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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
12 N 73.13
Datum
21. August 2014
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 21. August 2014

12 N 73.13

Das Oberverwaltungsgericht weist den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil der Vorinstanz zurück. Das Verwaltungsgericht hatte zuvor das Bundesministerium des Innern verpflichtet, dem Kläger Zugang zu bestimmten Tagesordnungspunkten der Protokolle einer Ausländerreferentenbesprechung (Bund-Länder-Treffen) zu gewähren. Der Verweis des Beklagten auf die gegensätzliche Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts im Hinblick auf den Schutz des Beratungsgeheimnisses kommt nicht zum Tragen, weil das Verwaltungsgericht davon gar nicht abgewichen ist. Das Oberverwaltungsgericht bestätigt auch, dass die Verfügungsberechtigung über das Protokoll beim federführenden Bundesministerium des Innern und nicht bei allen an der Besprechung beteiligten Ländern liegt. Die entsprechende Regelung des Informationsfreiheitsgesetzes ist eine Zuständigkeitsbestimmung und kein Ausschlussgrund. Siehe auch Parallelverfahren: OVG Berlin-Brandenburg, 12 N 62.14 und 12 N 74.13 . (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess)

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Wappen des Landes Berlins und Brandenburgs OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS OVG 12 N 73.13 VG 2 K 255.12 Berlin In der Verwaltungsstreitsache , Klägers und Antragsgegners, bevollmächtigt: , gegen , Beklagte und Antragstellerin, hat der 12. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und die Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und Böcker am 21. August 2014 beschlossen: Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das ihr am 27. Juni 2013 zugestellte Urteil des Verwaltungsge- richts Berlin wird abgelehnt. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt. Gründe -2-
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-2- Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die Beklagte wendet sich damit gegen ihre mit dem angefochtenen Urteil ausg e- sprochene Verpflichtung, dem Kläger, einem Journalisten, Zugang zu den Be- sprechungsprotokollen der Ausländerreferenten von Bund und Ländern zu gewäh- ren, und zwar im einzelnen zu den Tagesordnungspunkten (TOP) folgender Sit- zungen: TOP 5, 6 und 7 des Protokolls vom 17. und 18. April 2007, TOP 21 des Protokolls vom 25. und 26. September 2007, TOP 11, 12, 13, 22 und 28 des Pro- tokolls vom 15. und 16. April 2008, TOP 4, 10, 15 und 30 des Protokolls vom 8. und 9. Oktober 2008, TOP 2, 3 und 20 des Protokolls vom 25. und 26. März 2009 und TOP 16 des Protokolls vom 23. und 24. September 2009. Die Beklagte hatte den Informationszugang unter Berufung auf eine Beeinträchtigung der not- wendigen Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden verweigert; das Verwa l- tungsgericht hält die Voraussetzungen dieses gesetzlichen Ausschlussgrunds (§ 3 Nr. 3 Buchstabe b IFG) für nicht plausibel dargelegt. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor. 1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Nach dem Vortrag der Beklagten soll das angefochtene Urteil von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 2. November 2010 – 8 A 475/10 – juris) abweichen. Dies kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache regelmäßig nur begründen, wenn die Abweichung nach demselben Maßstab dargelegt ist, den der Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO voraussetzt. Eine Divergenz ist insoweit nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die ange- fochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines anderen Oberverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2006 - 10 B 55.06 -, juris Rn. 7 zu § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO m.w.N.; Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2011 – OVG 12 N 80.11 –, juris Rn. 7). -3-
