Informationsfreiheit gebündelt, verschlagwortet und digitalisiert.

Die Entscheidungsdatenbank setzt Rechtssprechung in den Fokus und ermöglicht fundierte Recherchen zu aktuellen und vergangenen Urteilen und Entscheidungen rundum Informationsfreiheit.

Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
10 A 10472/14
Datum
12. März 2015
Gericht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Rheinland-Pfalz)
Informationsfreiheitsgesetz (Rheinland-Pfalz)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 12. März 2015

10 A 10472/14

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz entscheidet das Oberverwaltungsgericht, dass die beklagte Gemeinde die Unterlagen über die Kostenkalkulation einer gemeindeeigenen GmbH, aus denen sich die Zusammensetzung der Endverbraucherpreise für die Nahwärmeversorgung in einem Neubaugebiet ergibt, nicht zur Verfügung zu stellen muss. Die Gemeindewerke haben nur in dem in Rede stehenden Neubaugebiet im Nahwärmebereich eine Monopolstellung inne; im übrigen Gemeindegebiet stehen sie bei der Gasversorgung im Wettbewerb mit anderen Anbietern. Da sich aus den beantragten Unterlagen aber auch Rückschlüsse auf die Kalkulation im Wettbewerbsgebiet ziehen lassen, würde die Offenlegung den Gemeindewerken einen Nachteil im Wettbewerb verschaffen. Dem Wortlaut des Informationsfreiheitsgesetzes sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass juristische Personen des Privatrechts, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Unternehmenstätigkeit auch öffentlich-rechtlichen Aufgaben nachkommen, vom Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausgenommen sein sollen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

/ 17
PDF herunterladen
10 A 10472/14.OVG 4 K 726/13.NW OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit …, – Kläger und Berufungsbeklagter – Prozessbevollmächtigte:      Rechtsanwälte Nadeschdin | Leischner, Dossenheimer Landstraße 11, 69121 Heidelberg, gegen die Gemeinde Haßloch, vertreten durch den Bürgermeister, Rathausplatz 1, 67454 Haßloch, – Beklagte und Berufungsklägerin – Prozessbevollmächtigte:      FPS Rechtsanwälte & Notare, Eschersheimer Landstraße 25-27, 60322 Frankfurt, beigeladen: Firma Gemeindewerke Haßloch GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, Gottlieb-Duttenhöfer-Straße 27, 67454 Haßloch, Prozessbevollmächtigte:      Rechtsanwälte Patt Fischer Feuring Senger, Weststraße 21, 09112 Chemnitz, wegen         Verfahren nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz
1

-2- hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2015, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richterin am Oberverwaltungsgericht Brink Richterin am Verwaltungsgericht Gäbel-Reinelt ehrenamtliche Richterin Sporttherapeutin Lütkefedder ehrenamtlicher Richter Angestellter Lorsbach für Recht erkannt: Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. April 2014 wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes Zugang zu der Kalkulation des Nahwärmepreises im Baugebiet „... R…“ (im Folgenden: Neubaugebiet) in H…. 2 Er ist mit seiner Ehefrau Eigentümer des in dem Neubaugebiet gelegenen Grund- stücks S…str. …. Für dieses Gebiet ist aufgrund der Satzung der Beklagten „über die Nahwärmeversorgung des Baugebietes … R…, westliche Erweiterung – Teilplan 1“ ein Anschluss- und Benutzungszwang für die Versorgung mit Nahwärme vorgeschrieben. Die Nahwärmeversorgung hat die Beklagte den beigeladenen Gemeindewerken Haßloch übertragen. 3 Am 23. Mai 2012 beantragte der Kläger, ihm Zugang zu den behördlichen Infor- mationen über die Kalkulation der Endverbraucherpreise für die Nahwärmeversor- gung im Neubaugebiet für den Abrechnungszeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2011 zu gewähren. Dieses Informationsverlangen erstreckte er auf -3-
2

