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Information

Aktenzeichen
3 Bf 274/13
Datum
23. Juni 2015
Gericht
Oberverwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Hamburg am 23. Juni 2015

3 Bf 274/13

Das Oberverwaltungsgericht bestätigt die Auffassung der Vorinstanz, nach der ein Antrag des Insolvenzverwalters auf Herausgabe der Kontoauszüge der Insolvenzschuldnerin abzulehnen ist. Es verweist auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, das die Kontoauszüge als Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung im Sinne einer entsprechenden Ausnahmevorschrift des Hamburgischen Transparenzgesetzes eingestuft hatte. Das Oberverwaltungsgericht weist die Berufung zurück. (Quelle: LDA Brandenburg)

Schutz besonderer Verfahren

/ 13
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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

3 Bf _274/13
13 K 2920/12

Urteil

Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsrechtssache

- Kläger -

Verkündet am

23.cluni 2015 Prozessbevollmächtigte:

Fonseka
Justizangestellte
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

gegen

- Beklagte -

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Probst,
Dr. Delfs und Dr. Frische sowie den ehrenamtlichen Richter Köhnke und die ehrenamtli-
che Richterin Poldrack für Recht erkannt:
1

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
30. Oktober 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zu-
rückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig voll-

streckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund
des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Voll-

streckung Sicherheit in Höhe der jeweils zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden (8 133
Abs. 1 VwGO).

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils durch einen
bevollmächtigten Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer der in 867 Abs. 2 Satz 1
VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt oder durch eine der in 8 3
RDGEG bezeichneten Personen bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübe-
ckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzulegen. Juristische Personen des öffentlichen
Rechts und Behörden können sich durch die in 8 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Be-
schäftigten mit Befähigung zum Richteramt oder als Diplomjuristen im höheren Dienst
vertreten lassen. In Rechtssachen im Sinne des 852 Nr. 4 VwGO, in Personalvertre-
tungs-angelegenheiten und in Rechtssachen, die im Zusammenhang mit einem Arbeits-
verhältnis stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in 867 Abs. 2
Satz 2 Nr. 5, 7 VwGO bezeichneten Organisationen bzw. juristischen Personen als Be-
vollmächtigte zugelassen. Sie müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt
handeln.

Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen ($ 133 Abs. 2 VwGO).

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils durch ei-
nen Vertreter, wie in Absatz 2 angegeben, zu begründen. Die Begründung ist beim Ham-
burgischen Oberverwaltungsgericht einzureichen. In der Begründung muss die grundsätz-
liche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil
abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (88 133 Abs. 3, 132 Abs. 2 Nr.
1-3 VwGO).

U.
2

Tatbestand

Der mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 8. April 2009 als Insolvenzverwalter
über das Vermögen der (Schuldnerin) eingesetzte Kläger
begehrt einen Kontoauszug für das Steuerkonto der Schuldnerin.

Die Beklagte informiert auf ihrer Internetseite, dass Steuerpflichtige oder deren steuerliche
Berater zur Klärung des Steuerkontos Kontoauszüge für einzelne Steuerarten oder das
gesamte Steuerkonto gegen eine Gebühr bei ihrem Buchhalter beim Finanzamt für Steu-
ererhebung in Hamburg anfordern können. Weiter heißt es dort: „Steuerpflichtige oder
deren steuerliche Berater haben alternativ die Möglichkeit, ihr bzw. das Steuerkonto des
Mandanten, online direkt und gebührenfrei einzusehen. Hierzu ist es erforderlich sich im
Internet unter www.elster.de für die ElsterKontenAbfrage zu registrieren.“
(http://www.hamburg.de/behoerdenfinder/hamburg /, zuletzt am 23.6.2015 abgeru-

fen).

