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Information

Aktenzeichen
9 K 5139/15
Datum
17. August 2016
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Potsdam am 17. August 2016

9 K 5139/15

Bauakten enthalten Angaben über die sachlichen Verhältnisse einer natürlichen Person und stellen deshalb in vollem Umfang personenbezogene Daten dar. Der Ausnahmetatbestand des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes zum Schutz personenbezogener Daten gewährt ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht für drittbetroffenen Träger personenbezogener Daten auch dann, wenn diese aus dem gegenwärtigen Blickwinkel bereits für die Zukunft konkret bestimmbar sind. Mit dieser Begründung gibt das Verwaltungsgericht einem drittbetroffenen Kläger Recht, der sich gegen die von der Stadtverwaltung gewährte Akteneinsicht in die Bauakten zu einem geplanten Haus, das er in Zukunft nutzen würde, gewandt hatte. Die Anwendbarkeit anderer Rechtsgrundlagen für die Akteneinsicht schließt das Verwaltungsgericht aus. Insbesondere bekräftigt es die bereits aus früheren Urteilen desselben Gerichts hervorgehende Auffassung, dass ein Rückgriff auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben angesichts der ausdrücklichen Regelungen des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes nicht in Betracht kommt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Drittbetroffenheit Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung

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Abschrift VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VG 9 K 5139/15 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren d_____K_____P_____g _ _ _ _ _ d_____B_____b_____1_____2_____ wegen         Akteneinsicht hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam ohne mündliche Verhandlung am 17. August 2016 durch die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Achenbach als Einzelrichterin für R e c h t erkannt: Der Bescheid des Beklagten vom 7. September 20015 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. November 2015 werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
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-2- nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet. Tatbestand: Die Beigeladenen sind Mieter einer Wohnung i_____. Mit E-Mail vom 20. August 2014 erbaten sie Auskünfte zu einem Bauvorhaben „_____“. Unter dem 27. Novem- ber 2014 teilte der Beklagte den Beigeladenen mit, dass bei dem „_____“ auf dem hinteren Teil des Grundstücks V_____ ein Einfamilienhaus errichtet werde. Dieses Grundstück grenze nicht unmittelbar an das G_____. Die Abstandsflächen sein ein- gehalten. Verstöße gegen bauordnungsrechtliche oder planungsrechtliche Vorschrif- ten seien nicht ersichtlich. Nur der Eigentümer des an das Vorhabengrundstück an- grenzenden Grundstücks habe ein Akteneinsichtsrecht im Sinne des § 64 Abs. 4 BbgBO, wenn das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Da das Baugenehmi- gungsverfahren jedoch abgeschlossen sei, wäre ein Antrag auf Akteneinsicht nun- mehr nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz sowie dem Umwel- tinformationsgesetz zu beurteilen. Die Eigentümer des Vorhabengrundstücks wären gemäß § 5 AIG um Zustimmung zu bitten. Es werde um Mitteilung gebeten, ob ein Antrag nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gestellt werde. Die Beigeladenen beantragten daraufhin mit Schreiben vom 22. Dezember 2014, eingegangen beim Beklagten am 29. Dezember 2014, die Akteneinsicht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz und dem Umweltinformationsgesetz. Sie seien unzureichend über das Bauvorhaben informiert worden und würden durch die Bauarbeiten beeinträchtigt. Sie hätten als umweltbewusste Staatsbürger ein be- rechtigtes Interesse zu erfahren, welche Auflagen bezüglich Denkmalpflege und Nu- turschutz im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erteilt worden seien und ob diese auch tatsächlich eingehalten würden. Sie hätten daran ihre Zweifel, da sie den Fortgang der Bauarbeiten und Baumfällarbeiten aus der Nähe beobachten könnten. Mit Bescheid des Beklagten vom 7. September 2015 wurde den Beigeladenen die Einsichtnahme in die Bauakten zu dem Vorhaben „Errichtung eines freistehenden Einfamilienhauses“ der B_____ auf dem G_____ unter Bezugnahme auf §§ 1, 2, 5 -3-
