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Information

Aktenzeichen
9 K 14.488
Datum
4. November 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Regensburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Gerichtsbescheid: Verwaltungsgericht Regensburg am 4. November 2014

9 K 14.488

Das Verwaltungsgericht hebt den Widerspruchsbescheid eines Jobcenters, das die Herausgabe einer Diensttelefonliste seiner Mitarbeiter verweigert hatte, auf und verpflichtet den Kläger per Gerichtsbescheid, den Zugang zu gewähren. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist nicht zu erkennen; ein denkbares erhöhtes Aufkommen an dienstlichen Anrufen berührt keine schützenswerten Interessen der Mitarbeiter. Auch im Fall der Bekanntgabe der Nummern könnte etwa durch die Einrichtung automatischer Rufumleitungen die vom Jobcenter eingerichtete Bündelung der eingehenden Anrufe weiterhin verwirklicht werden. Da durch eine Veröffentlichung der in Rede stehenden Daten durch das Jobcenter keine schützenswerten personenbezogenen Daten preisgegeben werden (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2008, 2 B 131/07), sollte dies erst recht gelten, wenn diese Daten lediglich gegenüber einer Einzelperson bekannt gegeben werden. Die Rückausnahme, die das Informationsfreiheitsgesetz für personenbezogene Daten von "Bearbeitern" vorsieht, kommt hier außerdem zum Tragen. Das voraussetzungslose Informationsfreiheitsrecht verlangt zudem keinen Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang. Datenschutzrechtliche Belange können dem Klagebegehren demnach nicht entgegengehalten werden. (Quelle: LDA Brandenburg)

Drittbetroffenheit Interessenabwägung Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung Sicherheitsaspekte

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Az. RN 9 K 14.488 Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache ***** ***** *****, ***** - Kläger - bevollmächtigt: ***** Rechtsanwälte *****, ***** gegen Jobcenter ***** *****, ***** - Beklagter - beteiligt: Regierung von Niederbayern als Vertreter des öffentlichen Interesses Postfach, 84023 Landshut wegen Auskünfte nach dem IFG erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 9. Kammer, ohne mündliche Verhandlung am 4. November 2014 folgenden Gerichtsbescheid: I. Der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 14. Februar 2014 wird aufgehoben. II. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Zugang zu den dienstli- chen Telefonnummern der sachbearbeitenden Mitarbeiter des Be- klagten zu gewähren. III. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. IV.  Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer III vorläufig vollstreckbar. Der Be- klagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinter-
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-4- legung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Tatbestand: Der Kläger begehrt Zugang zur Diensttelefonliste des Beklagten. Der Kläger ist wohnhaft in B***** und bezieht vom dortigen Jobcenter Leistungen nach SGB II. Der Beklagte ist eine „gemeinsame Einrichtung“ i.S.v. § 44b SGB II zwischen der Bunde- sagentur für Arbeit und der Stadt ***** und für die Durchführung der Grundsicherung für Ar- beitsuchende im Gebiet der Stadt ***** zuständig. Für die telefonische Kommunikation mit seinen „Kunden“ hat der Beklagte ein „Service-Center“ eingerichtet, über das jegliche Anrufe von         Kunden          erfolgen      bzw.        weitergeleitet      werden          (vgl. <https://www.verwaltungsservice.bayern.de/dokumente/behoerde/473#######116>). Mit Schreiben vom 29.12.2013 beantragte der Kläger beim Beklagten, ihm „eine Liste mit allen Durchwahlnummern der Sachbearbeiter und Vermittler, sowie den sachbearbeitenden Mitarbeitern der Widerspruchsstelle“ zu Verfügung zu stellen. Grund hierfür sei, dass der Kläger aus den ihm zugänglichen Informationsquellen keine bzw. keine aktuelle Diensttele- fonliste gefunden habe bzw. diese zum Teil von Privatpersonen veröffentlicht worden seien, von denen er nicht wisse, ob sie tatsächlich die richtigen bzw. aktuellen Listen veröffentlicht hätten. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 2.1.2014 ab und teilte ihm da- bei u.a. eine zentrale Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse des Beklagten mit. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbe- scheid vom 14.2.2014, versehen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, zu- rück. Ein Zustellungsnachweis ist der Behördenakte nicht zu entnehmen; der Entwurf des Widerspruchsbescheids trägt jedoch den Vermerk „Entwurf abges. am: 18.2.14“. Zur Be- gründung wird ausgeführt, dass es beim Beklagten keine aktuelle Diensttelefonliste gebe. Er habe 2013 ein „modernes Telefonsystem z.B. mit Sprachsteuerung oder PC-unterstützter Anwahl von Gesprächspartnern eingeführt“, das schriftlich fixierte oder elektronisch gespei- cherte oder handschriftlich geführte Diensttelefonlisten überflüssig gemacht habe. Dem In- formationsanspruch des Klägers sei der Beklagte auch bereits nachgekommen, da dem Kläger im streitgegenständlichen Bescheid die Verbindungsnummer des vom Beklagten eingeschalteten Service-Centers mitgeteilt worden sei. Mit Schreiben vom 14.3.2014, bei Gericht eingegangen mit Fax am selben Tag, beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevoll-
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-5- mächtigten für eine beabsichtigte Klage gegen den Beklagten; eine Erklärung über die per- sönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ging am selben Tag mit Fax ein. Dem Antrag beigefügt war ein Klageentwurf, mit dem er begehrte, den Beklagten zu ver- pflichten, dem Kläger Zugang zur letzten aktuellen Diensttelefonliste des Beklagten zu ge- währen. Mit Beschluss vom 22.8.2014, dem Kläger am 26.8.2014 zugestellt, hat das Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung bewilligt. Daraufhin ließ der Kläger am 1.9.2014 Klage erheben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass es sich bei den begehr- ten Telefonnummern um amtliche Informationen i.S.v. § 2 Nr. 1 IFG handele. An diesem Charakter ändere sich nicht deshalb etwas, weil es dem Kläger nicht um die dienstliche Tele- fonnummer eines einzelnen Mitarbeiters im Zusammenhang mit einem konkreten Verwal- tungsvorgang, sondern losgelöst hiervon um die Telefondurchwahlliste aller Sachbearbeiter gehe. Dem IFG lasse sich eine derartige Einschränkung nicht entnehmen und sei auch nicht vom Sinn des Gesetzes getragen. Ausschlussgründe nach §§ 3, 4 und 6 IFG seien nicht ersichtlich. Insbesondere im Hinblick auf § 3 Nr. 2 IFG sei nicht ersichtlich, dass bei Be- kanntgabe der dienstlichen Telefonnummern die Funktionsfähigkeit des Beklagten in Frage gestellt sei. Auch das vermeintliche Interesse der Mitarbeiter des Beklagten am Ausschluss des Informationszugangs überwiege nicht das Interesse des Klägers am Informationszu- gang. Mit der Nennung des Namens und der dienstlichen Telefonnummer würden keine schützenswerten personenbezogenen Daten preisgegeben, sodass sich sogar die Frage einer für Eingriffe in individuelle Rechte erforderlichen Ermächtigungsgrundlage nicht stelle. Auf die Einwilligung der Mitarbeiter des Beklagten komme es daher nicht an. Auch Organisa- tionserwägungen des Beklagten fänden als Ausschlussgrund im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber habe die Frage der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung allgemein in §§ 3, 4 IFG gesehen, deren Voraussetzungen hier jedoch nicht vorlägen. Für den Fall, dass der Rechtsauffassung des Klägers in Bezug auf die Schutzwürdigkeit der Namen der Behör- denmitarbeiter nicht gefolgt werde, werde die Herausgabe der anonymisierten Diensttelefon- nummernliste beantragt. Sofern eine Diensttelefonliste beim Beklagten nicht mehr weiterge- führt werde, begehre der Kläger die letztmalig aktualisierte Telefonliste des Beklagten. Der Kläger lässt sinngemäß beantragen: 1. Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 02.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2014 verpflichtet, dem Kläger Zugang zur letzten aktuellen Diensttelefonliste des Beklagten zu gewähren. 2. Hilfsweise wird der Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Ablehnungsbe- scheids vom 02.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2014 verpflichtet, dem Kläger Zugang zur letzten anonymisierten Diensttelefonnummern-
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-6- liste zu gewähren, anstatt der Namen der Mitarbeiter ist der jeweilige Zuständig- keitsbereich zu nennen. Sofern mehrere Mitarbeiter in demselben Zuständigkeitsbe- reich eingesetzt werden, sind diese durch die Nennung der zwei Anfangsbuchsta- ben ihrer Nachnamen zu individualisieren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte meint, die Klage sei unzulässig, da der Kläger sein Begehren mit der Klage- schrift abgeändert habe und jetzt Zugang zur „letzten aktuellen Diensttelefonliste“ begehre. Hinsichtlich des Antrags auf Bekanntgabe der „letzten“ Diensttelefonliste fehle der Klage aber ein abgeschlossenes Vorverfahren. Über den nunmehr neuen Antrag müsse daher gesondert in einem Verwaltungsverfahren entschieden werden. Der Beklagte weist ferner darauf hin, dass die begehrte Datenliste nicht mehr existiere. Die Kommunikationsabwick- lung des Beklagten erfolge über Intranet-basierte IT-Systeme der Agentur für Arbeit, bei denen es sich um eine globale Adressliste handele, auf die der Beklagte keine eigene Verfü- gungsbefugnis habe, sondern nur lesenden Zugriff. Bei der Diensttelefonliste des Beklagten handele es sich auch nicht um eine „amtliche Information“ i.S.d. § 2 Nr. 1 IFG. Der Gesetz- geber gehe davon aus, dass Geschäftsverteilungspläne, die Namen, dienstliche Rufnum- mern und weitere Angaben enthalten, nicht per se der Offenlegungspflicht gemäß § 11 Abs. 2 IFG unterlägen. Auch der Beklagte könne daher selbst bestimmen, ob und ggf. auf welche Weise er die tatsächliche Erreichbarkeit seiner Bediensteten durch Außenstehende sicher- stellen wolle. Selbst wenn sich der Beklagte entscheiden würde, Diensttelefonlisten nicht zu veröffentlichen, obliege dies dem Organisationsermessen und begründe über das IFG kei- nen Anspruch auf Offenlegung. Dem Informationsbegehren stünde auch § 5 IFG entgegen. Um einen Fall des § 5 Abs. 4 IFG handele es sich nicht, wenn explizit die Herausgabe von Mitarbeiterdaten beantragt werde, die aufgrund ihrer detaillierten Aufschlüsselung nicht unter § 11 Abs. 2 IFG fielen. Es handele sich dann um einen Fall nach § 5 Abs. 1 IFG mit der Fol- ge, dass eine Abwägung durchgeführt bzw. die Einwilligung aller Mitarbeiter eingeholt wer- den müsse. Die gebotene Mitarbeiterfürsorge und Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 79 BBG sei vorrangig zu gewährleisten. Dem Kläger sei außerdem mitgeteilt worden, dass die externe Kommunikation mit dem Beklagten über dessen Service-Center und die mitgeteilte Telefonnummer sichergestellt sei. Der Kläger verfüge daher bereits über ausreichende In- formationen gemäß § 9 Abs. 3 IFG. Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben je vom 19.9.2014 zur beabsichtigten Entschei- dung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört.
