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Information

Aktenzeichen
4 K 1984/13
Datum
25. Juli 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Bremen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bremen (BremIFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bremen (BremIFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Bremen am 25. Juli 2014

4 K 1984/13

Der Kläger begehrt Einsicht in den von der Ausländerbehörde verwendeten Fragenkatalog zur Ermittlung einer Scheinehe. Das Gericht gibt dem Innensenator auf, in diejenigen Fragen Einsicht zu gewähren, die von der Landesbeauftragten für den Datenschutz beanstandet und in den aktuell verwendeten Fragenkatalog nicht übernommen wurden. Durch die Bekanntgabe der aktuell verwendeten Fragen könnte der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt werden. Von diesem Ausnahmetatbestand sind auch Vorarbeiten und Ausarbeiten, aus denen die zu treffende Entscheidung entwickelt werden soll, erfasst. Die Fragenkataloge dienen der Ausländerbehörde zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung. Ob die Befragung auf Grundlage des Fragenkatalogs zum Erfolg führt und mit gesetzlichen Vorgaben (allgemeines Persönlichkeitsrecht und Gleichbehandlungsgebot) vereinbar ist, ist für das Vorliegen des Ausschlussgrundes irrelevant. Soweit der Fragenkatalog nicht mehr verwendet wird, ist der Ausschlussgrund entfallen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Gefährdung des Erfolgs behördlicher Maßnahmen Entwürfe oder Vorarbeiten

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Verwaltungsgericht                                                                                          Freie der Freien Hansestadt Bremen                                                                                Hansestadt - Pressestelle -                                                                                            Bremen PRESSEMITTEILUNG                                                                                            Bremen, 04.08.2014 Internet                                                                            http://www.verwaltungsgericht.bremen.de Verwaltungsgericht Bremen: Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt kein un- begrenztes Recht zur Einsichtnahme in behördliche Fragebögen Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Bremen hat in einem Urteil vom 25.07.2014 (Az. 4 K 1984/13) entschieden, dass der Senator für Inneres und Sport nicht uneingeschränkt ver- pflichtet ist, Einsicht in Fragebögen zu gewähren, die in ausländerrechtlichen Verwaltungs- verfahren von den zuständigen Behörden zur Ermittlung von sog. Scheinehen verwendet wer- den. Die Ausländerbehörde der Stadtgemeinde Bremen ermittelt bei dem Verdacht einer sog. Scheinehe mithilfe eines Fragebogens, ob tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft zwi- schen Eheleuten besteht und daher einem ausländischen Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Der Kläger des jetzt entschiedenen Verfahrens, ein Verein, der sich den Schutz und die Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten zur Aufgabe gesetzt hat, beantragte beim Senator für Inneres und Sport in Bremen die Einsicht in den aktuell verwen- deten Fragebogen aus dem Jahr 2011 und in einen älteren Fragebogen aus dem Jahr 2009. Ein solcher Anspruch bestehe nach dem Bremer Informationsfreiheitsgesetz. Sowohl das Stadtamt der Stadtgemeinde Bremen als auch der Senator für Inneres und Sport haben dies abgelehnt. Daraufhin hat der Kläger im Oktober 2013 vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Hinsichtlich des aktuell verwendeten Fragebogens hat es ein Recht auf Einsichtnahme verneint. Dem stehe der Aus- schlussgrund nach § 4 Abs. 1 Bremer Informationsfreiheitsgesetz entgegen. Danach solle eine Informationsgewährung nicht erfolgen, wenn diese den Erfolg behördlicher Verfahren