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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


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Information

Aktenzeichen
2 A 14/15
Datum
14. April 2015
Gericht
Verwaltungsgericht Halle
Gesetz
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)

Urteil: Verwaltungsgericht Halle am 14. April 2015

2 A 14/15

Das Finanzministerium wird zur vollständigen Offenlegung der Fahrtenbücher eines Dienstfahrzeugs verpflichtet. Auch Angaben über Privatfahrten sind Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen. Das Recht zur privaten Nutzung der Fahrzeuge folgt unmittelbar aus dem Amtsverhältnis. Die Einsichtnahme in die Fahrtenbücher führt zudem auch nicht zu einer Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung des Ministeriums. Ein Eingriff in den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung kann ebenfalls nicht festgestellt werden - die Informationen aus den Fahrtenbüchern können offensichtlich nicht zu einem "Mitregieren Dritter" führen. Zwar handelt es sich bei den Fahrtenbucheinträgen um personenbezogene Daten, jedoch nicht um die vom Informationszugangsgesetz geschützten Unterlagen, die mit dem Amtsverhältnis in Zusammenhang stehen (Personalakten im materiellen Sinne). Die Fahrtenbücher dienen vielmehr der Kontrolle der Sachmittel, die dem Betroffenen zur Verfügung gestellt werden. Die Interessenabwägung in Bezug auf die personenbezogenen Daten ergibt ein berechtigtes, überwiegendes Interesse der Allgemeinheit, zu erfahren, ob öffentlich finanzierte Dienstfahrzeuge missbraucht werden. Außerdem wird das Grundrecht der Pressefreiheit berücksichtigt, da der Kläger die Informationen im Rahmen seiner Tätigkeit als Redakteur begehrt. (Quelle: LDA Brandenburg)

(Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Interessenabwägung Personenbezogene Daten Exekutiver Kernbereich (Regierungshandeln)

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VERWALTUNGSGERICHT HALLE Az.: 2 A 14/15 HAL IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In der Verwaltungsrechtssache des Herrn A., A-Straße, A-Stadt, Klägers, Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt, gegen das Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt,                      vertreten durch den Minister, Editharing 40, 39108 Magdeburg, Beklagter, Proz.-Bev.: Rechtsanwälte C., C-Straße, C-Stadt, Beigeladen: Herr Dr. D., D-Straße, C-Stadt A. Streitgegenstand:   Verfahren nach dem Informationszugangsgesetz hat das Verwaltungsgericht Halle - 2. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2015 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Meyer-Bockenkamp, die Richterin am Verwaltungsgericht Pampel, die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Saugier sowie die ehrenamtlichen Richter B. und BC. für Recht erkannt: Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 18.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2013 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die vollstän- 2
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-2- digen Fahrtenbücher des Dienstfahrzeugs des beigeladenen Staatssekretärs der Finanzen a. D. Dr. D. zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die außerge- richtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungs- fähig. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand: Der Kläger begehrt Einsicht in Fahrtenbücher des Beklagten. Er ist bei der Mitteldeutschen Druck- und Verlagshaus GmbH & Co. KG als Redakteur fest angestellt. Im Laufe des Jahres 2012 ergaben sich für die Redaktion des Landes- büros Magdeburg der Mitteldeutschen Zeitung Verdachtsmomente, dass u.a. der Bei- geladene die Bezahlung ihm in Rechnung gestellter Privatfahrten verweigert und ver- sucht haben soll, private Fahrten mit dem Dienstfahrzeug als dienstliche zu deklarie- ren. Der Beigeladene war in der Zeit vom 20. April 2011 bis 31. Oktober 2012 Staatssekre- tär im Ministerium der Finanzen im Land Sachsen-Anhalt und ist derzeit als Abteilungs- leiter in einem Bundesministerium tätig. Der Kläger beantragte deshalb unter dem 21. Dezember 2012 bei dem Beklagten, Ein- sicht in die Fahrtenbücher des Dienstfahrzeugs des Beigeladenen nach dem Informati- onsfreiheitsgesetz. Falls Beschränkungen für Teile der Information vorlägen, bitte er 3