-3- alle zur rechnerischen Nachvollziehbarkeit der festgesetzten Nahwärmepreise erforderlichen in die Kostenkalkulation und die Kostenrechnung eingestellten Einzelpositionen. 4 Mit Bescheid vom 7. August 2012 lehnte die Beklagte den Zugang zu den begehrten Informationen mit der Begründung ab, das Bekanntwerden dieser Informationen schade den wirtschaftlichen Interessen der privatwirtschaftlich agie- renden Beigeladenen in erheblichem Maße, da diese außerhalb des Neubau- gebietes als Anbieter von Strom, Gas, Wärme und Abwasser in H… in Konkurrenz mit Wettbewerbern des freien Marktes stehe. Die begehrten Kalkulations- grundlagen stellten sensible Geschäftsdaten dar, deren Offenlegung Wettbe- werbsnachteile für die Beigeladene befürchten ließe. Die Beigeladene habe der Offenlegung dieser Geschäftsgeheimnisse gegenüber dem Kläger auch nicht zugestimmt. Darüber hinaus unterfielen die Daten vertraglichen Verschwiegen- heitspflichten gegenüber den Energielieferanten der Beigeladenen. 5 Nach Zurückweisung seines Widerspruchs hat der Kläger Klage erhoben, und zur Begründung vorgetragen, die Beigeladene könne sich zur Abwehr seines Informa- tionsanspruchs nicht auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 6 Landesinformationsfreiheitsgesetz - LIFG - berufen, da ihr aufgrund des satzungsrechtlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwanges im Neubaugebiet eine Monopolstellung zukomme und sie daher nicht in einer Wettbewerbssituation zu privaten Anbietern stehe. Auch § 11 Satz 2 LIFG stehe seinem Informationsverlangen nicht entgegen. Aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges hinsichtlich der Nahwärmeversorgung sei die Beklagte an die Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes gebunden und könne sich auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht berufen. Bei der Erhebung von Gebühren       nach    dem    Kommunalabgabengesetz         (KAG)     habe      der Gebührenpflichtige das Recht, die Gebührenkalkulation einzusehen. Dieser Anspruch stehe ihm – dem Kläger – ebenso zu; die Beklagte könne sich dem durch die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für die Gemeindewerke, deren Anteile sie zu 74,9% halte, nicht entziehen. -4-
3

-4- 6 Der Kläger hat beantragt, 7        die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses bei der Kreis- verwaltung Bad Dürkheim vom 17. Juli 2013 zu verpflichten, ihm durch Überlassung von Kopien der Kostenkalkulation und der hierfür verwendeten Unterlagen, ersatzweise durch Gestatten der Anfertigung von Kopien der für die Kostenkalkulation verwendeten Unterlagen, Zugang zu den behördli- chen Informationen zu gewähren, wie die Beigeladene in dem Abrech- nungszeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 die Endver- braucherpreise für die Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet "…R…“ in Haßloch kalkuliert und welche Einzelpositionen die Beigeladene bei der Kostenkalkulation und Kostenrechnung in dieser Abrechnungsperiode der Verbraucherpreisbemessung zu Grunde gelegt hat. 8 Die Beklagte hat beantragt, 9        die Klage abzuweisen. 10 Sie hat eine Bescheinigung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgelegt, wonach die Preiskalkulation für die Nahwärmeversorgung nach betriebswirtschaft- lichen Grundsätzen ordnungsgemäß erfolgt sei und sich Hinweise auf nicht markt- übliche Kosten und Erlöse im Rahmen der Prüfung nicht ergeben hätten. Auch das Landeskartellamt, das vom Kläger eingeschaltet worden sei, habe keine Anhaltspunkte für das Vorliegen überhöhter Wärmepreise gesehen und daher keine weiteren Ermittlungen gegen die Beigeladene durchgeführt. Im Übrigen seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten maßgeblich durch die vom Kläger angeforderten Daten, insbesondere die Energiebezugskosten, die Kosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die Ertragserlöse bestimmt; ihre Offen- legung ermögliche den Konkurrenten Schlussfolgerungen auf die Kostenkalkula- tion für die Bereiche, in denen die Beigeladene Leistungen auf dem freien Markt anbiete, und könne den wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen daher schaden. -5-
4

