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Information

Aktenzeichen
3 L 99/15
Datum
6. Dezember 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
Gesetz
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)

Urteil: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt am 6. Dezember 2016

3 L 99/15

Bei den Eintragungen in die Fahrtenbücher eines ehemaligen Staatssekretärs handelt es sich um Informationen im Sinne des Informationszugangsgesetzes Sachsen-Anhalt. Sie sind weder als Personalaktendaten zu werten noch unterfallen sie dem Ausnahmetatbestand des Gesetzes zum Schutz des exekutiven Kernbereichs. Allerdings sind einige Angaben als personenbezogene Daten geschützt. Angaben zum privaten Lebensbereich (Privatfahrten) des Staatssekretärs sind zu schwärzen; zu den übrigen personenbezogenen Daten, welche die aufgesuchten Gesprächspartner oder den Fahrer betreffen, ist ein Beteiligungsverfahren durchzuführen. Bis zu dessen Abschluss sind dem Kläger die geschwärzten Kopien der Fahrtenbücher auszuhändigen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Drittbetroffenheit Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung Exekutiver Kernbereich (Regierungshandeln)

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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 1 von 35 Landesrecht Sachsen-Anhalt Langtext Oberverwaltungsgericht Gericht:                   des Landes Sachsen-        Quelle: Anhalt 3. Senat Normen:     § 30 AO 1977, § 52 HO ST, Entscheidungsdatum: 06.12.2016 § 4 Abs 1 S 1 PresseG ST, Aktenzeichen:              3 L 99/15                              § 4 Abs 2 Nr 3 PresseG ST, Dokumenttyp:               Urteil                                 § 2 Abs 1 DSG ST, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a InfZG ST, § 1 Abs 3 InfZG ST, § 2 Nr 1 InfZG ST, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst b InfZG ST, § 3 Abs 1 Nr 4 InfZG ST, § 3 Abs 2 InfZG ST, § 4 Abs 1 InfZG ST, § 5 Abs 1 S 1 InfZG ST, § 5 Abs 2 InfZG ST, § 8 Abs 1 InfZG ST, § 88 Abs 2 S 1 BG ST Einsicht in Fahrtenbücher eines Dienstkraftfahrzeuges, das zur alleinigen und unbeschränkten Nutzung einem Staatssekretär zur Verfügung stand Leitsatz 1. Bei den Eintragungen in Fahrtenbücher des einem Staatssekretär zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellten Dienstwagens handelt es sich unabhängig davon, ob diese dienstliche oder private Fahrten betreffen, um amtliche Informationen. 2. Die Dokumentation von dienstlichen Terminen eines Staatssekretärs - die hier in den Eintragungen von dienstlichen Fahrten im Fahrtenbuch zum Ausdruck kommt - sind dem Grunde nach dem zu schützenden Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung für eine laufende Legislaturperiode, bei noch offenen - weiterverfolgten - Entscheidungsprozessen über diese hinaus zuzuordnen. 3. Die in den Fahrtenbüchern dokumentierten Ziele von Privatfahrten betreffen die Privatsphäre des Dritten und sind bei fehlender Einwilligung zu schwärzen, wenn - wie hier - das Geheimhaltungs- das Informationsinteresse überwiegt. 4. Versäumte Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA sind bei personenbezogenen Daten Dritter (hier: Berufskraftfahrer, aus dienstlichem Anlass aufgesuchte natürliche Personen) bzw. bei Informationen von aus dienstlichem Anlass aufgesuchten juristischen Personen des Privatrechtes nachzuholen, so dass der Informationszugang zunächst nur unter Schwärzung dieser Daten erfolgen kann. Tatbestand 1     Der Kläger begehrt Einsicht in Fahrtenbücher des Beklagten betreffend ein Dienstkraftfahrzeug, das dem Beigeladenen zur Verfügung gestanden hat. 2     Er ist bei der (...) GmbH & Co KG als Redakteur fest angestellt. Im Laufe des Jahres 2012 ergaben sich für die Redaktion des Landesbüros F-Stadt der (...) Zeitung Verdachtsmomente, dass u. a. der Beigeladene die Bezahlung ihm in Rechnung http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 2 von 35 gestellter Privatfahrten verweigert und versucht haben soll, private Fahrten mit dem Dienstfahrzeug als dienstlich zu deklarieren. 3     Der Beigeladene war in der Zeit vom (...) 2011 bis (...) 2012 Staatssekretär im Ministerium (...) des Landes Sachsen-Anhalt und ist derzeit als Abteilungsleiter im (...) ministerium für (…) tätig. 4     Der Kläger beantragte bei dem Beklagten unter dem 21. Dezember 2012 Einsicht in die Fahrtenbücher des Dienstkraftfahrzeuges des Beigeladenen nach dem Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. 5     Mit Bescheid vom 18. Januar 2013 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass es sich hinsichtlich der in den Fahrtenbüchern dokumentierten Angaben über die private Nutzung des Dienstfahrzeuges nicht um amtliche Informationen im Sinne des § 1 Nr. 1 IZG LSA handele, da sie kein Verwaltungshandeln zum Gegenstand hätten. Zudem handele es sich bei den Angaben um personenbezogene Daten im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA i. V. m. § 2 Abs. 1 DSG LSA, die nicht bekannt gegeben werden dürften, weil die Einwilligung des Betroffenen nicht vorliege. Das Informationsinteresse des Klägers überwiege nicht das schutzwürdige Interesse des Beigeladenen, auch weil die Fahrtenbücher Teil der Personalakte seien. Hinsichtlich der Angaben über die Dienstfahrten sei der Anwendungsbereich des