Information
- Aktenzeichen
- 17 K 959/15
- Datum
- 13. Januar 2017
- Gericht
- Verwaltungsgericht Hamburg
- Gesetz
- Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)
Urteil: Verwaltungsgericht Hamburg am 13. Januar 2017
17 K 959/15
Das Hamburgische Transparenzgesetz sieht vor, dass Zugang zu personenbezogenen Daten zu gewähren ist, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der Information besteht und überwiegende schutzwürdige Belange der Betroffenen nicht entgegenstehen. Auf dieser Grundlage hebt das Verwaltungsgericht die Bescheide der Behörde auf, mit welchen die Schwärzung der Namen von Teilnehmern an den Sitzungen eines Arbeitskreises Mietenspiegel begründet wurden. Zur Beteiligung an der gesellschaftspolitischen Miethöhedebatte ist die Positionierung der einzelnen Mitglieder in den Sitzungen erforderlich. Das Informationsinteresse des Antragstellers, der als Vermieter in seinem Eigentumsrecht betroffen ist, ist schutzwürdig; überwiegende schutzwürdige Belange der Betroffenen stehen nicht entgegen. Namen sind keine sensiblen personenbezogenen Daten. Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer fortdauernden Vertraulichkeit der Sitzungen aus den Jahren 2010 bis 2014 hat die Behörde nicht dargelegt. (Quelle: LDA Brandenburg)
Personenbezogene Daten Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess)
17 K 959/15 Verwaltungsgericht Hamburg Urteil Im Namen des Volkes In der Verwaltungsrechtssache An Verkündungs EEE: statt zugestellt. - Kläger - Prozessbevollmächtiate(r): gegen Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen -Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung - WSB 140 -. Neuenfelder Straße 19, 21109 Hamburg, - Beklagte - hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 17, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2017 durch den Richter am Verwaltungsgericht Haubold als Berichterstatter für Recht erkannt: Der Bescheid vom 19. September 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger sämtliche Einladungen zu den Sitzungen des Arbeitskreises Mietenspiegel vom 1. Juni 2010 bis zum 10. Juni 2014, sämtliche Anlagen zu den Einladungen sowie sämtliche Protokolle dieser Sitzungen und/oder Niederschriften über die Besprechungen der Ausschussmitglieder und deren Ergebnisse ohne Schwär-
zungen der personenbezogenen Daten in diesen. Unterlagen erwähnter Personen — mit Ausnahme von Schwärzungen der. Namen in diesen Unterlagen erwähnter Sachbearbei- ter der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen — zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen. . Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. ' Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Volistre- ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet. Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich oder durch ein mit einer qualifi- Zierten elektronischen Signatur versshenes ünd’&lektrönisch übermitteltes Dokument (8'554 der Verwaltüngs- gerichtsordnung — VwGO - i.V.m. der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg vom 28. Januar 2008 in der jeweils geltenden Fassung) die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, zu stellen. Er muss das’angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübeckertordammm 4,.20099 Hamburg, schriftlich oder in elektronischer Form (8.0.) einzureichen, \ Die Berufung ist nur zuzulassen, - wenn emstliche Zweifel ar der Richtigkeit des Urteils bestehen, - wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer der in 8 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in $ 67 Abs. 2-Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen als Be- vollmächtigte zugelassen. Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf $ 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 und Abs, 5 VwGO verwiesen. Auf die Möglichkeit der Sprungrevision nach 8 134 VwGO wird hingewiesen.