-5- 11 Die Beigeladene hat sich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen und ebenfalls beantragt, 12        die Klage abzuweisen. 13 Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte könne dem Anspruch des Klägers auf Informationszugang nicht entgegenhalten, bei den Kalkulationsunterlagen handele es sich um Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 11 Satz 2 LIFG. Denn die Bei- geladene habe in dem Neubaugebiet aufgrund des dort vorgeschriebenen Anschluss- und Benutzungszwanges eine Monopolstellung betreffend die Versor- gung mit Nahwärme inne, so dass ihr insoweit keine Wettbewerbsnachteile drohten. Zwar könne sich ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse im Aus- nahmefall auch für Monopolisten ergeben, ein solches habe die Beklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt. Die Konkurrenzsituation im übrigen Gemeindegebiet ändere an der Monopolstellung im Neubaugebiet nichts. Angesichts der bereits bestehenden Wettbewerbssituation im Gebiet außerhalb des Neubaugebiets sei nicht substantiiert vorgetragen worden, dass sich dort nunmehr ein für die Beige- ladene ruinöser Wettbewerb entwickeln könne. Auch der personelle Geltungs- bereich des § 11 Satz 2 LIFG sei für die Beigeladene nicht eröffnet. Das Recht auf Geheimhaltung, das § 11 Satz 2 LIFG schütze, beruhe auf Art. 12 und Art. 14 GG. Auf diese Grundrechte könne sich die öffentliche Hand als Grundrechtsverpflich- tete nicht berufen. Dies gelte aufgrund teleologischer Reduktion auch für die privatrechtlich handelnde Beigeladene, da sie öffentlich-rechtliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehme. Mit einem privaten Dritten sei die Beigeladene auf- grund der daraus folgenden öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht vergleichbar. Ebenso wenig stehe dem Informationsanspruch § 9 Abs. 1 Nr. 6 LIFG entgegen. Ein Schaden für die wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen sei angesichts deren Monopolstellung im Nahwärmeversorgungsgebiet nicht dargetan. 14 Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt zur Begründung vor, die Informationen, zu denen der Kläger Zugang begehre, -6-
5

-6- stellten berechtigte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar. Diese versorge nicht nur das Wohngebiet des Klägers mit Nahwärme, sondern liefere Strom, Gas und Wasser auch im übrigen Gemeindegebiet. Dort stehe sie im Wettbewerb mit anderen Energieversorgern. Die vom Kläger angeforderten Daten bestimmten den wirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen maßgeblich. Anhand dieser Daten seien wegen der vergleichbaren Kalkulationssystematik Rückschlüsse auch auf die Kalkulation der Gas- und Strompreise außerhalb des Nahwärmegebiets möglich. Aufgrund dessen könnten Wettbewerber die Beigela- dene durch Dumpingpreise vom Markt verdrängen. Die Berufung auf das Geheim- haltungsinteresse sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Nahwärmeversorgung um die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe handele. Zwar leite sich der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus den Grundrechten ab, auf die sich öffentliche Stellen grundsätzlich nicht berufen könnten. Der Gesetzgeber habe die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der öffentlichen Hand jedoch durch § 11 Satz 2 LIFG einfachgesetzlich unter Schutz gestellt. Im Übrigen seien die vom Kläger begehrten Daten ihr – der Beklagten – nicht bekannt. 15 Die Beigeladene trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, bei der Kostenkalkula- tion, deren Offenlegung der Kläger erreichen wolle, handele es sich nicht um amt- liche Informationen im Sinne des LIFG. Denn die begehrten Unterlagen seien allein bei ihr vorhanden. Außerdem werde die Kostenkalkulation nicht von der Beklagten, sondern von ihr – der Beigeladenen – im Rahmen von privatrechtlichen Liefervertragsverhältnissen erstellt. Die Beklagte könne sich die begehrten Unter- lagen nicht verschaffen. Die Einsichtnahme in die Kalkulation sei der Beklagten als Hauptgesellschafterin von den Geschäftsführern gemäß § 51 a GmbHG zu ver- weigern, da die Offenlegung dem Unternehmen einen nicht unerheblichen Nach- teil zufügen werde. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht zudem angenom- men, sie – die Beigeladene – unterfalle als juristische Person des Privatrechts nicht dem personellen Anwendungsbereich von § 11 Satz 2 LIFG. Vielmehr könne sie sich ebenfalls auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. Sie habe darüber hinaus ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der vom Kläger angeforderten Kalkulations- und Kostenrechnungsunterlagen. Denn aus den für das Neubaugebiet sowie das übrige Versorgungsgebiet einheitlichen Erdgas- -7-
6