verei- teln würde. Das Gericht geht davon aus, dass durch diese Regelung nicht nur laufende be- hördliche Verfahren, sondern auch zukünftige geschützt seien, wenn diese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit eintreten würden. Daran bestehe hier kein Zweifel, weil beim Verwaltungsgericht Bremen regelmäßig ausländerrechtliche Verfahren anhängig ge- macht würden, die die Thematik sog. Scheinehen zum Gegenstand hätten. Nach Auffassung des Gerichts stellt die getrennte Befragung der Eheleute ein grundsätzlich geeignetes Mittel Verantwortlich: Rainer Vosteen  Am Wall 198  28195 Bremen  T: 0421-361 6220  F: 0421-361 6797  e-mail: rainer.vosteen@verwaltungsgericht.bremen.de Verena Korrell  Am Wall 198  28195 Bremen  T: 0421-361 10212  F: 0421-361 6797  e-mail: verena.korrell@verwaltungsgericht.bremen.de
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dar, um die Ermittlungen über das Bestehen einer sog. Scheinehe zu fördern. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass der dazu verwendete Fragebogen nicht allgemein bekannt sei. Andern- falls könnten sich die Eheleute problemlos absprechen, wie sie die Fragen beantworten. Ein Einsichtsrecht folge auch nicht daraus, dass die Befragung der Eheleute per se gegen das all- gemeine Persönlichkeitsrecht verstoße. Bei einem Verdacht einer Scheinehe sei dies nicht der Fall. Hinsichtlich des nicht mehr verwendeten Fragebogens aus dem Jahr 2009 hat das Gericht den Senator für Inneres und Sport verpflichtet, Einsicht in den Fragebogen zu gewähren, soweit dieser mit dem aktuell verwendeten nicht übereinstimmt. Bezüglich dieser Frage diene die Versagung der Einsichtnahme nicht dem Schutz laufender oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Prozessparteien können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Oberverwal- tungsgericht stellen. Zum Hintergrund Nach Regelungen im Aufenthaltsgesetz ist den ausländischen Ehegatten von Deutschen oder aufenthaltsberechtigten Ausländern bei Vorliegen näher bestimmter Voraussetzungen im We- ge des Familien- oder Ehegattennachzugs eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Vorausset- zung ist allerdings in allen Fällen, dass die Ehe nicht nur „auf dem Papier“ besteht, sondern dass zwischen den Eheleute auch tatsächlich in eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht. In Zweifelsfällen ist das von den Ausländerbehörden vor der Erteilung einer Aufenthaltserlaub- nis zunächst aufzuklären. Das Urteil vom 25.07.2014 ist dieser Pressemitteilung in einer anonymisierten Fassung als Anlage beigefügt. Verantwortlich: Rainer Vosteen  Am Wall 198  28195 Bremen  T: 0421-361 6220  F: 0421-361 6797  e-mail: rainer.vosteen@verwaltungsgericht.bremen.de Verena Korrell  Am Wall 198  28195 Bremen  T: 0421-361 10212  F: 0421-361 6797  e-mail: verena.korrell@verwaltungsgericht.bremen.de
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Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Az.: 4 K 1984/13 Im Namen des Volkes! Urteil In der Verwaltungsrechtssache … Kläger, Prozessbevollmächtigte: … gegen die Freie Hansestadt Bremen, vertreten durch den Senator für Inneres und Sport, Contrescarpe 22 - 24, 28203 Bremen, Gz.: - - Beklagte, hat das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 4. Kammer - durch Richter Dr. Sieweke als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2014 für Recht erkannt: 1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin insoweit Einsicht in den vom Stadtamt Bremen bis 2011 verwendeten Fragenkatalog zur Ermittlung einer Scheinehe zu gewähren, als es sich um Fragen handelt, die von der Lan- desbeauftragten für den Datenschutz beanstandet und daher nicht in den aktuell verwendeten Fragenkatalog zur Ermittlung von Scheinehen über- nommen worden sind. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. 