Ordens des Sterns von Rumänien ausgezeichnet. Der Angeklagte gehörte dem Innenministerium bis Kriegsende an. Wie er bis zum letzten Augenblick den faschistischen Krieg unterstützte, zeigt ein von ihm gezeichneter Schnellbrief vom 17.Februar 1945, in dem er in bezug auf polnische Ortschaften davon spricht, dass sie sich "vorübergehend in Feindeshand" befinden. 82
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Lfd.Nr.1068 1945/46 befand sich Globke im Internierungslager Hessisch-Lichtenau. Er wurde auf eine Kriegsverbrecherliste gesetzt und von der amerikanischen Anklagebehörde als Zeuge im Hauptkriegsverbrecherprozess und in den Nürnberger Nachfolgeprozessen, vor allem im sogenannten Wilhelmstrassenprozess, in dem u.a. Stuckart angeklagt war, verhört. Bereits bei einem dieser Verhöre berief sich der Angeklagte darauf, in der faschistischen Zeit einem Widerstandskreis angehört zu haben, ohne dass er hierfür Beweise erbrachte oder andere Mitglieder dieses Kreises nannte. 1946 wurde der Angeklagte Stadtkämmerer in Aachen, dann Vizepräsident des Landesrech- nungshofes Nordrhein-Westfalen. Im Oktober 1949 berief ihn Bundeskanzler Dr. Adenauer als Ministerialdirigent ins Bundeskanzleramt, wo er im Juli 1950 Ministerialdirektor wurde. Die Nachricht über seine Berufung führte im Rahmen einer Interpellation der SPD-Fraktion zu einer Debatte in der 73.Sitzung des Bundestages vom 12.Juli 1950. Dabei erklärte der Abgeordnete Dr. Arndt u.a. zum Kommentar über die Nürnberger Gesetze: "Ich gehöre auch nicht zu denen, die über etwas sprechen, was sie nicht gesehen haben. Ich habe den Kommentar selbst in der Hand gehabt. Ich habe mich mit ihm befasst, und es ist nicht richtig, dass er auch nur überwiegend oder überhaupt von der Tendenz getragen sei, zu helfen. Es ist sogar eine teilweise extensive Auslegung dieser Schandvorschriften darin gegeben, zum Beispiel die, dass die sogenannte Rassenschande unter Umständen sogar dann strafbar sei, wenn sie im Auslande verübt wurde. Meine Damen und Herren, wer als Jurist eine solche Tat oder Untat, wie es die Nürnberger Gesetze sind, scheinbar wissenschaftlich kommentiert, setzt sich dem Vorwurf aus, dass das, was er dort getrieben hat, kaum mit einer anderen Bezeichnung versehen werden kann als der einer juristischen Prostitution. Aber für uns ist das Wesentliche das, dass der Name Globke auf diese Weise für immer mit den Nürnberger Gesetzen verknüpft ist. Er ist auch sonst verknüpft; denn Herr Dr. Globke war im Reichsinnenministerium Korreferent für Judenfragen und hat in dieser Eigenschaft mit dem SS-Obergruppenführer Stuckart während des Krieges unter anderem folgende Reisen und Besuche gemacht. Er war bei Seyss-Inquart im Haag, bei Bürckel in Metz, bei Wagner in Strassburg, bei Forster in Danzig, bei Neurath und Karl Hermann Frank in Prag, in Paris, bei Antonescu in Bukarest und bei Tiso, Mach und Karmasin in Pressburg. Das sind nur einige dieser Reisen. Überall, wo dieser Korreferent für Judenfragen mit dem SS-Obergruppenführer Stuckart erschien, soll natürlich von Juden - ausser in Strassburg, wofür ein Dokument vorliegt, das ist Pech! - nie gesprochen worden sein und soll das Reichsinnenministerium nur als Hort und Hüter der Juden in Erscheinung getreten sein. Aber alle Welt weiss, dass von diesen Plätzen aus und nach diesen Besprechungen sich die Blutspur der gemarterten und gemordeten Juden in die Vernichtungslager nach Auschwitz und nach Maidanek zog. Und Herr Dr. Globke wusste um diese Greuel! Er hat es selbst als Zeuge zugestanden, und sein Kollege, der Ministerialrat Lösener aus dem Reichsinnenministerium, der der erste Referent für Judenfragen und ursprünglich ein erklärter Nationalsozialist war, konnte dieses Unsagbare nicht auf sein Gewissen nehmen und hat ausdrücklich mit diesem Grunde seinen Abschied verlangt und ist zum Reichsverwaltungsgericht übergegangen. Aber Dr. Globke blieb, und Dr. Globke blieb sogar bis heute." Trotzdem blieb der Angeklagte nicht nur in seinem Amt als Ministerialdirektor, sondern er wurde am 27.Oktober 1953 zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt berufen. Über seine Funktion gibt §7 der Geschäftsordnung der Bundesregierung Auskunft, in dem es heisst: "1) Der Staatssekretär im Bundeskanzleramt nimmt zugleich die Geschäfte eines Staatssekretärs der Bundesregierung wahr. 83