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-3- Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AIG genehmigt, da nicht geltend gemacht worden sei, dass durch die Gewährung der Akteneinsicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses zu- gänglich gemacht werden würden. Der Antrag auf Akteneinsicht sei auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG abzulehnen gewesen, da die Vorschrift nur die perso- nenbezogenen Daten gegenwärtig betroffener und nicht zukünftiger Personen schüt- ze. Durch die Gewährung der Akteneinsicht würde auch nicht das Urheberrecht des Architekten im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AIG verletzt, was der Bescheid nä- her ausführt. Unter dem 16. Oktober 2015, eingegangen am 19. Oktober 2015, erhob der Verfah- rensbevollmächtigte des Klägers namens und in Vollmacht d_____sowie namens und in Vollmacht des Klägers Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. September 2015, den er mit Schreiben vom 5. und 25. November 2015 weiter begründete. Der Kläger sei Alleingesellschafter d_____und werde Bewohner des auf dem Grundstück V_____ errichteten Wohngebäudes sein. Der Kläger berufe sich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und den Schutz persönlicher Daten. Der Grundriss, die Zugäng- lichkeit und die Lage der einzelnen Aufenthaltsräume und damit auch die private Le- bensführung würden durch die Akteneinsicht offenbart. Dadurch sei auch die Sicher- heit von Gesundheit und Eigentum gefährdet, da professionellen Diebesbanden und Befürwortern des „_____ Kenntnisse über das Wohngebäude eröffnet würden. Denn nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz hätte jeder Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen. Der Bescheid verstoße gegen das Verbot gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG, personenbezogene Daten zu offenbaren, und gegen den Schutz des Urheberrechts des Planers gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AIG, was in der Wi- derspruchsbegründung jeweils weiter ausgeführt wird. Der Beklagte wies den Dritt-Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 gegenüber dem Kläger im Wesentlichen mit den Argumen- ten des Ausgangsbescheides zurück. Der Kläger hat am 28. Dezember 2015 die vorliegende Klage erhoben. Er trägt vor, dass die Beigeladenen nur einen beschränkten Akteneinsichtsantrag gestellt hätten. Das Recht auf Datenschutz sei im Akteneinsichts- und Informations- -4-
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-4- zugangsgesetz nicht auf die am Baugenehmigungsverfahren Beteiligten beschränkt. Betroffen seien vielmehr die Personen, deren Recht auf Datenschutz durch die Ak- teneinsicht berührt werden würde. Die Akteneinsicht verstoße auch gegen das Urhe- berrecht des Planers. Die Beigeladenen wollten die Amtstätigkeit des Beklagten überwachen. Die Bauakte enthalte aber in mehrfacher Hinsicht personenbezogene Daten im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG, wie die Pläne des Bauvorhabens. Zu den personenbezogenen Daten gehörten Daten, die über Wohnverhältnisse Aus- kunft gäben oder die personalisiert einem Grundstück zugeordnet werden könnten. Das Akteneinsichtsrecht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz stünde dann, wenn es gegeben wäre, jedem unabhängig von einem rechtlichen Inte- resse zu und könnte auch dazu genutzt werden, die Privatsphäre des Klägers zu stö- ren oder auf eine Verletzung von Gesundheit oder Eigentum abzuzielen. Es läge kein Interesse der Öffentlichkeit an der Akteneinsicht vor. Auch nach dem Umweltinforma- tionsgesetz wäre der Antrag der Beigeladenen abzulehnen gewesen. Die Beigelade- nen würden auch keine Interessen der politischen Mitgestaltung oder überwiegende öffentliche Interessen verfolgen. Ein Vergleich mit Maklern gehe schon deshalb fehl, weil diesen die Grundrisse freiwillig zur Verfügung gestellt werden würden. Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 7. September 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, und trägt vor, dass die Beigeladenen nicht gemäß § 64 BbgBO zu beteiligen gewe- sen seien. Kenntnis von dem Bauvorhaben hätten die Beigeladenen erst mit Aushe- ben der Baugrube erlangt haben können. Am 25. September 2014 sei durch einen Mitarbeiter der Bauaufsicht der Baubeginn festgestellt worden. -5-