Gesetzes schon nicht eröffnet, da kein materielles Verwaltungshandeln vorliege. Ein Fahrtenbuch sei wie ein Terminkalender eines Ministers oder Staatssekretärs nicht dazu bestimmt, Bestandteil eines Verwaltungsvorganges zu werden. Vielmehr diene es dazu, den Tagesablauf zu organisieren. Der Versagungsgrund des § 3 Abs. 2 IZG LSA liege vor. Eine Einsichtnahme in die Aufzeichnungen über die getätigten Dienstreisen würde eine weitgehende Nachzeichnung der Terminplanung und damit Rückschlüsse auf die interne Willensbildung ermöglichen sowie einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Kernbereich der Exekutive darstellen. Das Interesse des Klägers am ungehinderten Zugang zu den begehrten Informationen über die dienstliche Nutzung des Dienstfahrzeuges bleibe hinter dem geschützten Interesse an einer unbeeinträchtigten Willensbildung der Landesregierung zurück. 6     Hiergegen legte der anwaltlich vertretene Kläger am 18. Februar 2013 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 13. März 2013 im Wesentlichen damit begründete, dass der Beklagte das nach § 8 Abs. 1 IZG LSA vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten habe und sich aus dem materiellen Recht ein Anspruch auf Einsichtnahme ergebe. Bei den Angaben in den Fahrtbüchern - unabhängig ob Dienst- oder Privatfahrt - handele es sich um amtliche Informationen. Bezüglich der Dienstfahrten komme es nicht darauf an, ob die Eintragungen in den Fahrtenbüchern Bestandteil eines Verwaltungsvorganges seien. Ein Versagungsgrund nach § 3 Abs. 2 IZG LSA liege ebenfalls nicht vor. Hinsichtlich der Angaben in den Fahrtenbüchern zu Privatfahrten handele es sich nicht um Informationen nach § 5 Abs. 2 IZG LSA. Sofern der Beigeladene nicht einwillige, sei eine Abwägung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA erforderlich, an der es bisher fehle. Bei einer solchen Abwägung würde das klägerische Interesse überwiegen. Der Beigeladene sei eine Person der Zeitgeschichte; dies schränke sein Persönlichkeitsrecht ein. Die behördlich angeordneten Fahrtenbucheinträge beträfen nur seine Sozialsphäre, berücksichtige man die Erstattungspflicht gegenüber dem Land für Privatfahrten außerhalb des Bundeslandes, das öffentliche Bekanntsein seines Wohnortes C-Stadt bzw. die Wahrnehmbarkeit der vermerkten Fahrziele und Termine durch Dritte (Nachbarn, Gesprächspartner). Demgegenüber sei der Kläger nicht nur Privatperson, sondern auch Angehöriger der Presse und sein Arbeitgeber entscheide über die Veröffentlichung erlangter Daten. Etwaigen Bedenken am Informationszugang könne durch Schwärzung von bestimmten Daten, Teilauskünften oder eine andere Art und Weise des Informationszuganges begegnet werden. Ein Auskunftsanspruch ergebe sich zudem aus § 4 Abs. 1 Satz 1 LPresseG. 7     Bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg wurde aufgrund einer anonymen Strafanzeige im Frühjahr 2013 gegen den Beigeladenen ein Ermittlungsverfahren wegen des http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 3 von 35 Verdachtes der Untreue eingeleitet (Az.: 568 Js (…)/13), das am 4. März 2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. 8     Mit dem Kläger am 19. April 2013 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er wiederholte und vertiefte die Begründung des Ausgangsbescheides und ergänzte, dass es sich bei den Privatfahrten um private Handlungen, die keinen Bezug zur amtlichen Tätigkeit hätten, handele. Die Angaben zu Privatfahrten erhielten auch durch einen möglichen Erstattungsanspruch des Landes Sachsen-Anhalt keinen Dienstbezug. Im Rahmen der Abwägung gemäß § 5 Abs. 1 IZG LSA sei zu berücksichtigen, dass die Fahrtenbücher zur Personalakte des Beigeladen gehörten. Eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Dienst- und Amtsverhältnis bedürfe es nicht. Zudem bestehe kein Anspruch des Klägers auf Einsichtnahme in die Fahrtenbücher nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LPresseG. Es liege auch kein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 IZG LSA und damit kein Verfahrensfehler vor. Dem Beigeladenen als Dritten sei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Im Übrigen sei ein unterstellter Verfahrensfehler nach § 46 VwVfG unbeachtlich. 9     Am 15. Mai 2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Magdeburg unter dem Aktenzeichen 1 A 180/13 MD Klage erhoben, die mit Beschluss vom 18. Juli 2013 an das Verwaltungsgericht Halle verwiesen wurde. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen 1 A 283/13 HAL der 1. Kammer zugewiesen und ist gemäß Beschluss des Präsidiums des Verwaltungsgerichtes Halle mit Wirkung zum 1. Januar 2015 der 2. Kammer unter dem Aktenzeichen 2 A 14/15 HAL zugewiesen worden. 10    Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger insbesondere ergänzend vor, dass der Versagungsgrund nach § 3 Abs. 2 IZG LSA deshalb nicht vorliege, weil es sich um weit zurückliegende, längst abgeschlossene Vorgänge handele. Außerdem hätte der Beklagte sein Begehren auf Akteneinsicht, indem er ausdrücklich ausführe, auch an Teilinformationen interessiert zu sein, dahingehend auslegen müssen, dass er auch an einer anderen Art der Informationserteilung Interesse habe. Zudem hätte er vor einer vollständigen Zurückweisung seines Antrages auf die Stellung eines im Hinblick auf die Art und Weise der Auskunftserteilung eingeschränkten (Hilfs-)Antrages hinweisen müssen. 