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Information

Aktenzeichen
12 N 18.16
Datum
6. Juli 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 6. Juli 2016

12 N 18.16

Das Oberverwaltungsgericht lehnt den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz ab. Es stellt im Sinne dieser Entscheidung fest, dass sich eine gegenteilige Auslegung des Begehrens verbietet, wenn eine rechtskundige Person ausdrücklich erklärt, dass sie ihren Antrag nicht auf das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz stützt. Ohne vorherige Klärung dieser Situation durfte die beklagte Behörde nicht von der Begründung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses ausgehen und einen Bescheid auf der Grundlage des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes erlassen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Prozessuales Ablehnungsbegründung

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OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG OVG 12 N 18.16 VG 9 K 845/15 Potsdam In der Verwaltungsstreitsache 1. des Herrn 2. des Herrn , Kläger und Antragsgegner, bevollmächtigt: Rechtsanwalt , , gegen den Bürgermeister der Gemeinde Stahnsdorf, Annastraße 3, 14532 Stahnsdorf, Beklagten und Antragsteller, bevollmächtigt: Rechtsanwälte hat der 12. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und die Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und Dr. Raabe am 6. Juli 2016 beschlossen: Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. Januar 2016 wird abgelehnt. -2-
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-2- Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtsstufen auf 10.000,00 EUR festgesetzt. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor. 1. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichts- entscheidung sind dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163, juris Rn.15); die Richtigkeitszweifel müssen das Entscheidungser- gebnis betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4.03 –, NVwZ-RR 2004, 542, juris Rn. 9 ff.). Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger klagebefugt sind und sich ihr Begehren auch nicht erledigt hat. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wenden sich die Kläger dage- gen, dass der Beklagte ihr ausdrücklich auf Bestimmungen des Privatrechts, nä m- lich die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, gestütztes Aus- kunftsbegehren durch Bescheid nach dem Akteneinsichts- und Informationszu- gangsgesetz des Landes Brandenburg – AIG – abgelehnt und auch die dagegen gerichteten Widersprüche zurückgewiesen hat, obwohl die Kläger deutlich ge- macht hatten, dass sie keinen Antrag nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des AIG gestellt hätten und es demzufolge auch keine Grundlage für dessen A b- lehnung durch Verwaltungsakt geben könne. -3-
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-3- Die gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen erhobenen Einwände des Beklag- ten greifen nicht durch. Ihm ist allerdings zuzugeben, dass die Kläger ihr eigentli- ches Begehren durch die Verwendung von Vokabeln wie „beantragen“ und „An- tragstellung“ sowie die Anknüpfung an den freilich von Seiten des Beklagten in das Spiel gebrachten „förmlichen Bescheid“ verunklart haben. Nach dem Schrei- ben vom 16. November 2014 konnte für einen verständigen Empfänger jedoch nicht mehr zweifelhaft sein, dass auch das ursprüngliche Schreiben nur die Ge l- tendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Auskunft und Überlassung von Unterlagen zum Gegenstand hatte, nicht aber einen öffentlich-rechtlichen An- spruch nach dem AIG. Soweit der Beklagte dieses mit der Zulassungsbegründung anzweifelt, beruht seine Argumentation auf logischen Fehlern, weil die eigene Bewertung der für einen Antrag sprechenden Indizien nicht mehr anhand der vor- handenen Gegenindizien überprüft wird. Dies gipfelt in der Erläuterung, der Be- wertung des Antrags als zumindest auch öffentlich-rechtliches Begehren könne nicht entgegengehalten werden, dass die Kläger ihr Akteneinsichtsbegehren allein auf