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Aktenzeichen
3 Bf 28/16.Z
Datum
23. Mai 2017
Gericht
Oberverwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Hamburg am 23. Mai 2017

3 Bf 28/16.Z

Das Oberverwaltungsgericht lehnt den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ab. Weder ergeben sich aus dem Zulassungsantrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu. Die Vorinstanz hatte entschieden, dass die Verweigerung der Offenlegung der beantragten Informationen auf der Grundlage eines Ausnahmetatbestands des Hamburgischen Transparenzgesetzes für Informationen, die mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology bei der Behörde für Inneres und Sport zusammenhängen, rechtmäßig war. (Quelle: LDA Brandenburg)

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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

3 Bf 28/16.2
17 K 295/15

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

m.
u

 

- Klägerin -
gegen
=
- Beklagte -

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richterin Sternal
sowie die Richter Dr. Lambiris und Dr. Delfs am 23. Mai 2017 beschlossen:

-/Fo.
1

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündli-
cher Verhandlung vom 27. Januar 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts

Hamburg wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 27. Januar 2016 ergangene ‚Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg,
mit dem es ihre Klage auf Verpflichtung der Beklagten abgewiesen hat, sämtliche sie oder
ihren Rechtsvorgänger betreffende Informationen zugänglich zu machen, die bei der Tä-
tigkeit der Arbeitsgruppe Scientology angefallen sind. Die bei der Behörde für Inneres der
Beklagten eingerichtete Arbeitsgruppe Scientology ist mittlerweile aufgelöst. Nunmehr
werden die behördlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Scientology
Organisation von dem Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen.

Die Klägerin ist ein 1990 in der Rechtsform des eingetragenen Vereins gegründeter und
nunmehr in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierter Trä-
ger der freien Jugendhilfe. Mit Schreiben vom 11. April 2005, das im August 2009 im In-
ternet Öffentlich zugänglich war, forderte die Arbeitsgruppe Scientology beim Registerge-
richt die zum Rechtsvorgänger der Klägerin geführte Registerakte zur Einsichtnahme an.
Am 7. Dezember 2009 äußerte die Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology in einer Fern-
sehsendung, dass bisher eine Scientology-Verbindung der Klägerin nicht festgestellt wer-
den konnte. Auch später wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin nichts mit Scien-

tology zu tun habe.
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Einen noch auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz gestützten Antrag des
Rechtsvorgängers der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2009
und Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2010 ab. Die hiergegen erhobene Klage wies
das Verwaltungsgericht Hamburg mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Juli 2011
ergangenem Urteil (Az. 5 K 524/10) ab. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht lehn-
te den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 30. August 2013
(Az. 3 Bf 148/11.Z) ab.

Einen (erneuten) Antrag der Klägerin auf Einsicht in die bei der Beklagten zu ihr geführten
Akte lehnte die Beklagte mit Bescheid. vom 16. September 2014 und Widerspruchsbe-
scheid vom 17. Dezember 2014 insbesondere unter Hinweis auf den Ausnahmetatbe-
stand des $5 Nr. 3 HmbTG ab. Die hiergegen erhobene Klage der Klägerin hat das Ver-
waltungsgericht Hamburg mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. Januar
2016 abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat zwar abstrakt-generelle verfassungsrecht-
liche Bedenken hinsichtlich des in 85 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG erfolgten ausnahmslosen Aus-
schlusses von Ansprüchen auf Zugang zu Informationen im Zusammenhang mit der Auf-
gabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology geäußert, im konkret-individuellen
Fall aber_keinen Verfassungsverstoß gesehen: Der durch die Ablehnung des begehrten
Informationszugangs erfolgte Eingriff in den Schutzbereich des Rechts der Klägerin auf
informationelle Selbstbestimmung sei gerechtfertigt. Die vorzunehmende Gesamtabwä-
gung ergebe, dass die Schwere des durch den Ausschlusstatbestand in 85 Nr. 3 Alt. 2
HmbTG ermöglichten Eingriffs in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbe-
stimmung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Allgemeininte-
ressen stehe. Ein Anspruch der Klägerin auf den begehrten Informationszugang ergebe
sich auch nicht aus $ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X oder $ 23 Abs. 1 Satz 1 HmbVerfSchG.

Hiergegen hat die Klägerin unter Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit

des verwaltungsgerichtlichen Urteils und grundsätzlicher Bedeutung die Zulassung der

Berufung beantragt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
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Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung das Ge-
richt im Rahmen des Zulassungsverfahrens beschränkt ist (88 124a Abs.5 Satz 2,
124 Abs. 2 VwGO), rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

1. Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ($ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO)
ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.v.
8 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils sind regel-
mäßig dann begründet, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung ge-
wichtige Gesichtspunkte sprechen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein einzelner tra-
gender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenar-
gumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000, NVwZ 2000, 1163 f.).