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-3- Dafür reicht es nicht aus, wenn die Beklagte ausführt, dass das Oberverwaltungs- gericht Nordrhein-Westfalen in dem von ihm entschiedenen Fall des Zugangs zu Beratungsprotokollen der nach § 16 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gebildeten Sachverständigen-Kommission im Rahmen des § 3 Nr. 3 Buchstabe b IFG „ohne den Nachweis einer durch den Informationszugang drohenden Beein- trächtigung konkreter Beratungsverläufe oder konkreter Beratungsgegenstände“ entschieden hat, dass der Zugang zu den – mit dem Antrag auf Informationsge- währung allerdings konkret bezeichneten – Beratungsprotokollen der Kommission die Atmosphäre der Offenheit und Unbefangenheit zukünftiger Beratungen beei n- trächtigen könne. Dies betrifft die Subsumtion des konkreten Lebenssachverhalts im Einzelfall. Der insoweit vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zu- grunde gelegte Rechtssatz lautet: „Ob durch das Bekanntwerden der fraglichen Informationen die notwendige Vertraulichkeit der behördlichen Beratungen beein- trächtigt wird, muss im jeweiligen Einzelfall prognostiziert werden. Insoweit genügt die konkrete Gefahr, also die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Beeinträcht i- gung; an die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer die möglicherweise ein- tretende Beeinträchtigung ist. Dies wiederum bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses an einem ungestörten Verlauf des in Frage stehenden behördlichen Willensbildungsprozesses“ (OVG Nordrhein- Westfalen, a.a.O., Rn. 96). Als Beleg zitiert das Oberverwaltungsgericht insoweit neben Literaturstellen die hiesige Vorinstanz (VG Berlin, Urteil vom 22. Oktober 2008 – VG 2 A 114.07 – juris). Von diesem Rechtssatz weicht das angefochtene Urteil nicht ab; es geht vielmehr ebenfalls davon aus, dass die Beeinträchtigung der Beratungen eine Prognose erfordert, inwieweit das Bekanntwerden der Info r- mationen sich auf die Beratungen einer Behörde behindernd oder hemmend au s- wirkt und legt den Maßstab für diese Prognose im einzelnen dahin dar, dass umso geringere Anforderungen zu stellen seien, je größer und folgenschwerer die be- fürchtete Beeinträchtigung sei, was sich wiederum insbesondere nach dem G e- wicht des öffentlichen Interesses an einem ungestörten Verlauf des in Frage ste- henden behördlichen Willensbildungsprozesses beurteile (Urteilsabdruck S. 11). Dies deckt sich auch mit Rechtsausführungen in dem Beschluss des Bundesver- waltungsgerichts, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Divergen- zentscheidung zurückgewiesen worden ist und mit dem im Übrigen bestätigt wor- -4-
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-4- den ist, dass es einer Prognose im Einzelfall bedürfe und eine „ernsthafte konkre- te Gefährdung der geschützten Belange“ erforderlich sei (Beschluss vom 18. Juli 2011 – 7 B 14.11 – NVwZ 2011, 1072, juris Rn. 11). Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen dargelegt, welche Unterschiede es zwischen den Protokollen der Be- sprechungen der Referenten von Bund und Ländern zum Ausländerrecht und dem vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschiedenen Sachverhalt erkennt und weshalb es in Anwendung derselben Auslegung des Ausschluss- grundes zu einem anderen Ergebnis gelangt ist. Hiernach ist weder eine Diver- genz dargelegt und erst recht kein dadurch ausgelöster grundsätzlicher Kl ärungs- bedarf aufgezeigt. 2. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Die Beklagte macht hierzu ge l- tend, das Verwaltungsgericht habe die Verfügungsbefugnis über die Protokolle der Ausländer-Referenten-Besprechungen von Bund und Ländern zu Unrecht ihr zuerkannt, tatsächlich liege eine „gesamthänderische Urheberschaft“ vor und se i- en die in den Protokollen enthaltenen Besprechungsergebnisse und Informat ionen allen Beteiligten zuzurechnen, da sie der Endfassung des jeweiligen Protokolls zustimmen müssten. Soweit das Protokoll Auffassungen einzelner Beteiligter wi e- dergebe, seien sie auch nur diesen zuzurechnen. Mit diesem Vorbringen wird die Anwendung des Begriffs der