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Lfd.Nr.1068 2) Er kann die an den Bundeskanzler gerichteten oder ihm von dem Bundespräsidenten überwiesenen Schreiben unmittelbar an den zuständigen Bundesminister weiterleiten. Empfiehlt der zuständige Bundesminister eine Beantwortung durch den Bundeskanzler, so legt er dem Bundeskanzler einen entsprechenden Entwurf vor." Der Angeklagte ist noch heute als Staatssekretär und rechte Hand Dr. Adenauers tätig. Einen Einblick in Globkes Machtbereich und gleichzeitig in seine politischen Ansichten geben die Aussagen des Zeugen Söh., der als Kaufmann und ehemaliger Offizier von 1954 bis 1959 häufig das Bundeskanzleramt aufsuchte. Diese Aussagen bestätigen die zahlreichen Meldungen der westdeutschen Presse, dass der Angeklagte, dem u.a. auch das Bundespresseamt und der Bundesnachrichtendienst unterstehen, in der Bundesregierung eine entscheidende Schlüsselposition einnimmt und dass er alle wichtigen Entscheidungen der Bundesregierung, wie z.B. die Vorbereitung der Notstandsgesetzgebung, beeinflusst. Der Zeuge Söh. hat auch zwei kennzeichnende Äusserungen des Angeklagten bekundet. So sagte Globke bei der Abschiedsfeier des früheren persönlichen Referenten Adenauers, Kilb: "Auf die alten Nazis war Verlass, ist Verlass und wird immer Verlass sein, weil sie wissen, was sie wollen." Und im Zusammenhang mit einer Bundestagswahl äusserte der Angeklagte: "Vor der Wahl sagt das Volk uns seine Meinung, aber nach der Wahl sagen wir dem Volk unsere Meinung, und die ist massgebend." Der Angeklagte steht also noch heute auf der gleichen volks- und menschenfeindlichen Position, die ihn - wie noch darzulegen ist - bei seinem Handeln in der faschistischen Zeit bestimmte. Er ist, wie auch seine Mitwirkung an der "Spiegel"-Affäre zeigt, in der Bonner Regierung ein Vertreter des antidemokratischen Kurses nach innen und des entspannungsfeindlichen und aggressiven Kurses nach aussen, vor allem in der Deutschland- und Westberlin-Frage. C. Die Teilnahme des Angeklagten an der Beseitigung des Parlamentarismus in Preussen Wie bereits dargelegt wurde, war der Angeklagte seit dem 3.Dezember 1929 im Preussischen Innenministerium tätig. Sofort nach dem 30.Januar 1933 begann auch die völlige "Gleichschaltung" in Preussen. Diese Methoden wurden im Urteil des Nürnberger Internationalen Militärtribunals gegen die Hauptkriegsverbrecher mit den Worten charakterisiert: "Nachdem die NSDAP auf diese Weise die Macht erlangt hatte, ging sie dazu über, ihren Einfluss auf das Leben der Deutschen nach jeder Richtung auszudehnen. Andere politische Parteien wurden verfolgt, ihr Eigentum und ihre Guthaben beschlagnahmt und viele ihrer Mitglieder in Konzentrationslager geworfen ... Um die vollständige Kontrolle des Regierungsapparates in die Hände der Naziführer zu legen, wurde eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen erlassen, die die Befugnisse der Länder- und Ortsbehörden in ganz Deutschland einschränkte und sie in Unterabteilungen der Reichsregierung verwandelte." (Protokolle, Bd.1, S.197, 198). I. « Mitwirkung am preussischen Ermächtigungsgesetz » Am 24.März 1933 beschloss der Reichstag das Hitlersche Ermächtigungsgesetz. In Ergänzung dazu bereitete das Preussische Innenministerium das preussische "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Land" vor. Am 7.Mai 1933 wurde der vom Angeklagten als Referent hergestellte Entwurf den Mitgliedern der preussischen Regierung zur Stellungnahme binnen vier Tagen übersandt. Auch der Preussische Justizminister hatte den Entwurf eines Ermächtigungsgesetzes ausarbeiten lassen und es seinerseits an die Ministerien versandt. Das am 11.Mai 1933 im Innenministerium eingegangene Exemplar wurde dem Angeklagten 84
