1998-06-12

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes zu den Themen Studium und Volksbegehren

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ABGEORDNETENHAUS VON BERLIN
- WISSENSCHAFTLICHER PARLAMENTSDIENST -

Berlin, den 12. Juni 1998

Gutachten
über die Rechtmäßigkeit eines Staatsvertrages, welcher

den zwischen den Schweizer Kantonen bestehenden Vereinbarungen

über Hochschulbeiträge entsprechen würde

Gliederung

Auftrag
II. Gutachten

A.

B
c.
D

Die Interkantonalen Vereinbarungen
Vereinbarkeit mit Art. 104a Abs. 1 CG
Vereinbarkeit mit Art. 109 Abs. 1 GG
Vereinbarkeit mit dem Länderfinanzausgleich
i.S.d. Art. 107 Abs. 2 GG

Ergebnis
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I. Auftrag

Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin hat auf Grund
einer entsprechenden Bitte der Fraktion der PDS den Wissenschaftli-
chen Parlamentsdienst mit der Erstellung eines Gutachtens über die
Rechtmäßigkeit eines Staatsvertrags, welcher den zwischen den Schwei-
zer Kantonen bestehenden Vereinbarungen über Hochschulbeiträge ent-
sprechen würde, beauftragt.

If. Gutachten

Zwischen den Kantonen der Schweiz wurde unter der Bezeichnung
Interkantonale Vereinbarung über Hochschulbeiträge für die Jahre 1993
bis 1998! (im weiteren IVH) am 26. Oktober/7. Dezember 1990 ein Ver-
trag geschlossen, wonach Kantone, deren Hochschulzugangsberechtigte
in anderen Kantonen studieren, an diese Kantone Ausgleichszahlungen
zu leisten haben. Im folgenden wird zunächst der Inhalt dieser Ver-
einbarung sowie der Inhalt der am 20. Februar 1997 geschlossenen
Interkantonalen Universitätsvereinbarung? (im weiteren IUV), welche
die IVH von 1999 an ablösen soll, in den Grundzügen dargestellt. Dann
werden die rechtlichen Bedenken erörtert, die gegen einen vergleich-
baren Staatsvertrag zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutsch-
land bestehen könnten.

Da davon ausgegangen wird, daß die Thematik des Auftrags in der
Frage liegt, ob die Vereinbarung von Ausgleichszahlungen für Studie-
rende zwischen den Ländern zulässig wäre, wird auf eine rechtliche
Überprüfung der Regelungen über die Behandlung von Studierenden aus
Kantonen, die der Vereinbarung nicht beitreten, verzichtet. S 8 IVH
bzw. Art. 11 IUV sehen vor, daß solche Studenten mit der Zahlung von
besonderen Gebühren (zusätzlich zu den in Art. 15 IUV angesprochenen
Studiengebühren) belastet und erst dann zu einer Hochschule zugelas-
sen werden, wenn alle Studierenden aus den sog. Vereinbarungskantonen
Aufnahme gefunden haben. Ob entsprechende Regelungen in einem Staats-
vertrag zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland zulässig
wären, ließe sich nur im Rahmen einer intensiven und zeitaufwendigen
Prüfung klären, die keinen echten Bezug zum eigentlichen Auftragsthe-
ma hätte und die daher an dieser Stelle nicht angebracht erscheint.
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Ein Verzicht auf eine derartige Erörterung ist auch deshalb als ver-
tretbar anzusehen, weil Regelungen, die zu einer Schlechterstellung
bestimmter Studierender führen, nicht zum essentiellen Inhalt von
Vereinbarungen über Ausgleichszahlungen gehören, so daß solche Ver-
einbarungen auch ohne entsprechende Regelungen in sinnvoller Weise
abgeschlossen werden könnten.

