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Information

Aktenzeichen
6 A 1098113
Datum
30. Juli 2015
Gericht
Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Hessischer Verwaltungsgerichtshof am 30. Juli 2015

6 A 1098113

Die Anwendung des Bundestatistikgesetzes - und damit auch das Statistikgeheimnis - findet auf den in Rede stehenden Vorgang zu den Ergebnissen der für die Monopolkommission durchgeführten Vergleichsberechnungen Anwendung. Die Schutzwirkung tritt unter anderem deshalb ein, weil die zugekauften Datensätze aus privaten Beständen mit den eigenen amtlichen Unterlagen und Daten der Behörde zusammengeführt werden. Der Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes zum Schutz besonderer Amtsgeheimnisse ist damit erfüllt. Das Urteil setzt sich im Zusammenhang mit dem Statistikgeheimnis auch mit der Bestimmung des Begriffs der "statistischen Einzeldaten" in Abgrenzung von dem "statistischen Ergebnis" auseinander. Der Verwaltungsgerichtshof ändert das Urteil der ersten Instanz, die einen Zugangsanspruch noch bejaht hatte. (Quelle: LDA Brandenburg)

(Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung

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6. Senat                                                          Verkündet am 6 A 1098113                                                       30.07.2015 6 K 1423/11.VVI                                                       Pape Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Vervvaltungsstreitverfahren des Herrn Kläger und Berufungsbeklagter, bevollmächtigt: Rechtsanwälte Dr. Hans-Hilmar Baur und Kollegen, Brüder-Grimm-Platz 4, 34117 Kassel, gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Statistische Bundesamt, Gustav-Stresemann-Ring 11, 65189 Wiesbaden, Beklagte und Berufungsklägerin, wegen        Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch Richterin am Hess. VGH Fischer als Vorsitzende, Richter am Hess. VGH Schneider, Richter am Hess. VGH Bodenbender, ehrenamtliche Richterin Kerber, ehrenamtliche Richterin Odenweller aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2015 für Recht erkannt:
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2 Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 7. März 2013 - 6 K 1423/11.WI - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand: Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu Unterlagen des Statistischen Bundesamts. Das Statistische Bundesamt (im Weiteren: Bundesamt) führte für die Monopolkommission der Bundesregierung Vergleichsberechnungen zur Gruppenzugehörigkeit der Unternehmen durch. Die Monopolkommission ist als gesetzlicher Sachverständigenrat verpflichtet, im Rahmen ihrer Hauptgutachten kontrollierte Unternehmensgruppen in die gesamtwirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung einzubeziehen (vgl. §§ 44 und 47 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB -). Sie hat u.a. die Aufgabe, alle zwei Jahre ein Gutachten zu erstellen, in dem sie den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt. Den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Berechnungen des Bundesamts gin - gen Aufträge der Monopolkommission an das Bundesamt voraus, die Behörde solle Informationen über die Verflechtung von Unternehmen aus verschiedenen privaten Quellen mit von ihr selbst erhobenen, von den Statistischen Landesämtern überlasse - nen bzw. bereits vorliegenden Daten von Unternehmen kombinieren. Hierzu erwarben die Monopolkommission bzw. die Beklagte von den kommerziellen Anbietern „Verband der Vereine Creditreform" (VVC) und „Burau van Dijk" (BVD) Datensätze zur wirtschaft - lichen und rechtlichen Zusammengehörigkeit von Unternehmen, die sogenannten Ver - flechtungsdaten. Die beiden angekauften Datensätze wurden verbunden bzw. in Relati- on gesetzt, um eine sogenannte Schnittmenge zu erhalten. Dies führte - zuletzt bei den Berechnungen des Jahres 2003 - nicht nur zu einer Vielzahl von Zweifelsfällen bezüg-
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3 lich der Informationen zu Verflechtungen in der Schnittmenge, sondern auch zu erhebli- chen Kosten für die Beschaffung der Daten und die Berechnung. Daher prüfte die Mo - nopolkommission in Abstimmung mit der Beklagten, ob für die Arbeiten zu dem XVII. Hauptgutachten der Monopolkommission 200612007 eine andere kostengünstigere Be- rechnungs- und Darstellungsmethode gewählt werden könne, die aber zu in gleicher Weise belastbaren Ergebnissen führe. Das Bundesamt führte zur Prüfung der statisti - schen Belastbarkeit einer solchen Beschränkung im Jahr 2006 in Teilbereichen der Ge- samtbewertung weitere Berechnungen von Schnittmengen und Relevanzen