11    Der Kläger hat beantragt, 12                den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2013 zu verpflichten, ihm gemäß § 1 Abs. 1 IZG LSA Zugang zu den Fahrtenbüchern des Dienstfahrzeugs des ehemaligen Staatsekretärs des Ministeriums (...) des Landes Sachsen-Anhalt, Herrn D., durch Einsichtnahme zu gewähren. 13    hilfsweise, 14                ihm gemäß § 4 Abs. 1 PresseG LSA Auskunft zu erteilen über den Inhalt der Fahrtenbücher des Dienstfahrzeugs des ehemaligen Staatssekretärs des Ministeriums (...), Herrn D., durch Beantwortung folgender Fragen: 15                1. Für welche Tage enthalten die Fahrtenbücher Eintragungen zu Dienstfahrten? 2. Welche Fahrtziele wurden dabei jeweils angegeben? 3. An welchen Tagen mit welchem Hinfahrt-Ziel ist Herr Dr. D. nicht auf der Rückfahrt mit dem Dienstwagen nach Sachsen-Anhalt zurückgekehrt? 4. Welche Dienstfahrten an welchem Tag mit welchem Ziel hat Herr Dr. D. ohne Fahrer absolviert? 5. Wurden die Fahrten stets vom Fahrer geführt? 6. Bei welchen Dienstfahrten an welchen Tagen mit welchem Ziel hat Herr Dr. D. selbst Eintragungen in das Fahrtenbuch bzw. die Fahrtenbücher vorgenommen? 7. Wie viele Dienstfahrten an welchen Tagen hatten das (…)-Haus in C-Stadt, die Zentrale der Bundes-SPD zum Ziel? 8. Wie viele Dienstfahrten hatten an welchen Tagen C-Stadt als Ziel? http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 4 von 35 9. Welche Fahrten an welchen Tagen mit welchem Ziel wurden nachträglich von dienstlichen in private Fahrten geändert und durch wen? 10. Welche Fahrten an welchen Tagen mit welchem Ziel wurden nachträglich von privaten in dienstliche Fahrten geändert und durch wen? 11. Wie viele Dienstfahrten enthalten die Fahrtenbücher mit welcher zurückgelegten Gesamtentfernung? 12. Wie viele private Fahrten enthalten die Fahrtenbücher mit welcher zurückgelegten Gesamtentfernung? 16    Der Beklagte hat beantragt, 17                die Klage abzuweisen. 18    Zur Begründung führte er ergänzend aus, dass die Fahrtenbucheinträge Personaldaten im Sinne des § 5 Abs. 2 IZG LSA seien, da es sich um personenbezogene Fahrtenbücher handele, die einen beruflichen Bezug aufwiesen. Erforderlich sei nicht, dass es sich um Personalakten handele. Mit Hilfe dieser Daten lasse sich eine umfassende Kontrolle der Leistung und des Verhaltens des Nutzers des personengebundenen Dienstwagens vornehmen. Es seien somit Daten, die im Rahmen der Arbeitszeiterfassung erhobenen Daten gleichstünden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes seien die Versagungsgründe nicht eng auszulegen. Insbesondere sei der Hilfsantrag unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Kläger habe keinen Antrag auf Beantwortung der presserechtlichen Fragen gestellt. 19    Der Beigeladene hat erstinstanzlich keinen Antrag gestellt, weil er weder zum Termin der mündlichen Verhandlung am 14. April 2015 geladen noch anwesend war. Im Termin wurde die Beiladung des Beigeladenen gestützt auf § 65 VwGO beschlossen und verkündet. 20    Das Verwaltungsgericht hat der Verpflichtungsklage durch Urteil vom 14. April 2015 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: 21    Der Kläger habe einen Anspruch auf Einsicht in die Fahrtenbücher des Dienstfahrzeuges des Beigeladenen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) IZG LSA. Der Anwendungsbereich des Gesetzes sei eröffnet. Die Angaben in den Fahrtenbüchern seien amtliche Informationen nach § 2 Nr. 1 IZG LSA, wobei die Bewertung der Amtlichkeit einem weiten Begriffsverständnis unterliege. Die Angaben zu Privatfahrten stünden mit der amtlichen Tätigkeit des Beigeladenen in Verbindung, denn dieser habe gemäß Nr. 8.1 Satz 1 in Verbindung mit Nr. 4.2.1. lit. c) der KfzR das Fahrzeug unentgeltlich nutzen dürfen. Das Recht zur Privatnutzung folge unmittelbar aus dem Amtsverhältnis. Zudem würden Angaben des Beigeladenen benötigt, um die Nutzung des Dienstfahrzeuges überprüfen und abrechnen zu können. Auch zur Geltendmachung möglicher Erstattungsansprüche für Privatfahrten außerhalb des Landes Sachsen- Anhalt gemäß Nr. 8.2 Satz 1 in Verbindung mit Nr. 11.1 KfzR würden die Angaben benötigt. Insoweit verwies das Verwaltungsgericht auf die „Bonusmeilenentscheidung“ des Verwaltungsgerichtes Berlin. Dass die Führung von Fahrtenbüchern ein materielles Verwaltungshandeln darstelle, sei nicht erforderlich, da auch Aufzeichnungen, die den - wie hier - schlicht-hoheitlichen oder fiskalischen Bereich beträfen, amtliche Informationen seien. Weder dem Wortlaut der §§ 1 und 2 IZG LSA noch den zugehörigen Gesetzesbegründungen lasse sich eine Beschränkung auf hoheitliche Verwaltungstätigkeit oder einen konkreten Verwaltungsvorgang entnehmen. 22    Der Kläger habe seinen Antrag gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 IZG LSA auch spätestens mit dem Widerspruch gegen die Ablehnung des Informationsgesuches begründet. 23    Der Anspruch sei auch nicht nach § 3 Abs. 2 IZG LSA ausgeschlossen, weil die Einsichtnahme in die Fahrtenbücher zu keiner Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung des Beklagten, und zwar weder aufgrund der Arbeitsbelastung noch durch den Zugang zu den von dem Kläger begehrten Informationen, führe. 