A. Die Interkantonalen Vereinbarungen

Hauptzweck der IVH ist es, die Kantone der Schweiz, welche keine
Hochschulen unterhalten, an der Finanzierung der kantonalen Hochschu-
len zu beteiligen (vgl. 5 1 IVH). Dementsprechend wird in S 2 Abs. 1
IVH der Grundsatz aufgestellt: "Die der Vereinbarung angeschlossenen

‚Kantone (Vereinbarungskantone) leisten den der Vereinbarung ange-

schlosssenen Hochschulkantonen einen jährlichen Beitrag an die
Betriebsaufwendungen der Hochschulen." Eine direkte Aussage über den
Maßstab für die Ausgleichzahlungen enthält der Vertrag nicht. Aus S 3
Abs. 1 IVH i.V.m. $ 5 Abs. 1 IVH ergibt sich jedoch, daß jeder Kanton
für die Studierenden, die in ihm die Hochschulreife erlangt haben,
aber in anderen Kantonen studieren, an diese Hochschulkantone für
jeden Studierenden einen Ausgleichsbetrag von 8.500 Franken je Jahr
zu zahlen haben. S 7 Abs. 1 IVH bestimmt, daß im Falle von Zulas-
sungsbeschränkungen Studierende aus den Kantonen, die der Vereinba-
rung beigetreten sind, die gleiche Rechtsstellung haben wie einheimi-
sche Studierende. Gemäß S 19 IVH ist Bedingung für das Inkrafttreten,
daß mindestens drei Hochschulkantone und mindestens sieben Nichthoch-
schulkantone den Beitritt zu der Vereinbarung erklärt haben. Tatsäch-
lich sind alle 26 Kantone sowie das Fürstentum Lichtenstein (wie im

s 12 IVH vorgesehen) beigetreten.

Die IUV vom 20. Februar 1997 knüpft im wesentlichen an die Rege-
lungen der IHV an, wobei bestimmte Punkte verdeutlicht bzw. ausführ-
licher dargestellt werden. So besagt Art. 3 Abs. 1 IUV, daß die zah-
lungspflichtigen Kantone den Universitätskantonen einen jährlichen
Beitrag an die Ausbildungskosten ihrer Kantonsangehörigen leisten.
Hierdurch wird verdeutlicht, daß sich die Beitragszahlungen nach der
Anzahl der jeweils in anderen Kantonen Studierenden bemessen. In
Art. 8 IUV wird der Begriff der Studierenden näher definiert. In
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Art. 9 Abs. 2 IUV wird festgelegt, daß die Studierenden jeweils einer
von drei Fakultätsgruppen zuzuordnen sind, die offensichtlich auf

der Grundlage der Kostenintensität der Studienplätze gebildet werden.
Die Höhe der Ausgleichszahlungen liegt nun nicht mehr einheitlich bei
8.500 Franken, sondern ist nach der Zugehörigkeit zu den drei Fakul-
tätsgruppen gestaffelt. Sie beträgt, wie sich aus Art. 12 IUV ergibt,
mindestens 9.500 Franken und im Höchstfall 46.000 Franken je Student
und Jahr. Art. 19 IUV besagt, daß Beiträge, die ein Vereinbarungskan-
ton zu leisten hat, mit seinen Forderungen verrechnet werden. Hieraus
läßt sich schließen, daß nicht nur Kantone, die keine Hochschulen
unterhalten, zu Ausgleichszahlungen verpflichtet sind, sondern daß
auch Hochschulkantone für in anderen Hochschulkantonen Studierende
Zahlungen zu leisten haben. Art. 25 IUV trifft eine neue Regelung
über die Zahl der Kantone, deren Beitritt für die Gültigkeit der
Vereinbarung nötig ist: Nunmehr muß mindestens jeweils die Hälfte der
Universität- und der Nichtuniversitätskantone ihren Beitritt erklä-
ren.

B. Vereinbarkeit mit Art. 104a Abs. 1 GG

Fraglich erscheint, ob ein zwischen den Ländern der Bundesrepu-
blik Deutschland abgeschlossener, inhaltlich mit der IVH bzw. IUV
vergleichbarer Staatsvertrag mit Art. 104a Abs. 1 GG vereinbar wäre.
Diese Vorschrift lautet:

Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich
aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grund-
gesetz nichts anderes bestimmt.