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-7- Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorge- legten Behördenakte Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu angehört (§ 84 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO). Die Klage ist im Hauptantrag zulässig und begründet. I. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig. 1. Sie ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegen- klage statthaft, da die Entscheidung über Anträge auf Gewährung von Informationen nach dem IFG – wovon offenbar § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG auch ausgeht – in Gestalt eines Verwal- tungsakts erfolgt (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 31.5.2011 – 12 N 20.10; VG Ansbach, U.v. 27.5.2014 – AN 4 K 13.01194). 2. Die Klage ist nicht wegen Verfristung unzulässig. Der Kläger erhob zwar erst am 1.9.2014 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid in Form des Widerspruchsbescheids vom 14.2.2014 und damit auch unter etwaiger Berücksichtigung von § 8 VwZG nicht mehr innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dem Kläger war jedoch insoweit Wie- dereinsetzung zu gewähren. Er hat noch am 14.2.2014 – und damit jedenfalls noch vor Ablauf der vorgenannten Frist – Prozesskostenhilfe unter Vorlage aller nach § 166 VwGO, § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Unterlagen beantragt, die dem Kläger mit Beschluss vom 22.8.2014 auch bewilligt worden ist. Der Klageerhebung vor Ablauf der Klagefrist stand damit ein Hindernis entgegen, das der Kläger nicht zu vertreten hatte (§ 60 Abs. 1 VwGO) und das mit Zustellung des Beschlusses vom 22.8.2014 am 26.8.2014 wegfiel. Die Kla- geerhebung am 1.9.2014 erfolgte innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO, so- dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3, 4 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. 3. Die Klage ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger im Hinblick auf sein Klagebegehren vor Klageerhebung kein (erfolgloses) behördli-
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-8- ches Vorverfahren durchlaufen hätte. Mit seinem Schreiben vom 29.12.2013 begehrte der Kläger vom Beklagten „eine Liste mit allen Durchwahlnummern der Sachbearbeiter und Vermittler“ des Beklagten und begründete dies damit, dass er selbst keine „aktuelle Diensttelefonliste“ gefunden habe. Nachdem der Beklagte dieses Begehren u.a. mit der Begründung abgelehnt hatte, dass Diensttelefonlisten seit 2013 bei ihm nicht mehr er- stellt würden, erhob der Kläger Klage mit dem Hauptantrag, ihm Zugang zur „letzten aktu- ellen Diensttelefonliste“ des Beklagten zu gewähren. Bei dem hiermit geltend gemachten Informationsbegehren handelt es sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht um ein gegenüber dem behördlichen Ausgangsverfahren „anderes“ oder „neues“, sondern um ein identisches Begehren. Die Kammer ist bei der Auslegung des Rechtsschutzbegehrens nach § 88 VwGO nicht an den Wortlaut der Anträge gebunden, sondern nur an das er- kennbare Klageziel, so wie es sich aufgrund des gesamten Parteivorbringens und nicht nur allein aufgrund des Wortlauts des Klageantrags darstellt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 88 Rn. 3 f.); insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden (BVerwG, U.v. 9.4.2014 – 8 C 50/12). Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich unter Berücksichtigung des Klageantrags und der Begründung bei verständiger Würdigung zweifelsfrei, dass es ihm darum geht, Kenntnis der gegenwärtig gültigen dienstlichen Telefonnummern der einzel- nen Mitarbeiter des Beklagten („Diensttelefonliste“) zu erlangen. Kein anderer Sinngehalt ist seinem Antragsschreiben an den Beklagten vom 29.12.2013 zu entnehmen. Die Kam- mer hält es daher für müßig, den semantischen Unterschied zwischen einer „aktuellen“, einer „letzten“ und einer „letzten aktuellen“ Diensttelefonliste zu erörtern, will der Kläger durch diese Attribute doch erkennbar nur zum Ausdruck bringen, dass es ihm um den Zu- gang zu Informationen geht, die möglichst „aktuell“, „auf dem letzten Stand“ oder „up to date“ sein sollen. II. Die Klage ist im Hauptantrag auch begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch, ihm Zugang zu den dienstlichen Telefonnummern der sachbearbeitenden Mit- arbeiter des Beklagten zu gewähren. Der ablehnende Bescheid des Beklagten ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Nach Auffassung der Kammer steht dem Kläger grundsätzlich ein entsprechender Aus- kunftsanspruch zur Seite (1.), gegen den der Beklagte auf Grundlage des IFG oder ande- rer einfachgesetzlicher Regelungen keine Einwände erheben kann (2.). 1. Anspruchsgrundlage für das geltend gemachte Informationsbegehren ist § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