durch, je - weils getrennt nach den Datenquellen VVC und BvD, und setzte die Ergebnisse in Rela - tion zu den Resultaten des Jahres 2003. Die Ergebnisse der Vergleichs berechnungen wurden der Monopolkommission in einer anonym isierten Fassung übermittelt, für die aber nicht - wie bei der Berechnung des Jahres 2003 - eine sogenannte Dominanzprü- fung durchgeführt wurde. Nach Erklärung der Beklagten entschied die Monopolkom mis- sion aufgrund der vorgelegten Vergleichszahlen, für die Konzentrationsauswertungen zum Bezugsjahr 2005 nur noch die Verflechtungsinformationen der Quelle BvD zu ver - wenden und auf Zulieferungen der Quelle VVC zu verzichten. Im Jahr 2008 verlangte der Kläger, der in früheren Jahren selbst in der Monopolkom- mission mit der Erstellung solcher Vergleichsberechnungen beschäftigt gewesen war und die erfolgte Beschränkung auf eine Datenquelle für falsch erachtete, von der Beklagten, ihm die Unterlagen für die Berechnungen zum Zweck der wissenschaftlichen Oberprüfung zu überlassen. Die Beklagte kam dem Begehren jedoch nicht nach. Der Kläger beantragte am 26. September 2010 erneut bei der Beklagten die Erteilung von Auskünften. Mit Bescheid vom 8. April 2011 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Datenvergleichsberechnungen seien im Auftrag der Monopolkommission erfolgt und auf der Basis des § 47 GWB dieser zur Verfügung ge - stellt worden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass den Ergebnissen der Ver- gleichsberechnung statistische Einzelangaben zu entnehmen seien bzw. dass in den enthaltenen Wertetabellen auf die Angabe einer Einheit zurückgeschlossen werden könne, so dass im Fall einer Offenlegung das statistische Geheimhaltungsverbot nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG verletzt würde. Um entscheiden zu können, ob die Ergebnis se dieser (internen) Vergleichsberechnungen veröffentlicht werden dürften, müsse die Berechnung einer aufwändigen Geheimhaltungsprüfung unterzogen werden. Eine sol- che Prüfung sei unterblieben, weil eine Veröffentlichung der Vergleichsberechnung
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4 nicht vorgesehen gewesen sei. Da die voraussichtlichen Kosten einer entsprechenden Prüfung den Rahmen der Gebühr nach dem Informationsfreiheitsgesetz deutlich über- schreiten würden, sehe sie von ihr ab. Aufgrund der mutmaßlich in der Vergleichsbe- rechnung sichtbar werdenden statistischen Einzelangaben bestehe somit aufgrund von § 3 Nr. 4 IFG kein Informationsanspruch. Am 13. April 2011 legte der Kläger Widerspruch ein und stellte weitere Fragen an die Beklagte, die diese teilweise auch beantwortete. Den Widerspruch gegen die Versa - gung des Zugangs zu den gewünschten Informationen wies die Beklagte indes mit VVi - derspruchsbescheid vom 24. November 2011 zurück. Zur Begründung vertiefte sie ihr Vorbringen und führte weiter aus, die Vergleichsberechnungen beruhten auch auf bei ihr geführten amtlichen Unternehmensregistern. Damit seien es schutzwürdige Einzel - angaben im Sinne von § 16 Abs. 1 BStatG. Im Unternehmensregister befänden sich Daten aus unterschiedlichen Quellen, u.a. solche, die durch eine Primärerhebung ge - wonnen worden seien. Die betroffenen Unternehmen seien verpflichtet, dem Statisti - schen Bundesamt die jeweiligen Informationen zu übermitteln. Hinzu käme, dass Be- triebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart werden könnten. Der Widerspruchsbe - scheid wurde dem Kläger am 25. November 2011 zugestellt. Am 24. Dezember 2011 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er vo rge- tragen, der Anspruch auf Einsicht in die Berechnungsergebnisse stehe ihm zu, da die Beklagte der Monopolkommission die Ergebnisse der Vergleichsberechnung überlas sen habe, ohne deren statistische Geheimhaltungsbedürftigkeit zu prüfen. Gleiches gel te auch für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Dritten. Daher könne davon aus- gegangen werden, dass schutzwürdige Einzelangaben in den Vergleichsberechnungen nicht enthalten seien. Die den Berechnungen zugrunde liegenden Fallzahlen unterlägen nicht der statistischen Geheimhaltung. Sie gäben auch keinen Aufschluss über amtlich erhobene Merkmale einzelner Unternehmen. Zusammengefasste Einzelangaben seien außerdem nicht geheimhaltungsbedürftig. Eine Ausnahme könne nur vorliegen, wenn Dominanzfälle aufträten. Hinzu komme, dass die wiederholten Berechnungen im Rah- men der Vergleichsberechnungen aufgrund ihrer jeweils identischen Aufgabenstellung und Datenbasis zu identischen Ergebnissen führen müssten. Soweit jedoch signifikante Unterschiede ausgewiesen worden seien, könnten diese nur aus Rechenfehlern der Beklagten stammen.
