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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Prozessvertretung des Bundes

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Abschließende Mitteilung an das Bundesministerium des Innern, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministe- rium der Justiz und für Verbraucher- schutz über die Prüfung der Prozessvertretung des Bundes Diese Prüfungsmitteilung enthält das vom Bundes- rechnungshof              abschließend              im         Sinne          des § 96 Abs. 4 Satz 1 BHO                       festgestellte                   Prü- fungsergebnis. Die Entscheidung über eine Weiterga- be an Dritte bleibt dem Bundesrechnungshof vorbe- halten. Gz.:       I 3 – 2012 – 5082                                   Bonn, 08.07.2015 Die Mitteilung des Bundesrechnungshofes ist urheberrechtlich geschützt. Eine Veröffent- lichung ist nicht zulässig.
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2 Inhaltsverzeichnis                                                        Seite 0      Zusammenfassung                                                        4 1      Prüfungsansatz                                                         7 2      Prüfungsfeststellungen                                                 8 2.1    Notwendigkeit rechtsanwaltlicher Vertretungen                          8 2.1.1  Beauftragung von Rechtsanwälten                                        8 2.1.2  Vorgaben zur Bedarfsermittlung und Bedarfsbegründung in der Praxis     8 2.1.3  Würdigung der Bedarfsermittlung und erste Empfehlungen                10 2.2    Auswahl der Prozessvertreter                                          11 2.2.1  Rechtliche Vorgaben                                                   11 2.2.2  Mandatierungspraxis der geprüften Stellen                             12 2.2.3  Würdigung der Mandatierungspraxis und erste Empfehlungen              14 2.3    Preisbildung und Abrechnung der Prozessvertretung                     15 2.3.1  Rechtliche Vorgaben zur Vergütung von Rechtsanwaltsleistungen         15 2.3.2  Vereinbarungspraxis der Bundesverwaltung                              16 2.3.3  Würdigung der Vergütungspraxis und erste Empfehlungen                 18 2.4    Auslagenerstattung an die Rechtsanwälte                               19 2.4.1  Rechtliche Vorgaben zur Vergütung von Auslagen                        19 2.4.2  Ermittlung der Auslagen und Vergütungsabsprachen                      20 2.4.3  Würdigung der Abrechnungspraxis und erste Empfehlungen                21 2.5    Abrechnung von Erstattungsbeträgen                                    22 2.5.1  Ansprüche des Bundes bei Obsiegen                                     22 2.5.2  Verwaltungspraxis der geprüften Stellen bei der Kostenerstattung      22 2.5.3  Würdigung der Verwaltungspraxis und erste Empfehlungen                24 3      Zusammenfassende Würdigung                                           25 3.1    Wirtschaftlichkeit der Prozessvertretung                              25 3.2.   Fehlende ressortübergreifende Alternativen                            26
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3 3.3   Fehlender Wettbewerb und eingeschränkte Korruptionsprävention 26 3.4   Problematische Vergütung mittels Stundensätzen                26 3.5   Fehlen einer standardisierter Dokumentation                   27 4     Zusammenfassende Empfehlungen                                 27 4.1   Bedarf rechtsanwaltlicher Prozessvertretungen                 28 4.2   Auswahl der Rechtsanwälte                                     28 4.3   Vergütungen und Auslagen                                      28 4.4   Erstattungen nach Obsiegen im Verfahren                       29 5.    Stellungnahme der federführenden Bundesministerien und abschließende Einschätzung durch den Bundesrechnungshof       29 5.1   Gemeinsame Stellungnahme der Ressorts                         30 5.1.1 Aussagen der Ressorts                                         30 5.1.2 Einschätzung des Bundesrechnungshofs                          30 5.2   Stellungnahme der einzelnen Ressorts                          31 5.2.1 Aussagen des BMJV                                             31 5.2.2 Einschätzung des Bundesrechnungshofs                          31 5.2.3 Aussagen des BMWi                                             32 5.2.4 Einschätzung des Bundesrechnungshofs                          32 5.2.5 Stellungnahme des BMF                                         32 5.2.6 Einschätzung des Bundesrechnungshofs                          33 5.2.7 Stellungnahme des BMI                                         34 5.2.8 Einschätzung des Bundesrechnungshofs                          35