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-9- a) Der Beklagte ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG anspruchsverpflichtet. Der Beklagte ist zwar keine Bundesbehörde und auch kein sonstiges Bundesorgan, keine sonstige Bundeseinrichtung und keine Person i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 IFG. Die Anwendbar- keit des IFG auf ihn ergibt sich jedoch aus § 50 Abs. 4 Satz 2 SGB II, wonach sich der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber einer „gemeinsamen Ein- richtung“ nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes richtet (vgl. VG Leipzig, U.v. 10.1.2013 – 5 K 981/11; VG Neustadt/Weinstraße, U.v. 4.9.2014 – 4 K 466/14). b) Das Informationsbegehren des Klägers scheitert nicht daran, dass die begehrte Infor- mation nicht existent wäre oder der Beklagte objektiv nicht in der Lage wäre, das In- formationsbegehren des Klägers zu erfüllen. Die Kammer hält das Vorbringen des Be- klagten, bei ihm existiere keine Liste der dienstlichen Telefonnummern seiner Mitarbei- ter (mehr), angesichts ihrer Erfahrung im privaten wie dienstlichen Umgang mit Behör- den auch im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel für unglaubhaft. Es wird davon auszugehen sein, dass der Beklagte die dienstlichen Telefonnummern seiner Mitarbei- ter zumindest in Form einer elektronisch gespeicherten Liste erfasst, zur internen Kommunikation vorhält und regelmäßig pflegt. Selbst für den lebensfremden Fall, dass ein solches „herkömmliches“ Telefonverzeichnis beim Beklagten nicht existent sein sollte, ändert dies nichts daran, dass – was auch der Beklagte selbst zu erkennen gibt – die dienstlichen Telefonnummern seiner Mitarbeiter jedenfalls in Form von elektro- nisch gespeicherten Datensätzen in seinem „Intranet-basierten IT-System“ hinterlegt sind, die der Beklagte auch abzurufen in der Lage ist. Dass der Beklagte hierauf nur „lesenden Zugriff“ habe, kann dem Beklagten ebenfalls nicht geglaubt werden. Er gibt selbst an, dass bei ihm „neben grundlegenden organisatorischen Veränderungen zwi- schenzeitlich auch mehrfach (und andauernd) personelle Veränderungen erfolgten, sei es dass andere Aufgabengebiete übertragen oder solche geändert wurden, Mitarbei- ter/-innen ganz oder vorübergehend ausgeschieden sind oder neu eingestellt wurden“. Ergeben sich beim Beklagten aber ständig personelle oder strukturelle Änderungen, kann ihm nicht geglaubt werden, dass er die dabei erforderlich werdenden Änderungen im Hinblick auf die Kontaktdaten der betroffenen Mitarbeiter nicht selbst vorzunehmen in der Lage wäre. Selbst wenn aber der Beklagte nur „lesenden Zugriff“ auf die begehr- ten Daten haben sollte, hindert ihn dies nicht, dem Informationsbegehren des Klägers nachzukommen und den Kläger in Kenntnis der begehrten Telefonnummern zu setzen, zumal es dem Kläger nach seinem gesamten Vorbringen ersichtlich nicht darum geht, die begehrte Information nur in einer bestimmten, etwa gedruckten Form zu erhalten. Im Übrigen hat der Beklagte sich insofern bereits selbst widerlegt. Immerhin war es ihm möglich, in seinem Bescheid vom 2.1.2014 dem Kläger Name, Telefondurchwahlnum-