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5 Der Kläger hat nach dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Ergebnisse der Vergleichsberechnung offen zu legen, die die Beklagte in ihrem Vermerk vom 7. Dezember 2006 erwähnt habe. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zur Begründung die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden vertieft und erneut ausgeführt, das Statistikgeheimnis stehe der begehrten Offenlegung entgegen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 7. März 2013 stattgegeben. Es hat unter Aufhebung des Bescheids vom 8. April 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2011 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Ergebnisse der für die Monopolkommission durchgeführten Vergleichsberechnungen zum Bezugsjahr 2003 offen zu legen und dem Kläger zur Verfügung zu stellen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nach § 1 Abs. 1 IFG auf Einsicht bzw. Offenlegung zu. Das von der Beklagten geltend ge - machte Statistikgeheimnis gemäß § 16 Abs. 1 BStatG i.V.m. § 3 Nr. 4 IFG stehe dem Anspruch nicht entgegen. Es sei bereits fraglich, ob das Statistikgeheimn is angesichts des Ankaufs von Daten von privaten Dritten einschlägig sei. Der Schutz nach § 16 BStatG gelte allenfalls für die Daten aus dem amtlichen Unternehmensregister des Sta - tistischen Bundesamts. Die vorliegenden Einzelangaben seien von der Beklagte n zudem mit den übrigen Daten aggregiert, d.h. zusammengefasst und in statistischen Er - gebnissen dargestellt worden. Da die Beklagte die von ihr behaupteten dominanten Einzelwerte nicht nachgewiesen habe, unterfielen die Ergebnisse nicht dem Statistikge - heimnis. Es sei auch nicht sicher, ob die Beklagte über die für die Monopolkommission aufbereiteten Daten noch verfügen dürfe. Die Regelungen des Bundesdatenschutzge - setzes und des § 47 Abs. 3 GWB dürften einer Speicherung und Aufbewahrung nach der Übermittlung an den Auftraggeber vielmehr entgegenstehen. Wenn die Beklagte aber über die Daten weiter verfüge, unterlägen diese möglicherweise nicht dem Statis - tikgeheimnis. Entscheidend komme es indes darauf an, dass die Beklagte der Mono - polkommission nach § 47 Abs. 1 GWB nur ,zusammengefasste Einzelangaben" über- mitteln dürfe, aus denen keine Rückschlüsse auf einzelne Datensätze möglich seien. Deshalb scheide eine Verletzung des Statistikgeheimnisses im vorliegenden Fall aus. Da auch die weiter behaupteten Ausschlussgründe nach dem I nformationsfreiheitsge-
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6 setz nicht vorlägen, dürfe und müsse die Beklagte die Ergebnisse der Berechnungen dem Kläger offen legen. Das Urteil wurde der Beklagten am 16. April 2013 zugestellt. Am 10. Mai 2013 hat sie den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 24. September 2013 (Az. 6 A 1221/13.Z) hat der Senat die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen. Der Zulassungsbeschluss wurde der Beklagten am 26. September 2013 zugestellt. Am 23. Dezember 2013 hat die Beklagte - nach Fristverlängerung - die Berufung begründet. Die Beklagte trägt zur Begründung vor, dem geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in die Vergleichsberechnungen des Jahres 2006 stehe im Wesentlichen der Aus- schlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 16 BStatG entgegen. Das Statistikgeheimnis sei die Kehrseite eines besonderen Anspruchs der statischen Ämter auf Auskunft von den Pflichtigen. Unternehmen wie Private müssten darauf vertrauen dürfen, dass ihre Angaben nicht anderweitig, d.h. außerhalb der benötigten Erhebung, verwendet wür den. Unter das Statistikgeheimnis fielen nicht nur konkrete Einzelangaben, sondern alle Daten, die bei der Erstellung einer Statistik entstünden, so lange es möglich sei, die ursprünglichen