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4 0 Zusammenfassung Der Bundesrechnungshof hat die Beauftragung von Rechtsanwälten zur Prozessver- tretung durch Behörden des Bundes in den Jahren 2010, 2011 und 2012 geprüft. Im Wesentlichen hat er dabei festgestellt: 0.1  Ministerien und Oberbehörden des Bundes beauftragten während dieses Zeitraums in einem erheblichen Umfang Rechtsanwaltskanzleien mit der Prozessvertretung vor Verwaltungsgerichten. Selbst Fachbehörden mit Alleinzuständigkeit und Bundesmi- nisterien mit federführender Gesetzgebungskompetenz ließen sich im eigenen fachli- chen Zuständigkeitsbereich rechtsanwaltlich vertreten. Ebenso nahmen diese Stellen bei personal- und beamtenrechtlichen Streitigkeiten Rechtsanwälte in Anspruch, ob- wohl der Bund das Beamtenrecht selbst ausgestaltet. (Tz. 2.1) 0.2  Teilweise wurde der Einsatz von Rechtsanwälten zur Prozessvertretung mit Perso- nalmangel, Personalfluktuation oder Abzug von Juristen durch vorgesetzte Stellen begründet. Ferner sollte mit rechtsanwaltlichen Vertretungen die besondere Bedeu- tung des Verfahrens aufgezeigt und der Eindruck vermieden werden, man habe nicht alles versucht. Ein weiterer Grund war die „interne Befriedungsfunktion“ in Perso- nalangelegenheiten. (Tz. 2.1) 0.3  Aussagekräftige Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vor Beauftragung von Rechts- anwälten fanden nicht statt. Dabei wäre zu ermitteln gewesen, ob Prozessvertretun- gen durch eigenes Personal wirtschaftlicher hätten wahrgenommen werden können. Hierfür könnten wesentlich geringere Kosten von Volljuristen der Bundesverwaltung im Vergleich zu den Stundensätzen der Rechtsanwälte sprechen. Auch deren Kennt- nisse in den einschlägigen Rechtsmaterien hätten eigene Prozessvertretungen nahe legen können. (Tz. 2.1, 2.3) 0.4  Die Prozessvertretungen wurden ganz überwiegend im Wege der Direktvergabe an „bekannte und bewährte“ Rechtsanwaltskanzleien vergeben. Dies führte zu einem faktischen Monopol weniger Kanzleien. Eine Kanzlei war für derart viele Ministe- rien und Oberbehörden tätig, dass von einer „Hauskanzlei“ des Bundes gesprochen werden kann. Diese Praxis unterläuft das Bestreben des Bundes, seinen Bedarf im Wettbewerb transparent und wirtschaftlich zu decken. In mehreren Fällen fehlten
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5 ausreichende Beschaffungsvermerke über die Mandatierung und es wurden Grund- sätze der Korruptionsprävention nicht hinreichend beachtet. (Tz 2.2) 0.5  Für einen erheblichen Teil der Rechtsanwaltsleistungen wurden Stundensätze von über 200,- Euro vereinbart. Die Verwaltung ging häufig davon aus, bei Abrechnung auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) keine ausreichend quali- fizierten Rechtsanwälte gewinnen zu können. Mit der Abrechnung auf Stundenbasis unterwarf sie sich vollständig der Zeitaufschreibung durch die Rechtsanwälte, ohne eine wirksame Kontrollmöglichkeit zu haben. In vielen Fällen führten solche Vergü- tungen zu Überschreitungen der Gebühr nach dem RVG um das 5- bis 8-fache, in Extremfällen um das 74-fache. (Tz. 2.3) 0.7  Erstattungsansprüche des Bundes gegen unterlegene Prozessgegner wurden nicht systematisch verfolgt. Soweit beauftragte Rechtsanwälte Erstattungen einzogen und an den Bund weiterleiteten, bestand mangels systematischer Dokumentation ein zu- sätzliches Verlustrisiko. (Tz 2.5) 0.8  Der Bundesrechnungshof hat die federführenden Ressorts für Verwaltungsorganisa- tion (Bundesministerium des Innern), Justizgesetzgebung (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz), Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen (Bundesminis- terium der Finanzen) und Vergabeverfahren (Bundesministerium für Wirtschaft) um Stellungnahme gebeten. Sie geben an, die rechtlichen Rahmenbedingungen ein- schließlich der BHO seien eingehalten worden und erklären die Feststellungen durch das Handeln jeweils in eigener Ressortzuständigkeit und daraus folgenden Abwei- chungen in der praktischen Umsetzung. (Tz. 5.1.1) 0.9  Die federführenden Ressorts wollen die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes aufgreifen, indem sie sich Gedanken zu möglichen Leitlinien für die Einleitung und Abwicklung rechtsanwaltlicher Vertretungen machen. Weitergehende Schritte wie u.a. eine verstärkte Selbsterledigung der Aufgabe „Prozessvertretung“ oder deren Konzentration bei einem Dienstleistungszentrum oder einem federführenden Ressort lehnen sie mit unterschiedlicher Begründung ab. (Tz. 5.1.1, 5.2) 0.10 Der Bundesrechnungshof sieht weiterhin dringenden Handlungsbedarf und hält die angedachten Leitlinien nur für einen ersten Schritt. Die entsprechenden Aussagen sind zu unbestimmt und lassen an einer schnellen und wirksamen Regelung zweifeln.