Mit Schreiben vom 4. Juni 2012 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten zunächst
Akteneinsicht in die bezüglich der Schuldnerin geführte Vollstreckungsakte. Mit weiterem
Schreiben vom 19. Juni 2012 erklärte der Kläger, sein Begehren stütze sich auf das
Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz (HmbIFG), weshalb keine Notwendigkeit be-
stehe, den Zweck der Akteneinsicht anzugeben. Zugleich beantragte er — ausdrücklich
unabhängig von der Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte — die Zurverfügungstellung

eines Auszugs aus dem Steuerkonto der Schuldnerin.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2012 lehnte die Beklagte zunächst den Antrag auf Einsichtnah-
me in die Vollstreckungsakte ab. Auf die mit Schreiben vom 4. Juli 2012 erfolgte Anfrage
der Beklagten, welche steuerliche Notwendigkeit für die Übersendung eines Kontoaus-
zugs bestehe, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 9. Juli 2012, dass er sich auch inso-
weit auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz stütze und nicht verpflichtet sei,

einen Grund anzugeben, um einen Kontoauszug vom Steuerkonto zu erhalten. Den An-
3

trag des Klägers vom 19. Juni 2012 auf Übersendung eines Kontoauszugs lehnte die Be-
klagte daraufhin mit Bescheid vom 23. Juli 2012 ab und führte zur Begründung aus, der
Antrag (auf Erteilung eines Kontoauszugs) sei unzulässig, da der Antrag Informationszu-
gang (in Form von Akteneinsicht) vom 4. Juni 2012 bereits mit Schreiben vom 3. Juli 2012
beschieden worden und der hiergegen gerichtete Einspruch vom 13. Juli 2012 anhängig
sei. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 6. August 2012 Einspruch ein und trug
vor, der Steuerkontoauszug sei nicht Gegenstand der Akteneinsicht in die Vollstreckungs-

akte. Es handle sich vielmehr um unterschiedliche Streitgegenstände.

Mit Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2012 wies die Beklagte den Einspruch vom
6. August 2012 als unbegründet zurück. Die Zulässigkeit sei zweifelhaft, da der Informati-
onsanspruch in Form der Akteneinsicht bereits anhängig sei. Die Zulässigkeit könne aber
unterstellt werden, da der Einspruch unbegründet sei. Ein Anspruch auf Übersendung
eines Kontoauszugs nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz sei aufgrund
der Spezialregelung des $ 30 Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen. Zudem bestehe
aufgrund von $ 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG kein Anspruch auf Informationszugang. Denn der
Kontoauszug vermittle Informationen über Zahlungsflüsse an das Finanzamt, welche im
Zusammenhang mit der Erhebung von Steueransprüchen stünden. Ein Anspruch auf an-
derer Grundlage, insbesondere $ 242 BGB i.V.m. & 143 InsO, sei ebenfalls nicht gege-
ben. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Kontoauszugs

nicht dargelegt.

Am 31. Oktober 2012 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben.
Er habe einen Anspruch auf einen Auszug aus dem Steuerkonto nach 88 1 ff. Hamburgi-
sches Transparenzgesetz (HmbTG). $ 30 AO stehe dem nicht entgegen, weil diese Vor-
schrift steuerpflichtige Bürger nur vor der Offenlegung gegenüber Dritten schütze, der
Kläger aber nicht Dritter, sondern Partei kraft Amtes und als solcher berechtigt und ver-
pflichtet sei, die Daten der Schuldner zu kennen. Es gebe auch keine einschlägige Aus-
nahme im Hamburgischen Transparenzgesetz. Die Erteilung eines Kontoauszugs für ein
Steuerkonto sei weder ein Vorgang der Steuerfestsetzung noch der Steuererhebung i.S.d.
85 Nr. 4 HmbTG (Nachfolgeregelung von & 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG). Zudem mache die

Beklagte Werbung im Internet damit, dass sie Steuerpflichtigen Kontoauszüge zur Verfü-
4

gung stelle. Dann müsse sie diese auch dem Kläger zukommen lassen, auf den die Be-
fugnisse nach $ 80 InsO übergegangen seien. Dem Anspruch stehe auch nicht entgegen,
dass der Kläger zusätzlich Einsicht in die Vollstreckungsakte zu erlangen versuche. Es
handle sich um unterschiedliche Streitgegenstände, da der Kontoauszug nicht Bestandteil

der Vollstreckungsakte sei und gesondert beantragt werden könne.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 2012 und der Ein-
spruchsentscheidung vom 8. Oktober 2012 zu verpflichten, inm einen Kontoaus-
zug für das Steuerkonto der zu der Steuer-Nr.

oder ggf. früher verwandten Steuernummern zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten, dass der geltend gemachte Anspruch

gemäß 8 5 Nr. 4 HmbTG vom Informationszugang ausgenommen sei.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhand-
lung vom 30. Oktober 2013 als unbegründet abgewiesen: Ein Anspruch ergebe sich nicht
aus $ 1 Abs. 2 HmbTG, weil dieser nach $ 5 Nr. 4 HmbTG ausgeschlossen sei. Die be-
gehrte Erteilung eines Kontoauszugs über das Konto der Insolvenzschuldnerin sei als
Vorgang der Steuerhebung im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen. Ein Kontoauszug sei
nicht von den eigentlichen Entscheidungen der Steuerfestsetzung und Steuererhebung zu
trennen, weil sich aus ihm alle festgesetzten Steuern, die noch offenen Steuerschulden
sowie die angefallenen Verzugszinsen ergäben. Auch ein Anspruch aus $ 242 BGB i.V.m.
8 143 InsO auf Erteilung eines Kontoauszuges stehe dem Kläger nicht zu. Ein Auskunfts-
anspruch des Insolvenzverwalters gegen Gläubiger des Insolvenzschuldners wegen mög-

licher Anfechtungsansprüche sei davon abhängig, dass ein Anfechtungsgrund dem Grun-
5

de nach feststehe. Solange ein Rückgewährschuldverhältnis nicht feststehe, habe sich
der Verwalter wegen aller benötigten Auskünfte an den Schuldner zu halten. Dem Kläger
stehe lediglich ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen
Antrag auf Erteilung eines KontoauszugS ZU. Da er keine Ausführungen zu seinem Inte-
resse an dem begehrten Kontoauszug gemacht habe, sei die ablehnende Entscheidung

der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.

Seine vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentli-
chen damit, dass die Zurverfügungstellung eines Steuerkontoauszugs nicht unter 85
Nr. 4 HmbTG falle. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf „Vorgänge“ der Steuererhebung
und Steuerfestsetzung. Die Vorgänge der Steuererhebung und Steuerfestsetzung seien
aber getrennt von der buchhalterischen Darstellung in einem Konto. Der Kontoauszug sei
lediglich die Abbildung von Zahlungsvorgängen. Der Kläger weist auch darauf hin, dass
sich aus einem Kontoauszug nicht alle an das Finanzamt entrichteten Zahlungen des In-
solvenzschuldners ablesen ließen, sondern die Beklagte sog. Verdichtungen vornehme.
Es entspreche dem Zweck des Hamburgischen Transparenzgesetzes, die Verwaltung für
den Bürger transparenter zu machen, $ 5 Nr. 4 HmbTG so auszulegen, dass Steuerkon-
toauszüge von der Ausnahmevorschrift nicht erfasst seien. Zudem habe sich die Beklagte
durch ihre Werbung selbst dahingehend gebunden, Kontoauszüge zu erteilen. Dabei sei
es kein zulässiges Differenzierungskriterium, zwischen normalen Steuerbürgern und ei-
nem Insolvenzverwalter zu unterscheiden, da auf diesen nach $ 80 InsO sämtliche Be-
fugnisse des Schuldners übergingen. Auf den Anspruch nach dem Hamburgischen
Transparenzgesetz gegenüber der Finanzverwaltung seien die Ausführungen des OVG
Hamburg in seiner Entscheidung vom 16. April 2012 (5 Bf 241/10.Z, juris Rn. 14) zu über-
tragen. Hiernach habe es der Gesetzgeber des Informationsfreiheitsgesetzes für Sozial-
versicherungsträger hingenommen, dass diese wegen der öffentlich-rechtlich gebotenen
Transparenz Informationen erteilen müssten, die möglicherweise die Insolvenzanfechtung
gegenüber diesen öffentlich-rechtlichen Trägern erleichtern könnten. Der Kläger verweist
ferner darauf, dass in anderen Bundesländern den Insolvenzverwaltern das Recht auf
Erteilung von Kontoauszügen zugesprochen werde. Zudem habe das Landgericht Ham-
burg mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 (326 T 149/14, ZinsO 2015, 45) entschieden,

