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Information

Aktenzeichen
13 A 846/15
Datum
12. Dezember 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 12. Dezember 2016

13 A 846/15

Das Oberverwaltungsgericht bestätigt die Entscheidung der Vorinstanz, nach der das Verbraucherinformationsgesetz keine rechtliche Grundlage für die von der Verbraucherzentrale beantragte Weitergabe von Kontrollergebnissen (Punktebewertungen) aus der Lebensmittelüberwachung von Gaststätten enthält. Solche Bewertungen lassen keine Rückschlüsse auf konkrete Ergebnisse der Betriebskontrollen zu. Nur diese unterfallen jedoch dem Informationsanspruch aus dem Verbraucherinformationsgesetz. Die Verbraucherzentrale hatte beabsichtigt, die Informationen in einem „Gastro-Kontrollbarometer“ mit drei Ergebnisstufen entsprechend einer Ampel im Internet zu veröffentlichen. (Quelle: LDA Brandenburg)

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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                           Seite 1 von 22 Datum:                  12.12.2016 Gericht:                Oberverwaltungsgericht NRW Spruchkörper:           13. Senat Entscheidungsart:       Urteil Aktenzeichen:           13 A 846/15 ECLI:                   ECLI:DE:OVGNRW:2016:1212.13A846.15.00 Vorinstanz:             Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5722/13 Normen:                 VIG § 1; VIG § 2; VwGO § 42 Abs. 2; AVV RÜb § 6 Leitsätze:              Die Klagebefugnis eines durch eine beabsichtigte Auskunftserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz betroffenen Dritten folgt jedenfalls aus der möglichen Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung kann der Drittbetroffene mit der Anfechtungsklage abwehren, ohne dass es darauf ankäme, ob einzelnen Voraussetzungen des Informationszugangsanspruchs drittschützende Wirkung zukommt. Der Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes ist auch dann eröffnet, wenn das Informationszugangsbegehren einen nur mittelbaren Produktbezug aufweist. Das (Teil-)Ergebnis der behördlichen Risikobeurteilung eines Lebensmittelbetriebes nach § 6 AVV RÜb im Form eines Punktwerts ist weder eine Information im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG noch des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG. Tenor:                  Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. März 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Satz 1 des Tenors dieses Urteils wie folgt lautet: Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2013 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                          Seite 2 von 22 Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:                                                                                1 Die Klägerin betreibt eine Speisegaststätte im Stadtgebiet der Beklagten. Sie              2 wendet sich gegen die von der Beklagten beabsichtigte Herausgabe von Teilergebnissen (Punktwert) der Risikobeurteilung ihres Betriebes an die beigeladene Verbraucherzentrale NRW, einen eingetragenen Verein. Seit dem Jahr 2013 führt das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,          3 Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) gemeinsam mit dem Beigeladenen in den beiden Modellkommunen Bielefeld und Duisburg das „Pilotprojekt Kontrollbarometer“ durch. Hierfür erfragt der Beigeladene bei den zuständigen Behörden die Punkte, die diese im Rahmen ihrer risikoorientierten Beurteilung der jeweiligen Gastronomiebetriebe nach § 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, futtermittelrechtlicher und tabakmittelrechtlicher Vorschriften des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 3. Juni 2008 - AVV RÜb - in bestimmten Kategorien vergeben haben. Den ihm übermittelten Punktwert ordnet der Beigeladene nach folgendem Schema den drei Farbbereichen Grün, Gelb und Rot zu: Grün (0 - 40 Punkte) bedeutet „Anforderungen erfüllt“, Gelb (41 - 60 Punkte) bedeutet „Anforderungen teilweise erfüllt“ und Rot (61 - 80 Punkte) bedeutet „Anforderungen nicht erfüllt“. Grafisch stellt er den Punktwert in einem horizontalen Balkendiagramm in den Farben Grün, Gelb und Rot dar; ein schwarzer Pfeil zeigt den konkreten Punktwert des jeweiligen Betriebes an. In dieser Form veröffentlicht der Beigeladene als sogenanntes „Gastro-Kontrollbarometer“ den