Daten wieder zu gewinnen und dem Betroffenen zuzuordnen. Um die Möglichkeit zur „Rückberechnung" sicher ausschließen zu können, sei eine Dominanz - prüfung vorzunehmen, die aber für die in Streit stehenden Vergleichsberechn ungen nicht erfolgt sei. Die Dominanzprüfung nunmehr nachzuholen, sei aufgrund des Zeitab - laufs und der weiter entwickelten Programme nicht mehr einfach möglich, sondern höchst aufwändig. Die von der Quelle VVC erhalten Daten seien zudem bereits ge löscht worden. Ein Anspruch auf Neuberechnung oder Ersatzbeschaffung von Informationen bestehe aber für den Kläger nicht. Dem Begehren des Klägers stünden weitere Ausschlussgründe entgegen. Bezogen auf die zwei Auswertungen für das vorangegangene XVI. Hauptgutachten (Berechnungen im Jahr 2003) seien die Informationen, die der Kläger begehre, nämlich bereits veröf - fentlicht, so dass insoweit auch der Ausschlussgrund nach § 9 Abs. 3 IFG vorliege. Be - zogen auf die Daten der Quelle VVC sei der Zugang zu den Informationen hingegen nach § 6 IFG ausgeschlossen, da das Unternehmen einer solchen Verwendung nicht zugestimmt habe. Zwar begehre der Kläger nicht die Originaldaten, sondern die Ergeb - nisse der Vergleichsberechnungen. Aber das Verwaltungsgericht habe den Umfang d es Urheberrechtsschutzes nicht berücksichtigt, denn dieser Schutz umfasse auch das se -
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7 kundäre Ergebnis, wenn das geschützte Werk noch erkennbar oder jedenfalls rekon- struierbar sei. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 7. März 2013 - 6 K 1423/11.Wl - abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zur Begründung trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe sein Recht auf Zu - gang zu den gewünschten Informationen zutreffend erkannt. Die Offenlegung sei im öffentlichen Interesse auch geboten, da die ermittelten Daten und die damit erstellten Gutachten in erheblichem Umfang systematisch fehlerhaft seien. Die Beklagte verken ne, dass er, der Kläger, keine Einsicht in Einzelangaben oder deren Zusammenfassung verlange, sondern die Ergebnisse der Berechnungen; er habe auf Einsicht in geheim zu haltende Angaben verzichtet. Der Gesetzgeber habe mit § 16 BStatG zudem keinen absoluten Geheimnisschutz gebildet, sondern nur einen weitest gehenden Schutz, weil eine Rückermittlung aus einer statistischen Berechnung auf die Einzeldaten in keinem Fall vollständig ausgeschlossen werden könne. Die Beklagte verkenne auch den not - wendigen Zusammenhang zwischen § 47 GWB und § 16 BStatG. § 47 GWB beschränke die Übermittlung amtlicher statistischer Ergebnisse auf zusammengefasste Einzel - angaben, die keiner zusätzlichen Prüfung auf Dominanzfälle bedürften. Würde gegen - über der Monopolkommission eine Beschränkung bzw. Selektion vorgenommen, könnte diese ihrer Aufgabe, wettbewerbsdominierende Tendenzen aufzuzeigen, nicht nach - kommen. Sofern indes vor einer Veröffentlichung der Ergebnisse an Dritte bzw. die Öf - fentlichkeit eine von der Behörde angenommene Dominanzprüfung erforderlich sei, könne die Beklagte dies ohne großen Aufwand leisten. Eine solche Prüfung stelle fest, ob die Summe zusammengefasster Einzelangaben den amtlich erhobenen Angaben einzelner Unternehmen bzw. den berechneten Angaben einzelner Unternehmensgruppen weitgehend entspreche und daher geheim zu halten sei. Auf die Übermittlung sol cher Daten verzichte der Kläger aber gerade deshalb, weil sie nur in einem sehr kleinen Bereich zu erwarten (unter 1 %) und für die Berechnung und Bewertung der übrigen Daten nicht von Bedeutung seien. Die nachträgliche Dominanzprüfung sei sehr wohl möglich, denn die notwendigen Daten lägen der Beklagten noch vor oder könnten der