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-3- um die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Aktenteile, für die keine Einschränkungen vorlägen. Am 07. Dezember 2012 hatte bereits ein weiterer Redakteur der Mitteldeutschen Zei- tung, Herr C. D., entsprechende Fragen an den Pressesprecher des Finanzministeri- ums gerichtet. Die Beantwortung dieser Fragen war mit dem Hinweis verweigert wor- den, dass einzelpersonalbezogene Daten berührt seien. Mit Bescheid vom 18. Januar 2013 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Dieser habe keinen Anspruch auf die begehrten Informationen. Hinsichtlich der in den Fahrtenbüchern dokumentierten Angaben über die private Nut- zung des Dienstfahrzeugs handele es sich bereits nicht um amtliche Informationen im Sinne des § 1 Nr. 1 IZG LSA, da sie kein Verwaltungshandeln zum Gegenstand hätten. Zudem handele es sich bei den Angaben um personenbezogene Daten im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 IZG LSA i.V.m. § 2 Abs. 1 DSG LSA. Diese dürften nicht bekannt gege- ben werden. Eine Einwilligung des Betroffenen liege nicht vor. Das Informationsinte- resse des Antragstellers überwiege unter Berücksichtigung des Rechts auf uneinge- schränkten und ungehinderten Zugang zu amtlichen Informationen und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen auch nicht das schutzwürdige Inte- resse des Dritten – hier: des Nutzers des Dienstkraftfahrzeugs –, insbesondere weil die Fahrtenbücher Teil der Personalakte seien. Auch hinsichtlich der Angaben über die Dienstfahrten sei der Anwendungsbereich des IZG LSA nicht eröffnet, da kein materielles Verwaltungshandeln vorliege. Ein Fahrten- buch sei wie ein Terminkalender eines Ministers oder Staatssekretärs nicht dazu be- stimmt, Bestandteil eines Verwaltungsvorgangs zu werden. Vielmehr diene es dazu, den Tagesablauf eines Regierungsmitglieds oder Staatssekretärs zu ordnen und zu organisieren. Darüber hinaus liege der Versagungsgrund des § 3 Abs. 2 IZG LSA vor. Eine Einsichtnahme in die Aufzeichnungen über die getätigten Dienstreisen würde eine weitgehende Nachzeichnung der Terminplanung und gestützt darauf Rückschlüsse auf die interne Willensbildung ermöglichen und damit einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Kernbereich der Exekutive darstellen. Bei einer Abwägung des Interesses des Klägers am ungehinderten Zugang zu den begehrten Informationen über die dienstli- che Nutzung des Dienstfahrzeugs einerseits und dem geschützten Interesse an einer 4
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-4- unbeeinträchtigten Willensbildung der Landesregierung andererseits überwiege das Interesse des Klägers nicht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 18. Februar 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus: Der Bescheid vom 18. Januar 2013 sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte das nach § 8 Abs. 1 IZG LSA vorgeschriebene Verfah- ren nicht eingehalten habe. Zudem handele es sich bei allen Angaben in den Fahrtenbüchern, unabhängig ob Dienst- oder Privatfahrt, um amtliche Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 IZG LSA. Bezüglich der Dienstfahrten komme es nicht darauf an, ob die