4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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-2- Tatbestand Die Klägerin begehrt Einsichtnahme in die von der Ausländerbehörde der Stadtgemeinde Bremen verwendeten Fragenkataloge zur Ermittlung von Scheinehen. Die Ausländerbehörde der Stadtgemeinde Bremen verwendet einen Fragenkatalog zur Feststellung der Tatsache, ob bei Eheleuten tatsächlich eine eheliche Lebensgemein- schaft besteht und daher eine Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG zu erteilen ist bzw. erteilt werden kann. Aus diesem Fragenkatalog wählt im Einzelfall der zuständige Sachbearbeiter Fragen aus, die von den Eheleuten getrennt schriftlich in der Ausländer- behörde der Stadtgemeinde zu beantworten sind. Dieser Fragenkatalog wurde zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, wahrscheinlich im Jahr 2009 erstmals erstellt und im Jahr 2011 verändert. Mit elektronischem Schreiben vom 14.06.2012 beantragte die Klägerin beim Senator für Inneres und Sport die Einsichtnahme und Herausgabe sowie die Veröffentlichung im Informationsregister des „Fragebogens von 2009“ und des „Fra- gebogens von 2011“ zur Scheineheermittlung. Ein solcher Auskunftsanspruch stünde ihr nach dem Bremischen Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG) zu. Der Senator für Inneres und Sport leitete den Antrag an die Leiterin des Stadtamts Bre- men weiter. Diese lehnte den Antrag mit Schreiben vom 27.12.2012 mit der Begründung ab, dass die Fragen zur Erhärtung bzw. Widerlegung eines Anfangsverdachts des Beste- hens einer Scheinehe dienen würden und daher nur Mitarbeitern der Ausländerbehörde Zugriff auf den Fragenpool gestattet werden könne. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27.01.2013 Widerspruch. Der Senator für Inneres und Sport wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2014 zurück. Die Klägerin habe zwar grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 BremIFG einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Fragenkataloge. Es bestehe jedoch ein Ausschluss- grund nach § 4 BremIFG, weil der Rückgriff auf den Fragenpool der Sachverhaltsermitt- lung und somit unmittelbar der Ablehnung oder Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis diene. Durch die Veröffentlichung der Fragenkataloge würden diese unbrauchbar, da eine Vorbereitung oder Absprache der befragten Personen nicht ausgeschlossen werden könne. Dies hätte zur Folge, dass der Erfolg der behördlichen Maßnahme, auch ange- sichts der Tatsache, dass der Sachverhalt bei begründetem Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe kaum anders als durch die Befragung der betroffenen Personen zu er- mitteln sei, vereitelt werden würde.
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-3- Die Klägerin hat am 29.10.2013 Klage erhoben. Als Beklagte hat sie die Freie Hanse- stadt Bremen, vertreten durch den Senator für Inneres und Sport, bezeichnet. Sie trägt ergänzend vor, ein Ablehnungsgrund nach § 4 BremIFG liege nicht vor. Für den nicht mehr verwendeten Fragebogen von 2009 bestehe kein schützenswertes Interesse, weil durch § 4 BremIFG nur laufende oder unmittelbar bevorstehende Verwaltungsverfahren geschützt seien. Es sei davon auszugehen, dass alle Verfahren, in denen der alte Frage- bogen zur Anwendung gekommen sei, mittlerweile abgeschlossen seien. Hinsichtlich des Fragebogens von 2011 sei nicht erkennbar, dass dieser aktuell in einem Verfahren ver- wendet werde. Dass der Fragebogen möglicherweise in Zukunft in Fällen eines begrün- deten Verdachts einer Scheinehe verwendet werden könne, stelle kein hinreichend be- stimmtes zukünftiges Verfahren dar, welches zu einem Ausschluss nach § 4 BremIFG führen könnte. Voraussetzung des Ablehnungstatbestandes sei ferner, dass der Erfolg der Entscheidung durch den Informationszugang vereitelt würde. Dies sei zu verneinen, weil zweifelhaft sei, ob der Fragebogen tatsächlich der Ermittlung einer Scheinehe dien- lich sei. Die Fragen seien so detailliert, dass selbst langjährig verheiratete deutsche Ehe- partner sie nicht ohne Widerspruch beantworten könnten. Zudem seien durch § 4 BremIFG nur Dokumente geschützt, wenn ihre Verwendung zu einem verfassungsmäßi- gen Zweck erfolgen solle. Menschen mit Fragen zu konfrontieren, die zur Aufklärung ei- ner vermeintlichen Scheinehe erforderlich seien, verstoße gegen das Recht auf informa- tionelle Selbstbestimmung. Der Einsatz verstoße auch gegen das Gleichbehandlungsge- bot des Art. 3 Abs. 1 GG. Für eine Befragung zur Ermittlung einer vermeintlichen Schein- ehe seien Paare im Vorteil, die sich von im Ausländerrecht spezialisierten Anwälten bera- ten lassen könnten, die Kenntnis über jedenfalls einzelne der Fragen hätten. Die Klägerin beantragt, 1. der Klägerin Einsicht in den vom Stadtamt Bremen 2009 entwickelten und bis ca. 2010/2011 verwendeten Fragebogen zur Ermittlung einer Scheinehe zu gewäh- ren, hilfsweise Einsicht in die von der Landesbeauftragten für den Datenschutz beanstandeten und später gestrichenen Fragen zu gewähren. 2. der Klägerin Einsicht in den vom Stadtamt Bremen 2011 entwickelten und seitdem verwendeten Fragebogen zur Ermittlung einer Scheinehe zu gewähren. Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Das Verfahren ist mit Beschluss vom 26.05.2014 auf den Einzelrichter übertragen wor- den. Die Leiterin des Referats für Aufenthalts- und Asylangelegenheiten beim Senator für Inneres und Sport ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch befragt worden. Insoweit wird auf das Protokoll Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzel-
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-4- heiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beige- zogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Entscheidungsgründe Das Gericht konnte trotz Abwesenheit eines Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Der nach § 102 Abs. 2 VwGO erforderliche Hinweis ist erfolgt (vgl. Bl. 38, 42 der Gerichtsakte). Das Gericht entscheidet durch den Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom 26.05.2014 zur Entscheidung übertragen hat. Die erhobene Klage ist dahin auszulegen, dass Beklagte im vorliegenden Verfahren die Freie Hansestadt Bremen ist. Diesbezüglich haben zunächst Zweifel bestanden, da die Klägerin in der Klagebegründung angeführt hat, die Klage erfolge, da bislang nicht über den Widerspruch gegen das Schreiben der Leiterin des Stadtamts Bremen vom 27.12.2012 entschieden worden sei. Hätte sich die Klägerin gegen die in diesem Schrei- ben enthaltene ablehnende Entscheidung, seitens des Stadtamts Bremen keine Akten- einsicht zu gewähren, wenden wollen, hätte sie gegen die Stadtgemeinde Bremen Klage erheben müssen. In der Klageschrift hat die Klägerin als Beklagte indes die Freie Hanse- stadt Bremen, vertreten durch den Senator für Inneres und Sport, benannt. Die Prozess- bevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zudem nach gerichtli- chem Hinweis erklärt, dass diese Benennung dem Rechtsschutzziel der Klägerin ent- spreche. Die Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig, aber nur teilweise begründet, weil die Klä- gerin lediglich beschränkt über den nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderlichen An- spruch auf Einsichtnahme in die begehrten Informationen verfügt. 1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Der Schwerpunkt der behördlichen Entscheidung über die begehrte Einsichtnahme in die Fragenkataloge zur Scheineheermittlung liegt darin, ob diese überhaupt gewährt werden kann. Es handelt sich insofern um eine Wissenserklärung mit vorgeschalteter konkluden- ter Regelung und damit um den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts nach § 35 Satz 1 BremVwVfG (vgl. VG Gießen, Urteil vom 24.02.2014 - 4 K 2911/13). Die Klage ist nach § 75 VwGO als Untätigkeitsklage zulässig. Die Klägerin hat mit elekt- ronischem Schreiben vom 14.06.2012 gegenüber dem Senator für Inneres und Sport