-7- bezugsbedingungen lasse sich auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Angebotsstrategie sowie ihre Kalkulation in dem übrigen Gemeindegebiet schließen. Eine Offenlegung könne ihren Konkurrenten deshalb Wettbewerbsvor- teile verschaffen. 16 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, 17         unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. April 2014 die Klage abzuweisen. 18 Der Kläger beantragt, 19         die Berufungen zurückzuweisen. 20 Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, der für das Neu- baugebiet von der Beigeladenen in Rechnung gestellte Wärmepreis liege annähernd 100 % über dem Preis, den die Beigeladene für die Gasversorgung des    übrigen   Gemeindegebietes    verlange.  Die  Verbraucherinteressen   der Anwohner des Neubaugebietes seien bewusst zugunsten eines ehrgeizigen Klimaschutzprojektes geopfert worden. 21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (zwei Hefte) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Entscheidungsgründe 22 Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Verwal- tungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, da der Kläger keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen hat. -8-
7

-8- 23 Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 4 des Landesinformations- freiheitsgesetzes – LIFG –. Danach hat jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts gegenüber den in § 2 LIFG genannten Behörden nach Maßgabe dieses Gesetzes Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Informationen. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen dem Grunde nach vor (I.). Dem Infor- mationsanspruch des Klägers steht jedoch der Ausschlussgrund des § 11 Satz 2 LIFG entgegen (II.). 24 I.      Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 LIFG sind gegeben. Der Kläger ist anspruchsberechtigt (1.). Er hat den Auskunftsanspruch betreffend die Nahwärmepreiskalkulation der Beigeladenen zutreffend gegenüber der Beklagten als anspruchsverpflichteter Behörde geltend gemacht (2.). Bei der Preiskalkulation sowie den dazugehörigen Unterlagen handelt es sich auch um amtliche Informationen (3.). 25 1.      Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Die Anspruchs- berechtigung besteht unabhängig davon, aus welchem Interesse der Informati- onszugang geltend gemacht wird. In der Begründung zum Gesetzentwurf des LIFG (LT-Drs. 15/2085, S. 1) wird die Informationsfreiheit als eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie angesehen. Durch das Landes- informationsfreiheitsgesetz sollen die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der Informationszugangsrechte gestärkt und die demokratische Meinungs- und Willensbildung nachhaltig unterstützt werden. Die Transparenz politischer und behördlicher Entscheidungen soll deren Nachvoll- ziehbarkeit und Akzeptanz erhöhen. Da unabhängig von einer individuellen Betroffenheit Sachkenntnisse entscheidende Voraussetzung für eine Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen sind, ist der Informations- anspruch umfassend und voraussetzungslos (LT-Drs. 15/2085, S. 1, 9, 11, 12; so auch die Begründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – IFG -, BT-Drs. 15/4493, S. 1, 7); die Informationsfreiheit wird somit um ihrer selbst willen gewährt (vgl. Schoch, IFG, Kommentar, München 2009, § 1 Rn. 19). 26 Das mit der Informationserlangung vom Kläger verfolgte Ziel, die Wärmepreiskal- kulation als Kunde der Beigeladenen rechnerisch nachzuvollziehen, ist demnach -9-
8

