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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
12 N 44.13
Datum
9. März 2015
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 9. März 2015

12 N 44.13

Das Oberverwaltungsgericht lehnt den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz ab. Es stellt fest, dass diese zu recht entschieden hat, dass der Schutz personenbezogener Daten bzw. die fehlende Einwilligung der Geschäftsführer der Beklagten - einem beliehenen Unternehmen, das öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt - entgegensteht. Auch bestätigt das Oberverwaltungsgericht die Ablehnung des Informationszugangs aufgrund der fehlenden Verfügungsberechtigung der Beklagten für bestimmte Unterlagen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Personenbezogene Daten Zuständigkeit

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Wappen Berlins und Brandenburgs OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS OVG 12 N 44.13 VG 2 K 172.12 Berlin In der Verwaltungsstreitsache Klägerin und Antragstellerin, bevollmächtigt: gegen Beklagte und Antragsgegnerin, bevollmächtigt: hat der 12. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und die Richter am Oberverwaltungsgericht Böcker und Bath am 9. März 2015 beschlossen: Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. März 2013 wird abgelehnt. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin. Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 10 000 EUR festgesetzt. Gründe -2-
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-2- Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen auf der Grundlage der mit dem Zulassungsvorbringen erho- benen Rügen bzw. als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragestellungen nicht vor. 1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Auskunft über die Geschäftsführervergütung bei der Beklagten der Schutz der personenbezogenen Daten und die fehlende Einwilligung der Geschäftsführer nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG entgegensteht. Da es im Jahr 2003 nur zwei Geschäftsführer bei der Beklag- ten gegeben hat, entfällt der gebotene Schutz personenbezogener Daten nicht durch die von der Klägerin angestrebte Auskunft zur Summe der gezahlten Ge- schäftsführergehälter. Das Argument, dass das exakte Gehalt jedes der Ge- schäftsführer nicht ermittelbar sei, wenn nur der Gesamtverdienst beider angege- ben werde. Es ist zwar richtig, dass die Ermittlung des exakten Gehalts jedes der Geschäftsführer zusätzliches Wissen zur Höhe einer der beiden Vergütungen v o- raussetzt. Wird jedoch – auf welchem Wege auch immer – solches Zusatzwissen erlangt, läuft der Schutz personenbezogener Daten beider Betroffener infolge der Auskunft leer. Diese Situation unterscheidet sich wesentlich von derjenigen ag- gregierter Daten einer Vielzahl von Personen, bei der Kenntnis der Zugehörigkeit eines Datensatzes zu einer bestimmten Person regelmäßig noch keinen Rück- schluss auf die Zuordnung der übrigen Daten und deren Reanonymisierung zu- lässt. Davon abgesehen ermöglicht schon die Teilbarkeit der mitgeteilten Summe durch die Zahl der Geschäftsführer Spekulationen über die gezahlte Vergütung, deren Vermeidung auch vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ist. Dass unter den hier vorliegenden Ge- gebenheiten der Schutz personenbezogener Daten vorrangig ist, bedarf auch kei- ner grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren, sondern versteht sich von selbst. Nichts anderes gilt für das Auskunftsbegehren betreffend die Angabe des Gesamtverdienstes des Geschäftsführers W., wobei das Zulassungsvorbri n- gen insoweit zusätzlich verkennt, dass auch der Gesamtverdienst einer Person über mehrere Jahre hinweg ein personenbezogenes Datum ist, dessen Schut z- würdigkeit unabhängig davon besteht, ob aus dem Gesamtverdienst auf den Ein- zelverdienst eines Jahres oder bestimmter Zeiträume geschlossen werden kann. -3-
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-3- Die darüber hinaus als rechtsgrundsätzlich dargestellte Frage, ob die Beklagte durch „Flucht“ in eine private Rechtsform Intransparenz hinsichtlich der Gehälter ihrer Leiter und ihrer Mittelverwendung schaffen kann und darf, würde sich in ei- nem Berufungsverfahren nicht stellen. Das vorliegende Verfahren hat das Beste- hen eines Anspruchs auf Informationszugang unter den gegebenen organisator i- schen Verhältnissen zum Gegenstand, nicht eine gutachterliche Äußerung zu der Frage, bei welcher Organisationsform die größtmögliche Transparenz gewährleis- tet ist. Wäre die Beklagte im Übrigen als Bundesbehörde organisiert und ihre Lei- ter nach dem Bundesbesoldungsgesetz bezahlte Beamte, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die begehrte Information hinsichtlich der Bewertung des Lei- tungsamtes dem Gesetz entnehmen könnte (vgl. § 9 Abs. 3 IFG); die Höhe des konkreten Gehalts in allen seinen Bestandteilen bliebe aber auch dann ein § 5 IFG unterfallendes personenbezogenes Datum, das nicht ohne die Einwilligung des Betroffenen mitgeteilt werden dürfte (vgl. zum IFG Bln: Senatsurteil vom 27. Januar 2011 – OVG 12 B 69.07 - OVGE 32, 27, juris Rn. 31 f.). 