Verfügungsberechti- gung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG durch das Verwaltungsgericht nicht durchgre i- fend in Frage gestellt. Die Beklagte verkennt damit die in Rede stehende Vo r- schrift, die als Zuständigkeitsbestimmung ausgestaltet ist (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 – 7 C 4.11 – NVwZ 2012, 251; juris Rn. 27), nicht als Aus- schließungsgrund. Das Vorbringen der Beklagten könnte allenfalls die Frage au f- werfen, ob und inwieweit auch die Behörden der Länder nach den jeweils für sie geltenden Bestimmungen einen Informationszugang zu den zu ihren Aktenbe- ständen genommenen Protokollen der Bund-Länder-Besprechungen der Auslän- derrechtsreferenten eröffnen müssen. Diese Frage nach der Verfügungsberecht i- gung dritter Behörden, die über dieselbe Information verfügen, aber anderen in- formationsfreiheitlichen Bestimmungen unterliegen, ist im vorliegenden Recht s- streit unerheblich. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass insoweit eine Zuständigkeit verschiedener Behörden miteinander konkurrieren würde. Es -5-
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-5- fehlt schon deshalb an einer schlüssigen Darlegung, wonach die Verfügungsbe- rechtigung der Beklagten über die in ihren Akten geführten, von ihr federführend und in Wahrnehmung eigener Aufgaben – wie das Verwaltungsgericht ohne W i- derspruch zu den Ausführungen der Beklagten („Unterstützung von Regierungs- funktionen“) zutreffend ausgeführt hat – erstellten Protokolle beschränkt sein soll- te. Das Bundesministerium des Innern besitzt nicht nur die faktische Verfügung s- möglichkeit, sondern ist maßgeblicher Urheber dieser Protokolle (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn.28). Das Ziel der Referentenbesprechungen besteht darin, der Bunde s- regierung die Erfahrungen und Auffassungen der für den Vollzug der ausländer- rechtlichen Vorschriften im Inland zuständigen Länder zu vermitteln. Insoweit b e- dingt die Wahrnehmung eigener Aufgaben auf Seiten der Beklagten eine nicht vom Willen der beteiligten Länder abhängige Verfügungsbefugnis über das Er- gebnis der Beratungen. Es kann nämlich nicht angenommen werden, dass die Zuleitung entsprechender Protokolle etwa an das Spiegelreferat des Bundeskanz- leramtes vom Willen aller oder auch nur einzelner der beteiligten Bundesländer abhängen soll. Das bestätigt auch die Übereinkunft, dass die Ergebnisse der Be- ratungen vom beteiligten Bundesministerium schriftlich festgehalten und an die Beteiligten weitergegeben werden, mag der Inhalt auch der Billigung durch die übrigen Beteiligten unterliegen. Eine Übereinkunft weitergehenden Inhalts zw i- schen den Beteiligten oder ein rechtlicher Ansatz, der die Verweigerung des In- formationszugangs tragen könnte, wird nicht vorgetragen. Der bloße Umstand, dass die endgültige Fassung der Protokolle mit den zuständigen Landesministe- rien und den beteiligten Ressorts abgestimmt wird, belegt für sich genommen nicht, dass die Verfügungsbefugnis über die in den Protokollen festgehaltenen Informationen von einem über die Billigung der Inhalte hinausgehenden Einver- nehmen aller Beteiligten abhängt. 3. Der Zulassungsgrund besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), für dessen Vorliegen die Beklagte allein auf ihre Ausführungen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel verweist, liegt danach ebe nfalls nicht vor. Die Verfügungsberechtigung des Bundesministeriums des Innern nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG ist im vorliegenden Sachverhalt keine offene Frage, die der Klä- rung in einem Berufungsverfahren bedürfte. Eine etwaige vorrangige Zuständig- keit einer anderen Behörde oder sonst zur Informationsgewährung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 oder 3 IFG verpflichteten Stelle steht nicht in Rede. -6-
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-6- Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Plückelmann                           Bath                              Böcker
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