Eintragungen in den Fahrtenbüchern Bestandteil eines Verwaltungsvorgangs seien. Ein Versagungsgrund gemäß § 3 Abs. 2 IZG LSA liege ebenfalls nicht vor. Hinsichtlich der Angaben in den Fahrtenbüchern zu Privatfahrten handele es sich nicht um Informationen aus Unterlagen, die i. S. d. § 5 Abs. 2 IZG LSA mit dem Dienst- oder Amtsverhältnis eines Dritten in Zusammenhang stehen. Sofern der Beigeladene nicht einwillige, sei eine Abwägung nach § 5 Abs. 1 S. 1 IZG LSA zwischen dem Informati- onsinteresse des Klägers und dem Interesse des Beigeladenen am Ausschluss des Informationszugangs erforderlich, an der es bisher fehle. Bei einer solchen Abwägung überwiege das Interesse des Klägers. Schließlich ergebe sich ein Auskunftsanspruch auch aus § 4 Abs. 1 S. 1 LPresseG. Auf Grund einer anonymen Strafanzeige vom 19. März 2013 wurde bei der Staatsan- waltschaft Magdeburg unter dem Aktenzeichen 568 Js 10269/13 ein Ermittlungsverfah- ren wegen des Verdachts der Untreue gegen den Beigeladenen eingeleitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 – dem Kläger zugestellt am 19. April 2013 – wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Er wiederholte und vertiefte die bereits im Ausgangsbescheid angegebenen Gründe. Ergänzend führte er aus: Bei den Privatfahrten handele es sich um private Handlungen, die keinen Bezug zur amtlichen Tätigkeit hätten. Die Angaben zu den Privatfahrten erhielten auch durch einen möglichen Erstattungsanspruch des Landes Sachsen-Anhalt keinen Dienstbe- zug. Im Rahmen der Abwägung gem. § 5 Abs. 1 IZG LSA sei zu berücksichtigen, dass 5
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-5- die Fahrtenbücher zur Personalakte des Beigeladenen gehörten, da sie in einem un- mittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stünden. Eines unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Dienst- oder Amtverhältnis bedürfe es dage- gen nicht. Zudem bestehe kein Anspruch des Klägers auf Einsichtnahme in die Fahr- tenbücher nach § 4 Abs. 1 S. 1 LPresseG. Schließlich liege kein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 IZG LSA und damit kein Verfahrensfehler vor. Dem Beigeladenen als Dritten sei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Im Übrigen sei ein unterstellter Ver- fahrensmangel nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Am 15. Mai 2013 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erho- ben (Az.: 2 A 180/13 MD). Er trägt ergänzend vor: Eine Begründung seines Antrags nach § 7 Abs. 1 S. 3 IZG LSA sei in der Widerspruchsbegründung enthalten. Zudem liege ein Versagungsgrund nach § 3 Abs. 2 IZG LSA auch deshalb nicht vor, weil es sich um weit zurückliegende, längst abgeschlossene Vorgänge handele. Mit der Ein- stellung des Ermittlungsverfahrens könne sich der Beklagte jedenfalls nicht mehr auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 1e IZG LSA berufen. Außerdem hätte der Beklagte seinen auf das PresseG LSA gestützten Antrag dahingehend auslegen müssen, dass er auch Auskunft über den Inhalt der Fahrtenbücher in anderer Form begehre, wie z. B. durch Zusammenfassungen oder Beantwortung bestimmter Fragen. Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 18. Ja- nuar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Ap- ril 2013 zu verpflichten, ihm gemäß § 1 Abs. 1 IZG LSA Zugang zu den Fahrtenbüchern des Dienstfahrzeugs des ehemaligen Staatssekretärs des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt, Herrn Dr. D., durch Einsichtnahme zu gewäh- ren, hilfsweise, ihm gemäß § 4 Abs. 1 PressG LSA Auskunft zu erteilen über den Inhalt der Fahrtenbücher des Dienstfahrzeugs des ehema- ligen Staatssekretärs des Ministeriums der Finanzen, Herrn Dr. D., durch Beantwortung folgender Fragen: 6