Es wird also eine Konnexität zwischen Aufgaben und Ausgaben
hergestellt.’ Allerdings ist umstritten, ob Art. 104a Abs. 1 GG über-
haupt im Verhältnis der einzelnen Länder zueinander gilt.* Der Wort-
laut der Vorschrift, der den Bund und die Länder einander in ihrer
Gesamtheit gegenüberstellt, scheint eher für eine Interpretation zu
sprechen, nach der sich ihr Regelungsgehalt auf das Bund-Länder-Ver-
hältnis beschränkt.” Zur Begründung der Gegenansicht, wonach
Art. 104a Abs. 1 GG auch für die Beziehungen der Länder untereinander

gilt, wird angeführt, die dem einzelnen Land für seinen Kompetenzbe-
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reich zugewiesene Finanzverantwortung sei von den-anderen Ländern
ebenso zu respektieren wie vom Bund.® Die Frage nach dem Anwendungs -
bereich des Art. 104a Abs. 1 GG muß jedoch nicht abschließend geklärt
werden, wenn sich ergibt, daß ein Staatsvertrag zwischen den Ländern,
der Ausgleichszahlungen für Studierende vorsieht, ohnehin mit dieser
Norm vereinbar wäre. Daher wird im folgenden von einer Geltung des
Art. 104a Abs. 1 GG auch für das Verhältnis der Länder untereinander
ausgegangen.

Zu den Aufgaben der Länder gehört die Unterhaltung ihrer
Hochschulen.’ Man könnte aus Art. 104a Abs. 1 GG den Schluß ziehen,
daß jedes Land die Ausgaben, die durch die Unterhaltung seiner Hoch-
schulen entstehen, alleine zu tragen hat und daß deshalb die Verein-
barung von Ausgleichszahlungen für den Unterhalt der Hochschulen
anderer Länder unzulässig ist. Es erscheint jedoch problematisch, aus
dem Grundsatz der Konnexität ein absolutes Verbot von Finanzzuweisun-
gen zwischen den Ländern herzuleiten. Das Bundesstaatsprinzip des
Art. 20 Abs. 1 GG, das in den Art. 104a ff. GG seine finanzverfas-
sungsrechtliche Ausprägung findet, geht zwar von einer eigenständigen
Aufgabenerfüllung der Länder aus, welche mit einer entsprechenden
selbständigen Finanzierungsverantwortung verbunden ist, es verbietet
jedoch nicht jede Form der Zusammenarbeit. Vielmehr ist eine koopera-
tive Selbstkoordinierung der Länder als zulässig anzusehen. Da eine
effektive Kooperation in vielen Fällen nur durch die gemeinsame
Finanzierung von bestimmten Projekten oder durch Ausgleichszahlungen
für bestimmte Leistungen erfolgen kann, sind finanzielle Leistungen
zwischen den Ländern durch Art. 104a Abs. 1 GG nicht vollständig
ausgeschlossen.” Die Bedeutung des Konnexitätsprinzips liegt auf der
Länderebene darin, daß die Eigenständigkeit der Länder gegenüber
anderen, finanzstärkeren Ländern gewahrt werden soll, daß also kein
Land die Möglichkeit haben soll, auf dem Wege der Finanzierung von
Aufgaben anderer Länder deren Politik mitzubestimmen. Die Eigenstän-
digkeit wird aber nicht gefährdet, wenn anstelle von einseitigen
Leistungen, die zur Abhängigkeit der Empfängerländer von den Geber-
ländern führen können, Zahlungen zum Zweck der Kooperation erfolgen,
wenn also gemeinsame Projekte finanziert werden oder ein Land Lei-
stungen, die es von einem anderen Land erhält, durch Finanzzuweisun-
gen entgilt.
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Eine derartige Kooperation entspricht der üblichen Staatspraxis.
Zu verweisen ist hierbei z.B. auf das sog. Königsteiner Abkommen vom
30./31. März 1949", in dem sich die Länder zu einer gemeinsamen
Förderung von überregional bedeutsamen Forschungseinrichtungen ver-
pflichteten. Ein aktuelles Beispiel für Ausgleichszahlungen, die zur
Abgeltung von Leistungen eines anderen Landes erfolgen, bietet die
Vereinbarung über Gegenseitigkeit beim Besuch von Schulen in öffent-
licher Trägerschaft zwischen den Regierungen der Länder Berlin und
Brandenburg vom 21. November 1997.11 Gemäß S 3 Abs. 1 der Vereinba-
rung zahlt das Land Brandenburg an das Land Berlin zur Abgeltung von
Mehraufwendungen (die Berlin durch die Schüler aus Brandenburg ent-
stehen) einen einmaligen Betrag von drei Mio. DM und für die Jahre
1998 bis 2001 jeweils einen jährlichen Pauschalbetrag von sieben Mio.
DM. Ein Verstoß gegen Art. 104a Abs. 1 GG kann in dieser Vereinbarung
nicht gesehen werden, da die zu zahlenden Beträge keine Zuschüsse zum
Landeshaushalt sind, die den Empfänger allgemein besser stellen sol-
len, sondern einen finanziellen Ausgleich des einen Landes für die
tatsächlichen Leistungen des anderen Landes darstellen.