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-5- Die Beigeladenen stellen keinen Antrag, tragen aber vor, dass sie im Frühjahr 2014 als Mieter in d_____eingezogen seien. Im Sommer 2014 hätten auf dem Grundstück V_____die Bauarbeiten begonnen. Auf dem Baugrundstück seien Bäume gefällt bzw. verstümmelt worden. Wegen der Be- lästigungen durch die Bauarbeiten hätten sie die Miete gemindert. Es sei zu befürch- ten, dass nach dem Bezug des Neubaus ein ungestörtes Wohnen in ihrer Wohnung beeinträchtigt und die Wohnqualität auf Dauer gemindert werde. Sie hätten daher aus Gründen der Beweissicherung für eine weitere Mietminderung die Akteneinsicht beantragt. Sie wollten wissen, ob und wann der Vermieter über die anstehenden Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück informiert worden sei, ob und mit welchen Auflagen das Bauvorhaben von den zuständigen Ämtern der Stadt Potsdam geneh- migt worden sei und ob gegebenenfalls die baubehördlichen Auflagen bei der Bau- ausführung eingehalten und deren Einhaltung von der zuständigen Bauaufsichtsbe- hörde überprüft worden sei. Sie hätten die vollständige Akteneinsicht beantragt. Bäume und Sträucher auf der Grundstücksgrenze seien durch Absägen von Ästen verstümmelt worden. Unmittelbar an der G_____ werde nun auf dem G_____ eine Terrasse errichtet. Vom Neubau des Klägers aus sei ihre Wohnung einsehbar und die Wohnqualität auf Dauer gemindert. Durch die tatsächliche Einsichtsmöglichkeit in ihre Aufenthaltsräume, Balkone und Terrassen seien ihre privaten Lebensumstände und ihre ungezwungene Lebensführung beeinträchtigt. Von Maklern würden auch Grundrisse an eine Vielzahl von Interessenten zur Verfügung gestellt, ohne dass je- mand auf die Idee käme, dass die Lebensverhältnisse der derzeitigen oder künftigen Bewohner ausgespäht werden könnten. Auch hätten sie nicht vor, die Architekten- pläne in irgendeiner Weise kommerziell zu nutzen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteilig- ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Entscheidungsgründe: -6-
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-6- Die Einzelrichterin ist an der Stelle der Kammer zur Entscheidung berufen, da der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss der 9. Kammer des Ver- waltungsgerichts Potsdam vom 20. Juli 2016 gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsge- richtsordnung (VwGO) zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen worden ist. Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ent- scheiden, da der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016, der Beklagte mit Schrift- satz vom 21. Januar 2016 und die Beigeladenen mit Schriftsatz vom 17. März 2016 jeweils ihr Einverständnis erklärt haben. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klage- befugt, da er geltend machen kann, durch den Bescheid des Beklagten vom 7. Sep- tember 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klage ist auch begründet. Denn der Bescheid des Beklagten vom 7. September 2015 und der Widerspruchsbescheides vom 30. November 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Bescheid des Beklagten vom 7. September 2015 gewährt den Beigeladenen die volle Akteneinsicht in die Bauakte des Bauvorhabens, das zur privaten Wohnnutzung des Klägers bestimmt ist. Die Beigeladenen haben kein Recht aus § 64 Abs. 4 Bran- denburgische Bauordnung (BbgBO), als Nachbarn die eingereichten Bauvorlagen einzusehen, weil gemäß § 64 Abs. 1 BbgBO Nachbarn im Sinne dieser Vorschrift nur Eigentümer oder Erbbauberechtigte eines an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks sind. Die Beigeladenen sind Mieter. Es können somit die Existenz und die genaue Lage eines angeblich zwischen den G_____vollseitig liegenden Grund- stücks offen bleiben. Ebenso kommt es hier nicht auf die Frage an, ob das Aktenein- sichtsrecht aus § 64 BbgBO nur für laufende oder auch für abgeschlossene Verfah- ren gilt. Die Beigeladenen haben auch kein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) i. V. m. § 29 -7-