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8 Beklagten von dem Kläger auch - mit Zustimmung der Rechteinhaber - zur Verfügung gestellt werden. Der Kläger stellt weiter dar, die von der Beklagten genannten Daten, Berechnungsme - thoden und Vergleichsrechnungen seien hinsichtlich der Berichtsjahre, der Datensätze und der erfolgten Auswertungen widersprüchlich. Das Bundesamt habe aufgrund von lückenhaften und fehlerhaften Daten nicht schlüssige und falsche Berechnungen ange - stellt und an die Monopolkommission gegeben. Auch die weiteren von der Beklagten vorgetragenen Ausschlussgründe lägen nicht vor. Dem Informationszugang stünden keine Urheberrechte an den erworbenen Daten entgegen. Die Daten des Anbieters VVC seien nicht urheberrechtlich geschützt; im Übrigen habe der Anbieter in die ent - sprechende Neuberechnung bzw. Dominanzprüfung eingewilligt. Weitergehende Schutzansprüche, etwa aus Gründen der Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen, habe die Beklagte nicht konkret benannt, sondern lediglich allgemein behauptet. Auf das zuletzt von der Beklagten noch geltend gemachte Vorbringen, die benötigten Unterlagen (Daten und Berechnungen) seien zum Teil nicht mehrvorhanden, bestreitet der Kläger die Löschung der Dateien. Zudem bestreitet er, dass der Aufwand der Domi - nanzprüfung generell erheblich sei. Der Kläger trägt hierzu vor, da die Fallzahlen nicht geheim zu halten seien, sei eine Dominanzprüfung nicht erforderlich. Die Dominanzprü- fung könne nach dem Herfindahl-Index schematisch mit einem Zeitaufwand von ca. ei- ner Stunde erfolgen. Bei Konzentrationsraten könne im ungünstigsten Fall, nämlich wenn die größte Einheit ihr Maximum innerhalb der Rangklasse erreicht, leicht über die Existenz eines Dominanzfalles entschieden und dieser ggf. weggelassen werden. Gegenstand der Verhandlung sind zwei Ordner Unterlagen der Beklagten gewesen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angegriffene Urteil gibt dem Begehren des Klägers auf Einsichtnahme in die Unterlagen der Beklagten zu Unrecht statt. I. Klagegegenstand ist ein Anspruch des Klägers auf Einsicht in im Einzelnen nicht spe- zifizierte Unterlagen der Beklagten über das Ergebnis von Vergleichsberechnungen, die
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9 die Beklagte im Jahr 2006 für die Monopolkommission getätigt hat. Der Kläger hat in der Klageschrift vom 20. Dezember 2011 insoweit zur Konkretisierung seines Begeh- rens ausdrücklich den Vermerk der Beklagten vom 7. Dezember 2006 (BI. 19 ff. der GA) benannt. Die Interpretation des Inhalts dieses Vermerks ist jedoch, bezogen auf die konkret in Streit stehenden Informationen, nicht eindeutig. Unter Berücksi chtigung des Wortlauts und des Regelungszusammenhangs ist aber daraus zu entnehmen, dass die Beklagte die Berechnungen unter Verwendung von angekauften Datensätzen und den bei ihr vorhandenen statistischen Daten vorgenommen hat, deren Inhalt und deren konkrete Ergebnisse sie dem Kläger nicht mitteilen will, sondern ihn lediglich auf die von der Monopolkommission veröffentlichten allgemeinen Aussagen verweist. Daher kann nach Maßgabe des Prinzips des zweigliedrigen Klagegegenstands aus dem Antrag des Klägers in Verbindung mit der Klagebegründung festgestellt werden, dass die Gesamtheit der Daten, Berechnungsmethoden und Ergebnisse der Vergleichsrechnungen des Jahres 2006 den Klagegegenstand bilden. Das klägerische Begehren wurde von der Bevollmächtigten des Klägers daher sachgerecht in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf ihren Schriftsatz vom 28. Juli 2015 noch einmal wie folgt zusammengefasst: "Der Kläger beantragt nach dem IFG die Offenlegung der von der Beklagten er- stellten und gegenüber den für das Berichtsjahr 2006 im XVI. Hauptgutachten 2004\2005 (Anlagenband, Tab. B.1 und B.2) revidierten Konzentrationstabellen. Davon ausgenommen sind Anlagen, die der statistischen Geheimhaltung aus dem Bundesstatistikgesetz unterliegen." II. Die Klage ist gemäß § 9 Abs. 4 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) als Verpflichtungsklage statthaft; die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen sind gegeben. III. Die Klage ist indes unbegründet. 