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Lfd.Nr.1068 zugeschrieben und von ihm mit handschriftlichen Bemerkungen versehen. So hatte der Justizminister die Meinung vertreten, ein auf Grund des preussischen Ermächtigungsgesetzes ergangenes Regierungsgesetz könne das in der Preussischen Verfassung verankerte Minderheitsrecht, die Einberufung des Landtages zu verlangen, beseitigen. Hierzu vermerkte der Angeklagte: "richtig; die Beseitigung dieses Minderheitsrechts berührt die Einrichtung des Landtags als solche nicht." Zwei Tage später entwarf der Angeklagte eine ausführliche Antwort an das Justizministerium. Er verlangte, dass die Einrichtung des Staatsrats als solche im Ermächtigungsgesetz geschützt werde, da Göring in einer Rede vom 26.April 1933 dessen Bedeutung hervorgehoben habe. Globke verlangte weiter eine Sicherung, dass weder durch Volksentscheid noch durch späteren Landtagsbeschluss Regierungsgesetze geändert oder aufgehoben werden könnten. Ausserdem wollte er die Geltungsdauer des preussischen Ermächtigungsgesetzes nicht von der Geltungsdauer des Reichsermächtigungsgesetzes oder dem Bestand der Hitler-Regierung abhängig machen. Das Gesetz wurde in der vom Angeklagten vorgeschlagenen Fassung von den Fraktionen der NSDAP und der Deutschnationalen Front eingebracht und im Preussischen Landtag am 18.Mai 1933 beschlossen. In dieser Sitzung gab Göring eine Regierungserklärung ab, in der er u.a. auf die Gründung des Geheimen Staatspolizeiamtes hinwies und erklärte, es werde seine vornehmste Aufgabe als Ministerpräsident sein, "mit allen Mitteln der Staatsgewalt allen Bestrebungen, die gegen den Bestand und die Sicherheit des neuen Staates gerichtet sind, sei es von innen oder aussen, mit rücksichtsloser Energie entgegenzutreten". Zu der Bedeutung Preussens erklärte Göring in dieser Sitzung: "Preussen ist in seine alte Mission und seine ruhmreiche Tradition, der Grund- und Eckpfeiler Deutschlands zu sein, zurückgeführt worden. So, wie aus der Mark Brandenburg ein Preussen entstand, so war aus einem Preussen Deutschland geworden. Nicht im Gegensatz, sondern nur in der Zusammenfassung von Preussen und Reich kann Grosses erblühen. Wie notwendig gerade die Gleichschaltung Preussens mit dem Reich ist, wie diese Gleichschaltung überhaupt erst für das Reich die Basis der Entwicklung abgibt, erhellt schon allein aus dem Umstande, dass der Herr Reichskanzler gleichzeitig der Preussische Reichsstatthalter ist ... Der Kanzler hat mich zum Hüter Preussens bestellt und mich besonders beauftragt, zu wahren, was Preussens ist. Unter keinen Umständen werde ich daher dulden können, dass preussischer Besitz von Preussen getrennt wird. Der Kanzler will, dass Preussen und die preussische Politik und die preussische Verwaltung auf alle Zeit die Grundlage des Reiches bilden. Die täglichen praktischen Erfahrungen Preussens sollen für das Reich die Unterlage seiner Gesetzgebung bilden. So fällt Preussen die wichtigste Mission zu, wie es diese im vorigen Jahrhundert auch gehabt hat, das Fundament des Deutschen Reiches zu bilden." Auf Grund einer Verfügung des Angeklagten wurde das Landtagsprotokoll zu den von ihm weiter bearbeiteten Akten genommen. Ebenfalls am 18.Mai 1933 stimmte der Preussische Staatsrat in einer fünf Minuten dauernden Sitzung dem Ermächtigungsgesetz zu. Es wurde unter dem 1.Juni 1933 erlassen (Preuss. Gesetzsammlung 1933 S.198). Im August 1933 begann eine kommentierte Gesetzessammlung, "Das neue Recht in Preussen", zu erscheinen, die von dem damaligen Staatssekretär im Preussischen Justizministerium Freisler und dem Staatssekretär im Preussischen Innenministerium Grauert herausgegeben wurde. Im Geleitwort heisst es: "Es kommt darauf an, dass die Richtlinien und die grundlegenden Einzelgedanken, nach denen die Gesetze und Verordnungen des Reiches und der 85