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-7- Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG), denn sie waren nicht Beteiligte (§ 13 VwVfG) des Verwaltungsverfahrens der Baugenehmi- gung. Zudem ist nach § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Einsichtnahme auch nur in noch lau- fenden Verwaltungsfahren möglich. Vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 16. November 1998 - 2 L 873/98 - , Rn. 33, zitiert nach Juris; VG Cottbus, Urteil vom 18. Juni 2008 - 3 K 152/03 - , S. 12 des Umdrucks. Nach § 1 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) hat jeder, d.h. haben grundsätzlich also auch die Beigeladenen, ein Recht auf Einsicht in Akten. Allerdings besteht dieses Recht nur eingeschränkt, da es gemäß § 1 AIG nur „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ besteht und soweit nicht überwiegende öffentliche oder private In- teressen nach den §§ 4 und 5 entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften be- reichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Hier steht der Akteneinsicht der Beigeladenen der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG entgegen, wonach der Antrag auf Akteneinsicht vorbehaltlich des Satzes 2 und der Absätze 2 und 3 abzulehnen ist, soweit personenbezogene Daten offenbart werden würden, es sei denn, die betroffene Person hat der Offenbarung zugestimmt – eine Zustimmung liegt hier gerade nicht vor - oder die Offenbarung ist durch eine andere Rechtsvorschrift erlaubt. Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 5 Abs. 1 Satz 2 AIG sind vorliegend nicht gegeben, denn bereits ein Zweck der politischen Mitgestaltung ist allein aufgrund der Lage des Grundstücks am umstrittenen G_____nicht erkennbar. Die Absätze 2 und 3 des § 5 AIG begründen tatbestandlich keine Ausnahmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG gewährt ein subjektiv-öffentliches Recht für eine neben Antragsteller und Behörde drittbetroffene Person, deren personenbezogene Daten offenbart werden würden, die Akteneinsicht zu verhindern. -8-
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-8- Der Begriff der personenbezogenen Daten ist im Akteneinsichts- und Informations- zugangsgesetz nicht definiert, so dass auf die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 Branden- burgisches Datenschutzgesetz (BbgDSG) zurückzugreifen ist. Personenbezogene Daten sind gemäß § 3 Abs. 1 BbgDSG Einzelangaben über persönliche oder sachli- che Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Der Kläger ist eine bestimmte oder zumindest bestimmbare natürliche Person, unab- hängig davon, wer als Bauherr den Bauantrag gestellt hat. Denn speziell für ihn und seine private Nutzung wird das Bauvorhaben errichtet und ohne ihn gäbe es dieses Bauvorhaben nicht. Es ist zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Akteneinsicht objektiv sicher, dass das Haus nach seinen Wünschen errichtet wird und dass er in das Haus einziehen wird. Spätestens durch den Einzug wird der Kläger als natürliche Person offenbar. Auch dass der Kläger bezogen auf den Genehmigungszeitpunkt der Baugenehmigung nach dem Vortrag des Beklagten erst eine zukünftig betroffene Person sei, da als Bauherr formal eine juristische Person und nicht der Kläger als natürliche Person auftritt, führt nicht dazu, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG für den Kläger nicht anwendbar wäre. Dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG ist nicht zu entnehmen, dass nur die personenbezogenen Daten gegenwärtig betroffener Personen geschützt sein sollen. Gerade aus dem Umstand, dass auch bestimmbare Personen nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BbgDSG erfasst sind, ergibt sich, dass auch aus dem gegenwärtigen Blickwinkel bereits für die Zukunft bestimmbare konkrete Personen vom Schutz des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG erfasst sind. Hieran besteht auch gerade im Falle des Klägers kein Zweifel, da er als hinter der Bauherrin stehende natürliche Person quasi schon gegenwärtig betroffen ist, weil es sich von Anfang des Baugenehmigungsverfahrens an um das zur persönlichen Nutzung be- stimmte Wohnhaus des Klägers handelt. Aus dem Umstand, dass der Kläger als be- troffene Person erst durch das Widerspruchsverfahren bekannt wurde, ergibt sich ebenfalls nicht, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG nicht anwendbar wäre. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG gewährt gerade ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht für diejeni- gen drittbetroffenen Träger personenbezogener Daten, die die Behörde bei ihrer Ent- scheidung über die Akteneinsicht nicht im Blick hatte. -9-
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-9- Sachliche Verhältnisse einer natürlichen Person im Sinne des § 3 Abs. 1 BbgDSG, die geschützte personenbezogene Daten darstellen, werden beschrieben durch An- gaben über einen auf den Betroffenen beziehbaren Sachverhalt. Vgl. Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 12. Aufl. (2015), § 3 Rn. 7; VG Schleswig, Urteil vom 3. September 2009 – 12 A 131/07 - , Rn. 26, zitiert nach Juris. Hierzu gehören grundsätzlich alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen. Vgl. zur inhaltsgleichen Regelung in § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz: BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 – BVerwG 6 A 2/09 - , Rn. 33 und 34, zi- tiert nach Juris. Zum Beispiel auch der Grundbesitz einer natürlichen Person. Vgl. Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 12. Aufl. (2015), § 3 Rn. 7; VG Schleswig, Urteil vom 3. September 2009 – 12 A 131/07 - , Rn. 26, zitiert nach Juris; VG Cottbus, Urteil vom 26. Mai 2011 – VG 3 K 820/10 - , Seite 11 des Umdrucks. Auch Bauakten stellen personenbezogene Daten dar, und zwar in vollem Umfang. Vgl. VG Cottbus, Urteil vom 26. Mai 2011 – VG 3 K 820/10 - , Seite 10 des Umdrucks. Eine Bauakte enthält Angaben über die sachlichen Verhältnisse einer natürlichen Person im Sinne des § 3 Abs. 1 BbgDSG. Vgl. VG Cottbus, Urteil vom 26. Mai 2011 – VG 3 K 820/10 - , Seite 10f. des Umdrucks. - 10 -
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- 10 - Auch die vorliegende Bauakte enthält die Angaben und Daten zum individuellen Wohnbauvorhaben des Klägers und spiegelt seine Vorstellungen, Wünsche und Be- dürfnisse bezüglich seines persönlichen Wohnumfeldes. Sie gibt zum Beispiel Auf- schluss über Lebensumstände, Lebensführung und Vorlieben des Klägers. Gleichsam einem Vertragsdokument im privatrechtlichen Verhältnis zweier Parteien, welches ihren persönlichen Bezug zueinander widerspiegelt, enthält eine Bauakte neben sämtlichen Angaben zu dem Begehren, auch die Antworten der Behörde und das Ergebnis ihrer Prüfung. Vgl. VG Cottbus, Urteil vom 26. Mai 2011 – VG 3 K 820/10 - , Seite 10 des Umdrucks. Dabei definieren sämtliche Anlagen zum Baugenehmigungsantrag bzw. zur darauf- hin erteilten Baugenehmigung das zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Vgl. VG Cottbus, Urteil vom 26. Mai 2011 – VG 3 K 820/10 - , Seite 10 des Umdrucks. Die Offenbarung der personenbezogenen Daten ist auch nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG durch eine andere Rechtsvorschrift erlaubt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beigeladenen ein Recht auf Akteneinsicht gegenüber dem Kläger aus dem Umweltinformationsgesetz haben könnten, da gemäß § 1 Um- weltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG) i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG) der entgegenstehende Wille des Betroffenen ebenfalls einen Ausschlussgrund für die Offenbarung personenbezogener Daten nach dem Umweltinformationsgesetz bildet und durch die Offenbarung die Interes- sen des Klägers erheblich beeinträchtigt werden würden, da es sich bei Informatio- nen über das persönlich geschaffene Wohnumfeld um sensible Daten handelt und hier ein erhöhtes Schutz- und Sicherheitsinteresse besteht, und kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der personenbezogenen Daten besteht. Es kann deshalb offen bleiben, ob die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Umweltinformationsgesetz gegeben wären. - 11 -
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