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6 Der Bundesrechnungshof hält im Übrigen sowohl seine Kritik an der Verwaltungs- praxis aufrecht als auch seine weitergehenden Empfehlungen (Tz. 4, 5.1.2, 5.2), ins- besondere: •   Verwaltungsinterne Alternativen zur Beauftragung von Rechtsanwälten auf der Grundlage behörden- und ressortübergreifender Zusammenarbeit zu ermitteln. Diese Zusammenarbeit sollte sich auch auf die Mandatierung von Rechtsan- wälten erstrecken, soweit sie künftig im Einzelfall weiterhin notwendig ist; •   Ausreichende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowohl vor einer Beauftra- gung im Einzelfall als auch hinsichtlich möglicher Alternativen zur Mandatie- rung nicht nur im Einzelfall durchzuführen; •   Wettbewerbliche Verfahren bei der Deckung des Bedarfs an rechtsanwaltlicher Vertretung anzuwenden; •   Die Entscheidung, warum die Mandatierung notwendig und der betreffende Rechtsanwalt mandatiert wird, in allen Aspekten sorgfältig zu prüfen und voll- ständig zu dokumentieren; •   Verbindliche standardisierte Regelungen sowohl für Wirtschaftlichkeitsunter- suchungen und wettbewerbliche Verfahren als auch zu deren Dokumentation einzuführen; •   Verbindliche standardisierte Regelungen zur Abwicklung anwaltlicher Manda- te, speziell zur Vereinbarung von individuellen Vergütungen und zur Ausla- generstattung einzuführen. Ebenso sollte die Erfassung und Umsetzung aller Erstattungsansprüche bei Obsiegen im Verfahren – gleich ob mit oder ohne rechtsanwaltliche Vertretung – geregelt werden.
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7 1 Prüfungsansatz Der Bundesrechnungshof hat die Beauftragung von Rechtsanwälten zur Prozessver- tretung vor Verwaltungsgerichten bei verschiedenen Behörden des Bundes während der Jahre 2010, 2011 und 2012 untersucht. Nach § 67 Absatz 1 Satz 1 Verwaltungs- gerichtsordnung (VwGO) kann jeder Beteiligte Verfahren vor dem Verwaltungsge- richt selbst führen. Eine Behörde kann sich dabei nach § 67 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 VwGO durch einen Beschäftigten vertreten lassen. Bei Verfahren vor dem Oberver- waltungsgericht (OVG) oder dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) muss dieser Beschäftigte nach § 67 Absatz 4 Satz 3 VwGO die Befähigung zum Richteramt ha- ben. Für Bundesbehörden, die mindestens einen Volljuristen beschäftigen und diesen entsprechend bevollmächtigen, ist daher der zusätzliche Einsatz eines Rechtsanwalts als Prozessvertreter – jedenfalls aus rechtlichen Gründen – nicht erforderlich. Um den Prüfungsstoff zu beschränken, hat der Bundesrechnungshof seine Erhebun- gen auf sechs Ministerien und vier Oberbehörden des Bundes begrenzt. Über den Be- stand an verwaltungsgerichtlichen Verfahren und den Umfang der Prozessvertretung hat er bei den ausgewählten Stellen vorab Kennzahlen abgefragt (vgl. Anlage). Dabei zeigte sich, dass Prozessvertretungen teilweise einen beachtlichen Umfang hatten. In einem Bundesministerium erreichte die Vertretungsquote bei Verfahren vor den Verwaltungsgerichten annähernd 90 %. Andere Stellen betrauten nur in geringem Umfang Rechtsanwälte. Daher wurde bei je einem Bundesministerium und einer Oberbehörde nicht weiter örtlich erhoben. Der Bundesrechnungshof hat bei seinen Erhebungen Akten eingesehen und die Ver- waltungspraxis durch Interviews ermittelt. Da Prozessvertretungen hinsichtlich Not- wendigkeit, Auswahl des Rechtsanwalts, Vergütung und Abwicklung – vorbehaltlich einiger behördeninterner Anweisungen und Erlasse – ungeregelt sind, wurden diese Aspekte von den geprüften Stellen sehr unterschiedlich gehandhabt. Der Bundes- rechnungshof hat daher Prozessvertretungen querschnittlich betrachtet und Verbesse- rungsvorschläge entwickelt. Im Vordergrund stand dabei nicht die Bewertung des Verwaltungshandelns einzelner Behörden, insbesondere nicht die Rechtmäßigkeit einzelner Mandatierungen. Die Feststellungen des Bundesrechnungshofes werden anonymisiert dargestellt. Die geprüften Stellen konnten zu den sie betreffenden Sachverhalten Stellung nehmen.