Ähnlich wäre auch ein der IVH bzw. IUV entsprechender Vertrag
zwischen allen Bundesländern über Ausgleichszahlungen für Studierende
zu bewerten. Hierdurch würde kein Land in die Rolle eines bloßen
Leistungsempfängers geraten, sondern es wäre eine Gegenseitigkeit der
Leistungen gewährleistet. Da alle Länder Hochschulen unterhalten,
befindet sich überdies jedes Land, das einer solchen Vereinbarung
beitritt, theoretisch in der Rolle des potentiellen Zahlungsempfän-
gers. Die Länder, die bei einer Saldierung Ausgleichsbeträge leisten,
"fördern dadurch nicht einseitig die Empfängerländer, sondern erbrin-
gen ein Entgelt für die Studienplätze, die ihren Landeskindern von
den Empfängerländern zur Verfügung gestellt werden. Dies bedeutet
eine zulässige Form der Kooperation, durch welche die eigenständige
Aufgabenerfüllung der Länder nicht tangiert wird. Eine solche Rege-
lung wäre also mit Art. 104a Abs. 1 GG vereinbar.

C. Vereinbarkeit mit Art. 109 Abs. 1 GG

Problematisch könnte ein mit der IVH bzw. IUV vergleichbarer
Staatsvertrag im Hinblick auf Art. 109 Abs. 1 GG sein. Diese
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Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

Bund und Länder sind ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und
voneinander unabhängig.

Art. 109 Abs. 1 GG bezieht sich nicht nur auf das Verhältnis
zwischen Bund und Ländern, sondern auch auf das gegenseitige Verhält-
nis der Länder zueinander.'? Die Vorschrift gewährleistet die Unab-
hängigkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und
Ländern, um deren politische Eigenständigkeit zu sichern." Der
Begriff der Haushaltswirtschaft in Art. 109 Abs. 1 GG ist dabei
umfassend zu verstehen und beinhaltet die Gesamtheit der auf die

Ausgaben und Einnahmen eines Haushaltsträgers bezogenen Vorgänge.

Die finanziellen Zuwendungen, die ggf. als Ausgleich für außer-
halb des eigenen Landes studierende Landeskinder erfolgen müßten,
könnten unter diesem Aspekt unzulässige Eingriffe in fremde Haushalte
bedeuten. Einer solchen Auffassung würde jedoch eine Überinterpreta-
tion des Art. 109 Abs. 1 GG zugrunde liegen. Die Unabhängigkeit und
Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder in der Bundesrepu-
blik Deutschland bedeutet nicht, daß den Ländern damit jegliche
Kooperation, die mittels Finanzzuweisungen erfolgt, untersagt ist,
selbst wenn im konkreten Fall ihre Unabhängigkeit hierdurch nicht
berührt wird. Auch unter Berücksichtigung von Art. 109 Abs. 1 GG ist
somit die gemeinsame Finanzierung von Länderaufgaben, die mehrere
Länder betreffen, oder der Unterhalt gemeinsamer Einrichtungen
zulässig.' Insbesondere läßt sich aus dieser Norm kein Verbot von
Zahlungen mit Entgeltcharakter herleiten!, da derartige Leistungen
nicht geeignet sind, die Unabhängigkeit des Empfängerlandes zu beein-
trächtigen, sondern lediglich eine Ausgleichsfunktion haben.

Folglich kann eine Vereinbarung zwischen den Ländern mit dem
Inhalt, wechselseitig Ausgleichszahlungen für die Inanspruchnahme von
Studienplätzen zu leisten, nicht als Verstoß gegen das Gebot der
selbständigen und unabhängigen Haushaltswirtschaft i.S.d. Art. 109
Abs. 1 GG angesehen werden.
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D. Vereinbarkeit mit dem Länderfinanzausgleich i.S.d. Art. 107
Abs. 2 GG

Zu erwägen ist weiterhin, ob ein mit der IVH bzw. IUV vergleich-
barer Staatsvertrag mit dem Länderfinanzausgleich (Verteilung des
Steueraufkommens unter den Ländern) nach Maßgabe des Art. 107 Abs. 2
GG vereinbar wäre. Die Vorschrift lautet:

Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche
Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei
sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden
(Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für
die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und
für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen
Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen
sind in dem Gesetz zu bestimmen. Es kann auch bestimmen, daß der
Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen
zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergän-
zungszuweisungen) gewährt.

Bei dem in Art. 107 Abs. 2 GG angesprochenen Gesetz handelt es
sich um das Finanzausgleichsgesetz'’”. Der durch seine Vorschriften
näher geregelte Finanzausgleich hat gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1
Halbsatz 1 GG den Zweck, Unterschiede in der Finanzkraft der Länder
angemessen auszugleichen. Hierdurch erfolgt in gewissem Umfang eine
Korrektur der Steuerverteilung gemäß Art. 106 Abs. 1, 2 und 3,

Art. 107 Abs. 1 GG, soweit sie zu unangemessenen Ergebnissen führt."
Ein angemessener Ausgleich i.S.d. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG liegt
vor, wenn einerseits in allen Ländern die finanziellen Voraussetzun-
gen für eine selbständige Haushaltsführung und für annähernd wert-
gleiche Lebensverhältnisse geschaffen werden, andererseits aber eine
Nivellierung der Länderfinanzen vermieden wird.'?

Art. 107 Abs. 2 GG enthält für dem allgemeinen Finanzausgleich
unter den Ländern dienende Finanzzuweisungen eine abschließende
Regelung.?" Der Finanzausgleich wird dadurch dem freien Aushandeln
der Beteiligten entzogen.?' Eine Vereinbarung über Ausgleichszuwei -