24 http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 5 von 35 Auch § 4 IZG LSA, der dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses diene, stehe nicht entgegen, da ein Eingriff in den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung nicht festgestellt werden könne. Informationen aus den Fahrtenbüchern könnten nicht zu einem „Mitregieren Dritter“ führen. Dies sei offensichtlich und bedürfe keiner weiteren Begründung. 25    Dem Anspruch stünden auch keine Versagungsgründe aus § 5 IZG LSA entgegen. Bei Fahrtenbucheinträgen handele es sich zwar um personenbezogene Daten im Sinne der Vorschrift. Gleichwohl müsse das Informationsinteresse des Klägers nicht gemäß § 5 Abs. 2 IZG LSA zurückstehen, weil es sich bei Fahrtenbüchern nicht um Unterlagen handele, die mit einem Amtsverhältnis des Beigeladenen in Zusammenhang stünden. Dies möge zwar für Unterlagen gelten, aus welchen sich allgemein ergebe, welches Fahrzeug dem Beigeladenen als Dienstfahrzeug zur Verfügung stehe. Fahrtenbücher dienten dagegen dazu, dem Beklagten zu ermöglichen, die Nutzung des Fahrzeuges zu überprüfen und abzurechnen. Es gehe um die Kontrolle von Sachmitteln, die dem Beklagten zur Verfügung stünden. Fahrtenbücher stünden aber in keinem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des Beigeladenen. Dies ergebe sich schon daraus, das auch Leer- und Privatfahrten eingetragen würden, die nichts mit dessen dienstlicher Tätigkeit zu tun hätten. Zur Überzeugung der Kammer sei entscheidend zu berücksichtigen, dass die Fahrtenbücher gemäß Nr. 17 KfzR von den jeweiligen Kraftfahrzeugführern geführt würden und von dem Beigeladenen nicht einmal gegenzuzeichnen seien. Auch Rückfragen des Beklagten zu den einzelnen Eintragungen im Rahmen der Abrechnung seien nicht Bestandteil der Fahrtenbücher. Ein Zusammenhang mit dem Amtsverhältnis ergebe sich auch nicht aus dem Inhalt der Fahrtenbücher. Nach den Regelungen der Kraftfahrzeugrichtlinie in der bis zum 7. Juni 2012 gültigen Fassung wären nur die Orte anzugeben, an denen die Fahrtteilnehmer dienstlich tätig geworden seien (Anlage 9 zu Nr. 17.2 Kfz). Nach Nr. 4 Anlage 9 der seit dem 8. Juni 2012 anwendbaren Richtlinie seien für personengebundene Dienstfahrzeuge zwar bei dienstlichen Fahrten in Spalte 15 auch der Reisezweck und die aufgesuchte Gesprächsperson anzugeben, anstatt des Namens der Gesprächsperson könne jedoch auch deren Organisationsbezeichnung angegeben werden, soweit zusammen mit den anderen Angaben die dienstliche Veranlassung der Fahrt erkennbar bleibe. Damit enthielten die nicht gegengezeichneten Eintragungen eines Kraftfahrzeugführers auch nach ihrem Inhalt keine personenbezogenen Informationen über den Beigeladenen. Da die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 IZG LSA nicht vorlägen und der Beigeladene in die Zugänglichmachung nicht eingewilligt habe, sei eine Abwägung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA, die der Beklagte unterlassen habe, vorzunehmen. Wegen der Gebundenheit der Entscheidung könne das Gericht diese jedoch selbst vornehmen. Die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Klägers und dem schutzwürdigen Interesse des Beigeladenen am Ausschluss des Informationszuganges gehe zu Gunsten des Informationsinteresses aus. Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob Dienstfahrzeuge, die durch öffentliche Gelder finanziert würden, missbraucht würden. Im Rahmen der Abwägung sei zudem das Grundrecht der Pressefreiheit des Klägers zu berücksichtigen, da dieser den Informationszugang im Rahmen seiner Tätigkeit als Redakteur begehre. Das Interesse des Beigeladenen müsse zurückstehen. Zum einen beträfen die Informationen lediglich die - strafrechtlich offenbar nicht relevanten - Tatsachen, wann der Beigeladene mit seinem Dienstfahrzeug zu welchen Orten gefahren sei und ob es für die Fahrten einen dienstlichen oder privaten Anlass gegeben habe. Hierdurch werde weder die Privat- noch die Intimsphäre des Beigeladen berührt. Zum anderen sei der Beigeladene seit Oktober 2012 nicht mehr als Staatssekretär im Land Sachsen-Anhalt tätig, so dass die Einträge keine aktuellen Zeiträume beträfen. 26    Da die Klage mit ihrem Hauptantrag Erfolg habe, sei über die Hilfsanträge nicht zu entscheiden gewesen. 27    Auf den Antrag des Beklagten und des Beigeladenen hat der Senat mit Beschluss vom 6. Mai 2016 die Berufungen gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles des Verwaltungsgerichtes und wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zugelassen. http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 6 von 35 28    Zur Begründung seiner Berufung führt der Beklagte aus: 29    Der Anwendungsbereich des Gesetzes sei nicht eröffnet, weil es sich bei den Fahrtenbüchern nicht um amtliche Informationen handele. Privatfahrten seien private Handlungen, die keinen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit des Beigeladenen aufwiesen. Insoweit sei der Fall auch nicht mit der in Bezug genommenen „Bonusmeilenentscheidung“ des Verwaltungsgerichtes Berlin vergleichbar. Der notwendige Dienstbezug werde nicht durch die (bloße) Verwendung des Dienstfahrzeuges hergestellt. Dies zeige der fiktive Vergleich, wenn das eigene Fahrzeug eingesetzt worden wäre und der Beigeladene die Kosten vorverauslagt hätte. Ein Dienstbezug