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Lfd.Nr.1068 Länder geschaffen sind, demjenigen, der ihre Durchführung ausführen, sicherstellen oder überwachen soll, ... alle Zeit greifbar nahe sind. Dann erst, in der sicheren Durchführung, erfüllen die Gesetze ihre Aufgabe ... Das neue Recht Preussens, eingegliedert in das neue Recht des Reiches und dieses ergänzend, möge in der Form dieses Werkes einen weiteren, der Praxis willkommenen Weg aus den vom Strome des Volkslebens durchfluteten, ununterbrochen arbeitenden Stuben der Ministerien in das pulsierende Leben des erwachten Volkes finden." Auf der Liste der Mitarbeiter dieses Sammelwerkes vom Januar 1934 befindet sich der inzwischen zum Oberregierungsrat beförderte Angeklagte. In Freisler/Grauert II a 7 kommentierte der Angeklagte das preussische Ermächtigungsgesetz und schrieb in der Einführung: "Wie das Versagen der parlamentarischen Gesetzgebung im Reich dazu geführt hat, der Reichsregierung in dem Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (Ermächtigungsgesetz) vom 24.3.1933 (RGBl. I S.141) das Recht, Gesetze zu beschliessen, zu übertragen, so nötigte diese Tatsache auch dazu, den Landesregierungen das gleiche Recht zuzubilligen ... Wenn nach dem Siege der nationalen Revolution eine Opposition oder gar Obstruktion des Landtags gegenüber der Regierung auch nicht mehr in Frage kommt, so ist damit doch nicht gleichzeitig auch die Schwerfälligkeit des parlamentarischen Gesetzgebungswegs beseitigt worden. Sein Ersatz durch ein vereinfachtes Gesetzgebungsverfahren blieb daher bei der Fülle der zu bewältigenden Aufgaben dringendes Erfordernis ... Das Ermächtigungsgesetz ist vom Preussischen Landtag in seiner Sitzung vom 18.5.1933 von allen gegen die sozialdemokratischen Stimmen angenommen worden. Es wird voraussichtlich für immer oder jedenfalls für lange Zeit das letzte Gesetz sein, das auf parlamentarischem Wege zustande gekommen ist." Zu der in §1 des Gesetzes getroffenen Festlegung, dass die Regierungsgesetze von der Verfassung abweichen können, schrieb der Angeklagte: "In der Ermächtigung, von der Verfassung abzuweichen, liegt sowohl das Recht, ohne besondere Erwähnung von Verfassungsbestimmungen hiervon abweichende Regelungen zu treffen, als auch die Befugnis, den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich zu ändern." Den ebenfalls in §1 enthaltenen Schutz der Einrichtungen des Landtages und des Staatsrates als solche kommentierte Globke: "Nur die Einrichtung als solche ist geschützt. Dagegen sind Änderungen in Einzelheiten, auch wenn sie von erheblicher Bedeutung sein sollten, statthaft." In §2 hob der Angeklagte hervor, dass die Regierungsgesetze weder vom Landtag noch durch einen Volksentscheid aufgehoben oder geändert werden können. Das entsprach seinen Vorschlägen bei der Ausarbeitung des Gesetzes. II. « Mitwirkung am preussischen Staatsratsgesetz » Bereits bei der Vorbereitung des Ermächtigungsgesetzes hatte der Angeklagte unter Berufung auf Göring die Bedeutung eines neu gestalteten Staatsrats unterstrichen. In einer Sitzung der preussischen Regierung vom 29.Mai 1933 warf Göring die Frage einer Umgestaltung des Staatsrates zu einer Art Oberhaus auf, das keine parlamentarischen Aufgaben übernehmen, sondern die Regierung lediglich beraten sollte. Als Mitglieder schlug er die Gauleiter der NSDAP, geeignete Vertreter der Wirtschaft und prominente Vertreter des öffentlichen Lebens vor. Der Protokollauszug schliesst: "Es wurde in Aussicht genommen, die Angelegenheit zunächst im kleinen Kreise vorzubereiten." 86
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