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8 2     Prüfungsfeststellungen 2.1   Notwendigkeit rechtsanwaltlicher Vertretungen 2.1.1 Beauftragung von Rechtsanwälten Das nach außen wirksame Handeln mit rechtlicher Bindungswirkung ist eine originä- re Aufgabe jeder Behörde. Dafür stehen ihr nach dem parlamentarisch beschlossenen Haushaltsplan insbesondere Personalmittel zur Verfügung. Die jeweils handelnde Person vertritt dabei die Behörde. Typischerweise nehmen der Behördenleiter sowie dazu kraft Normen oder Organisationserlassen befugte Mitarbeiter diese Vertretung wahr. Darüber hinaus können Beschäftigten per Geschäftsverteilungsplan oder indi- vidueller Einzelweisungen Vertretungsaufträge erteilt werden. Die Beauftragung von Rechtsanwälten mit der Prozessvertretung nimmt Sachmittel in Anspruch. Rechtsanwaltliche Prozessvertretung sollten daher nur dann erwogen werden, wenn dies wirtschaftlich ist, es an fachlicher Expertise bei der Verwaltung mangelt oder aus sonstigen Gründen ein unabweisbarer dringender Bedarf besteht. 2.1.2 Vorgaben zur Bedarfsermittlung und Bedarfsbegründung in der Praxis Bei keiner geprüften Stelle waren die Bedarfsermittlung vor einer Mandatierung von Rechtsanwälten sowie eine entsprechende Dokumentation durch Hausverfügung o. ä. näher geregelt. Insbesondere war nicht eingegrenzt, unter welchen Voraussetzungen die Prozessvertretung durch Rechtsanwälte im Einzelfall als notwendig und wirt- schaftlich anzusehen ist. Wirtschaftlichkeitsvergleiche bei denen Kosten, Vor- und Nachteile von externen Prozessvertretern denen der Wahrnehmung durch eigenes Personal gegenübergestellt wurden, fehlten bei den Bundesministerien durchgängig. Sie waren keine Entscheidungsgrundlage für die Beauftragung von Rechtsanwälten. Bei den Oberbehörden führten solche Betrachtungen zum Ergebnis, dass nach deren Auffassung keine Alternative zu Rechtsanwälten bestand. Allgemeine Hausanordnungen zur Beschaffung freiberuflicher Leistungen wurden – soweit vorhanden – nicht oder nur teilweise berücksichtigt. Bei den drei Oberbe- hörden bestätigte jeweils die Hausleitung auf der Grundlage umfangreicher Vorlagen vor längerer Zeit (in den Jahren 2003 bzw. 2005), dass die Beauftragung von Rechts- anwälten bei fachrechtlichen Verfahren grundsätzlich notwendig sei. Über die Man- datierung im Einzelfall entschieden die Justiziariate oder die zuständigen Fachrefera- te. Die Bundesministerien sahen die Beauftragung von Rechtsanwälten in der Regel als Einzelfallentscheidung an.