lasse sich nicht generell bei der (erlaubten) privaten Verwendung einer im Eigentum der Behörde stehenden Sache bejahen (Nutzung der behördlichen IT-Infrastruktur). Die weitreichende Auffassung des Verwaltungsgerichtes entspreche auch nicht der Auffassung des Gesetzgebers (vgl. LT-Drs. 5/748 S. 17). Zu den privaten Informationen zählten nach den Anwendungshinweisen zum IZG LSA bspw. Notizen am Arbeitsplatz oder nicht arbeitsbezogene Terminvereinbarungen (vgl. LT- Drs. 5/748 S. 18). Dass Fahrtenbücher der Berechnung etwaiger Entschädigungsansprüche des Landes dienten, sei unerheblich, da weitere vom Beklagten geführte Verwaltungsvorgänge, die nicht im Streit stünden, Grundlage für die Ermittlung seien. Insbesondere würden die Eintragungen im Fahrtenbuch bei Unklarheiten oder fehlerhaften Wertungen von dem die Eintragung nachprüfenden Referat in separaten Berechnungsunterlagen ergänzt und korrigiert. 30    Auch die Eintragungen zu Dienstfahrten in Fahrtenbüchern seien keine amtlichen Informationen, weil sie nicht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung einer materiellen Verwaltungsaufgabe stünden. Die Bundesregierung habe hierzu in einem vergleichbaren Fall nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgeführt (BT-Drs. 17/1350 S. 16), dass nur wenn und soweit materielles Verwaltungsrecht ausgeübt werde, der Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet sei. Weder das Fahrtenbuch noch der den Tagesablauf organisierende Terminplan eines Ministers seien dazu bestimmt, Bestandteile eines Verwaltungsvorganges zu werden. Dies werde auch durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg bestätigt (Urteil vom 14. Dezember 2006 - 7 B 9.05 -). Ein unmittelbarer Bezug zu der Sachaufgabe fehle. Insbesondere seien Rückschlüsse auf den Inhalt der in Wahrnehmung der Aufgaben getroffenen Sachentscheidungen nicht möglich, da das Fahrtenbuch nur einen vorläufigen Charakter habe und erst durch die nach Nr. 12.1 KfzR vorgesehene Überprüfung der Dienststelle konkretisiert und einer Bewertung unterzogen werde. Diese Vorläufigkeit des Fahrtenbuches mache es mit den in § 2 Nr. 1 Satz 2 IZG LSA genannten Entwürfen und Notizen vergleichbar. Mit der Prüfung und Aufbewahrung der Fahrtenbücher werde nur eine rein interne Organisationsaufgabe wahrgenommen. 31    Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes greife der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA. Die mangels Einwilligung des Beigeladenen gebotene Abwägung falle zugunsten des Geheimhaltungsinteresses aus, da die Eintragungen in den Fahrtenbüchern im Zusammenhang mit dem früheren Dienst-/Amtsverhältnis des Beigeladenen stünden. Von der Vorschrift seien insbesondere Personalakten und Personaldaten im weiteren Sinne umfasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu der identischen Vorschrift des § 5 Abs. 2 IFG verböte sich eine Reduzierung des Schutzes auf Personalakten und vergleichbare Akten (Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 -). Von § 5 Abs. 2 IZG LSA seien somit alle Informationen geschützt, die in einem jedenfalls normativ geprägten Zusammenhang zum Dienst- und Amtsverhältnis stünden. Dies sei beim Fahrtenbuch der Fall, da es sich ausschließlich auf die Nutzung des ihm zugewiesenen Dienstfahrzeuges beziehe und die normative Prägung durch § 52 LHO in Verbindung mit Nr. 10.1 KfzR erhalte. Soweit das Verwaltungsgericht meine, es müsse sich um Informationen „über eine Person“ handeln, verfange dies nicht. Das Fahrtenbuch gebe Zeugnis über die Nutzung des Dienstfahrzeuges durch den Beigeladenen, damit handele es sich um Informationen, die mit seiner Person verbunden seien. Ein unmittelbarer beruflicher Bezug ergebe sich aus der Personengebundenheit des Dienstwagens. Anhand der Angaben lasse sich eine umfassende Kontrolle der Leistung und des Verhaltens des Beigeladenen vornehmen. Es handele sich um Daten, die den im Rahmen der http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 7 von 35 Arbeitszeiterfassung erhobenen Daten gleichstünden. Diese gehörten unstreitig zu den nach § 84 Abs. 1 LBG LSA besonders schützenswerten Personaldaten. Die Daten aus den Fahrtenbüchern seien Teil der Personalakte im materiellen Sinne. Dass in Fahrtenbücher auch Leer- und Privatfahrten eingetragen würden, stehe nicht entgegen. Diese Eintragungen führten allenfalls dazu, dass nur Teile herausgegeben werden müssten. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtes, Fahrtenbücher dienten dem Beklagten zur Überprüfung und Abrechnung der Fahrzeugnutzung, spreche nicht gegen den unmittelbaren Zusammenhang mit der früheren Diensttätigkeit des Beigeladenen. Vollständig habe das Gericht übersehen, dass das Dienstfahrzeug dem Beigeladenen zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestanden habe (Nr. 10.1 KfzR) und damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Dienstführung des Beigeladenen stehe. Die fehlende Gegenzeichnungspflicht des Beigeladenen sei bedeutungslos, da sie allein dem Umstand geschuldet sei, dass das Fahrzeug ausschließlich ihm zugeordnet und der Fahrer stets personenidentisch sei. Auch unter Berücksichtigung der neugefassten Kraftfahrzeugrichtlinien (2012), wonach Reisezweck und aufgesuchte Gesprächsperson/Organisationseinheit einzutragen seien, handele es sich immer noch um eine Einzelangabe über das sachliche Verhältnis einer bestimmten Person. 32    Selbst wenn § 5 Abs. 2 IZG LSA nicht einschlägig sei, ergebe die Abwägung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA kein überwiegendes Informationsinteresse. Ein solches lasse sich schon nicht dem Antrag entnehmen. Von einem erheblichen öffentlichen Interesse könne bei einem bloßen Verdachtsvorgang - hier Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO - der mehr als drei Jahre zurückliege und über den die Presse auch nicht mehr aktuell berichte, keine Rede sein, zumal der Beigeladene kein Amtsträger mit herausgehobener Leitungsfunktion mehr sei. Im Hinblick auf die Privatfahrten (Zeitpunkt und Ziel) sei die Privatsphäre, der persönliche Lebensbereich des Beigeladenen betroffen. Selbst bei Zuordnung zur Sozialsphäre gebe es in diesem Bereich in Bezug auf das Persönlichkeitsrecht unterschiedlich sensible Daten (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - Rdnr. 31), hier in Form der Möglichkeit der Erstellung eines Bewegungsprofiles. Zudem könne sich der Beigeladene auf der Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung berufen. Dies gelte auch bei einer Person der Zeitgeschichte, die der Beigeladene schon nicht sei. Es bestehe die Gefahr, dass das Erscheinungsbild des Beigeladenen durch die Herausgabe der Informationen abgelöst und in anderem Zusammenhang reproduziert und dabei verändert oder manipuliert werde, was wiederum seine berufliche, persönliche und private Existenz gefährden und zu einer Stigmatisierung führen könne. 33    Hilfsweise könne auch der Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA entgegengehalten werden. Laut der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 5/748 S. 24 f.) seien der Terminkalender des Ministerpräsidenten und der Kabinettsmitglieder zum Schutz des Kernbereiches exekutiven Handelns vom Informationszugang ausgenommen. Die aufgestellten Grundsätze ließen sich auf die Stellung der Landesregierung sowie der Staatssekretäre als Spitzen der Exekutivverwaltung und ständige Vertreter der Minister entsprechend anwenden. Umfasst sein müssten auch regierungsinterne Beratungen, die dem inneren Meinungsbildungsprozess vorausgingen. Minister und Staatssekretäre pflegten politische Kontakte in verschiedene Richtungen sowie parteipolitische Verbindungen. Staatssekretäre entschieden autonom über die Gestaltung ihres Terminzuganges. Die Entscheidung, welche Termine wahrgenommen würden, sei denknotwendig in „gubernative“ Entscheidungen eingeflossen. Die Fahrtenbücher zählten zum innersten Bereich der Willensbildung. Die Terminplanung lasse sich weitgehend lückenfrei nachvollziehen. Dass es sich um abgelaufene Vorgänge handele, sei unerheblich, da der Gesetzgeber in zeitlicher Hinsicht nicht differenziert habe, so dass auch nach Abschluss des Beratungs- und Entscheidungsvorganges Fahrtenbücher geschützt seien. Vollumfänglich könne ein politischer Spitzenbeamter seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, wenn er befürchten müsste, dass seine Fahrten an bestimmten Tagen zu bestimmten Orten publik würden. Auch spiegelbildlich würden sich die anderen Akteure nicht mehr so frei bewegen, wenn ihre Kontakte zum Staatssekretär bekannt würden. Das öffentliche Interesse überwiege auch nicht ausnahmsweise, wenn der Kläger bei der Antragstellung sein Informationsinteresse nicht näher begründe. http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 8 von 35 34    Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Auskunftsanspruches des Klägers begehrt der Beklagte unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Abtrennung des Verfahrens und die Abgabe an den 4. Senat des Oberverwaltungsgerichtes. Im Übrigen sei der Hilfsantrag unbegründet, weil der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG greife. Ein überwiegendes öffentliches und ein schutzwürdiges privates Interesse würden verletzt, wie die Darstellung zum Hauptantrag belege. 35    Der Beklagte beantragt, 36                unter Abänderung des Urteiles des Verwaltungsgerichtes Halle - 2. Kammer - vom 14. April 2015 die Klage abzuweisen. 37    Der Beigeladene beantragt ebenfalls, 38                unter Abänderung des Urteiles des Verwaltungsgerichtes Halle - 2. Kammer - vom 14. April 2015 die Klage abzuweisen. 39    Zur Begründung seiner Berufung verweist er auf den Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 1 IZG LSA, da es sich bei den Eintragungen in die Fahrtenbücher um private, personenbezogene Daten handele, bei denen sein schützenswertes Interesse das Informationsinteresse des Klägers überwiege. Dass die Eintragungen durch den jeweiligen Fahrer vorgenommen worden seien, ändere hieran nichts. Die Eintragungen dürften das jeweilige Ziel und den Zweck der Termine - auch privater - enthalten. Mit der begehrten vollständigen Einsicht beabsichtige der Kläger, ein Bewegungsprofil hinsichtlich seiner Tätigkeit als Staatssekretär und als Privatperson zu erstellen und journalistisch zu verwerten. 