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-5- Akteneinsicht beantragt. Über diesen Antrag hat der Senator für Inneres und Sport keine Entscheidung getroffen. Vielmehr hat er den Antrag formlos an das Stadtamt Bremen und damit an einen anderen Rechtsträger, die Stadtgemeinde Bremen, weitergeleitet. Eine solche Weiterleitung ohne Zustimmung der Klägerin entbindet die Beklagte indes nicht davon, über den Antrag auf Akteneinsicht zu entscheiden (vgl. Rossi, IFG, 2006, § 7 Rn. 20). Denn es entspricht dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz, dass ein Rechtsträger über die ihm gegenüber gestellten Anträge entscheiden muss. Eine zustän- digkeitsbefreiende Weiterleitung von Anträgen sieht weder das BremIFG noch das BremVwVfG vor. 2. Die Klage ist weitgehend unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einsicht- nahme in den Fragenkatalog von 2011. Hinsichtlich des Fragenkatalogs von 2009 be- steht nur insoweit ein Anspruch, wie dieser nicht mit dem Fragenkatalog von 2011 über- einstimmt. a) Grundsätzlich hat nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG jeder nach Maßgabe dieses Ge- setzes gegenüber den Behörden des Landes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Klägerin ist als juristische Person des Privatrechts hinsichtlich des Anspruchs nach § 1 Abs. 1 BremIFG aktivlegitimiert (vgl. Rossi, IFG, 2006, § 1 Rn. 7). Bei den Fragenkatalogen handelt es sich auch um amtliche Informationen. Amtliche In- formation ist jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung; Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (vgl. § 2 Nr. 1 BremIFG). Die Fragenkataloge zur Schein- eheermittlung dienen jedenfalls der Ausländerbehörde der Stadtgemeinde Bremen in Fällen eines Anfangsverdachts einer Scheinehe als Ausgangspunkt zur weiteren Sach- verhaltsermittlung, um letztlich über die Erteilung, Ablehnung oder Rücknahme einer Auf- enthaltserlaubnis entscheiden zu können. Der Senator für Inneres und Sport benötigt die Fragenkataloge somit zur Erfüllung seiner Aufgabe als Rechtsaufsichts- und Wider- spruchsbehörde der Stadtgemeinde Bremen im Bereich des Ausländerrechts. Die Fra- genkataloge sollen daher anders als Entwürfe und Notizen dauerhaft beim Senator für Inneres und Sport verbleiben. b) Die Beklagte ist hinsichtlich der Fragenkataloge auch verfügungsbefugt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BremIFG. Diesbezüglich hat das BVerwG zur wortgleichen Vorschrift des IFG ausgeführt (Urt. v. 03.11.2011 – 7 C 4/11): „Verfügungsberechtigt über eine Information ist grundsätzlich deren Urheber (s. BT-Dr 15/4493, S. 14). Demjenigen, der die Informati- on im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaf- fen hat, ist sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Ent-
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-6- scheidung, welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll. Wird die Infor- mation im weiteren Verlauf anderen Behörden übermittelt und ist sie demnach an mehre- ren Stellen verfügbar, soll mit dem Merkmal der Verfügungsberechtigung eine sachan- gemessene Entscheidungszuständigkeit ermöglicht werden, die sowohl der Aufgabenver- teilung auf Seiten der Behörden als auch dem Interesse des Informationsberechtigten an einer aus seiner Sicht nachvollziehbaren Bestimmung der auskunftspflichtigen Stelle Rechnung trägt. Insbesondere angesichts der umfangreichen Abstimmungspraxis unter den Behörden, auf Grund deren diese in großem Umfang als Teil der bei ihnen geführten Akten über Informationen verfügen, die nicht von ihnen erhoben worden sind, sollen die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde konzentriert werden, der die größte Sachnähe zum Verfahren zukommt bzw. die die Verfahrensführung innehat (vgl. Berger, in: Berger/Roth/Scheel, IFG, 2006, § 7 Rdnr. 5). Nach der Begründung des Gesetzent- wurfs soll maßgebend sein, ob die Behörde ein Verfügungsrecht kraft Gesetzes oder – gegebenenfalls stillschweigender – Vereinbarung erhält (BT-Dr 15/4493, S. 14).