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9 Die Mehrzahl der Bundesministerien gab an, dass sie grundsätzlich den Einsatz eige- ner Kräfte bevorzugen würden. Sie verwiesen jedoch auf Personalmangel bei Fachre- feraten und Justiziariaten. Ein Bundesministerium bezeichnete dabei den Einsatz von Rechtsanwälten im Hinblick auf die eigene Personalsituation als „Outsourcing einer nichtministeriellen Aufgabe“. Mehrere Bundesministerien begründeten den Rechts- anwaltsbedarf mit fehlendem Fachwissen, insbesondere hinsichtlich Verfahrensrecht (Prozesstaktik) oder Verfassungsrecht. Tatsächlich mandatierten mehrere Bundesmi- nisterien jedoch auch bei Sachverhalten, die die Anwendung von Recht in der eige- nen Gesetzgebungskompetenz betrafen. Alle Oberbehörden erklärten, man sei grundsätzlich bestrebt, Verfahren zu „Leitent- scheidungen“ unter Kontrolle zu behalten und mit den vorhandenen Kapazitäten wenn irgendwie möglich selbst zu führen. Bei den Obergerichten habe man sich ei- nen Ruf erworben, den man nicht ohne Not aufgebe. Übereinstimmend gaben die Oberbehörden an, Rechtsanwälte kompensierten den häufigen Abzug qualifizierter Juristen in die Bundesministerien oder deren Einsatz für andere Aufgaben. Sie seien „de facto eine Art verlängerte Werkbank“ und der Ti- tel 526 01 ergänze insoweit die Personalmittel. Zwei Oberbehörden sahen den Auf- bau eines größeren dauerhaften Personalstamms als nicht zielführend an, da künftige (hohe) Verfahrenszahlen nicht absehbar seien. Eine Oberhörde verwies auf Klagen mit hoher politischer Bedeutung und Kostenrisi- ken in mehrstelliger Millionenhöhe. Sie mandatierte nur in Eilverfahren und in In- stanzverfahren. Auch bei anderen Stellen wurden Eilverfahren häufig als Mandatie- rungsgrund genannt. Fast alle Bundesministerien und eine Oberbehörde wollten jedoch auf externe Rechtsanwälte mit „Spezialkenntnissen“ nicht verzichten. Seitens Leitung und politi- schem Umfeld werde erwartet, „sensible“ Verfahren unbedingt zu gewinnen. Wenn man auf diese renommierten Kanzleien nicht zurückgreife, entstünde auch der Ein- druck, man habe nicht alles versucht. Die Beauftragung bekannter Großkanzleien wurde auch mit Aspekten der „Waffengleichheit“ begründet. In einem Fall wurde mandatiert, obwohl (Fach-)Abteilungsleiter und Justiziariat in internen Vermerken feststellten, dass die eigenen Kapazitäten ausreichen müssten. Eine Oberbehörde, die für Verwaltungsaufgaben im Geschäftsbereich mehrerer Bundesministerien zustän-
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10 dig ist und politisch sensible Verfahren begleitet, kam dagegen fast ohne rechtsan- waltliche Vertretung aus. Zwei Oberbehörden sowie zwei Bundesministerien hielten den Einsatz von Rechts- anwälten für personal- und beamtenrechtliche Streitigkeiten wegen fehlenden Fach- wissens in Justiziariaten und Personalstellen für notwendig. Unabhängig von der Größe des Personalkörpers und der Zahl der Verfahren waren sie der Auffassung, das Vorhalten eigenen Knowhows, insbesondere für die Bereiche „Beurteilungen“, „Konkurrentenklagen“ sowie Gleichstellungs-/Personalvertretungsangelegenheiten lohne sich für sie nicht. Solche Prozesse stünden immer nach Beurteilungs- und Be- förderungsrunden an, seien durch wechselnde Rechtsprechung sehr anspruchsvoll und erforderten bei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes sofort qualifiziertes Personal. Teilweise könnten Rechtsanwälte auch zur Versachlichung emotional auf- geladener Streitigkeiten beitragen. 2.1.3 Würdigung der Bedarfsermittlung und erste Empfehlungen •   Das flächendeckend weitgehende Fehlen von Wirtschaftlichkeitsberechnun- gen vor Einsatz externer Prozessvertreter verstößt gegen § 7 BHO. Insgesamt erkennt die Verwaltung zwar den Ausnahmecharakter einer Mandatierung an, tatsächlich werden Alternativen aber nicht ausreichend sondiert und hinsicht- lich ihrer Wirtschaftlichkeit untersucht. Mandate werden vielfach nicht trag- fähig begründet und dabei die negativen Folgen der Mandatierung (Kontakt- verlust zum Gericht, Kosten und Koordinationsaufwand) hingenommen. Soweit insbesondere Oberbehörden die Mandatierung als Ausweg ansahen, Personallücken zu schließen, stellen sich auch haushaltsrechtliche Fragen. Dies führte nämlich faktisch zu einer Umwidmung von Haushaltsmitteln. Wenn tatsächlich und dauerhaft qualitative und quantitative Mängel der Per- sonalausstattung dazu führen, dass für die Erfüllung eigener Aufgaben teure Rechtsanwaltsleistungen eingekauft werden, sind auch weitergehende Fragen der Wirtschaftlichkeit nicht nur im Einzelfall zu betrachten. Es ist bedenklich, wenn sich die Bundesministerien als wesentlicher Ort der Gesetzgebung und als Verwaltungsspitzen gerade bei der Prozessführung „in die Hand“ von Rechtsanwaltskanzleien begeben und damit die eigene Ge- richtspraxis beschränken. Besonders die „Monopolstellung“ bestimmter Kanzleien (vgl. Tz. 2.2) sollte dazu führen, die Mandatierungspraxis zu über-
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