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-6- 1. Für welche Tage enthalten die Fahrtenbücher Eintragungen zu Dienstfahrten? 2. Welche Fahrtziele wurden dabei jeweils angegeben? 3. An welchen Tagen mit welchem Hinfahrt-Ziel ist Herr Dr. D. nicht auf der Rückfahrt mit dem Dienstwagen nach Sach- sen-Anhalt zurückgekehrt? 4. Welche Dienstfahrten an welchem Tag mit welchem Ziel hat Herr Dr. D. ohne Fahrer absolviert? 5. Wurden die Fahrtenbücher stets vom Fahrer geführt? 6. Bei welchen Dienstfahrten an welchen Tagen mit welchem Ziel hat Herr Dr. D. selbst Eintragungen in das Fahrtenbuch bzw. die Fahrtenbücher vorgenommen? 7. Wie viele Dienstfahrten an welchen Tagen hatten das Willy- Brandt-Haus in C-Stadt, die Zentrale der Bundes-SPD, zum Ziel? 8. Wie viele Dienstfahrten hatten an welchen Tagen C-Stadt als Ziel? 9. Welche Fahrten an welchen Tagen mit welchem Ziel wur- den nachträglich von dienstlichen in private Fahrten geän- dert und durch wen? 10. Welche Fahrten an welchen Tagen mit welchem Ziel wur- den nachträglich von privaten in dienstliche Fahrten geän- dert und durch wen? 11. Wie viele Dienstfahrten enthalten die Fahrtenbücher mit welcher zurückgelegten Gesamtentfernung? 12. Wie viele private Fahrten enthalten die Fahrtenbücher mit welcher zurückgelegten Gesamtentfernung? Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er führt zur Begründung ergänzend aus: Die Fahrtenbucheinträge seien, da es sich um personenbezogene Fahrtenbücher handele, die einen beruflichen Bezug aufwiesen, Personaldaten im Sinne des § 5 Abs. 2 IZG LSA. Dass es sich um Personalakten han- dele, sei hierfür nicht erforderlich, zumal der Beigeladene sie nicht gegengezeichnet 7
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-7- habe. Mit Hilfe dieser Einträge lasse sich eine umfassende Kontrolle der Leistung und des Verhaltens des Nutzers eines personengebundenen Dienstwagens vornehmen. Es handele sich damit um Daten, die denen im Rahmen der Arbeitszeiterfassung erhobe- nen Daten gleichstünden. Die Versagungsgründe müssten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht eng ausgelegt werden. Zudem liege der Versa- gungsgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 1e IFG vor, weil das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen und ein faires Verfahren hätte. Das IZG LSA überlasse es dem Kläger, was er mit den Informa- tionen anfange. Auf das Sonderrecht der Presse komme es nicht an. Weiterhin sei der Hilfsantrag auf Beantwortung der dort aufgezählten Fragen bereits unzulässig. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis, da es sich um ein „aliud“ und anderen Streitgegenstand handele. Der Kläger habe insoweit keinen Antrag auf Beantwortung dieser Fragen ge- stellt. Zudem stehe dem Kläger kein Anspruch auf die Informationen nach § 4 Abs. 1 LPresseG zu, da der Kläger seinen mit der Klage verfolgten Anspruch persönlich und nicht als Vertreter der Presse geltend mache. Mit Beschluss vom 18. Juli 2013 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg den Rechts- streit an das erkennende Gericht verwiesen. Für das dort unter dem Aktenzeichen 1 A 283/13 HAL fortgeführte Verfahren ist durch Beschluss des Präsidiums mit Wirkung vom 01. Januar 2015 die 2. Kammer zuständig. Die Rechtssache wird seitdem unter dem Aktenzeichen 2 A 14/15 HAL geführt. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beigeladenen ist bereits am 4. März 2014 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Entscheidungsgründe: Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und mit dem Hauptantrag begründet. 8
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-8- Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Einsicht in die Fahrtenbücher des Dienstfahrzeugs des Beigeladenen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) IZG LSA. Die Ablehnung der begehrten Informationsgewährung ist rechtswidrig und verletzt den Klä- ger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1 IZG LSA ist eröffnet. Die Angaben in den Fahrtenbüchern – sowohl zu den Privatfahrten als auch zu den Dienstfahrten –sind amtliche Informationen i. S. d. § 2 Nr. 1 IZG LSA. Nach dieser Vorschrift ist jede amtli- chen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, eine amtliche Information. Eine Aufzeichnung dient amtlichen Zwecken, wenn sie in Erfüllung einer amtlichen Tätigkeit angefallen ist (zum inhaltlich und im Wortlaut übereinstimmenden § 2 Nr. 1 IFG:   VG    C-Stadt, Urt. v.     26.06.2009 – 2 A 62.08, juris Rn. 24; Ber- ger/Partsch/Roth/Scheel, IFG, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 2 Rn. 38). Nicht amtlich sind dagegen private Informationen sowie Informationen, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen (BT-Drs. 15/4493, S. 9). Die Bewertung der Amtlichkeit unterliegt dabei einem weiten Begriffsverständnis, so dass nur Informatio- nen, die ausschließlich und eindeutig privaten Zwecken dienen, und in keiner Weise mit der amtlichen Tätigkeit in Verbindung stehen oder für sie in sonstiger Form relevant sind, nicht vom Tatbestandsmerkmal „amtlichen Zwecken dienend“ erfasst werden (vgl. Berger/Partsch/Roth/Scheel, § 2 Rn. 20; Schoch, Rn. 41). Danach stellen die Fahrtenbücher amtliche Informationen dar. Die Angaben über die Dienstfahrten sind anlässlich dieser Dienstfahrten und damit in Erfüllung einer amtli- chen Tätigkeit angefallen. Aber auch die Angaben über die Privatfahrten sind Auf- zeichnungen, die amtlichen Zwecken und nicht ausschließlich privaten Zwecken die- nen. Denn sie stehen mit der amtlichen Tätigkeit des Beigeladenen in Verbindung. Die- ser durfte das ihm überlassene Dienstfahrzeug gemäß Nr. 8.1 S. 1 i.V.m. Nr. 4.2.1 lit. c der Richtlinien über die Haltung und Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Lan- desverwaltung Sachsen-Anhalt (Kraftfahrzeugrichtlinien – KfzR) in der anwendbaren Fassung innerhalb des Landes Sachsen-Anhalt unentgeltlich nutzen. Das Recht auf Benutzung eines Dienstfahrzeugs folgt unmittelbar aus diesem Amtsverhältnis und die damit zusammenhängenden Informationen stehen mit der amtlichen Tätigkeit selbst in Verbindung. Zudem werden die Angaben vom Beklagten benötigt, um die Nutzung des Dienstfahrzeugs überprüfen und abrechnen zu können. Auch zur Geltendmachung 9
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-9- möglicher Erstattungsansprüche für Privatfahrten außerhalb des Landes Sachsen- Anhalt gemäß Nr. 8.2 S. 1 i.V.m. Nr. 11.1 KfzR werden die Angaben in den Fahrtenbü- chern benötigt (vgl. zu Bonusmeilen von Bundestagsabgeordneten: VG C-Stadt, Urt. v. 10.10.2007 – 2 A 102.06, 2 A 101.06, juris). Der Beklagte geht zu Unrecht davon aus, es handele sich deshalb nicht um amtliche Informationen, weil die Führung der Fahrtenbücher kein materielles Verwaltungshan- deln darstelle. Es handelt sich indessen nicht nur dann um eine amtliche Information, wenn die Aufzeichnung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nach § 9 VwVfG an- gelegt wurde, sondern auch dann, wenn die Aufzeichnungen – wie hier - den schlicht- hoheitlichen oder fiskalischen Bereich betreffen (vgl. zum IFG: VG C-Stadt, Urt. v. 12.10.2009 – 2 A 20.08, juris Rn. 39; Urt. v. 08.09.2009 – 2 A 8.07, juris Rn. 19; Urt. v. 10.10.2007 – 2 A 101.06, 2 A 102.06, juris Rn. 25; VG Stuttgart, Urt. v. 15.05.2011 – 13 K 3505/09, juris Rn. 50 f.; Rossi, IFG, § 2 Rn. 10; Schoch, IFG, § 2 Rn. 42). Weder dem Wortlaut der §§ 1 und 2 IZG LSA noch den zugehörigen Gesetzesbegründungen lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Informationszugang auf Informationen aus hoheitlichen