2. Die Richtigkeit des Urteils steht auch nicht in Frage, soweit das Verwaltungsg e- richt bezüglich der Klageanträge zu 1 e) und f), 2 a) sowie b) – Dokumente 98 und 103 - angenommen hat, der Beklagten fehle hinsichtlich dieser Informationen die Verfügungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG, weil Urheber der Informatio- nen die im Rahmen ihrer Zuständigkeit handelnde Bundesanstalt für Finanzdienst- leistungen und nicht die Beklagte sei. Nach der genannten Vorschrift entscheidet über den Informationszugang die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist. Das Verwaltungsgericht hat diese Bestimmung in Übereinstimmung mit der Begründung des Gesetzes (BT-Drucks. 15/4493, S. 14) und der hierzu vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 – 7 C 4.11 – NVwZ 2012, 251; juris Rn. 27) als Zuständig- keitsbestimmung aufgefasst und allein in der Zugehörigkeit bestimmter Informat i- onen zu den Akten einer informationspflichtigen Stelle noch nicht zugleich die Verfügungsberechtigung gesehen (vgl. auch BVerwG, a.a.O.). Dabei hat es zwar in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (zuletzt Urteile vom 28. Januar 2015 – OVG 12 B 21.13 –, juris Rn. 18, und vom 6. November 2014 – OVG 12 B 14.13 –, juris Rn. 26) angenommen, dass grundsätzlich jede durch das Gesetz verpflichtete Stelle zur Verfügung über eine nicht nur ihr, sondern auch anderen -4-
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-4- Stellen vorliegende Information berechtigt ist. Es hat sodann aber den Fall als Ausnahme angesehen, in dem der Zugang – wie hier – bei mehreren informati- onspflichtigen Stellen zu inhaltlich identischen Informationen beantragt wird, die eine der Stellen im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen hat, während sie der anderen Stelle nur informationshalber übermittelt worden sind. In einem solchen Fall liege die Verfügungsberechtigung bei der Be- hörde, der die Urheberschaft und damit die größte Sachnähe zum Verfahren zu- komme. Soweit das Zulassungsvorbringen Richtigkeitszweifel an der Entscheidung daraus herleiten möchte, dass gesetzlich Fälle des Auseinanderfallens von Informations- besitz und Verfügungsbefugnis nur in den – fallbezogen nicht einschlägigen – Konstellationen des § 3 Nr. 5 und 7 IFG geregelt seien, verkennt es, dass diese Normen den Anspruch auf Informationszugang bei jeder Stelle ausschließen, die über die Information verfügt, während das Verwaltungsgericht die Klägerin vorlie- gend auf den bei der sachnäheren Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- sicht gestellten Antrag verwiesen hat. Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe lediglich vermutet, dass die eing e- forderten Informationen auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- sicht vorliegen und hätte deshalb den Rechtsstreit wegen Vorgreiflichkeit einer diesbezüglichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main aus- setzen müssen, führt nicht zum Vorliegen des Zulassungsgrundes. Fehlt der Be- klagten nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts die Verfügungsbefugnis über die bei ihr vorhandene Information, war das Verfahren auf Informationszu- gang bei der verfügungsberechtigten Behörde nicht vorgreiflich im Sinne von § 94 VwGO für die (klagabweisende) Entscheidung im vorliegenden Verfahren. Das Verfahren über den bei der zuständigen Behörde gestellten Antrag bietet vielmehr den einzigen und alleinigen Weg für den Informationszugang. Für die von der Klä- gerin geäußerte Vermutung, die Bundesanstalt könne zu den Fragen zu 1 e) und 1 f) keine Auskunft erteilen, fehlt dagegen jeder Anhalt. Die Fragen betreffen die aufsichtliche Prüfung und die Durchführung von Sonderprüfungen nach dem Kr e- ditwesengesetz bei einem Bankinstitut. Es ist daher davon auszugehen, dass Un- terlagen hierüber zu den Akten der Behörde gelangt sind, die solche Prüfungen durchgeführt oder veranlasst hat. -5-
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-5- 3. Die Rechtssache hat auch mit der Frage keine grundsätzliche Bedeutung, ob „es tatsächlich weitere gesetzlich nicht geregelte ungeschriebene Fälle gibt, in denen der Informationsbesitz und die Verfügungsbefugnis auseinanderfallen kö n- nen“. Dass nämlich das Gesetz insoweit offen ist, hat das Bundesverwaltungsg e- richt bereits rechtsgrundsätzlich entschieden, wenn es in dem Urteil vom 3. No- vember 2011 ausgeführt hat (a.a.O. Rn. 27): „Mit diesem Kriterium (Anm. d. Se- nats: der Verfügungsberechtigung) macht das Gesetz deutlich, dass die lediglich faktische Verfügungsmöglichkeit im Unterschied etwa zu § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG (siehe dazu Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht I, § 2 UIG Rn. 53) nicht ausreicht. Die Verfügungsberechtigung liegt aber auch nicht bereits dann vor, wenn die Information nach formalen Kriterien ordnungsgemäß Teil der Akten der grundsätzlich informationspflichtigen Behörde ist. Die ordnungsmäßige Zug e- hörigkeit zu den Akten ist nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Verfügungsberechtigung.“ Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Plückelmann                            Böcker                              Bath
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