Flugzeuge, Streifenwagen, Beamte: Wie die europäischen Länder gewaltsame Frontex-Einsätze erst möglich machen

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21. April 2022

756 deutsche Polizeibeamt:innen, 11 italienische Flugzeuge, 62 bulgarische Streifenwagen und 101 österreichische Abschiebebeamt:innen: Wir haben recherchiert, wie die einzelnen europäischen Länder Frontex in den Jahren 2015 - 2021 unterstützt haben.

Die EU-Agentur Frontex kontrolliert zu Land, zu Wasser und in der Luft die EU-Außengrenzen. Das entsprechende Equipment und Personal, das dafür benötigt wird, kommt nicht von der Agentur selbst, sondern von den EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz, Island und Norwegen.

Die europäischen Staaten liefern Patrouillenboote, Hubschrauber, Flugzeuge, Autos und Lieferwagen sowie CO2- oder Herzschlagdetektoren. Außerdem beordern sie Polizeibeamt:innen, um an den Grenzen zu patroullieren und Abschiebungen durchzuführen.

Die Einsatzstärke von Frontex hängt somit stark von den europäischen Staaten und deren Lieferungen an die EU-Grenzschutzpolizei ab. 2020 stellten die europäischen Staaten über 80% der gesamten Ausrüstung bereit, die bei Einsätzen verwendet wurde. Bei größerem Equipment wie Schiffen und Flugzeugen stellten sie sogar 98% der von Frontex genutzten Mittel.

Um die Unterstützungsleistungen besser verstehen zu können, veröffentlicht FragDenStaat eine Übersicht der personellen wie materiellen Ausrüstung, welche Frontex seit 2015 bis 2021 aufgeschlüsselt nach europäischem Staat geliefert wurde.

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Welches Land liefert welche Ausrüstung?

Die Art der Unterstützung ist unterschiedlich. Sie ist unter anderem davon abhängig, ob der entsprechende Staat örtlichen Bezug zur Mission hat. So stellt Italien, das die Operation Themis anleitet, viel maritimes Equipment wie Schiffe und Boote zur Verfügung.

Aber nicht nur Italien, auch Griechenland, Spanien und Rumänien zählen zu den Hauptlieferanten für Schiffe und Patrouillenboote. Italien stellt dazu eine Vielzahl an Flugzeugen und Hubschraubern bereit. Deutschland, Polen, Ungarn und Bulgarien steuern die Streifenwagen bei.

Polizeibeamt:innen, die für die Grenzkontrollaufgaben zuständig sind, werden als "boots on the ground" bezeichnet und kommen vor allem aus Griechenland, Deutschland und Italien. Österreichische und niederländische Polizeibeamt:innen kümmern sich vermehrt um die Abschiebungen, die von Frontex koordiniert und durchgeführt werden.

Hier finden Sie den vollständigen Überblick über das Material, welches von den europäischen Staaten zwischen 2015 bis 2021 an Frontex zur Verfügung gestellt wurde.

Warum die materielle und personelle Unterstützung enden sollte

Zahlreiche Recherchen zeigen, dass Frontex gegen Menschen, die versuchen die EU-Außengrenzen zu überwinden, gewalttätig vorgeht und an zahlreichen Menschenrechtsverletzungen beteiligt war. An der Unterstützung der europäischen Staaten für die Agentur hat dieses bisher nichts geändert. Dabei ist es letztlich diese Unterstützung, die diese Gewalt möglich macht: 

Rumänien und Portugal stellten die Schiffe zur Verfügung, von denen aus Pushbacks in der Ägäis durchgeführt wurden. Polizeibeamt:innen, die auf dem gesamten Balkan Menschen misshandeln und zurückdrängen, werden sehr oft als deutschsprachig identifiziert.

Während die meisten Staaten weiterhin materielle und personelle Unterstützung zusichern, haben einige europäische Länder begonnen, dies zu hinterfragen. 

So wird die Schweiz am 15. Mai 2022 ein Referendum – das erste seiner Art – darüber abhalten, ob sie die Unterstützung für Frontex beenden. Als Nicht-EU-Mitgliedstaat stellt die Schweiz nicht nur Equipment und Personal bereit, sondern auch Geld: 61 Millionen Schweizer Franken jährlich.

Die Entscheidung in der Schweiz öffnet jedoch auch die Diskussion für die anderen europäischen Staaten und konfrontiert diese mit der Frage, ob sie weiterhin Frontex bei der Ausübung von Gewalt an den EU-Außengrenzen unterstützen möchten. 

In den letzten Jahren hat Frontex wiederholt seine rechtliche Verpflichtung ignoriert, Einsätze in Ländern wie Griechenland und Italien einzustellen, in denen Menschenrechtsverletzungen eher zur Regel als zur Ausnahme geworden sind. In diesem Zusammenhang bedeutet die Beendigung der nationalen Beiträge zu Frontex nicht nur, die anhaltende Gewalt an den europäischen Grenzen zu verurteilen, sondern auch einen entscheidenden Schritt zur tatsächlichen Beendigung dieser Gewalt zu tun, indem sich die Ländern weigern, sich weiterhin aktiv daran zu beteiligen.

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Wie werden die Beiträge von den europäischen Ländern vereinbart?

Frontex nimmt jeweils im Frühjahr und am Ende des Sommers eine Schätzung vor, welche Mittel für die Durchführung ihrer Operationen benötigt werden. Mit dieser Grundlage wenden sie sich an die europäischen Länder. Anschließend finden je zwei Verhandlungsrunden mit jedem Land statt, bei denen vereinbart wird, wie viele und welche Ressourcen jeweils zur Verfügung gestellt werden.

Diese werden in den "Equipment-Pool" von Frontex aufgenommen und stehen der EU-Agentur von da an zur Verfügung.

Gelegentlich reichen Ausrüstung oder Polizeibeamt:innen nicht aus. Dann kann Frontex zusätzliches materielles wie personelles Material anfordern. Die EU-Grenzpolizei kann aber auch entscheiden, angefordertes Material nicht zu verwenden.

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