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- 10 - mer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse des sachbearbeitenden Mitarbeiters mitzutei- len. Es erschließt sich daher nicht, warum eine entsprechende Mitteilung nicht ebenso auch im Hinblick auf die dienstlichen Telefonnummern anderer Mitarbeiter des Beklag- ten möglich sein sollte. c) Bei der begehrten Information handelt es sich auch um eine amtliche Information. Dies ist nach § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unab- hängig von der Art ihrer Speicherung. Erfasst werden nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/4493, S. 8 f.) „alle Formen von festgehaltener und gespeicherter Infor- mation, die auf einem Informationsträger gespeichert ist. Gemeint sind Aufzeichnungen […], die elektronisch, optisch, akustisch oder anderweitig gespeichert sind. Nicht er- fasst werden private Informationen oder solche, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zu- sammenhängen.“ Bei den dienstlichen Telefonnummern der Mitarbeiter des Beklagten handelt es sich zumindest um elektronisch gespeicherte Informationen, die auch der in- und externen Kommunikation des Beklagten und somit ausschließlich amtlichen Zwe- cken dienen. Für die Einordung einer Information als „amtliche Information“ i.S.v. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG unerheblich ist es nach Ansicht des Gerichts, ob die jeweilige Informa- tion in Beziehung zu einem konkreten Verwaltungsvorgang steht oder nicht. Anhalts- punkte dafür, dass der Zugang zu Informationen nach dem IFG generell davon abhän- gig sein soll, dass sich das Informationsbegehren auf einen konkret zu bezeichnenden Verwaltungsvorgang bezöge, ergeben sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung (so auch VG Neustadt/Weinstraße, U.v. 4.9.2014 – 4 K 466/14 – juris Rn. 35; a.A. aber VG Ansbach, U.v. 27.5.2014 – AN 4 K 13.01994 – juris Rn. 30). Insbesondere ergibt sich aus § 2 Nr. 1 Satz 2 IFG nicht, dass der Informati- onszugang in jedem Fall einen Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang vo- raussetzt. Dort ist geregelt, dass lediglich bestimmte Informationen, nämlich „Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen“, keine amtlichen In- formationen sind (vgl. insoweit auch § 4 IFG, § 299 Abs. 4 ZPO, § 100 Abs. 3 VwGO, § 46 Abs. 2 Satz 2 BDSG). Daraus ergibt sich allenfalls, dass der Informationszugang nur hinsichtlich Entwürfen und Notizen einen konkreten Bezug zu einem Vorgang auf- weisen muss. Es lässt sich hieraus jedoch nicht schließen, dass generell nur solche In- formationen dem Informationszugang nach dem IFG unterlägen, die auch Bestandteil eines Verwaltungsvorgangs werden sollen oder einen entsprechenden Bezug aufwei- sen. Auch aus § 11 Abs. 2 IFG ergibt sich nicht, dass der Informationszugang nach dem IFG generell von einem Bezug zu einem (bestimmten) Vorgang abhinge. Nach § 11 Abs. 2 IFG sind „Organisations- und Aktenpläne ohne Angaben personenbezogener
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- 11 - Daten nach Maßgabe dieses Gesetzes allgemein zugänglich zu machen“. § 11 Abs. 2 IFG statuiert damit eine generelle, d.h. antragsunabhängige Veröffentlichungspflicht, von der aber personenbezogene Daten (und damit auch dienstliche Telefonnummern) ausgenommen sind. Solche sollen „als sonstige amtliche Information […] nur auf An- trag mitzuteilen“ sein (BT-Drucks. 15/4493, S. 16). § 11 Abs. 2 IFG kann daher ledig- lich entnommen werden, wann Informationszugang generell und ohne vorherigen An- trag zu gewähren ist. Diese Bestimmung schließt indessen nicht aus, dass andere als die darin genannten Informationen zwar nicht generell, aber auf Antrag mitzuteilen sind und trifft auch hinsichtlich der Einordnung einer Information als „amtliche“ i.S.d. IFG keine (einschränkende) Aussage. Dass es sich speziell bei den dienstlichen Telefon- nummern von Behördenmitarbeitern um eine amtliche Information handelt, ergibt sich schließlich auch aus der Existenz der Regelung in § 5 Abs. 4 IFG, wonach u.a. die Te- lekommunikationsnummern von Bearbeitern unter den dort genannten Voraussetzun- gen vom Informationszugang nicht ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber geht daher offenbar selbst davon aus, dass es sich bei den in § 5 Abs. 4 IFG genannten Daten um amtliche Informationen i.S.d. IFG handelt. 2. Dem Informationsbegehren lassen sich nach Auffassung der Kammer auch keine Aus- nahmetatbestände des IFG entgegenhalten. a) Dass sich der Beklagte hier nicht auf § 9 Abs. 3 IFG berufen kann, ist offensichtlich; weiterer Ausführungen bedarf es insoweit nicht. b) Ausschlussgründe nach §§ 3, 4 und 6 IFG sind ebenfalls nicht gegeben; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Bekanntgabe der dienstlichen Telefonnummern der Mitar- beiter des Beklagten an den Kläger die öffentliche Sicherheit gefährden könnte (§ 3 Nr. 2 IFG). Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie des Be- standes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger von Hoheitsgewalt. Im Hinblick auf Individualrechte und -rechtsgüter der Mitarbeiter des Beklagten ist (abgesehen von datenschutzrechtlichen Belangen; dazu sogleich un- ter Buchst. c)) bereits weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese durch die Be- kanntgabe ihrer dienstlichen Telefonnummern an den Kläger oder gar an die Allge- meinheit in irgendeiner Weise gefährdet würden. Ein allenfalls denkbares erhöhtes Aufkommen an dienstlichen Anrufen je Mitarbeiter berührt keine schützenswerten Inte- ressen der Beklagtenmitarbeiter, sondern führte allenfalls zu einem erhöhten Arbeits- aufwand und ggf. Auswirkungen auf die Bearbeitungskapazitäten des Beklagten und schlimmstenfalls auf dessen Funktionsfähigkeit. Eine derartige Gefahrenlage ist jedoch
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- 12 - nicht ersichtlich. Was die Rechte und Rechtsgüter des Beklagten selbst angeht, ist ebenfalls nicht er- sichtlich, dass diese durch die Bekanntgabe der Telefonnummern seiner Mitarbeiter gefährdet würden. Verschiedene Stimmen weisen insoweit zwar darauf hin, dass der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ auch die Befugnis, die Verpflichtung oder das (Or- ganisations-) Ermessen einer Behörde umfasse, Regelungen zur telefonischen Kom- munikation bzw. Erreichbarkeit ihrer Mitarbeiter zu treffen (vgl. VG Potsdam, B.v. 3.9.2014 – 9 K 1334/14 – juris Rn. 3; VG Augsburg, B.v. 6.8.2014 – Au 4 K 14.983 – juris Rn. 19). Diese Annahme mag zutreffend sein, führt jedoch nicht dazu, dass be- reits einer Anfrage wie der des Klägers entgegengehalten werden könnte, sie gefährde das Organisationsermessen des Beklagten. Der Begriff des „(Organisations-) Ermes- sens“ bezeichnet lediglich die (regelmäßig nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbare) Befugnis oder Verpflichtung einer Behörde, sich innerhalb rechtlicher und tatsächlicher Grenzen aus einer Mehrzahl von Entscheidungsvarianten für die eine oder andere Va- riante der Organisationsgestaltung zu entscheiden. Handelt es sich aber bei der Frage, ob eine Behörde ihre Diensttelefonliste allgemein oder einzelnen Personen zugänglich macht, gerade um eine Frage, die im Rahmen des behördlichen Organisationsermes- sens vorbehaltlich gesetzlicher Einschränkungen in die eine oder andere Richtung be- antwortet werden kann, so kann es sich bei einer Anfrage eines Bürgers an die Behör- de, dieses Ermessen zu betätigen, kaum um eine Gefährdung dieses Ermessens han- deln – es stellt sich in einem derartigen Fall lediglich die Frage, ob die Entscheidung zur Bekanntgabe oder Nichtbekanntgabe vom behördlichen Ermessensspielraum ge- deckt ist. Bei dem Ansinnen des Klägers handelt es sich mithin nicht um eine Gefahr für das Organisationsermessen des Beklagten, sondern nur um eine Anfrage an den Beklagten, sein Organisationsermessen (möglichst im Sinne des Klägers) auszuüben. Die Bekanntgabe der Diensttelefonliste des Beklagten – an wen auch immer – stellt al- so nicht eine Gefährdung des Organisationsermessens des Beklagten dar, sondern das Ergebnis der Ausübung dieses Ermessens. c) Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass die Bekanntgabe bzw. die Pflicht zur Bekanntgabe der dienstlichen Telefonnummern der Beklagtenmitarbeiter an den Klä- ger das Organisationsermessen bzw. die Organisationsgewalt des Beklagten berührt, ergeben sich hieraus keine durchgreifenden Bedenken gegen den verfahrensgegen- ständlichen Informationsanspruch. Der Beklagte hat sich hier dazu entschlossen, für seine externe Kommunikation grundsätzlich keinen direkten telefonischen Zugang zu seinen Mitarbeitern zu eröffnen, sondern hierfür ein sog. „Service-Center“ einzurichten, in dem zunächst alle von außen kommenden telefonischen Anfragen eingehen und
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