Die Klägerin begründet ihre Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils damit, das
Verwaltungsgericht habe bei seiner Abwägung wesentliche Punkte unberücksichtigt ge-

lassen.

a) Hierzu führt die Klägerin zunächst an, bei der Anfrage der Arbeitsgruppe Sciento-
logy an das Vereinsregister habe es ein Fehlverhalten gegeben, weil die Anfrage schrift-
lich unter dem Briefkopf der Arbeitsgruppe mit dem Namen ihrer Leiterin erfolgt und
dadurch in die Öffentlichkeit gelangt sei. Die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses
wird mit diesem Einwand nicht erschüttert. Abgesehen davon, dass bereits nicht nachvoll-
ziehbar ist, warum gerade durch die beschriebene Art und Weise der Anfrage diese an die
Öffentlichkeit gekommen sein soll, wird mit dem Zulassungsantrag nicht dargelegt, warum
dies die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägung fehlerhaft machen könnte.

b) Des Weiteren meint die Klägerin, das Verwaltungsgericht übersehe für den Fall,
dass es einen Informanten gegeben habe, der die Klägerin mit Scientology in Verbindung
gebracht habe, dass diese Informationen falsch gewesen seien. Mit diesem Einwand
vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts
lässt sich nicht entnehmen, dass es die Möglichkeit, dass die Beklagte falsche Informatio-
nen erhalten hat, verkannt hat. Es hat vielmehr für das Gewicht der Geheimhaltungsinte-
ressen insoweit auf die Gefährdung von Informanten und darauf verwiesen, dass die Be-
klagte auf die Zusammenarbeit mit Informanten angewiesen sei (BA S. 18). Beide Aspek-
te verlieren nicht dadurch ihre Richtigkeit, dass ein etwaiger Informant im Einzelfall eine

falsche Information geliefert haben könnte.
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c) Ferner wendet die Klägerin ein, das Verwaltungsgericht greife im Hinblick auf das
Geheimhaltungsinteresse wesentlich zu kurz, weil Fallgruppen denkbar seien, in denen
gar kein schützenswertes beklagtes Interesse dem Interesse der Klägerin gegenüber ste-
he, weil die Beklagte möglicherweise anlässlich öffentlicher Presseberichte oder ohne
äußeren Anlass tätig geworden sei. In diesem Zusammenhang trägt die Klägerin des Wei-
teren vor, dass der Schutz (etwaiger) Informanten aufgrund. des Zeitablaufs geringer zu
bewerten sei als noch im Jahre 2005 oder 2009. Auch hiermit erschüttert die Klägerin die
Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses nicht. Sie verkennt, dass das Verwaltungsge-
richt es im Rahmen der vorgenommenen Gesamtabwägung für ausschlaggebend erach-
tet hat, dass die Beklagte bereits mehrfach erklärt habe, zwischen der Klägerin und Scien-
tology beständen keine Verbindungen, und die Beklagte so zur Wiederherstellung des
beeinträchtigten Rufes der Klägerin in der Öffentlichkeit beigetragen habe (UA S. 18).
Dieser ausdrücklich ausschlaggebenden Erwägung, die unabhängig von einem konkreten
im Einzelfall vorliegenden Geheimhaltungsinteresse der Beklagten ist, tritt die Klägerin
nicht entgegen. Auch die vom Verwaltungsgericht „überdies“ angestellten Erwägungen,
dass die in Rede stehenden Vorgänge bereits mehrere Jahre zurück lägen, diese die
Rechtsvorgängerin betroffen hätten, und dass wegen des Zeitablaufs auch eine für einen
Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr fernliegend sei, zieht die Klä-
gerin nicht erfolgreich in Zweifel. Insbesondere vermag der Einwand der Klägerin, sie ha-
be sich durchgehend bemüht, diese Informationen zu erhalten, nichts an den genannten
objektiven Umständen zu ändern. Dass der Schutz etwaiger Informanten angesichts des
Zeitablaufs geringer zu bewerten sei, wie die Klägerin meint, vermag die Erwägungen des
Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht in Zweifel zu ziehen. Auf ein konkretes Interesse am
Schutz von Informanten hat das Verwaltungsgericht, wie gezeigt, ohnehin nicht tragend

abgestellt.