Tatbestand: Der Kläger ist Grundeigentümer und Vermieter in Hamburg. Er erstrebt Zugang zu den Namen von Personen, die in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 1 0. Juni 2014 zu Sitzun- gen des Arbeitskreises Mietenspiegel der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen ein- geladen worden waren und die an Sitzungen des Arbeitskreises teilgenommen hatten im Wege der Akteneinsicht. Bei der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen ist der Arbeitskreis Mietenspiegel ein- gerichtet. Einige seiner Mitglieder werden. von Grundeigentümerverbänden und von Mie- terverbänden in den Arbeitskreis entsandt. Aufgabe des Arbeitskreises ist die fachliche Begleitung der Behörde bei der. Erstellung von Mietenspiegeln. Der Arbeitskreis befasst sich mit methodischen und rechtlichen Fragestellungen wie etwa der Methodik der Daten- erhebung und .der Auswertung und Interpretation von Daten. Die Sitzungen des Arbeits- kreises sind nicht öffentlich.- Auf Antrag des Klägers übersandte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 7. Juli 2014 die gewünschten Unterlagen in Kopie. Namen hatte sie in den Kopien geschwärzt. Der Kläger beantragte, ihm ungeschwärzte Protokolle zuzusenden: Anhand der übersand- ten Protokolle sei es nicht möglich, die Verhandlungen :und die Durchsetzung der ver- schiedenen Interessen nachzuverfolgen. Die Beurteilung des Ausgleichs und des Förtbe- stehens unterschiedlicher Auffassungen zum Mietenspielgel: solle aber gerade durch die Protokollierung der Beratungen transparent werden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2014 ab: Das Anlie- gen des Klägers scheitere, an überwiegenden schutzwürdigen Belangen der Mitglieder des’ Arbeitskreises Mietenspiegel. Der Arbeitskreis sei seit jeher kein öffentlich tagender Ausschuss. Seine Mitglieder hätten darauf vertrauen dürfen, gegenüber der Behörde ei- ner internen Beratungstätigkeit nachzugehen. Der Kläger erhob Widerspruch: Er habe ein geschütztes Interesse daran zu prüfen, ob die Mietenspiegel entsprechend des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens erstellt worden seien. Zu dieser Überprüfung
gehöre auch zu klären, ob und wie Personen und Institutionen auf die Erstellung der Mie- tenspiegel Einfluss genommen hätten. Schutzwürdige Belange von Mitgliedern des Arbeitskreises Mietenspiegel stünden einer ungeschwärzten Weitergabe der Protokolle nicht entgegen. Wer im öffentlichen Bereich tätig sei, müsse damit rechnen, dass seine Teilnahme an Entscheidungsprozessen trans- parent werde. Es sei eines der Ziele des Transparenzgesetzes, den Einfluss Dritter auf Verwaltungshandeln erkennbar zu machen. Alle Mitglieder des Arbeitskreises Mietenspiegel- seien im Bereich der Wohnungsmiete Personen des öffentlichen Interesses. Sie hätten kein berechtigtes Interesse, einen Teil ihrer Tätigkeit anonym auszuüben. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 zurück: Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers bestehe nicht. Ob die Mietenspiegel entspre- chend des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens erstellt worden seien, lasse sich schon anhand der dem Kläger übersandten Methodenberichte überprüfen. Die namentliche Nennung der Mitglieder des Arbeitskreises Mietenspiegel berühre deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht sei besonders dann zu be- rücksichtigen, wenn, wie im Fall des Arbeitskreises, die Teilnehmer von Vertraulichkeit hätten ausgehen können. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 5. Februar 2015 zugestellt. Der Kläger hat am 23. Februar 2015 Klage erhoben. Der Kläger trägt ergänzend vor: Namen seien keine personenbezogenen Daten. Sie identifizierten Personen, beschrieben aber nicht deren persönliche oder sachliche Verhältnisse. Er habe ein schutzwürdiges Interesse daran aufzuklären, ob es bei der Schaffung der Grundlagen für die staatliche Einschränkung seiner Vertragsfreiheit bei der Aushandelung -5-
von Mieten durch Mietenspiegel mit rechten Dingen zugehe. Unabhängig davon habe er ein schutzwürdiges Interesse, sich als Bürger an der gesellschaftspolitischen Miethöhe- debatte zu beteiligen. Dazu sei es erforderlich zu wissen, wie die verschiedenen Interes- senvertreter sich positioniert hätten und in welcher Weise sie an der Gestaltung der Rah- menbedingungen des Mietmarktes mitgewirkt hätten. Namen der Sachbearbeiter der Behörde für. Stadtentwicklung und. Wohnen könnten weiter geschwärzt bleiben. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2014 und des Wider- spruchsbescheides vom 3. Februar 2015 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger sämtliche Einladungen zu den Sitzungen des Arbeitskreises Mietenspiegel vom 1. Juni 2010 bis zum 10. Juni 2014, sämtliche Anlagen zu diesen Einladungen sowie sämtliche Protokolle dieser Sitzungen und/oder Niederschriften über die Bespre- chungen der Ausschussmitglieder und deren Ergebnisse ohne Schwärzungen der personenbezogenen Daten in diesen Unterlagen erwähnter Personen zur Ein- sichtnahme zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte beantragt, . die Klage abzuweisen. Die Beklagte trägt ergänzend vor: Namen natürlicher Personen seien personenbezogene ‘Daten. Namen bezögen sich auf Personen. Mit den Mietenspiegeln würden nicht die Rahmenbedingungen des Mietmarktes gestaltet. Mietenspiegel gäben die Marktverhältnisse wieder, gestalteten sie aber nicht. Auf ihr Ersuchen, in die Offenlegung ihrer Namen einzuwilligen, hätten im Sommer 2016 sechs Betroffene ihre Einwilligung erteilt, acht Betroffene nicht. Ein Betroffener sei nicht erreichbar gewesen.