-9- im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG ohne Belang (vgl. Gesetzesbegründung zu § 1, LT-Drs. 15/2085, S. 11, sowie zu § 4 Abs. 1, a.a.O., S. 12). Wird der Zugang zu den amtlichen Informationen voraussetzungslos und unabhängig von einer individuellen Betroffenheit gewährt, vermag insbesondere der Umstand, dass der Kläger als Anwohner im Neubaugebiet dem Anschluss- und Benutzungs- zwang an die Nahwärmeversorgung unterliegt, seine Rechtsposition nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG nicht zu stärken. Deshalb kann der Kläger einen Informations- anspruch nur unter den gleichen Voraussetzungen und in demselben Umfang wie derjenige geltend machen, der in keinerlei Rechtsbeziehung zur Beigeladenen steht. Insofern kommt es nicht darauf an, welches Einsichtsrecht er bei öffentlich- rechtlicher Gestaltung des Versorgungsverhältnisses hätte. Dies gilt auch für die Frage, ob und inwieweit dem Kläger im Rahmen des zivilrechtlich ausgestalteten Wärmelieferungsverhältnisses ein Auskunftsanspruch gegen die Beigeladene zusteht. 27 2.      Die Behörde der beklagten Gemeinde ist gemäß § 2 Abs. 1 LIFG anspruchsverpflichtet. Zwar steht die Beigeladene als juristische Person des Privatrechts, der gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung über die Nahwärmeversorgung des    Baugebiets   „…    R…“    vom     19.   Februar  2009   die  Aufgabe     der Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet von der Beklagten übertragen wurde, nach § 2 Abs. 3 LIFG einer Behörde gleich. Gleichwohl ist der Zugangsantrag gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 LIFG an die Beklagte zu richten, da sie sich der Beigela- denen zur Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. 28 3.      Bei der Nahwärmepreiskalkulation, zu welcher der Kläger Zugang begehrt, handelt es sich um amtliche Informationen im Sinne von § 4 Abs. 1 LIFG. Nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 1 LIFG sind amtliche Informationen im Sinne des Gesetzes alle dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vor- gangs werden sollen, gehören nicht dazu. Die der Nahwärmeversorgung zugrunde liegende Preiskalkulation sowie die damit verbundenen Berechnungsgrundlagen sind als amtliche Informationen im Sinne von § 3 Nr. 1 LIFG einzuordnen. Denn die Beigeladene nimmt die Nahwärmeversorgung des Neubaugebiets als Aufgabe - 10 -
9

- 10 - der Daseinsvorsorge, d.h. als öffentlich-rechtliche Aufgabe, für die Beklagte wahr und steht insoweit nach § 2 Abs. 3 LIFG einer Behörde gleich. 29 Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, die Unterlagen seien nicht bei ihr, sondern allein bei der Beigeladenen vorhanden. Denn als Gesellschafterin der Beigeladenen steht der Beklagten grundsätzlich gemäß § 51 a Abs. 1 des Geset- zes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG – ein Aus- kunfts- und Einsichtsrecht zu. Ob dem § 51 a Abs. 2 GmbHG entgegensteht, kann der Senat offen lassen, weil die Schutzbestimmung des § 11 Satz 2 LIFG den Zugang des Klägers zu den begehrten Informationen ausschließt (vgl. im Folgen- den II.). 30 II.     Dem hiernach eröffneten Anspruch des Klägers auf Informationszugang steht jedenfalls der Ausschlussgrund des § 11 Satz 2 LIFG entgegen. Deshalb kann es der Senat offen lassen, ob der klägerische Antrag auch gemäß § 9 Abs. 1 Satz 6 LIFG abzulehnen war. 31 Nach § 11 Satz 2 LIFG darf der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit die oder der Betroffene eingewilligt hat. Diese Vor- schrift ist auf die Beigeladene anwendbar (1.). Des Weiteren handelt es sich bei den vom Kläger begehrten Informationen über die Kalkulation der Nahwärme- preise um Geschäftsgeheimnisse (2.), zu denen die Beklagte den Zugang zu Recht verweigert hat, weil die Beigeladene nicht eingewilligt hat (3.). 32 1.      § 11 Satz 2 LIFG findet auf die Beigeladene Anwendung, da sie nicht nur aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges als alleiniges Unternehmen im Neubaugebiet die Nahwärmeversorgung gewährleistet, sondern im übrigen Gemeindegebiet der Beklagten u.a. als Gasversorger im Wettbewerb zu anderen Anbietern steht. 33 § 11 Satz 2 LIFG soll der Gefahr der Ausforschung von Betriebs- und Geschäfts- geheimnissen durch Anträge auf Gewährung von Zugang zu amtlichen Informatio- nen entgegenwirken, dabei insbesondere den Schutz wettbewerbsrelevanter Unternehmensdaten und so des wirtschaftlichen Geschäftsbereichs sicherstellen. - 11 -
10

Zur nächsten Seite

Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: