§ 6 IFG Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

§ 6 IFG wird häufig herangezogen, um Informationsfreiheitsanfragen abzuwehren, die sich auf Situationen beziehen, in denen Behörden mit Unternehmen zu tun haben. Häufig arbeiten Behörden etwa mit Unternehmen zusammen, beispielsweise wenn sie öffentliche Aufträge vergeben. Genau genommen enthält die Vorschrift zwei Ablehnungsgründe: Einen zum Schutz des geistigen Eigentums und einen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

Schutz des geistigen Eigentums

Auch wenn das Recht des geistigen Eigentum viele Unter-Rechtsgebiete aufweist, ist für das Informationsfreiheitsrecht vor allem das Urheberrecht von Bedeutung. Es ist ein beliebter Einwand von Behörden zu behaupten, die angefragten Unterlagen seien urheberrechtlich geschützt und könnten daher nicht herausgegeben werden.

Um zu prüfen, ob das Urheberrecht dem Informationszugang entgegensteht, sollte man zuerst prüfen, ob die angefragten Unterlagen überhaupt urheberrechtlich geschützt sein können. Sollte das tatsächlich der Fall sein, muss man in einem zweiten Schritt prüfen, ob die Herausgabe das Urheberrecht verletzen würde.

Urheberrecht an Unterlagen der Verwaltung

Damit Unterlagen der Verwaltung überhaupt geschützt sein können, müssen sie eine „persönliche geistige Schöpfung“ haben. Das bedeutet, die Unterlagen müssen das Ergebnis eines kreativen Schöpfungsprozesses sein. Das bloße Zusammentragen von Informationen oder das Ausfüllen von Formularen kann daher normalerweise nicht dazu führen, dass ein schutzfähiges Werk entsteht. Der kreative Prozess muss auch zu einem Ergebnis führen, das eine gewisse Schöpfungshöhe aufweist. Für Unterlagen im Besitz von Behörden ist das zumindest dann nicht der Fall, wenn es sich bei dem Anfertigen der Unterlagen um „Alltagsgeschäft“ handelt, also ähnliche Schriftstücke routinemäßig angefertigt werden, oder wenn die Umstände (Verwaltungsvorschriften oder andere rechtliche Vorgaben) keinen Raum für eine kreative Gestaltung der Unterlagen lassen.

Dennoch ist es möglich, dass Unterlagen im Besitz von Behörden urheberrechtlich geschützt sind, wenn die Informationen darin auf eine „kreative“ Art und Weise angeordnet sind. In der Praxis ist es sehr schwierig das zu beurteilen, ohne das angefragte Dokument zu kennen.

Urheberrechtsverstoß durch Veröffentlichung

Auch wenn die angefragten Unterlagen urheberrechtlich geschützt sind, führt das nicht dazu, dass die Behörde sie nicht herausgeben muss. § 6 IFG verlangt, dass der Schutz des geistigen Eigentums dem Informationszugang „entgegenstehen“ muss. Es müsste also das Urheberrecht verletzen, die Unterlagen an Personen außerhalb der Verwaltung zu geben. Das ist dann der Fall, wenn die Behörde nicht die notwendigen Rechte an dem Werk hat, die es erlauben, es Dritten zugänglich zu machen (konkret: Wenn ihr das (Erst-)Veröffentlichungsrecht fehlt).

Wenn man beurteilen möchte, ob der Verwaltung die nötigen Rechte fehlen, ist es sinnvoll zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen das vermeintlich geschützte Werk innerhalb der Verwaltung hergestellt worden ist und denen, in denen eine Person außerhalb der Behörde das Werk angefertigt hat.

Unterlagen der Behörde

Es kommt vor, dass Behörden behaupten, die von ihnen angefertigten Dokumente seien von § 6 IFG geschützt und müssten nicht herausgegeben werden, weil diese urheberrechtlich geschützt seien. Tatsächlich können die Mitarbeiter:innen in den Behörden die Urheber:innen von Werken sein.  Dann haben sie dem Grunde nach alleine das (Erst-)Veröffentlichungsrecht an den Werken. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass man davon ausgehen kann, dass Behördenmitarbeiter:innen der Behörde alle Rechte an ihren Werken übertragen, die erforderlich sind, damit diese ihre Aufgaben ordnungsgemäß durchführen kann. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Beantwortung von IFG-Anfragen. Daher fallen Unterlagen, die in der Behörde selbst gefertigt wurden, normalerweise nicht unter § 6 IFG.

Unterlagen von Dritten

Stammen die Unterlagen nicht aus der Behörde selbst, sondern wurden von externen Personen angefertigt, muss man die Frage, ob sie der Behörde die notwendigen Rechte für deren Weitergabe eingereicht hat, etwas differenzierter betrachten.

Beauftragt die Behörde jemanden mit der Anfertigung von Unterlagen – zum Beispiel wenn sie eine Anwaltskanzlei mit der Ausarbeitung eines Schriftsatzes betraut – dann erhält die Behörde neben dem Recht die Unterlagen intern zu verwenden normalerweise auch das Recht, diese für die Beantwortung von IFG-Anfragen zu nutzen. Etwas anderes kann aber gelten, wenn die Behörde und die beauftragte Person eine abweichende Vereinbarung treffen.

Wenn die Behörde allerdings im Besitz von urheberrechtlich geschützten Werken ist, die nicht für sie selbst angefertigt worden sind – zum Beispiel von der Polizei sichergestellte Manuskripte – fehlt es ihr normalerweise an den Veröffentlichungsrechten.

Fazit: Urheberrecht

Wenn eine Behörde versucht, Unterlagen die sie selbst angefertigt hat, unter Berufung auf § 6 IFG zurückzuhalten, sollte man das auf keinen Fall durchgehen lassen. Ist sie auf anderen Wegen an urheberrechtlich geschütztes Material gelangt, gestaltet sich die Beurteilung im Einzelfall schwieriger.

Schutz von Unternehmensgeheimnissen

Gemäß § 6 S. 2 IFG dürfen Behörden – ohne Einwilligung des Unternehmens – keinen Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gewähren. Häufig führen Behörden diesen Ausschlussgrund an, sobald sich der Informationsantrag auf Informationen über Unternehmen erstreckt. Tatsächlich muss eine Information aber eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, um als Geschäftsgeheimnis angesehen werden zu können.

Voraussetzungen für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses

Geschäftsgeheimnisse liegen nur vor, wenn die folgenden vier Voraussetzungen allesamt vorliegen: Unternehmensbezogenheit der Information (1.), keine Offenkundigkeit der Information (2.) Geheimhaltungswille (3.) und ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse (4.).

Unternehmensbezug

Ein Unternehmensbezug ist nur gegeben, wenn sich die angefragten Informationen auf ein bestimmtes Unternehmen beziehen. Das bedeutet, dass Informationen über die Wirtschaft im Allgemeinen oder über ganze Branchen keinen Unternehmensbezug aufweisen. Genauso wenig schützt § 6 IFG Informationen über Unternehmer:innen, wenn sie sich auf deren „Freizeit“ beziehen, also nichts mit dem Unternehmen an sich zu tun haben (natürlich kann in diesen Fällen § 5 einschlägig sein).

Keine Offenkundigkeit

Die Informationen dürfen auch nicht offenkundig, also nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sein. Es ist im Einzelfall nicht einfach zu bestimmen, wie groß der Personenkreis der „Eingeweihten“ sein darf, ohne dass das „Geheimnis“ offenkundig wird. Ein Indiz für die fehlende Offenkundigkeit ist, wenn das Unternehmen selbst kontrollieren kann, wer von der Information Kenntnis erlangt. Offenkundig ist eine Tatsache aber, wenn Menschen mit Fachkunde sie üblicherweise kennen, oder sie sich mit geringem Aufwand zusammenreimen können.

Geheimhaltungswille des Inhabers

Schließlich muss das Unternehmen selbst wollen, dass die angefragten Informationen unter Verschluss bleiben. Wenn sie Unterlagen nicht ausdrücklich als „geheim“ bezeichnen oder spezielle Markierungen einbringen, muss die Behörde entscheiden, ob sich der Geheimhaltungswille aus anderen Anhaltspunkten ergeben könnte. Davon ist häufig auszugehen. Klar ist auf jeden Fall, dass ein solcher Geheimhaltungswille dann angenommen werden kann, wenn das Unternehmen „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergriffen hat. Es sprechen auch gute Gründe dafür, dass ein Geschäftsgeheimnis nur dann vorliegt, wenn solche Maßnahmen ergriffen worden sind. So regelt beispielsweise das Geschäftsgeheimnisgesetz ausdrücklich, dass ein Geheimnis im Sinne dieses Gesetzes nur vorliegt, wenn angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen wurden. Allerdings ist in der Rechtsprechung bislang nicht entschieden, ob sich dieses Erfordernis auf den Geschäftsgeheimnis-Begriff des IFG übertragen lässt.

Berechtigtes Geheimhaltungsinteresse

Für das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen können Unternehmen mit ein wenig Anstrengung selbst Sorge tragen. Damit sie aber nicht willkürlich, alle Informationen über sich geheim halten können, muss an den Informationen auch ein objektives berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vorliegen. Wegen dieser Voraussetzung kann geschickte Argumentation zu einer erfolgreichen Anfrage führen.
 
Die Praxis interpretiert diese Voraussetzung nah am Wettbewerbsrecht. Demnach kann man von einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse ausgehen, wenn das Bekanntwerden der angefragten Information dem Unternehmen Nachteile im Wettbewerb mit anderen Unternehmen bereiten würde. Die Behörde muss anhand der konkret angefragten Informationen eine Prognose darüber anstellen, ob diese den Wettbewerb verzerren könnten. Diese Prognoseentscheidung lässt sich häufig argumentativ angreifen und oft nehmen Behörden fälschlicherweise gar keine Prognose vor.
 
Ungeklärt ist, ob und wann ein Unternehmen kein objektives Geheimhaltungsinteresse hat, wenn sich die Informationen auf rechtswidriges Verhalten bezieht, an dem es beteiligt war. Es lässt sich gut argumentieren, dass in diesen Fällen überhaupt kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht – dafür spricht zumindest, dass § 5 des Geschäftsgeheimnisgesetzes diese Art der Informationen von seinem Schutz ausnimmt. Außerdem lässt sich argumentieren, dass Informationen über rechtswidriges Verhalten nicht dazu führen, dass das Unternehmen einen legitimen Wettbewerbsvorteil verliert. Sollte eine Behörde versuchen, Informationen über rechtswidriges Verhalten zurückzuhalten, kann man diese Argumente auf jeden Fall vorbringen und hoffen, dadurch auf eine baldige Klärung dieser offenen Frage hinzuwirken.

Reichweite: Nur soweit Geschäftsgeheimnisse betroffen sind

Dass sich unter den angefragten Unterlagen Geschäftsgeheimnisse befinden, führt nicht dazu, dass der Antrag zwingend abzulehnen ist. Vielmehr darf die Behörde nur die Stellen schwärzen, die tatsächlich Geheimnisse enthalten. Den Rest der Unterlagen, muss sie trotzdem herausgeben.

Rechtsschutz (Darlegungslast)

Es reicht nicht, dass Behörden das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses einfach behaupten. Sie müssen plausibel darlegen können, dass jedes der oben genannten vier Kriterien vorliegt, soweit das möglich ist, ohne Rückschlüsse auf die Informationen zuzulassen. Die bloße Behauptung, es befänden sich Informationen über ein Unternehmen in den Unterlagen, reicht daher regelmäßig nicht. Wenn man sich gegen die Ablehnung einer Anfrage zur Wehr setzen möchte – bei Bundesbehörden erfolgt das normalerweise durch das Einlegen eines Widerspruchs – sollte man den Bescheid genau lesen und prüfen, ob die Behörde alle Voraussetzungen darlegt und insbesondere ob ihre „Wettbewerbsprognose“ schlüssig ist oder ob es Argumente gegen eine Wettbewerbsverzerrung gibt, die sie übersehen hat. Häufig übersehen Behörden auch, dass sie die Unterlagen nicht ganz zurückbehalten dürfen, sondern sie gegebenenfalls geschwärzt vorlegen müssen, so dass ein erfolgreicher Widerspruch auf diesen Umstand gestützt werden kann.

Verfahren

Wenn der Schutz des Urheberrechts oder von Geschäftsgeheimnissen im Raum steht, ist häufig ein „Drittbeteiligungsverfahren“ gemäß § 8 Abs. 1 IFG vorzunehmen. Dabei erhalten die Rechteinhaber:innen bzw. die Unternehmen die Gelegenheit, zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Sie haben auch die Möglichkeit, in die Herausgabe der Unterlagen einzuwilligen. Dann muss die Behörde sie herausgeben. Dieses Verfahren kann zu erhöhten Gebühren führen, wenn der Antrag Erfolg hat, woran man bei der Antragstellung denken sollte.

Haben Sie Feedback?

Falls Ihre Frage nicht beantwortet wurde, können Ihnen sicherlich andere Nutzer:innen in unserem Forum weiterhelfen. Für weitere Hinweise oder Änderungsvorschlage schreiben Sie uns eine E-Mail an info@fragdenstaat.de.