Punktwert unter Nennung des Namens und der Anschrift des jeweiligen Betriebs im Internet und bietet außerdem eine App („appetitlich“) zum kostenlosen Download an, mit der die genannten Informationen abgerufen werden können. In Umsetzung dieses Modellprojekts beantragte der Beigeladene mit Schreiben vom            4 17. Januar 2013 bei der Beklagten unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG), ihm Zugang zu folgenden Informationen zu verschaffen: „1. Nennung der Betriebe der nachfolgend aufgeführten Betriebsarten, die im                5 Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrolle in dem Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2014 überprüft wurden. -       Speisegaststätten (50 20 100)                                                      6 -       Imbissbetrieben (50 20 300)                                                        7 -       Gasthausbrauereien (50 20 500)                                                     8 https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                        Seite 3 von 22 -        Betriebe zur Herstellung von Speiseeis (60 10 500)                              9 -        Pension, Hotel garni (50 20 210)                                              10 -        Cafés/Milchbars/Eisdielen ohne eigene Herstellung (50 20 400) sowie           11 -        Besen- und Straußenwirtschaften (50 20 600)                                   12 2. Mitteilung der Punktebewertung der Hauptmerkmale II bis IV der Risikobewertung 13 zu den Kontrollen der Betriebe nach Nr. 1. (…)“                                                                                   14 Am 19. Februar 2013 führte das Institut für gesundheitlichen Verbraucherschutz der     15 Beklagten im Betrieb der Klägerin eine planmäßige Routinekontrolle nebst Risikobeurteilung nach § 6 AVV RÜb durch. Die risikoorientierte Beurteilung des Betriebs ergab nach der Bewertung durch eine Mitarbeiterin der Beklagten bei den Beurteilungsmerkmalen „Verhalten des Unternehmers“ (Hauptmerkmal II), „Verlässlichkeit der Eigenkontrollen“ (Hauptmerkmal III) und „Hygienemanagement“ (Hauptmerkmal IV) eine Gesamtpunktzahl von 44. Mit Schreiben vom 19. März 2013 informierte die Beklagte die Klägerin über den         16 Antrag des Beigeladenen und wies darauf hin, dass der Antrag - neben anderen Betrieben - auch den Gastronomiebetrieb der Klägerin betreffe. Die Beklagte teilte weiter mit, dass sie den Informationsanspruch des Beigeladenen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 7 VIG grundsätzlich als erfüllt ansehe und sie beabsichtige, dem Beigeladenen Namen und Anschrift des Betriebs der Klägerin, die Betriebsart (Speisegaststätte), die Punkte der Berechnung Kontrollbarometer (44) und das Datum der Berechnung Kontrollbarometer (19. Februar 2013) mitzuteilen. Hierzu gab sie der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 25. März 2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die    17 „Initiative der Transparenz durch den Verbraucherschutz“ gutheiße. Sie bitte aber darum, die Informationsweitergabe zu beschränken: mit der Übermittlung der Punktzahl sei sie einverstanden, nicht allerdings mit einer Auflistung der Zusammensetzung der Punkte. Sie sehe einen „Wettbewerbsnachteil in internationalen sowie nationalen Geschäftsbedingungen“, da ca. 25 % der Betriebe im Stadtgebiet der Beklagten noch nicht mit einem aktuell verwertbaren Punkteergebnis erfasst seien. Am 26. März 2013 teilte ein Mitarbeiter der Beklagten der Klägerin telefonisch mit, dass eine Weitergabe der Einzelergebnisse aus der Risikobewertung nicht erfolgen solle. Mit Bescheid vom 24. April 2013 traf die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen           18 folgende Entscheidung: „1. Ich werde die von Ihnen begehrten, mir vorliegenden Informationen jeweils nach     19 eingehender Prüfung und nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist für die betroffenen Betriebe antragsgemäß erteilen. 2. Die Entscheidung nach Nummer 1 steht unter der aufschiebenden Bedingung,            20 dass die in jedem Einzelfall der Informationsgewährung von mir zu treffende Entscheidung oder Abwägung zum Vorliegen von Ausschluss-, Beschränkungs- oder Ablehnungsgründen nach § 3 und § 4 VIG einer Informationsgewährung nicht entgegensteht.