Verwaltungstätigkeiten beschränken wollte (vgl. zum IFG: VG Stuttgart, Urt. v. 15.05.2011 – 13 K 3505/09, juris Rn. 50). Ein Bezug zu ei- nem konkreten Verwaltungsvorgang ist ebenso wenig erforderlich (vgl. zum IFG: VG C- Stadt, Urt. v. 08.09.2009, a.a.O., Rn. 19; Urt. v. 10.10.2007, a.a.O., Rn. 25). Der Kläger hat seinen Antrag gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 IZG LSA auch spätestens mit dem Widerspruch gegen die Ablehnung seines Informationsgesuchs ausreichend be- gründet. Der Anspruch auf Informationszugang scheidet auch nicht deshalb aus, weil das Be- kanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines anhängigen Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung u.a. strafrechtlicher Ermittlungen haben kann (§ 3 Abs. 1 Nr. 1e IZG LSA). Zwar mögen die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen zum Zeit- punkt der Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beige- ladenen vorgelegen haben. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sind sie aber jedenfalls entfallen. Denn das insoweit in Bezug genommene Ermitt- lungsverfahren wurde am 4. März 2014 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (vgl. Ber- ger/Partsch/Roth/Scheel, IFG, a.a.O., § 3 Rn. 80; Schoch, IFG, a.a.O., § 3 Rn. 83). 10
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- 10 - Der Anspruch auf Einsicht in die Fahrtenbücher ist auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 IZG LSA ausgeschlossen. Hiernach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt wer- den, wenn in anderen als in Absatz 1 oder § 4 IZG LSA geregelten Fällen die ord- nungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stellen erheblich beeinträchtigt würde, es sei denn, dass das Interesse an der Einsichtnahme das entgegenstehende öffentliche Interesse im Einzelfall überwiegt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Diese, im IFG nicht enthaltene Regelung greift ein, wenn in anderen als in § 3 Abs. 1 und § 4 IZG LSA genannten Fällen die Gewährung des Informationszugangs zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Stellen führen würde. Zum einen kann die Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung zwar in der mit der Auskunftserteilung verbundenen Arbeitsbelastung liegen. Eine blo- ße einfache Beeinträchtigung reicht aber nicht aus. Vielmehr muss es sich um einen Vorgang handeln, der mit erheblicher Personalbindung verbunden ist und es der Be- hörde für nicht unerhebliche Zeit nicht oder kaum möglich machen würde, ihre anderen gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen. Zum anderen erfasst die Regelung aber auch Fallgestaltungen, bei denen gerade durch den Zugang zu bestimmten amtlichen Infor- mationen die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung der öffentlichen Stellen beein- trächtigt würde. So kann auch unterhalb der Schwelle des § 3 Abs. 1 Nr. 2 (Gefähr- dung der öffentlichen Sicherheit) der Zugang zu bestimmten Informationen die ord- nungsgemäße Aufgabenerfüllung der Polizei und der Sicherheitsbehörden, aber auch der Stellen, denen die Durchführung des Straf- oder Maßregelvollzugs übertragen ist, erheblich beeinträchtigen (vgl. zum Ganzen: Gesetzesbegründung, LT-Drs. 5/748, S. 23). In Anwendung dieser Grundsätze kann sich der Beklagte offensichtlich nicht mit Erfolg auf § 3 Abs. 2 IZG LSA berufen, weil die Einsichtnahme in die Fahrtenbücher weder zu einer Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung des Beklagten auf- grund der Arbeitsbelastung noch durch den Zugang zu den von dem Kläger begehrten Informationen führen würde. Auch § 4 IZG LSA, der dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses dient, steht dem Anspruch nicht entgegen. 11
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