Zivilrecht gestützt sehen wollten, weil der Antrag dann kein Verwaltung s- rechtsverhältnis begründen könne und daher sinnlos wäre (S. 11 der Begrün- dungsschrift). Der Sache nach verweist der Beklagte damit lediglich auf die Rechtsfolge einer fehlenden Antragstellung; dies vermag eine am objektiven Em p- fängerhorizont ausgerichtete Auslegung des Begehrens der Kläger nicht zu erset- zen. Jedenfalls konnte der Beklagte nach dem Schreiben vom 16. November 2014 nicht mehr ernstlich annehmen, die Kläger würden sich zusätzlich auf das Recht auf Akteneinsicht nach dem AIG berufen wollen. Wenn eine rechtskundige Person wie der Kläger zu 2 ausdrücklich erklärt, dass er sich nicht auf dieses Recht stüt- ze und damit offensichtlich der Einschätzung der Behörde entgegentritt, dann ver- bietet sich eine gegenteilige Auslegung des Begehrens. Jedenfalls durfte der Be- klagte ohne vorherige Klärung in dieser Situation nicht von der Begründung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses ausgehen. Soweit der Beklagte meint, der Tatbestand des Urteils enthalte unrichtige Fes t- stellungen (S. 12 der Begründungsschrift), so wird deren Relevanz für die Ent- scheidung nicht aufgezeigt. Auf Art und Umfang etwaiger zivilrechtlicher Ansprü- che der Kläger hat das Verwaltungsgericht nicht entscheidungstragend abgestellt. -4-
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-4- Entgegen dem Zulassungsvorbringen kann auch nicht angenommen werden, dass die Kläger offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise in subjekti- ven Rechten verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 – 1 C 29.95 – BVerwGE 104, 115, juris Rn. 18; Urteil vom 23. August 1994 – 1 C 19.91 – BVerwGE 96, 302, juris Rn. 17, m.w.N.). Beim Erlass eines nicht bean- tragten Verwaltungsakts fehlt es nicht schon deshalb an der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, weil mit dem Bescheid lediglich ein Begehren abgelehnt wird, das der Adressat nicht beantragt hat. Antragslos erlassene Verwaltungsakte sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schwebend unwirksam, denn der Antrag kann mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; ferner BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 – 8 C 147.81 und 8 C 173.81 – BVerwGE 65, 223, juris Rn. 10). Mit dem Erlass des Verwaltungsakts ist zudem ein Rechtsschein verbunden, weil sich die Behörde damit berühmt, auf- grund eines Antrags zulässigerweise von öffentlich-rechtlichen Handlungsformen Gebrauch machen zu können. Es erscheint schon nicht ausgeschlossen, dass bereits darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zu sehen ist, der mit der Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage abgewehrt werden kann. Das muss hier aber ebenso wenig wie die weiteren vom Verwal- tungsgericht für die Möglichkeit einer Rechtsverletzung angeführten Gesichts- punkte vertieft werden, denn jedenfalls waren die Kläger durch die Kostengrun- dentscheidung des Vorverfahrens beschwert und konnten schon dadurch in ihren Rechten verletzt sein. Dem kann der Beklagte nicht entgegenhalten, erst ein – vorliegend nicht streitgegenständlicher - Kostenfestsetzungsbescheid stelle einen Verwaltungsakt dar, der geeignet sein könnte, die Kläger in ihren Rechten zu ver- letzen. Gegenstand einer Anfechtungsklage ist der angefochtene Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO); das schließt die im Widerspruchsbescheid enthaltene Kostenentscheidung ein. Da die Kosten des Vorverfahrens Teil der erstattungsfähigen Kosten nach § 162 Abs. 1 VwGO sind, werden sie vom Kostenausspruch des Verwaltungsgerichts umfasst. Mit dem vom Beklagten herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2006 (7 C 14.05 – NVwZ 2006, 1294, juris) wird dieses lediglich für ein sog. mehrpoliges Rechtsverhältnis bestätigt (a.a.O., Rn. 12). Dass Gegen- stand der zitierten Entscheidung ein zu Unrecht erlassener Kostenfestsetzungs- bescheid war, gegen den die Klagebefugnis bejaht wurde (a.a.O. Rn. 9), rechtfer- tigt nicht die Annahme, dass die Kostengrundentscheidung nicht geeignet wäre, -5-