“ https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                         Seite 4 von 22 Zur Begründung führte die Beklagte an, die beantragten Informationen lägen bei ihr 21 als zuständiger Lebensmittelüberwachungsbehörde regelmäßig vor. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG erstrecke sich der Informationsanspruch auf Informationen zu Überwachungsmaßnahmen oder anderen behördlichen Tätigkeiten einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten, mithin auch auf die vergebene Punktzahl im Rahmen der Risikobewertung eines Betriebs. Ausschluss- oder Beschränkungsgründe nach § 3 VIG seien ihr derzeit nicht bekannt. Zwar hätten einige der Betriebe im Rahmen des Anhörungsverfahrens der Herausgabe der Informationen widersprochen. Eine Abwägung des Schutzes der privaten Gründe, insbesondere personenbezogener Daten, mit dem öffentlichen Interesse an der Informationsherausgabe ergebe aber ein Überwiegen des öffentlichen Interesses. Denn der Beigeladene wolle mit Hilfe der Punktwerte die Verbraucherinnen und Verbraucher im Internet über die Ergebnisse amtlicher Kontrollen informieren. Die Information solle die Markttransparenz erhöhen, zur Entscheidungsfindung im Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher beitragen und gleichzeitig den Qualitätswettbewerb der Betriebe fördern. Das Vorhaben diene damit der Schaffung von Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher und liege deshalb im öffentlichen Interesse. Weiter wies die Beklagte darauf hin, dass das System der Punktebewertung durch die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde nicht allein das Maß der Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften abbilde, sondern etwa auch das Verhalten des Lebensmittelunternehmers bezogen auf die Rückverfolgbarkeit und Mitarbeiterschulung und die Verlässlichkeit der Eigenkontrollen berücksichtige. Der Beigeladene werde gebeten, die Verbraucherinnen und Verbraucher im Rahmen der geplanten Veröffentlichung auf diesen Umstand hinzuweisen. Mit Schreiben vom 13. Juni 2013 gab die Beklagte der Klägerin den an den                22 Beigeladenen gerichteten Bescheid vom 24. April 2013 bekannt und teilte mit, dass sie dem Beigeladenen nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist die beantragten Informationen übermitteln werde. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach gegen „den erteilten Bescheid“ innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden könne. Die Klägerin hat am 9. Juli 2013 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im               23 Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei als Drittanfechtungsklage zulässig und auch begründet. Das Auskunftsbegehren des Beigeladenen könne nicht auf die Regelungen des Verbraucherinformationsgesetzes gestützt werden. Die Anwendbarkeit des Gesetzes sei gemäß § 2 Abs. 4 VIG ausgeschlossen, weil § 40 LFGB eine speziellere Vorschrift sei. Die von der Beklagten beabsichtigte Weitergabe der Informationen an den Beigeladenen stelle eine unzulässige Umgehung des wohl verfassungswidrigen § 40 Abs. 1a LFGB dar. Die Beklagte versuche offenbar, unter Einschaltung eines Privaten die in § 40 LFGB für die Information der Öffentlichkeit gemachten engen Vorgaben zu umgehen. Nachdem der sogenannte „Hygienepranger“ durch das OVG NRW für unzulässig erklärt worden sei, werde nun versucht, unter Umgehung dieser Rechtsprechung ein sogenanntens „Kontrollbarometer“ einzuführen. Unabhängig von dieser Umgehungsabsicht lägen jedoch auch die Voraussetzungen für einen Informationsanspruch nicht vor. Der Antrag des Beigeladenen sei schon nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 VIG. Es handele sich um ein globales, von jedwedem Einzelfall losgelöstes Auskunftsverlangen. Eine solche umfassende und undifferenzierte Antragstellung lasse das Verbraucherinformationsgesetz allerdings nicht zu, vielmehr müsse sich der Antrag auf einen bestimmten Betrieb, ein bestimmtes Produkt oder einen konkreten https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                         Seite 5 von 22 Verstoß beziehen. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 VIG nicht vor. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG setze voraus, dass nicht zulässige Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vorschriften vorlägen. Positive Kontrollergebnisse dürften danach ohnehin nicht veröffentlicht werden. Das Kontrollbarometer enthalte aber auch sonst keine Informationen über konkret festgestellte Verstöße. Zudem fehle ein Bezug zu einem Erzeugnis oder Verbraucherprodukt. Die Nennung des Namens eines Betriebs sei nicht produktbezogen. Bei dem zu veröffentlichenden Bewertungsergebnis sei für den Verbraucher nicht zu erkennen, auf welcher Grundlage die Bewertung erfolgt sei und welche Beanstandungen erfolgt seien. Transparenz werde dadurch nicht geschaffen. Auch im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG sei ein konkreter, produktbezogener Verstoß erforderlich. Die Vorschrift erfasse jedenfalls nicht die Weitergabe von „Punkten der Berechnung Kontrollbarometer“. Dabei handele es sich um eine wertende Risikobeurteilung der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Eine Risikobeurteilung sei jedoch keine behördliche Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG, weil sie wertende und prognostische Aspekte beinhalte. Der Weitergabe der Informationen an den Beigeladenen stünden außerdem private Belange im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG entgegen. Es gehe um eine Übermittlung personenbezogener Daten, da der Name ihres Betriebs und die Anschrift offenbart werden sollten. Die im Streit stehenden Informationen stellten außerdem sonstiges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmännisches Wissen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c VIG dar. Durch die Veröffentlichung der Informationen drohe ihr eine Rufschädigung. Schließlich sei die beabsichtigte Auskunftserteilung europarechtswidrig. Eine Information der Öffentlichkeit sei nur unter den Voraussetzungen des Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 zulässig, mithin nur bei Gesundheitsrisiken. Weitergehende nationale Vorschriften seien nicht zulässig. Die Klägerin hat zunächst beantragt,                                                    24 den an den Beigeladenen gerichteten Bescheid der Beklagten vom 24. April 2013           25 aufzuheben. Die Klägerin hat zuletzt beantragt,                                                     26 den an sie gerichteten Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2013 und den an den          27 Beigeladenen gerichteten Bescheid der Beklagten vom 24. April 2013 aufzuheben. Die Beklagte hat beantragt,                                                             28 die Klage abzuweisen.                                                                   29 Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Ihr Bescheid vom 24. April          30 2013 sei rechtmäßig. Der Beigeladene habe ihr gegenüber einen Anspruch auf Überlassung der angeforderten Informationen. Die Anwendung des Verbraucherinformationsgesetzes sei nicht gemäß § 2 Abs. 4 VIG ausgeschlossen. § 40 Abs. 1a LFGB sei keine vorrangige Regelung, die der Anwendung des § 2 Abs. 1 VIG entgegenstehe. Beide Vorschriften seien nicht miteinander vergleichbar, da § 40 Abs. 1a LFGB eine amtliche Informationspflicht regele, § 2 Abs. 1 VIG dagegen einen Auskunftsanspruch eines privaten Dritten. Zielsetzung und Anwendungsbereich der beiden Vorschriften seien jeweils unterschiedlich. Dem Informationsanspruch könne auch nicht entgegengehalten werden, das Projekt „Kontrollbarometer“ stelle eine Umgehung des § 40 Abs. 1a LFGB dar. Den Antrag auf Informationszugang habe der Beigeladenen schon vor den gerichtlichen Entscheidungen, in denen die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1a https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                           Seite 6 von 22 Nr. 2 LFGB thematisiert werde, gestellt. Zudem könne die Klägerin aus der behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 40 Abs. 1a LFGB keinen Anwendungsausschluss des § 2 Abs. 1 VIG ableiten. Auch unterscheide sich der Inhalt des „Kontrollbarometers“ vom Inhalt einer Veröffentlichung nach § 40 LFGB. Eine Information der Öffentlichkeit durch einen Privaten wie den Beigeladenen sei einer amtlichen Information nicht gleichzustellen. Der Antrag des Beigeladenen sei hinreichend bestimmt gewesen. Insbesondere habe er erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet sei. Es sei nicht erforderlich, dass sich der Antrag auf einen bestimmten Betrieb oder ein bestimmtes Produkt beziehe. Der Antrag sei auch nicht missbräuchlich