dass das Insolvenzgericht den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter durch Ein-
6

zelermächtigungsbeschluss ermächtigen könne, Steuerakten und deren Anlagen beim
zuständigen Finanzamt der Schuldnerin im Rahmen von Ermittlungen gemäß $ 5 InsO

einzusehen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg
vom 30. Oktober 2013 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Juli 2012
und der Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2012 zu verpflichten, ihm einen
Kontoauszug für das Steuerkonto der „ ‚zu er-

teilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Einspruchsentscheidung sowie die Klageerwiderung Bezug und führt
ergänzend aus, dass es sich bei den Steuerkontoauszügen um originäre Vorgänge der
Steuererhebung nach 88 224 ff. AO handle, woran auch eine etwaige Verdichtung nichts
ändere, die vom IT-System in Einzelfällen automatisch zur Komprimierung der Daten-
menge vorgenommen werde, wenn bei Steuerpflichtigen aufgrund diverser Zahlungen,
Umbuchungen und Aufrechnungen zu viel Speicherplatz in Anspruch genommen werde.
Bei einer Verdichtung würden einzelne Buchungen zusammengefasst. Ein Steuerkonto-
auszug enthalte Informationen über offene Forderungen des Finanzamts gegenüber dem
Steuerpflichtigen und darauf erfolgte Zahlungen. Er bilde mithin Vorgänge aus dem Be-
reich der Steuererhebung ab. Der Kontoauszug liste generell alle festgesetzten Steuern,
die noch offenen Steuerschulden sowie Verzugszinsen in chronologischer Reihenfolge
auf. Es ließen sich mithin alle an das Finanzamt entrichteten Zahlungen des Insolvenz-
schuldners ablesen. Inhaltlich lasse sich der Steuerkontoauszug von den Entscheidungen
der Steuerfestsetzung und Steuererhebung nicht trennen. Im Hinblick auf den Hinweis im

Internet, Kontoauszüge vom Steuerkonto beim Finanzamt für Steuererhebung anfordern
7

und auch online in das Steuerkonto einsehen zu können, führt die Beklagte aus, Rechts-
grundlage für die Erteilung von Auskünften seien die Regelungen der Abgabenordnung
und das BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2012 (BStBl. 2009 | S. 6), namentlich der
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Akteneinsicht. Danach sei auf An-
trag Auskunft zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt werde und keine
Gründe für eine Auskunftsverweigerung vorlägen, was jeweils geprüft werde. Bei einem
Steuerberater sei das rechtliche Interesse regelmäßig zu bejahen, wenn er für die Erstel-
lung der Steuererklärung verantwortlich sei. Bei Steuerpflichtigen sei davon auszugehen,
dass sie die Information zur Erstellung der Steuererklärung benötigten. Dieser „Schutz-
mechanismus“ gelte für alle Beteiligten. Ein voraussetzungsloser und uneingeschränkter

Zugang zum jeweiligen Steuerkonto werde nicht gewährt.

Der Kläger erwidert hierauf u.a., dieser angebliche Schutzmechanismus könne nicht funk-
tionieren, weil der Antrag auf Erteilung eines Kontoauszugs typischerweise durch den
Steuerpflichtigen nicht näher begründet werde. Kontoauszüge würden gerade nicht auf-
grund einer ermessensfehlerfreien Entscheidung erteilt. Die Beklagte handle vielmehr

mechanisch und übe kein Ermessen aus.

In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Vertreter der Beklagten zur Praxis bei
der Zurverfügungstellung von Steuerkontenauszügen befragt. Für das Ergebnis der Be-
fragung wird auf die Verhandlungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelhei-
ten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf
die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhand-

lung gewesen sind.
8

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

l. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gem.
8 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. OVG Hamburg, Urt.
v. 17.12.2013, 3 Bf 236/10, juris Rn. 20). Insbesondere hat die Beklagte den hier geltend
gemachten Anspruch auf Zurverfügungstellung eines Kontoauszugs nicht bestandskräftig
abgelehnt. Das Verwaltungsverfahren bezüglich der Akteneinsichtnahme in die Vollstre-
ckungsakte betraf einen anderen Streitgegenstand, weil die in der Vollstreckungsakte
enthaltenen Informationen typischerweise nicht vollständig identisch mit den in einem

Kontoauszug enthaltenen Informationen sind.

ll. Die Klage ist jedoch unbegründet.

1- Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Kontoauszugs auf-
grund von $ 1 Abs. 2 des Hamburgischen Transparenzgesetzes vom 19. Juni 2012
(HmbGVBl. S. 271), wonach jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes einen An-
spruch auf unverzüglichen Zugang zu allen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen
hat. Der Kläger ist als natürliche Person, unbeschadet seiner Eigenschaft als Insolvenz-
verwalter, vom persönlichen Anwendungsbereich der Anspruchsnorm erfasst, da $ 1
Abs. 2 HmbTG „jeder Person“ Zugang gewährt (vgl. zu $ 1 Abs. 1 IFG (Bund) OVG Ham-
burg, Beschl. v. 16.4.2012, 5 Bf 241/10.Z, juris Rn. 10).

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Die in einem Kontoauszug vom Steuerkonto enthaltenen Informationen über etwaige offe-
ne Steuerschulden, Verzugszinsen sowie an das Finanzamt entrichtete Zahlungen sind
indes nach $5 Nr. 4 HmbTG von der Informationspflicht ausgeschlossen. Nach dieser
Vorschrift besteht kein Informationsanspruch nach dem Hamburgischen Transparenzge-
setz für „Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung“. Der Senat hat diesen
Ausschlussgrund in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2013 (3 Bf 236/10, juris Rn. 22)
dahingehend verstanden, dass unter das Begriffspaar „Steuerfestsetzung und Steuerer-
hebung‘ alle Vorgänge zu fassen sind, die unmittelbar die Bestimmung und Durchsetzung
der Steuerforderung im konkreten Einzelfall betreffen. Zur Begründung hat der Senat ins-
besondere darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber mit den Ausnahmen von der Informa-
tionspflicht in 8 5 HmbTG die Arbeitsfähigkeit der dort bezeichneten Stellen schützen woll-
te und im Bereich der Steuerverwaltung ein Informationszugang zu den auf die Steuer-
pflichtigen bezogenen Vorgängen der Ermittlung und der Bestimmung des jeweiligen An-
spruchs sowie der Steuererhebung einschließlich der Vollstreckung regelmäßig mit erheb-
lichem Aufwand verbunden wäre, weil es sich ganz überwiegend um personenbezogene
Daten handle, die nach $ 4 HmbTG zu schützen seien. Hieran hält der Senat fest. Soweit
der Kläger meint, das Steuergeheimnis stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht
entgegen und es sei hinzunehmen, dass ein Insolvenzverwalter aufgrund des Transpa-
renzgesetzes Informationen erlange, die möglicherweise eine Insolvenzanfechtung ge-
genüber öffentlich-rechtlichen Stellen erleichtern könnte, zieht dies die Auffassung des
Senats nicht in Zweifel, weil es hierauf nach der genannten Argumentation nicht an-
kommt. Es überzeugt auch nicht, wenn der Kläger meint, der Kontoauszug sei lediglich
die Abbildung von Zahlungsvorgängen, nicht aber ein Vorgang selbst im Sinne des $ 5
Nr. 4 HmbTG. Schon begrifflich sind Informationen nicht der Vorgang selbst, den sie be-
treffen, sondern eine Unterrichtung hierüber, sie stellen insofern immer nur eine Abbildung
tatsächlicher Umstände dar und auf diese Abbildung bezieht sich der Ausschlusstatbe-
stand des $5 Nr. 4 HmbTG. Auch die vom Kläger angeführte Rechtsprechung anderer
Länder, wonach Insolvenzverwaltern aufgrund der jeweiligen Informationsfreiheitsgesetze
weitergehende Rechte gegenüber der Finanzverwaltung eingeräumt seien, führt zu keiner
anderen Betrachtung, weil sie nicht die Ausnahmevorschrift des $5 Nr. 4 HmbTG, son-
dern anders ausgestaltetes Recht anderer Länder betrifft. Der vom Kläger zitierte Be-

schluss des Landgerichts Hamburg vom 9. Dezember 2014 ist ebenfalls nicht einschlägig,

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