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-5- den Adressaten in seinen Rechten zu verletzen. Sollte das Vorverfahren isoliert bleiben und nicht in ein verwaltungsgerichtliches Klageverfahren münden, steht die Bestandskraft der Kostengrundentscheidung dem Einwand in einem sp äteren Kostenfestsetzungsverfahren entgegen, der Adressat des Widerspruchsbesche i- des sei nicht zur Kostentragung verpflichtet. Auch die Ausführungen des Beklagten zur Erledigung des Verwaltungsakts ver- fehlen die vorliegende Fallgestaltung. Es mag zwar nicht auszuschließen sein, dass ein ablehnender Verwaltungsakt dadurch überholt wird, dass der Betroffene in einem privatrechtlichen Rechtsstreit erlangt, was ihm mit dem Verwaltungsakt versagt wurde; erledigt ist aber ein Verwaltungsakt auch in solcher Konstellation nur dann, wenn von ihm keinerlei Rechtswirkungen mehr ausgehen (BVerwG, Be- schluss vom 3. Juni 2014 – 2 B 105.12 –, juris Rn. 7). Insoweit braucht wiederum nur auf die die Kläger belastende Kostenentscheidung in den Widerspruchsb e- scheiden hingewiesen zu werden. Ist das Verwaltungsrechtsverhältnis im Übrigen – wie ausgeführt – schwebend unwirksam, kann insoweit ungeachtet des Zeit- punkts eines erledigenden Ereignisses eine Erledigung vor Nachholung des An- trages ohnehin nicht eintreten. Da die Kläger selbst die Erledigung des Rechts- streits nicht erklärt haben und eine Antragstellung nicht nachzuholen beabsichti- gen, hat das Verwaltungsgericht zu Recht in der Sache entschieden. Demgemäß gehen auch die Ausführungen des Beklagten dazu fehl, dass die Kläger ihr Be- gehren nur noch durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO hätten verfolgen können, für die ihnen jedoch das berechtigte Fes t- stellungsinteresse fehle. Soweit der Beklagte meint, jedenfalls hätte die Klage als unbegründet zurückge- wiesen werden müssen, beruhen seine Einwände auf der abweichenden Ausle- gung des Begehrens der Kläger als Antrag nach dem AIG und enthalten – wie ausgeführt - keine nachvollziehbare Gegenargumentation. In Anbetracht des nach der zutreffenden Würdigung des Verwaltungsgerichts antragslos erlassenen Ver- waltungsakts spricht alles für die Richtigkeit dessen Aufhebung. 2. Die vom Beklagten geltend gemachte Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor. Entgegen den Ausführungen des Beklagten lässt das Urteil erken- nen, dass das erstinstanzliche Gericht der Beurteilung der Klagebefugnis nach -6-
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-6- § 42 Abs. 2 VwGO die sog. Möglichkeitstheorie zugrunde gelegt und danach g e- fragt hat, ob der Verwaltungsakt den Adressaten in seinen Rechten verletzen „kann“. Seine weiteren – nicht zu beanstandenden – Ausführungen betreffen die Subsumtion im konkreten Fall, ohne dass es damit einen eigenen von der ange- führten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechts- satz aufgestellt hat. Nicht anderes gilt für die Frage des Wegfalls der Beschwer. Auch insoweit wendet sich der Beklagte im Gewand der Divergenzrüge lediglich gegen die Würdigung der konkreten Einzelfallumstände; mit solchem Vorbringen kann eine zulassungsrelevante Abweichung nicht dargelegt werden. Wie bereits ausgeführt, beschwert im Übrigen schon der antragslos erlassene Verwaltungsakt als solcher den Adressaten, so dass im konkreten Fall belanglos ist, dass der von den Klägern geltend gemachte zivilrechtliche Anspruch dem Vernehmen nach erfüllt worden ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG. Die erstinstanzliche Wertfestset- zung war gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG zu ändern, weil sie ohne Begrü n- dung und nicht nachvollziehbar annimmt, dass sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache für jeden der Kläger auf 300 Euro bemisst; soweit der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts bietet, ist vielmehr für jeden Kläger jeweils der Auffangwert von 5.000 Euro in Ansatz zu bringen (vgl. § 52 Abs. 2 GKG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Plückelmann                                Bath                         Dr. Raabe
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