sungen für Studierende könnte unter diesem Aspekt unzulässig sein.
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Jedoch ist der Finanzausgleich i.S.d. Art. 107 Abs. 2 GG nur insoweit
als abschließend anzusehen, als es um zweckfreie Leistungen geht, die
zugunsten der allgemeinen Deckungsmittel leistungsschwächerer Länder
erbracht werden.?? Dagegen wird mit Leistungen, die im Rahmen der
föderalen Kooperationen zu einem bestimmten Zweck erfolgen, der Rege-
lungsbereich von Art. 107 Abs. 2 GG nicht berührt, da sie keine Aus-
gleichsfunktionen bezüglich der unterschiedlichen Finanzkraft der
Länder erfüllen. Anders kann dies lediglich in Fällen zu beurteilen
sein, in denen zwar formal eine Zweckbindung vorliegt, tatsächlich
jedoch Auswirkungen auf die finanzielle Ausstattung der Länder
erzielt werden sollen. Ein Indiz hierfür kann etwa die am Sachzweck
gemessen ungewöhnliche Höhe einer Leistung sein.® Werden Finanzzu-
weisungen hingegen in angemessener Höhe als Ausgleich für Gegenlei-
stungen anderer Länder vereinbart, so kann darin keine Umgehung von
Art. 107 Abs. 2 GG gesehen werden, da die entsprechenden Zahlungen
unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Länder erfol-
gen. Als Resultat einer Vereinbarung über Ausgleichszahlungen für
Studierende wäre es durchaus möglich, daß ein finanzschwaches Land
einem finanziell stärkeren Land einen Ausgleich für die Inanspruch-
nahme von Studienplätzen zu gewähren hätte. Daß durch eine solche,
auf Gegenseitigkeit ausgerichtete Vereinbarung der Länderfinanzaus-

gleich unterlaufen wird, kann nicht angenommen werden.

Ein mit der IVH bzw. IUV vergleichbarer Staatsvertrag wäre daher
mit dem Länderfinanzausgleich i.S.d. Art. 107 Abs. 2 GG vereinbar.

E. Ergebnis

Ein Staatsvertrag zwischen den Ländern der Bundesrepublik
Deutschland, der seinem Inhalt nach mit der IVH bzw. IUV vergleichbar
wäre, würde weder gegen den Grundsatz der Konnexität gemäß Art. 104a
Abs. 1 GG noch gegen den Grundsatz der haushaltswirtschaftlichen
Selbständigkeit der Länder (Art. 109 Abs. 1 GG) verstoßen. Er wäre
auch mit dem Länderfinanzausgleich i.S.d. Art. 107 Abs. 2 GG verein-
bar. Sonstige verfassungsrechtliche Hindernisse, die einer entspre-

chenden Vereinbarung entgegenstehen könnten, sind - jedenfalls im
Verhältnis der Länder zueinander - nicht ersichtlich.

D.. TÄLn
9

Anmerkungen

Amtliche Systematische Sammlung des Bundesrechts 210.

Zu den rechtlichen Grundlagen und zur Bedeutung interkantonaler
Vereinbarungen vgl. Frenkel, in: German/Weibel (Hrsg.), Hand-
buch Politisches System der Schweiz, Bd. 3, 1986, Ss. 324 E£.

Amtliche Systematische Sammlung des Bundesrechts 414.20.

Ausführlich zum sog. Konnexitätsgrundsatz Vogel/Kirchhof, in:
Bonner Kommentar, Art. 104a (Stand 1971) Rn. 19 ££.; vgl.
auch BVerfGE 86, 148 215.

Abgelehnt wird eine Geltung für das Verhältnis zwischen den
Ländern von Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar,
Art. 104a (Stand 1977) Rn. 26.

So auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublick Deutschland,
Bd. II, 1980, S. 1146.

Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-
Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 104a Rn. 8; ähnlich
Selmer, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Zwischen-
länderfinanzhilfen, in Festschrift für Werner Thieme, 1993,

S. 353, 369 f.; Vogel/Kirchhof (Anm. 3), Art. 104a Rn. 67;
vgl. auch Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die
Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1966,
Tz 42.

Maunz (Anm. 4), Art. 91a Rn. 33; Liesegang, in: von Münch/
Kunig (Anm. 6), Art. 9la Rn. 17. Dagegen erfaßt der Sachbe-
reich der Gemeinschaftsaufgaben gem. Art. 91a Abs. 1 Nr. ı
GG ausdrücklich nur den Ausbau und Neubau von Hochschulen,
also nicht ihren Betrieb oder Unterhalt, vgl. Krüger, in:
Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1996, Art. 91a Rn. 9.
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