im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG. Insbesondere sei ein verwendungsbezogener Missbrauch in dem Sinne, dass der Beigeladene die begehrten Informationen ausschließlich für Zwecke außerhalb der Gesetzesziele nutzen wollte, nicht zu erkennen. Die dem Beigeladenen zu übermittelnden Informationen unterfielen § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Bei der Bewertung nach der AVV RÜb handele es sich um Daten im Sinne dieser Vorschrift. Die Weitergabe einer Bewertung beeinträchtige die Klägerin zudem weniger als die Benennung konkreter Verstöße. Als „Minus“ sei sie daher vom Tatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfasst. Dieses weite Verständnis entspreche der gesetzgeberischen Intention einer umfassenden Verbraucherinformation. Da die Klägerin mit Minuspunkten bewertet worden sei, lägen auch Abweichungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG vor. Ein spezifischer Bezug einer nicht zulässigen Abweichung zu einem Lebensmittel sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG seien ebenfalls gegeben. Bei der Punktwertung nach der AVV RÜb handele es sich um eine Auswertung der Überwachungstätigkeit der amtlichen Lebensmittelkontrolle. Der Informationsanspruch sei nicht nach § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a VIG ausgeschlossen. Es sei schon fraglich, ob es sich bei Name und Anschrift des Betriebs der Klägerin um personenbezogene Daten handele, weil diese eine juristische Person sei. Jedenfalls aber überwiege bei einer Abwägung gemäß § 3 Satz 2 VIG das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen, da der Beigeladene die Daten nutzen wolle, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu informieren und dadurch die Markttransparenz erhöht werde. Die im Kontrollbarometer enthaltenen Daten stellten auch keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse dar. Die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit sei kein Hinderungsgrund für eine Veröffentlichung der Daten. Die Veröffentlichung im Kontrollbarometer verstoße auch nicht gegen Art. 10 VO (EG) 178/2002. Es gehe vorliegend nicht um eine Information der Öffentlichkeit durch eine Behörde. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.             31 Mit Urteil vom 13. März 2015 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.           32 Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei hinsichtlich beider im Klageantrag angeführter Bescheide zulässig. Das von Anfang an verfolgte Klageziel der Klägerin, die Weitergabe des Punktwerts der Risikobeurteilung an den Beigeladenen zu verhindern, könne am wirkungsvollsten durch die Aufhebung beider Bescheide erreicht werden. Die Klage sei auch begründet. Der an den Beigeladenen gerichtete Bescheid vom 24. April 2013 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Entsprechendes gelte für den Bescheid vom 13. Juni 2013. Für die Übermittlung der auf der Grundlage der AVV RÜb erfolgten Punktebewertungen der Hauptmerkmale II bis IV der Risikobewertung fehle es an einer zu Gunsten des Oberbürgermeisters der Beklagten bestehenden Ermächtigungsgrundlage bzw. an einer zu Gunsten des Beigeladenen bestehenden Anspruchsgrundlage. § 40 Abs. 1a LFGB sei nicht einschlägig. Die Vorschrift scheide als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Beigeladenen aus, weil sie https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                         Seite 7 von 22 eine Verpflichtung der zuständigen Behörde begründe und damit objektiv-rechtlicher Natur sei. Sie ermächtige zudem nicht zur Information der Öffentlichkeit über Mängel der allgemeinen Betriebshygiene, wie sie an den Beigeladenen übermittelt werden sollten. Die Übermittlung der Punktebewertung finde auch keine Rechtsgrundlage in den Bestimmungen des Verbraucherinformationsgesetzes. Weder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG seien erfüllt noch diejenigen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG. Wenn § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG den Anspruch auf festgestellte Abweichungen von Anforderungen begrenze, bedeute dies, dass nur Informationen über tatsächliche Erkenntnisse Anspruchsgegenstand sein könnten. Hierfür spreche auch, dass nur konkrete Verstöße überhaupt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 4 VIG für Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich dargestellt werden könnten. Bei dem anlässlich einer Betriebskontrolle ermittelten Punktwert handele es sich nicht um ein Datum in diesem Sinne. Es werde lediglich das Ergebnis einer Bewertung übermittelt, aus dem der Verbraucher keinerlei Rückschlüsse auf konkrete Abweichungen von rechtlichen Vorgaben durch den Betreiber einer Gaststätte ziehen könne. Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG lägen nicht vor. Die Vorschrift erfasse ausschließlich allgemeine Informationen über Überwachungsmaßnahmen und sonstige Tätigkeiten, wie sie etwa in Statistiken und Tätigkeitsberichten enthalten seien. Bei dem Punktwert aus der Risikobeurteilung handele es sich nicht um eine Überwachungsmaßnahme, sondern um eine Bewertung. Die Klägerin sei durch die beiden Bescheide auch in ihren subjektiven Rechten verletzt. Sie habe einen Anspruch darauf, jenseits der gesetzlichen Grundlagen des VIG und des LFGB nicht durch Informationsakte belastet zu werden. Die nicht von einer gesetzlichen Grundlage gedeckte Weitergabe von Informationen greife in die durch Art. 12 GG geschützte freie unternehmerische Betätigung des Gaststättenbetreibers ein, da sie eine verhaltenslenkende Wirkung hinsichtlich der Verbraucher aufweise. Auch wenn der Beigeladene und nicht die Beklagte die Punktwerte zu veröffentlichen gedenke, sei das Verhalten der Beigeladenen der Beklagten unmittelbar zurechenbar, da es sich um ein gemeinsames Projekt des zuständigen Ministeriums mit der Beklagten und des Beigeladenen handele. Gegen das Urteil hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene                33 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere sei die Übermittlung der Ergebnisse der Hauptmerkmale II bis IV der Risikobewertung sowohl nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG als auch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG zulässig. Ausschlussgründe nach § 3 VIG lägen nicht vor. Ergänzend trägt die Beklagte vor, die Klage sei bereits unzulässig, soweit sie gegen den Bescheid vom 13. Juni 2013 gerichtet sei. Die anwaltlich vertretene Klägerin habe zunächst nur die Aufhebung des Bescheides vom 24. April 2013 beantragt; der Bescheid vom 13. Juni 2013 sei nicht Streitgegenstand der Klage gewesen und bestandskräftig geworden. Die Beklagte beantragt,                                                                 34 das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. März 2015 zu ändern und           35 die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,                                                                 36 die Berufung zurückzuweisen.                                                            37 38 https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                           Seite 8 von 22 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere könne die Veröffentlichung der Ergebnisse der Risikobewertung nicht auf die Regelungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 7 VIG gestützt werden. Darüber hinaus trägt sie vor: Ihre Klage sei hinsichtlich beider Bescheide der Beklagten zulässig. Das eigentliche Ziel der Klage, nämlich die Verhinderung der Übermittlung der Informationen, sei unabhängig von dem zunächst angekündigten Klageantrag jedenfalls der Klagebegründung zu entnehmen gewesen. Der Antrag des Beigeladenen sei missbräuchlich, da dieser eine Auskunft begehre, die nicht vom Verbraucherinformationsgesetz erfasst sei. Der Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.                     39 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt           40 der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Entscheidungsgründe:                                                                      41 Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.                                     42 Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig        43 (A.) und begründet (B.). A. Die Klage ist zulässig.                                                                