“ Nach diesen Maßstäben ist eine Verfügungsbefugnis der Beklagten zu bejahen. Nach den Angaben der Leiterin des Referats für Aufenthalts- und Asylangelegenheiten beim Senator für Inneres und Sport in der mündlichen Verhandlung verfüge der Senator für Inneres und Sport über die streitgegenständlichen Fragenkataloge. Wer diese erstellt habe, könne sie nicht sagen. Frühere Ermittlungen seien insoweit erfolglos verlaufen. Auch den Unterlagen zum vorliegenden Verfahren lassen sich keine Hinweise entneh- men, wer die strittigen Fragenkataloge erstellt hat. Die vom BVerwG dargelegte Ein- schränkung der Verfügungsbefugnis trotz Vorliegens einer Unterlage beruht aber gerade darauf, dass ein vorrangberechtigter Urheber vorhanden ist. Davon kann angesichts des gerichtlich ermittelten Sachverhalts nicht ausgegangen werden. Außerdem hat soweit ersichtlich niemand, insbesondere nicht die Stadtgemeinde Bremen, für sich in Anspruch genommen, allein über die Weitergabe der Informationen entscheiden zu dürfen. c) Der infolgedessen grundsätzlich bestehende Anspruch der Klägerin auf Informations- gewährung wird allerdings größtenteils durch § 4 Abs. 1 Satz 1 BremIFG ausgeschlos- sen. Danach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Maßgeb- lich für die Auslegung des Umfangs des Ausschlussgrundes ist der durch § 4 Abs. 1 BremIFG verfolgte Zweck, die ordnungsgemäße Durchführung von Verwaltungsverfahren nicht durch die Informationsgewährung zu verhindern (vgl. zum wortgleichen § 4 Abs. 1 IFG Bundestags-Drs. 15/4493, S. 12). Daher sind alle Aktenteile erfasst, die un-
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-7- mittelbar mit dem Entscheidungsprozess zusammenhängen. Umfasst sind insbesondere auch Vorarbeiten und Ausarbeitungen, aus denen die zu treffende Entscheidung entwi- ckelt werden soll (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.05.2013 – OVG 12 S 23.13). Eine Eingrenzung, zu welchem Zeitpunkt derartige Vorarbeiten entstanden sind, nimmt die Regelung dabei nicht vor. Sie knüpft vielmehr funktional daran an, dass die Vorarbei- ten der unmittelbaren Vorbereitung einer bevorstehenden behördlichen Entscheidung dienen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.05.2013 – OVG 12 S 23.13). Verei- telt wird der Erfolg der Entscheidung nach der Gesetzesbegründung zum wortgleichen § 4 Abs. 1 IFG (vgl. Bundestags-Drs. 15/4493, S. 12), wenn diese bei Offenbarung der Information voraussichtlich überhaupt nicht, mit anderem Inhalt oder wesentlich später zustande käme. Der Versagungsgrund greift nur ein, soweit und solange durch die vor- zeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde (BVerwG, Urt. v. 03.11.2011 – 7 C 3/11). Dem Wortlaut nach ist § 4 Abs. 1 Satz 1 BremIFG in erster Linie auf Informationen zuge- schnitten, die individuell in einem bestimmten Verwaltungsverfahren einer Behörde des Rechtsträgers entstanden sind, dem gegenüber die Akteneinsicht beantragt worden ist. Dies schließt aber nicht aus, die Vorschrift auch auf Informationen anzuwenden, die in einer Vielzahl von Verfahren von anderen Rechtsträgern verwendet werden sollen. Denn ebenfalls in solchen Fällen besteht ein berechtigtes öffentliches und damit behördliches Interesse, den Erfolg von Verwaltungsverfahren nicht durch eine Informationsgewährung zu vereiteln. Auch spricht die gesetzliche Formulierung „bevorstehender behördlicher Maßnahmen“ für eine solche Auslegung. Demnach ist Schutzgut von § 4 Abs. 1 Satz 1 BremIFG nicht nur laufende Verwaltungsverfahren, sondern ebenso zukünftige. Aller- dings müssen, da § 4 Abs. 1 BremIFG den Schutz von Verwaltungsabläufen bezweckt, die geschützten behördlichen Maßnahmen konkret bevorstehen (vgl. zum wortgleichen § 4 Abs. 1 IFG Bundestags-Drs. 15/4493, S. 12). Die Verwendung des Plurals zeigt zu- dem, dass gleichfalls