1. Der Kläger macht dem Grunde nach zutreffend als Anspruchsgrundlage seines Be- gehrens § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG geltend. Danach steht jedem Interessierten nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen zu. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Behörde des Bundes (vgl. § 2 Abs. 1 BStatG). Dem Kläger steht der Anspruch auf Zugang auch unabhängig von seiner Intention zu (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 21.03.2012 - 6 A 1150/10 -, DVBI 2012, 701). Es ist für die
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- 10 - Regelung auf Akteneinsicht nicht erheblich, dass der Kläger geltend macht, er benötige die Informationen für wissenschaftliche Zwecke. Die Unterlagen über die Berechnungen - soweit sie bei der Beklagten noch vorhanden sind - stellen zudem amtliche Informationen i.S.v. § 2 Nr. 1 IFG dar. Es handel t sich nach den Erklärungen der Beteiligten um die Vergleichsberechnungen, die der Erstellung des XVII. Hauptgutachtens der Monopolkommission vorausgingen und auch nicht veröffentlicht wurden. Soweit die Datensätze bei der Beklagten (noch) vorhanden sind, unterfallen diese ebenso wie die Aufzeichnungen über die durchgeführten Auswahl - und Rechenschritte sowie die Ergebnisse der Berechnungen dem Informationsfreiheitsge - setz. Die Form der Speicherung oder Aufbewahrung ist dabei irrelevant. 2. Für das Verfahren auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist es hin- gegen unerheblich, ob die Daten bei dem Bundesamt nach Erstellung der Berechnun gen für die Monopolkommission weiter verbleiben durften oder hätten vernichtet oder gelöscht werden müssen. Ein eventueller Verstoß der auskunftspflichtigen Behörde ge- gen datenschutz rechtlich relevante Aufbewahrungs- bzw. Löschungsfristen würde nicht dazu führen, dass damit Einsichtsrechte Dritter begründet werden könnten oder gesetz - liche Ausschlussgründe unbeachtlich würden. 3. Der Anspruch auf Einsicht oder Zugang zu den Informationen des Bundesamts ist jedoch auf die tatsächlich bei der Beklagten vorhandenen Unterlagen und Informationen beschränkt. Das Vorhandensein der Information ist denklogische Voraussetzung für den Anspruch und als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu verstehen (Scheel, in: Ber - ger/PartschfRothiScheel, IFG, 2. Aufl. 2013, § 2 Rdnr. 24; BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 7 B 43.12 -, NJW 2013, 2538 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenb., Beschluss vom 31. Mai 2011 - OVG 12 N 20.10 -, juris). Ein Anspruch eines Antragstellers auf Wiederbeschaffung eventuell bereits vernichteter oder an den Auftraggeber oder Liefe - ranten zurückgegebener Informationen besteht nicht, denn das Gesetz sieht eine Ver - pflichtung der informationspflichtigen Stellen zur Wiederbeschaffung von amtlichen In - formationen, die sich nicht mehr in ihrem Besitz befinden, nicht vor (Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 29 ff.; OVG Berlin-Brandenb., Beschluss vom 31. Mai 2011 - OVG 12 N 20.10 -, juris). Dies gilt mit Blick auf die Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 1 IFG unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Auch die Rekonstruktion von möglicherweise bereits gelösch - ten elektronischen Dokumenten, denen sich die Behörde dauerhaft und endgültig entle - digen wollte, würde eine Form derWiederbeschaffung darstellen, auf die ein Antragstel -
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