44 I. Die fristgerecht erhobene Klage mit dem Ziel, die Informationserteilung an den         45 Beigeladenen zu verhindern, ist gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO als Drittanfechtungsklage gegen den an den Beigeladenen gerichteten Bescheid der Beklagten vom 24. April 2013 statthaft. Mit diesem Bescheid, der sich generell auf alle vom Antrag des Beigeladenen erfassten Gastronomiebetriebe bezieht und mithin auch den Betrieb der Klägerin betrifft, hat die Beklagte eine die Klägerin als Drittbetroffene belastende Regelung, nämlich die Gewährung des vom Beigeladenen begehrten Informationszugangs, getroffen. Dem steht die Formulierung des Tenors des Bescheids nicht entgegen, wonach die Informationen (erst) „nach eingehender Prüfung“ antragsgemäß erteilt werden (vgl. Ziff. 1 des Bescheidtenors) und diese Entscheidung hinsichtlich der Zugangsgewährung „unter der aufschiebenden Bedingung“ stehen soll, dass Ausschluss-, Beschränkungs- oder Ablehnungsgründe einer Informationsgewährung nicht entgegenstehen (vgl. Ziff. 2 des Bescheidtenors). Der Begründung zu Ziff. 1 des Bescheides lässt sich entnehmen, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheides die von ihr vorzunehmende Prüfung sowohl hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs als auch hinsichtlich etwaiger Ausschlussgründe nach § 3 VIG oder sonstiger Versagungsgründe bereits vorgenommen hat. So führt sie in der Begründung aus, dass sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG als erfüllt ansehe; ein Ausschluss-, Beschränkungs- oder sonstiger Ablehnungsgrund, der einer Informationsgewährung entgegenstehen könnte, sei derzeit nicht bekannt oder ersichtlich. Mit Blick auf etwaige, dem Auskunftsanspruch entgegenstehende private Belange nach § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG hat die Beklagte eine Abwägung nach § 3 Satz 2 Alt. 2 VIG getroffen. Sie kommt - wiederum generell für alle betroffenen Betriebe - zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe der Informationen überwiege. Dass eine weitere, etwa auf konkrete Betriebe individualisierte Prüfung durch die         46 Beklagte nicht mehr erfolgt, zeigt sich insbesondere daran, dass kein weiterer https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                          Seite 9 von 22 Bescheid gegenüber dem Beigeladenen ergangen ist. Dessen Antrag vom 17. Januar 2013 hat die Beklagte damit abschließend mit Bescheid vom 24. April 2013 - positiv - beschieden. In diesem Sinne spricht die Beklagte auf Seite 2 ihres Bescheides (Begründung zu Ziff. 1 am Ende) selbst von einem Bescheid, der den Beigeladenen als Antragsteller begünstigt. Die im Tenor zu Ziff. 2 aufgenommene „aufschiebende Bedingung“ begründet die Beklagte allein mit dem Verfahrenserfordernis, auch in künftigen Fällen zur Anhörung betroffener Dritter verpflichtet zu sein. Die weiteren Ausführungen der Beklagten, dass sie, wenn die Information in diesen künftigen Fällen jeweils erteilt werden soll, gegenüber dem Beigeladenen keinen neuen Bescheid erteilen wird, lassen erneut darauf schließen, dass der Bescheid vom 24. April 2013 als eigentliche Regelung der Informationszugangsgewährung zu verstehen ist. Das an die Klägerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 13. Juni 2013 ist,            47 anders als das Verwaltungsgericht meint, nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, den die Klägerin mit einer Anfechtungsklage anfechten könnte. Dem Schreiben fehlt es an einer Regelungswirkung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW. Es handelt sich lediglich um ein Bekanntgabeschreiben, mit dem die Beklagte der Klägerin als betroffener Dritten - entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 3 VIG - ihre Entscheidung über den Antrag des Beigeladenen mitgeteilt hat und mit dem die Klagefrist in Lauf gesetzt wird. Dies folgt ohne Weiteres aus den Angaben in der Bezugszeile des Schreibens („Mitteilung über erteilten Bescheid bezüglich des Zugangs zu Daten der amtlichen Lebensmittelüberwachung im Gastronomiebereich“), den Ausführungen im Schreiben selbst („Daher gebe ich Ihnen nun bekannt, dass ich der Verbraucherzentrale NRW den in Kopie beigefügten Bescheid vom 24. April 2013 erteilt habe.