eine Mehrzahl von Verfahren Schutzgut sein kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Fragenkataloge dienen jedenfalls der Ausländerbehörde der Stadtgemeinde Bremen der Sachverhaltsermittlung im Falle des begründeten Verdachts einer Scheinehe und damit der Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung über die Erteilung oder Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis. Maßgeblich für die Beurteilung ist, wie von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen worden ist, inwieweit die Antworten der Eheleute übereinstimmen. Die Ausländerbehörde der Stadt- gemeinde geht dabei offensichtlich davon aus, dass eine hohe Übereinstimmung nur er- reicht werden kann, wenn tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft mit der damit zusammenhängenden Nähebeziehung besteht. Diese Einschätzung begegnet keinen
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-8- grundsätzlichen Bedenken. Befragungen sind – auch in der gerichtlichen Praxis – eine von mehreren Aufklärungsmaßnahmen, um das Bestehen einer Scheinehe zu überprü- fen. Vor allem kann dadurch ermittelt werden, ob eine eheliche Lebensgemeinschaft je- denfalls zeitweise bestanden hat. In einem solchen Fall kann das Bestehen einer Scheinehe sicher ausgeschlossen werden. Getrennte Befragungen der Eheleute können daher nicht von vornherein als ungeeignetes Instrument zur Sachverhaltsermittlung be- trachtet werden. Der Beweiswert der Befragung und damit mittelbar der Erfolg der Sach- verhaltsermittlung ist allerdings davon abhängig, ob die Fragen vorher bekannt sind. Sind sie bekannt, ist es ohne weiteres möglich, dass sich die Eheleute vorab im Detail darüber verständigen, wie sie die Fragen beantworten. Ein solches Zusammenwirken ist bei Per- sonen, die tatsächlich eine Scheinehe geschlossen haben, nicht unwahrscheinlich. Die Klägerin führt diesbezüglich zwar an, dass die Fragenkataloge jedenfalls teilweise be- stimmten Anwälten bekannt seien. Selbst wenn dies als wahr unterstellt würde, kann aber derzeit noch nicht angenommen werden, dass der Inhalt der Fragenkataloge derart öffentlich bekannt ist, dass die Fragenkataloge ihre Funktion vollständig nicht mehr erfül- len können. Dafür bedürfte es einer allgemeinen öffentlichen Zugänglichkeit, insbesonde- re über das Internet, an der es bislang fehlt. Ob eine Befragung auf Grundlage der von der Klägerin begehrten Fragenkataloge tat- sächlich im Einzelfall zum Erfolg führt und mit den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und Gleichbehandlungsgebot, vereinbar ist, kann offen bleiben. Diese Frage ist für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 4 Abs. 1 BremIFG nicht von Bedeutung. Zum einen ist eine solche Überprüfung zum jetzi- gen Zeitpunkt gar nicht möglich. Die Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit des Einsatzes der Fragenkataloge hängt neben dem Inhalt der Fragenkataloge von den jeweiligen Um- ständen des Einzelfalls ab. Von einer flächendeckenden Rechtswidrigkeit der Befragung von Eheleuten über das Bestehen einer Scheinehe ist das Verwaltungsgericht in der Vergangenheit nicht ausgegangen (vgl. VG Bremen, Beschl. v. 23.05.2012 – 4 V 320/12). An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Dem Wortlaut von § 4 Abs. 1 BremIFG kann zudem nicht entnommen werden, dass nur Unterlagen dem Ausschlussgrund unter- fallen, die später für rechtmäßige Entscheidungen verwendet werden sollen. Für eine solche Auslegung besteht auch kein zwingendes verfassungsrechtliches Bedürfnis. Denn dem Betroffenen ist es unbenommen, nach Ergehen der behördlichen Entscheidung ge- gen diese Rechtsmittel einzulegen und in diesem Zusammenhang Akteneinsicht zu neh- men. Hinsichtlich des Fragenkatalogs von 2011 ist der Ausschlussgrund auch nicht zu vernei- nen, weil eine Vorenthaltung der Information nicht dem Schutz laufender oder bevorste-
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