In Zukunft würden von den Sitzungen des Arbeitskreises Mietenspiegel nur noch Ergeb- nisprotokölle geführt. Beide Betelligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Bericht- erstatter anstelle der Kammer einverstanden erklärt. Wegen Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, Entscheldungsgründe: Mit der Verpflichtungsklage erstrebt der Kläger Zugang zu den Namen von Personen, die an Sitzungen des Arbeitskreises Mietenspiegel teilgenommen haben, nur insoweit, als es sich nicht um Sachbearbeiter der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen handelt. Das hat er schriftsätzlich erklärt. Dementsprechend ist der Urteilstenor einschränkend zu fas- sen. Bei der Entscheidung ist, wie bei Verpflichtungsklagen regelmäßig, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht abzu- stellen. Einen abweichenden Beurteilungszeitpunkt legt das Hamburgische Transparenz- gesetz - HmbTG - nicht fest. Die zulässige Klage führt zum Erfolg. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist $ 4 Abs. 3 Nr. 4 HnbTG, Danach ist auf Antrag Zugang zu personenbezogenen Daten zu gewähren, wenn ein schutzwürdi- ges Interesse an der Information besteht und überwiegende schutzwürdige Belange nicht entgegenstehen. Namen sind personenbezogene Daten i.$.d. $ 4 Abs. 3 Nr. 4 HmbTG. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ in $ 4 HmbTG bezieht sich auf $ 4 Abs. 1 Hamburgisches Datenschutzgesetz - HmbDSG - (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg — Drucksache 20/4466 — Einzelbegründung zu &$ 4 HmbTG). Nach $ 4 Abs. 1 HmbDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhält- nisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen. Damit sind alle Angaben über -7-
persönliche und sachliche Verhältnisse gemeint, die über eine lebende natürliche Person etwas aussagen (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - Drucksache 13/3282 - Einzelbegründung zu $ 4 HmbDSG), also auch Namen. Auch hat der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Offenlegung der Namen der Personen, die an Sitzungen des Arbeitskreises Mietenspiegel teilgenommen haben. Der Kläger will aufklären, ob es bei der Erstellung der Miefenspiegel 2011 und 2013 mit rechten Dingen. zuging. Hierfür kann bedeutsam sein; ob in den Sitzungen des Arbeits- kreises Mietenspiegel einzelne Teilnehmer häufig und nachdrücklich Positionen einnah- men, die stets dieselbe Interessengruppe bevorteilten. Eine solche Beförderung von Par- tikularinteressen zu erkennen, ist bei durchgängiger Schwärzung von Namen in den Sit- zungsprotokollen kaum. möglich. Weiter will sich der Kläger als Bürger an der gesell- schaftspolitischen Miethöhedebatte beteiligen. Hierfür kann hilfreich sein zu wissen, wie sich die Vertreter der einzelnen Verbände der Grundeigentümer und die Vertreter der ein- zelnen Verbände der Mieter in den Sitzungen des Arbeitskreises Mietenspiegel positio- niert haben. Das erfordert Kenntnis der Namen der Personeri, deren Redebeiträge proto- kolliert sind. Das Informationsinteresse des Klägers ist auch schutzwürdig. Durch die Mietenspiegel wird er in seinem Eigentumsrecht betroffen. Und die Förderung der demokratischen Mei- nungs- und Willensbildung ist ein Grundanliegen des Hamburgischen Transparenzgeset- zes. Überwiegende schutzwürdige Belange stehen dem Anspruch des. Klägers auf Informati- onszugang nicht entgegen. Namen sind keine sensiblen personenbezogenen Daten. Tat- sächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Wahrung der von den Teilnehmern an den Sitzungen des Arbeitskreises Mietenspiegel in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 10. Juni 2014 (möglicherweise) angenommenen Vertraulichkeit auch heute noch zur Vermei- dung drohender Nachteile für die Teilnehmer oder für die behördliche Aufgabenwahrneh- mung un verzichtbar ist, hat die Beklagte nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf $ 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vor- läufige Vollstreckbarkeit auf $ 167 VwGO I1.V.m. $$ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Haubold Für die Richtigkeit der Abschrift Hamburg, den 25.01.2017 Timm Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt - ohne Unterschrift gültig.