“) sowie der dem Schreiben beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung, wonach „gegen den erteilten Bescheid“ innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden kann. Dass die Beklagte ihre gegenüber dem Beigeladenen getroffene Entscheidung (auch) in dem Schreiben an die Klägerin vom 13. Juni 2013 näher erläutert und auf von dieser vorgebrachte Einwände eingeht, ändert nichts an der fehlenden Verwaltungsaktqualität; eine Regelung gegenüber der Klägerin trifft die Beklagte mit diesen Ausführungen nicht. Auch wenn der Klageantrag der Klägerin in erster Instanz (zuletzt) auf die               48 Aufhebung von zwei Bescheiden gerichtet war, liegt keine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO i. V. m. § 125 Abs. 1 VwGO vor, die nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz - wie hier - durch den obsiegenden Kläger im Berufungsverfahren grundsätzlich nur im Wege einer - hier jedoch nicht eingelegten - Anschlussberufung erfolgen könnte. Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 10. März 2016 - 13 A 2395/07 -, juris, Rn. 125 ff.       49 m. w. N. Denn der Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist nicht geändert worden.           50 Was Streitgegenstand des Verfahrens ist, wird durch das im (angekündigten) Antrag zum Ausdruck kommende Begehren des Klägers sowie durch den Lebenssachverhalt bestimmt, der diesem Begehren zugrunde liegt. Danach war Streitgegenstand des Verfahrens von Anfang an die Informationsweitergabe an den Beigeladenen. Das Begehren der Klägerin, diese Informationsweitergabe zu verhindern, sowie der zugrunde liegende Sachverhalt haben sich nicht geändert. II. Die Klägerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Auf der Grundlage ihres          51 Klagevorbringens ist eine Verletzung eigener Rechte durch den an einen Dritten https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 846/15                                         Seite 10 von 22 gerichteten Bescheid möglich. Diese Möglichkeit ist nur auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner denkbaren Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können. Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 9.14 -, juris, Rn. 11, vom 10.             52 Oktober 2002 - 6 C 8.01 -, juris, Rn. 15 und vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 -, BVerwGE 111, 276 = juris, Rn. 32. Die Klägerin kann im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO jedenfalls geltend machen,               53 durch die angegriffene Auskunftserteilung an den Beigeladenen möglicherweise in ihrem grundrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt zu sein. 1. Auf dieses Recht kann sich die Klägerin berufen. Sie ist als Gesellschaft             54 bürgerlichen Rechts juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG und kann damit Trägerin von Grundrechten sein. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. September 2002 - 1 BvR 1103/02 -, NJW 2002,                55 3533 = juris, Rn. 6. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dessen Schutz bei juristischen           56 Personen seine verfassungsmäßige Grundlage (allein) in Art. 2 Abs. 1 GG findet, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118,            57 168 = juris, Rn. 150 ff.; Murswiek, in: Sachs, GG, 7. Auflage 2014, Art. 2 Rn. 77, ist dem Wesen nach auf die Klägerin anwendbar. Auch juristische Personen können          58 individuelle Daten besitzen, deren Weitergabe oder Veröffentlichung schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Insofern besteht hinsichtlich staatlicher informationeller Maßnahmen auch für juristische Personen ein Schutzbedürfnis, das dem natürlicher Personen im Ansatz entspricht. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118,            59 168 = juris, Rn. 154; ebenso Becker, ZLR 2011, 391, 406. 2. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die aus dem              60 Grundsatz der Selbstbestimmung abgeleitete Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Es verleiht dem Grundrechtsträger insbesondere Schutz vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der ihn betreffenden individualisierten oder individualisierbaren Daten. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -, BVerfGE 115, 320 =            61 juris, Rn. 69 m. w. N., und Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/03 u.a. -, BVerfGE 65, 1 = juris, Rn. 146 ff. Vom Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur               62 persönliche oder personenbezogene Daten umfasst. Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen. Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 = juris,        63 Rn. 156 m.w.N. https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_846_15_Urteil_20161212... 10.03.2017
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