Die Klägerin legt auch im Übrigen mit der Begründung des Zulassungsantrags nicht konk-
ret dar, dass in den von ihr genannten möglichen Fallkonstellationen (Tätigwerden der
Arbeitsgruppe Scientology aufgrund öffentlicher Presseberichte bzw. Tätigwerden ohne
konkreten äußeren Anlass) ein derart gewichtiges Interesse an der Erlangung dieser In-
formationen besteht, dass die Ablehnung des begehrten Informationszugangs aufgrund
des Hamburgischen Transparenzgesetzes einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertig-
ten Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Klägerin bedeutet. Glei-
ches gilt für den Einwand der Klägerin, es sei Aufgabe der Beklagten, jedenfalls dem
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Grunde nach dazu beizutragen, zu klären, um welche Art von Quelle es sich gehandelt

habe.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (8 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für
die erstrebte Berufungsentscheidung erhebliche tatsächliche oder rechtliche Frage auf-
wirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf.
Dazu ist gemäß dem Darlegungserfordernis des $ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO eine konkrete
Frage zu bezeichnen, die für die Berufungsentscheidung erheblich sein wird. Darüber
hinaus bedarf es der Darlegung des Grundes, der ihre Anerkennung als grundsätzlich
bedeutsam rechtfertigen soll. Der Zulassungsantrag muss daher erläutern, dass und in-
wiefern die Berufungsentscheidung zur Klärung einer bisher von der Rechtsprechung
nicht beantworteten fallübergreifenden Frage führen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.7.1984,
BVerwGeE 70, 24, juris Rn. 13; Beschl. v. 30.3.2005, NVwZ 2005, 709).

Eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne legt die Klägerin nicht dar. Für grundsätz-
lich bedeutsam hält die Klägerin die Frage, „ob 85 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG zum einen über-
haupt verfassungskonform ist oder wegen des Fehlens einer Ausnahmevorschrift und des
darin liegenden immanenten Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbe-
stimmung Betroffener nicht unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig ist.“ Diese
eher auf eine abstrakte Normenkontrolle gerichtete Frage vermag keine grundsätzliche
Bedeutung der vorliegenden Rechtssache zu begründen. Die Klägerin legt bereits nicht
dar, warum die Norm verfassungswidrig sein soll. Insbesondere ist fraglich, ob der Aus-
schlusstatbestand des 8 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG im Rahmen eines geltend gemachten In-
formationsanspruchs aufgrund des Hamburgischen Transparenzgesetzes, das — anders
als Datenschutzgesetze — nicht den Schutz der Selbstbestimmung über die Verwendung
eigener Daten, sondern die Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung
und die Ermöglichung einer Kontrolle des staatlichen Handelns bezweckt ($ 1 Abs. 1
HmbTG), überhaupt zu einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
führen kann. Hiervon unabhängig kann der geltend gemachte Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung insoweit auch nicht durchgreifen, weil die Klägerin nicht konk-
ret darlegt, dass die Frage für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich war. Das
Verwaltungsgericht hat zwar abstrakt-generell Bedenken an der Vereinbarkeit des aus-
nahmslosen Ausschiusstatbestands in $5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG geäußert, diese aber als

nicht entscheidungserheblich angesehen, weil im konkreten Fall der Klägerin der Grund-
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rechtseingriff gerechtfertigt sei. Die Klägerin legt auch nicht dar, dass die genannte Frage

im Berufungsverfahren entscheidungserheblich sein würde.

An der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch hinsichtlich der weiteren
von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, „inwieweit die Vorschrift verfassungskonform
auslegbar ist, indem wie vom Verwaltungsgericht eine Güterabwägung zwischen einer-
seits den öffentlichen Interessen an der Aufgabenwahrnehmung und andererseits dem
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit vorgenommen wird", „inwieweit
eine solche verfassungskonforme Interpretation und Auslegung des 85 Nr.3
2. Alt. HmbTG zulässig ist“ und „welche Kriterien für den Fall einer solchen vorzunehmen-
den Interessenabwägung einzustellen sind“. Hierbei verkennt die Klägerin, dass das Ver-
waltungsgericht keine verfassungskonforme Auslegung von 85 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG vor-
genommen, sondern in Übereinstimmung mit dessen generell-abstrakter Anordnung im
konkreten Fall einen ungerechffertigten Grundrechtseingriff durch die Ablehnung des In-

formationszugangs verneint hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus 8 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf 88 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Sternal Lambiris Delfs

Für die Richtigkeit der Abschrift
Hamburg, den 26.05.2017

Fonseka
als Urkundsbeamtin der Geschäfts-
stelle

Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt —
ohne Unterschrift gültig.
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