40    Die Erfassung, Verarbeitung und Verwendung personenbezogener Daten sei nur zu einem konkret festgelegten Zweck der verantwortlichen Stelle möglich (§ 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG). Eine zweckoffene Sammlung wäre unzulässig. Die Sammlung von Daten im Fahrtenbuch erfolge zum Zwecke der Arbeitserfassung des Fahrers des Dienstfahrzeuges und der Abrechnung des als geldwerter Vorteil zu versteuernden bzw. zu erstattenden Kostenanteiles des Beigeladenen. Seine Einwilligung und die des Fahrers lägen nicht vor. 41    Ihm habe es auch nicht frei gestanden, Aufzeichnungen privater Sachverhalte zu verhindern, so dass dienstliche mit privaten Daten zwangsläufig verknüpft seien. Der Kläger verkenne, dass es sich bei der Dienstwagennutzung um einen Teil der Amtsausstattung eines Staatssekretärs handele, dessen Nutzung zwecks effizienter Nutzung der Arbeitszeit vorausgesetzt werde. 42    Die beabsichtigte zeitlich rückwirkende Auswertung der Daten stelle eine unzulässige Zweckänderung dar. Aus der Wertung des § 4d Abs. 5 Satz 2 BDSG und § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergebe sich die besondere Schutzbedürftigkeit bei Arbeitnehmern. Nichts anderes könne für das Dienst- und Amtsverhältnis gelten. Bei Fahrtenbüchern handele es sich um Personaldaten, die gemäß § 5 Abs. 2 IZG LSA geschützt seien, da eine umfassende Kontrolle der Leistung und des Verhaltens des Fahrers und des Beigeladenen ermöglicht würden. Die Aufzeichnungen gehörten zu den geschützten Personalaktendaten. 43    Auch seien die Eintragungen vom jeweiligen Fahrer vorgenommen worden, so dass inhaltlich falsche Eintragungen nicht auszuschließen seien, die durch das zuständige Referat in Zusammenwirken mit dem Beigeladenen nachträglich überprüft würden. 44    Bei Aufzeichnungen über private Fahrten lasse sich anhand privater Anschriften i. d. R. ein eindeutiger Personenbezug herstellen. 45    Bei der Abwägung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG habe der Schutz privater, personenbezogener Daten grundsätzlich Vorrang vor dem Informationsinteresse. Ein besonderes Informationsinteresse des Klägers liege nicht vor. Ein mögliches strafbewehrtes Verhalten sei durch die Einstellung des Strafermittlungsverfahrens http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE1700047... Seite 9 von 35 bereits ausgeräumt. Er sei auch keine Person der Zeitgeschichte. Aufenthalts-/Bewegungsprofile des Beigeladenen und des Fahrers könnten erstellt werden. Dies verletze jedenfalls hinsichtlich der Privatfahrten das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ein besonderes Informationsinteresse des Klägers liege nicht vor, auch wenn die Presse vielleicht ein Ausforschungsinteresse an seinen persönlichen Lebensumständen habe und dies in skandalisierender Weise verbreiten wolle, seien die Fahrtenbücher hierzu untauglich, da die Aufzeichnungen durch den Fahrer gefertigt würden und der Beigeladene diese nie besessen, ausgefüllt und verändert habe. Die Frage der Bewertung der Aufzeichnung und Abrechnung sei ein anderer Vorgang, der sich durch die isolierte Einsichtnahme in die Fahrtenbücher nicht prüfen lasse. Auch die „Arbeit der Staatsanwaltschaft“ könne hieran nicht überprüft werden, da es der Vorlage weiterer Dokumente und Abrechnungsunterlagen bedürfte. 46    Auch die Informationen über Personen, die bei Dienstfahrten aufgesucht worden seien, seien schutzwürdig. 47    Die Klage sei auch hinsichtlich des Hilfsantrages unbegründet. Der Kläger hätte die von ihm offiziell beabsichtigte Überprüfung seiner Abrechnungen und die Richtigkeit der staatsanwaltlichen Ermittlungen durch Ausnutzung seines Auskunftsanspruches gegenüber der Ermittlungsbehörde und der Beklagten durchsetzen können, wovon er keinen Gebrauch gemacht habe. Die Einsichtnahme in die Fahrtenbücher sei schon untauglich hinsichtlich des vorgeblichen Überprüfungsinteresses. Die schutzwürdigen Persönlichkeitsrechte des Beigeladenen und weiterer betroffener Dritter gingen vor. 48    Der Kläger beantragt, 49                die Berufungen zurückzuweisen. 50    Er trägt vor, dass zunächst aufgeklärt werden müsse, ob und wann im Rahmen des gemäß § 8 IZG LSA vorgesehenen Verfahrens eine Anhörung des Beigeladenen stattgefunden habe, da sich das Vorbringen der Beteiligten widerspreche. 51    Es handele sich bei den Aufzeichnungen um amtliche Informationen. Der Vergleich des Beklagten mit privaten E-Mail-Daten auf Dienstrechnern greife nicht, da der Kläger nur an äußeren Informationen interessiert sei. Der Verweis auf die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 14. Dezember 2006 (- 7 B 9.05 -) verfange nicht, weil die abweichende Berliner Rechtslage ein aktenbezogenes Informationsrecht gewähre. Dass die Eintragungen gemäß Nr. 17.3 KfzR durch die Dienststelle zu überprüfen seien, führe nicht dazu, von bloßen Entwürfen oder Notizen auszugehen. 52    Der Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA greife mangels eines laufenden Verfahrens von vornherein nicht. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung sei durch die Einsichtnahme nicht berührt. Eine Vergleichbarkeit mit dem Terminkalender des Ministerpräsidenten und der Kabinettsmitglieder liege nicht vor, zumal das OVG Berlin-Brandenburg beim Terminkalender der Bundeskanzlerin allein im Interesse der inneren Sicherheit gemäß § 3 Nr. 1 lit. c) IFG die Einsichtnahme abgelehnt habe. Im Übrigen wäre hinsichtlich der einzelnen Termine zu differenzieren, denn zahlreiche seien öffentlich bzw. von überwiegendem öffentlichem Interesse. Zudem sei keine Terminplanung enthalten, da die Dokumentation nur nachträglich in den Fahrtenbüchern zwecks Abrechnung erfolge. Wie das Fahrtenbuch die Willensbildung bzw. Tätigkeit eines Staatssekretärs beeinflusst haben solle, sei nicht erkennbar. Auch könne kein annähernd vollständiges „Bewegungsprofil“ erstellt werden, da private und dienstliche Termine nicht immer mit dem Dienstwagen absolviert worden seien. Solche Schlussfolgerung sei allenfalls punktuell möglich und gebiete eine qualifizierte (Einzelfall-)Betrachtung. Spätestens seit dem Ausscheiden des Beigeladenen als Staatssekretär sei § 4 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA bzw. der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung nicht mehr berührt. Das Bundesverwaltungsgericht habe zu mandatsbezogenen Zuarbeiten entschieden, dass die streitigen Unterlagen jedenfalls nach Beendigung des Abgeordnetenstatus des Auftraggebers für eine parlamentarische Tätigkeit nicht mehr von Bedeutung seien. 53 http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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Oberverwaltungsgericht_des_Landes_Sachsen-Anhalt_3_L_99-15_MWRE17000... Seite 10 von 35 Zwar handele es sich bei den Eintragungen in Fahrtenbüchern um persönliche Daten nach § 5 Abs. 1 IZG LSA, § 2 Abs. 1 DSG LSA, nicht jedoch um besondere persönliche Daten i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 2 IZG LSA i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 2 DSG LSA. § 5 Abs. 2 IZG LSA greife nicht. Dass Personalakten im materiellen Sinn den notwendigen Zusammenhang aufwiesen, möge zutreffen. Fahrtenbücher seien jedoch, wie ein beispielhafter Vergleich mit einer hierzu erlassener Verwaltungsvorschrift des Landes Baden-Württemberg vom 19. April 2016 verdeutliche, keine „Personalaktendaten“ im Sinne des „terminus technicus“ des Beamtenrechtes, so dass ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zum Dienstverhältnis fehle. Zudem verlange der Landesgesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung bei „Personaldaten im weiteren Sinne“ einen „unmittelbaren beruflichen Bezug“ (LT-Drs. 5/748, S. 26). Dass Fahrtenbucheintragungen auch der Arbeitszeiterfassung dienten, möge auf den Fahrer, nicht jedoch auf den Beigeladenen zutreffen. Zudem seien Daten der Arbeitszeiterfassung keine Personalaktendaten im Sinne des § 84 LBG LSA. Weder genüge ein normativer Zusammenhang zum Dienstverhältnis aus § 52 Satz 2 LHO i. V. m. Nr. 10.1 KfzR, noch liege ein solcher vor. Die insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Sachmittelpauschale greife mangels Mandatsverhältnisses schon nicht. 54    Letztlich könne offen bleiben, ob Personalaktendaten vorlägen, da nach § 88 Abs. 2 LBG LSA eine ergebnisoffene Abwägung, wie sie auch § 5 Abs. 1 IZG LSA vorsehe, vorzunehmen sei. Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass das Informationsinteresse des als Journalist tätigen Klägers nicht nur einfachgesetzlicher Natur sei, sondern das Grundrecht der Pressefreiheit angemessen einzubeziehen sei, so dass dem Datenschutz nicht von vornherein Übergewicht zukomme. Hinsichtlich der Abwägung verweist er auf sein erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt, dass nicht beabsichtigt sei, die Auskünfte zur Erforschung der privaten Verhältnisse des Beigeladenen zu verwenden. Eine ungeprüfte Veröffentlichung könne nicht unterstellt werden, weil der Kläger als Journalist gesteigerten Sorgfaltspflichten unterliege. Zudem sei nach der Rechtsprechung und der Gesetzesbegründung das Informationsinteresse der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Der Beigeladene sei aufgrund seiner Ämter heute wie damals eine sog. relative Person der Zeitgeschichte und stehe im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Fahrtenbucheinträge beträfen nur seine Sozialsphäre. Eingriffe in diese habe der Betroffene regelmäßig hinzunehmen. Die Fahrtenbücher beinhalteten keine sensiblen Daten und im Übrigen nur solche, die ohnehin sichtbar (Nachbarn, Passanten) seien. Die Wohnung sei in der Öffentlichkeit bekannt, so dass der Schutz entfalle bzw. gering sei. Zu beachten sei auch, dass sich der durch das behördliche und gerichtliche Verfahren eingetretene Zeitverzug nicht zum Nachteil des Klägers auswirken dürfe, vielmehr führe dies zu einer höheren Darlegungslast beim Beklagten, aus welchem Grund die Informationen trotz des zwischenzeitlichen Zeitablaufes geheim bleiben müssten. 55    Hilfsweise stehe dem Kläger der presserechtliche Auskunftsanspruch zu. Eine Abtrennung des Verfahrens scheide aus, da das Gericht den prozessualen Anspruch unter allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen habe. Sicherzustellen sei, dass nur ein Spruchkörper entscheide. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. März 2016 verdeutliche, dass die Abwägung im Rahmen eines presserechtlichen Auskunftsanspruches nicht mit der nach dem des Informationszugangsgesetzes gleich laufe. Zudem greife der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG nicht. 56    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Entscheidungsgründe I. 57    Die Berufungen haben teilweise Erfolg. 58 http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/t/13a6/page/bssahprod.psml?a... 04.12.2017
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